© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 036/17 Regelungen zur Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer im öffentlichen Personennahverkehr und Fernverkehr mit Bussen in Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 036/17 Seite 2 Regelungen zur Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer im öffentlichen Personennahverkehr und Fernverkehr mit Bussen in Deutschland Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 036/17 Abschluss der Arbeit: 27. April 2017 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 036/17 Seite 3 1. Einleitung Mit dem vorliegenden Sachstand werden die rechtlichen Vorgaben dargestellt, die die Barrierefreiheit im Busverkehr insbesondere für Rollstuhlfahrer zum Gegenstand haben. Dabei ist zwischen Regelungen für den öffentlichen Personennahverkehr einerseits und dem Busfernverkehr andererseits zu unterscheiden. 2. Rechtliche Vorgaben für die Barrierefreiheit des öffentlichen Personennahverkehrs mit Bussen Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge.1 Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG)2 definiert den öffentlichen Personennahverkehr dabei als „die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt.“3 Obusse (Oberleitungsomnibusse) sind dabei „elektrisch angetriebene, nicht an Schienen gebundene Straßenfahrzeuge, die ihre Antriebsenergie einer Fahrleitung entnehmen.“4 Mit dem Begriff der Kraftfahrzeuge sind Straßenfahrzeuge gemeint, die durch eigene Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Schienen oder eine Fahrleitung gebunden zu sein. Darunter fallen auch Kraftomnibusse. Dies sind Kraftfahrzeuge, „die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von mehr als neun Personen (einschließlich Fahrer) geeignet und bestimmt sind“.5 Unabhängig von der Frage der Finanzierung sind in der föderalen Struktur Deutschlands die einzelnen Bundesländer und nicht der Bund für die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung 1 Dazu § 1 Regionalisierungsgesetz vom 27.12.1993, BGBl. I S. 2378, 2395; zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2016, BGBl. I S. 3234), abzurufen unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/regg/gesamt.pdf (letzter Abruf: 27.04.207). 2 Personenbeförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.08.1990, BGBl. I S. 1690; zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.08.2016, BGBl. I S. 2082, abzurufen unter: https://www.gesetze-im-internet .de/pbefg/index.html (letzter Abruf: 27.04.2017) 3 § 8 Abs. 1 PBefG. 4 § 4 Abs. 3 PBefG. 5 § 4 Abs. 4 PBefG. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 036/17 Seite 4 der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr unter anderem mit Bussen zuständig.6 Die Behörden der Länder müssen dazu die Anforderungen an Umfang und Qualität des Verkehrsangebots, dessen Umweltqualität sowie die Vorgaben für die verkehrsmittelübergreifende Integration der Verkehrsleistungen in einem sog. Nahverkehrsplan definieren. Diese Nahverkehrspläne haben „die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen mit dem Ziel zu berücksichtigen, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen.“7 Nach § 4 Behindertengleichstellungsgesetz8 sind insbesondere bauliche oder sonstige Anlagen, Verkehrsmittel sowie andere gestaltete Lebensbereiche barrierefrei, „wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei sind die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig .“ Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass diese allgemeinen Regelungen und insbesondere die bundesgesetzlichen Vorgabe, bis zum 1. Januar 2022 den öffentlichen Personennahverkehr insbesondere auch mit Bussen vollständig barrierefrei und damit auch für Rollstuhlfahrer in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar zu machen, in den einzelnen Bundesländern Deutschlands unterschiedlich umgesetzt werden. So wurden auf der Ebene der Bundesländer Behindertengleichstellungsgesetze erlassen, die in unterschiedlicher Art und Weise die Ziele der Herstellung von Barrierefreiheit auch in den Bereichen Bau und Verkehr verfolgen. Daneben gehen die Bundesländer in ihren Landesnahverkehrsgesetzen auf die Belange behinderter mobilitätseingeschränkter Menschen mit unterschiedlichen Formulierungen ein. Regelungsgegenstand sind dabei sowohl die Barrierefreiheit der Fahrzeuge selbst als auch die Barrierefreiheit von Anlagen des öffentlichen Personennahverkehrs wie etwa Haltestellen.9 6 § 8 Abs. 3 PBefG. 7 § 8 Abs. 3 S. 3 PBefG. 8 Behindertengleichstellungsgesetz vom 27.04.2002, BGBl. I S. 1467, 1468; zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2016, BGBl. I S. 3234. 9 Umfassend dazu Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. (2012). Barrierefreier ÖPNV in Deutschland. 