Veröffentlichung von Informationen über Empfänger von Agrarbeihilfen - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 035/09 2 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Veröffentlichung von Informationen über Empfänger von Agrarbeihilfen Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 035/09 Abschluss der Arbeit: 11.03.09 Fachbereich WD 5: Wirtschaft und Technologie; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Tourismus Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. 3 1. Einleitung Gemäß Artikel 44a der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 gewährleisten die EU- Mitgliedstaaten jedes Jahr die nachträgliche Veröffentlichung der Informationen über die Empfänger von Mitteln aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) sowie der Beträge, die jeder Empfänger aus diesen Fonds erhalten hat. Zweck der Veröffentlichung dieser Informationen ist größere Transparenz in Bezug auf die Verwendung der Fondsmittel und eine wirtschaftlichere Haushaltsführung. Die Rechtsetzung der EU geht auf die im Jahr 2004 gestartete sog. Transparenzinitiative zurück, mit der zunehmender Kritik an der Haushaltsführung der EU-Kommission begegnet werden sollte. Ein Schwerpunkt war die Verteilung der Mittel im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die nach Auffassung ihrer Kritiker Großbetriebe im Eigentum juristischer Personen außerhalb des Agrarsektors anstelle der zu erhaltenden bäuerlichen Landwirtschaft begünstigte. Um Qualität und Quantität der verschiedenen Beihilfen nach außen besser sichtbar zu machen, wurde festgelegt, dass die ersten Internet -Veröffentlichungen bezüglich des ELER bis 30.09.2008 und bezüglich des EGFL bis zum 30. April 2009 erfolgen sollten. In einer Reihe von Mitgliedstaaten sind die entsprechenden Daten bereits abrufbar1. Die vom BMELV und der BLE für Deutschland eingerichtete Internetseite enthält noch keine Daten2. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat zu Beginn des Jahres 2009 in (wortgleichen) Entscheidungen vom 27.02.20093 aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken gegen die in Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 und in Verordnung (EG) Nr. 259/2008 genannten Informationspflichten der Mitgliedstaaten zwei bei ihm anhängige Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof verschiedene Fragen zum Datenschutzrecht und zur Gültigkeit dieser Verordnung zur Vorabentscheidung vorgelegt. Gemäß Art. 242 EGV hat eine solche Vorlage hat zwar grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich die Umsetzung der Transparenzinitiative im weiteren Verlauf verzögert, oder insgesamt in Frage gestellt wird. 1 zentral abrufbar über: http://ec.europa.eu/agriculture/funding/index_de.htm 2 http://www.agrar-fischerei-zahlungen.de/ 3 VG Wiesbaden, AZ 6 K 1045/08 und AZ 6 K 1352/08.WI. 4 2. Entscheidungsgründe Nach Ansicht des VG Wiesbaden verstoßen die Art. 44a und 40 Abs. 1 Nr. 8b der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 gegen primäres Gemeinschaftsrecht, nämlich gegen Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), in dessen Abs. 2 neben einer gesetzlichen Grundlage auch die gesellschaftliche Notwendigkeit eines Eingriffs in das Privatleben gefordert ist. Insbesondere bezweifelt das VG, dass die Vorschriften der in Deutschland mit dem Agrarund Fischereifonds-Informationen-Gesetz (AFIG) und der Agrar- und Fischereifonds- Informationen-Verordnung (AFIVO) vom Dezember 2008 umgesetzten VO (EG) 259/2008 notwendig oder gar geeignet sind, die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel herzustellen. Die angestrebte Transparenz der Mittelverwendung für die Öffentlichkeit wird hierbei nicht als eigenständiger Rechtsgrund anerkannt. Zum anderen wird bemängelt, dass – auch wenn die Notwendigkeit der Veröffentlichung überzeugend dargelegt wäre – die Bereitstellung der Daten im Internet ein Maß an Öffentlichkeit herstelle , die über den in den Gesetzestexten genannten Zweck weit hinausgehe. Außerdem fehle es an einer schlüssigen, über die bloße Verpflichtung zur Umsetzung von EU- Verordnungen hinausgehenden, Darlegung der zuständigen (Landes-) Behörden, inwiefern die Veröffentlichung dem öffentlichen Wohl des Landes oder einem zwingenden öffentlichen Interesse diene. Hierzu wird auf die Rechtsprechung des EuGH in einer Reihe anderer Fälle aus anderen Bereichen der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens verwiesen, in denen diese Darlegung für zwingend erforderlich erachtet und die Angemessenheit als zentrales Kriterium der rechtlichen Bewertung eng ausgelegt wurde. Das VG Wiesbaden bezweifelt somit die Gültigkeit der zugrundeliegenden Rechtssetzung . Sollte der EuGH die Gültigkeit der verschiedenen, der Veröffentlichung von Zahlungsempfängern zugrunde gelegten Rechtsakte bestätigen, so meldet das VG Wiesbaden Zweifel hinsichtlich der Angemessenheit der Veröffentlichung der personenbezogenen Daten im Internet an, die es in jedem Fall für nicht zweckdienlich bzw. in keinem korrekten Verhältnis zu dem damit verbundenen Eingriff in die Privatsphäre stehend hält. 5 3. Vorgeschichte Schon im Vorfeld der Umsetzung der sog. Transparenzinitiative wurden von den Informationsfreiheits - und Datenschutzbeauftragten der Länder datenschutzrechtliche Aspekte umfangreich erörtert. Sowohl im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit der zur Veröffentlichung vorgesehenen Daten als auch bezüglich der Eigentums- und Beruffreiheit, speziell einer evtl. Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen wurden in der juristischen Abwägung keine nennenswerten Hindernisse identifiziert4. Die Beurteilung von Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit der Maßnahmen stand allerdings nicht im Mittelpunkt dieser Erwägungen, da die Präzisierung der zu veröffentlichenden Daten noch nicht erfolgt war. Auch nach Vorliegen des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs haben sich Bundestag und Bundesrat nicht mehr näher mit dieser Fragestellung befasst. Allerdings bemängelte die Arbeitsgruppe der Datenschutz- und Informationsfreiheits- Beauftragten kurz nach der Verabschiedung im Bundestag und vor der abschließenden Beratung im Bundesrat, dass die schließlich im AFIG festgelegte Form der Veröffentlichung in Deutschland sich mit der Angabe von Namen, Sitz, Förderbeträge aus EAGFL und aus ELER und ggf. der Summe der beiden Beträge eng an die in der Verordnung (EG) Nr. 259/2008 genannten Mindestanforderungen halte. Im Protokoll der 17. Sitzung des Arbeitskreises Informationsfreiheit am 22./23. Oktober 2008 in Schwerin heißt es: „Einerseits wird es als positiv angesehen, dass Informationen über Empfänger von Agrarsubventionen in Zukunft veröffentlicht werden. Andererseits wird von den Sitzungsteilnehmern kritisiert, dass weder der jeweilige konkrete Förderungszweck noch der insoweit zugeflossene Förderbetrag angegeben wird“. In der anschließenden Pressemitteilung verlautbart die IFK: „Diese Regeln können ein wichtiges Instrument zur Erhöhung der Akzeptanz der Förderungen werden, wenn alle Betroffenen gleich behandelt werden. Wünschenswert wäre jedoch in der zu verabschiedenden Verordnung eine Ergänzung der Angaben um den jeweiligen Zweck der Förderung, um so eine öffentliche Kontrolle der zweckentsprechenden Verwendung der Mittel zu er- 4 s. hierzu: : Die Transparenzinitiative der Kommission unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste WD 11, 13.06.2008 (Anlage 1) 6 möglichen“. Allerdings sah der IFK angesichts des gedrängten Zeitablaufs keine Möglichkeit mehr, diesen Wunsch in der nationalen Gesetzgebung noch zu verankern. Mit dem Beschluss von Schwerin hielten sich die Informationsfreiheits- und