2. Auflage 2012. S. 112 ff. Das Buch ist als zweisprachiges Werk in deutscher und englischer Sprache erschienen. Es kann unter nachfolgender Internetadresse bezogen werden: http://www.eurailpress.de/buchshop/fachbuecher /gesamtprogramm.html (letzter Abruf: 27.04.2017). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 036/17 Seite 5 Seit 2009 sind im Bundesland Berlin beispielsweise sämtliche im öffentlichen Personennahverkehr eingesetzten Busse für Menschen mit Behinderung, insbesondere im Rollstuhl, aufgrund der in den Fahrzeugen eingesetzten Absenkautomatik geeignet.10 3. Rechtliche Vorgaben für die Barrierefreiheit im Busfernverkehr Die rechtliche Situation im Busfernverkehr ist etwas anders. Eine Regelung, wonach es Aufgabe des Staates wäre, eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im Busfernverkehr sicherzustellen, existiert in Deutschland nicht. Vielmehr wurde erst durch das Gesetz zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften11, das am 1. Januar 2013 in Kraft trat und einige Vorschriften im PBefG änderte und neu einführte, der Omnibusfernlinienverkehr liberalisiert. Vor Inkrafttreten dieser Änderungen war die Einrichtung eines inländischen Fernlinienbusverkehrs häufig nicht möglich, weil bereits eine „befriedigende Verkehrsbedienung “ durch die Eisenbahnen vorlag. Durch die Änderungen im PBefG wurde unter anderem dieser Konkurrenzschutz zugunsten der Eisenbahnen im Fernverkehr beseitigt, so dass die Neuregelungen künftig den Wettbewerb zwischen Omnibussen und Eisenbahnen im Personenfernverkehr ermöglichen.12 Nach dem mit dieser Novelle eingeführten § 42a PBefG ist Personenfernverkehr dabei jeder Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, der weder öffentlicher Personennahverkehr im Sinne der oben genannten Definition ist noch eine Sonderform des Linienverkehrs wie etwa organisierter Schüler -, Berufs- oder Marktverkehr darstellt. Im Hinblick auf die Frage, welche rechtlichen Vorgaben für die Barrierefreiheit im Busfernverkehr gelten, ist der ebenfalls mit der Novelle 2012/2013 eingeführte § 42b PBefG von Bedeutung. Diese Norm gibt vor, welche technischen Anforderungen an die Kraftomnibusse gestellt werden, die im Personenfernverkehr eingesetzt werden. Danach müssen sie - mit mindestens zwei Stellplätzen für Rollstuhlnutzer ausgerüstet sein und 10 Siehe dazu zum einen die Informationen auf der Internetseite der Berliner Verkehrsbetriebe unter dem Link: http://www.bvg.de/de/Service/Service-fuer-unterwegs/Mobilitaetshilfen (letzter Abruf: 27.04.2017) sowie zum anderen die Informationen auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales unter dem Link: https://www.berlin.de/sen/soziales/themen/menschen-mit-behinderung/barrierefreiheit/nahverkehr/ (letzter Abruf: 27.04.2017). 11 Gesetz vom 14.12.2012, BGBl. I S. 2598. 12 Deutscher Bundestag (2011). Entwurf eines Gesetzes zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften . Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21.12.2011. BT-Drs. 17/8233. S. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 036/17 Seite 6 - den Vorschriften des Anhangs VII der Richtlinie 2001/85/EG vom 20. November 2001 über besondere Vorschriften für Fahrzeuge zur Personenbeförderung mit mehr als acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz13 entsprechen. Dieser Anhang VII der Richtlinien 2001/85/EG enthält zahlreiche detaillierte Vorgaben für Fahrzeuge , die für leichten Zugang von Fahrgästen mit eingeschränkter Mobilität und von Rollstuhlfahrern ausgelegt sind. So werden etwa Mindestgrößen für Rollstuhlstellplätze in den Bussen definiert , und es wird vorgegeben, dass der Zugang von Rollstuhlfahrern mittels Absenkvorrichtung in Kombination mit einer Rampe oder einer Hubvorrichtung zu ermöglichen ist.14 Zu beachten ist allerdings § 62 Abs. 3 PBefG. Danach gelten § 42b PBefG und somit die Regelungen des Anhangs VII der Richtlinie 2001/85/EG ab dem 1. Januar 2016 nur für die Busse, die erstmals zum Verkehr zugelassen werden. Erst ab dem 1. Januar 2020 gelten diese Regelungen für alle, also auch für die Fernlinienverkehrsbusse, die vor dem 1. Januar 2016 erstmals zum Verkehr zugelassen wurden. Bundesrechtliche Regelungen, wonach Haltestellen bzw. Busterminals im Fernlinienbusverkehr barrierefrei insbesondere für Rollstuhlfahrer sein müssen, existieren in Deutschland nicht. * * * 13 Richtlinie 2001/85/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.11.2001 über besondere Vorschriften für Fahrzeuge zur Personenbeförderung mit mehr als acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und zur Änderung der Richtlinien 70/156/EWG und 97/27/EG. ABl. EG Nr. L 42 vom 13.02.2002. S. 1. Eine Fassung dieser Richtlinie in englischer Sprache ist auf folgender Internetseite der Europäischen Union abrufbar: http://eur-lex.europa .eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX:32001L0085 (letzter Abruf: 26.04.2017). 14 Siehe Ziff. 3.6.1. sowie Ziff. 3.6.2. des Anhangs VII der Richtlinie 2001/85/EG.