Datenschutzbeauftragten an den Duktus früherer Stellungnahmen aus dem Kreis der Datenschutzbeauftragten . So hatte sich im Jahr 2006 der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit im Rahmen der Konsultation zur Transparenzinitiative (Grünbuch ) ausdrücklich für eine namentliche Veröffentlichung der Empfänger ausgesprochen , um „politische Mitgestaltung und bürgerschaftliches Engagement“ zu ermöglichen . Die Offenlegung einer anonymisierten Statistik o. ä. könne dieser Aufgabe nicht gerecht werden. In der geplanten Veröffentlichungspflicht sah er keine Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen, sofern die Empfänger bei der Beantragung der Beihilfen über die Veröffentlichungspflicht informiert werden. Bedenken wurden in diesem Stadium von Seiten des Bundesrats geäußert, welcher der Auffassung war, im Bereich der Agrarpolitik sei „prinzipiell hinreichende Transparenz gewährleistet“. Zur Verbesserung der Transparenz sei eine Veröffentlichung in „anonymisierter und aggregierter Form (…) ausreichend“. 4. Folgen Das VG Wiesbaden ist der Auffassung des Bundesrats, die lt. Protokollen der Ausschussberatungen im Vorfeld auch von der Bundesregierung geteilt wurde, gefolgt. Zur Begründung seiner Entscheidung zieht es u. a. einen Brief des BMELV heran, nach dem „aus fachlicher Sicht des BMELV die Kontrolle der verwendeten Mittel und die Verhütung von Unregelmäßigkeiten nicht verbessert werden. Es bestünden schon umfangreiche Kontrollmechanismen, die weiterentwickelt würden. “ Die in Erwägungsgrund 14 zur VO (EG) 1437/20075 enthaltene Rechtfertigung der Veröffentlichung des Eingriffs personenbezogener Daten6 wurde in der Entscheidung 5 Mit dieser Verordnung wurden die VO (EG) 1290/2005 entsprechend der Ziele der Transparenzinitiative geändert 6 dort heißt es: „Diese Informationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, erhöht die Transparenz in Bezug auf die Verwendung der Gemeinschaftsmittel in der gemeinsamen Agrarpolitik und verbessert, insbesondere durch eine stärkere öffentliche Kontrolle der verwendeten Mittel, die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung bei diesen Fonds. Angesichts der überragenden Bedeutung der verfolgten Ziele ist es unter Berücksich- 7 des VG Wiesbaden hingegen nicht anerkannt. Es merkt lediglich an, „dass die Transparenz keinen eigenständigen Zweck darstellt, sondern das Ergebnis einer Maßnahme beschreibt “. Angesichts der Vorgeschichte der Transparenzinitiative wäre es nicht überraschend, wenn der EuGH hier zu einer anderen Beurteilung käme. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die im Prozess der politischen Einigung vorgenommenen Abstriche dazu geführt haben, dass die übrig gebliebenen, zur Veröffentlichung bestimmten Daten nur einen kleineren Teil der ursprünglichen Intention zu erfüllen vermögen. Zwar kann sich die Öffentlichkeit nun selbst über die Verteilung der Mittel der beiden Säulen der GAP auf einzelne Betriebe und deren Besitzstruktur machen , und Kritik oder Zustimmung auf einer verbreiterten Informationsbasis formulieren . Durch den hohen Aggregationsgrad der Daten ist es aber z.B. nicht möglich, Aufschlüsse über die Art der aus dem ELER finanzierten Maßnahmen in einer Region zu erhalten. Auch Informationen über bestimmte Betriebsarten und soziale Kriterien wie Beschäftigtenzahlen sind außer Ansatz geblieben. Deshalb ist auch nicht auszuschließen, dass der EuGH der Auslegung des VG Wiesbaden folgt und Verhältnismäßigkeit sowie Angemessenheit der Vorschrift aufgrund der geringen Aussagkraft der Datensätze nicht mehr für gegeben hält. Informationen über weitere datenschutzrechtlich begründete Klagen aus Deutschland oder aus anderen EU-Mitgliedstaaten liegen bisher nicht vor. Auch sind bislang Klagen wegen der Verletzung der Eigentums- und Berufsfreiheit nicht bekannt geworden. - 4 -