© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 034/21 Nachweis eines reduzierten Infektionsrisikos bei der Personenbeförderung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/21 Seite 2 Nachweis eines reduzierten Infektionsrisikos bei der Personenbeförderung Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 034/21 Abschluss der Arbeit: 14. April 2021 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 4 3. Beförderungspflicht und Beförderungsbedingungen 5 3.1. Nahverkehr und Fernbusse 5 3.1.1. Beförderungspflicht 5 3.1.2. Allgemeine Beförderungsbedingungen 6 3.1.3. Besondere Beförderungsbedingungen 6 3.2. Eisenbahnverkehr 6 3.3. Luftverkehr 7 4. Nachweis reduzierten Infektionsrisikos 8 4.1. Grundsatz der Beförderungspflicht 8 4.2. Abwägungsfaktoren 9 4.3. Nachweis eines negativen Testergebnisses 9 4.4. Impfnachweis 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/21 Seite 4 1. Fragestellung Es stellt sich die Frage, ob Personenbeförderungsunternehmen (Luftverkehr, Bahn und Fernbus), aus eigenem Ermessen ihre Transportleistungen an den Nachweis eines reduzierten Infektionsrisikos binden können. Diese Ausarbeitung bezieht sich auf zwei Nachweismöglichkeiten: ein negatives Testergebnis und eine Impfbescheinigung. Die Ausarbeitung beschränkt sich auf privatwirtschaftliche Unternehmen, an denen die öffentliche Hand keine Anteile hält. Für den Luftverkehr bezieht sich die Ausarbeitung auf das Luftverkehrsgesetz unter der Annahme, dass dieses in Bezug auf die hier relevanten Personenbeförderungsbedingungen den internationalen Abkommen entspricht. 2. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Grundsätzlich können privatwirtschaftlich tätige Personenbeförderungsunternehmen ihre vertraglichen Beziehungen beliebig regeln. Diese Vertragsautonomie ergibt sich aus der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG.1 Damit können sie im Grundsatz auch bestimmen, unter welchen Bedingungen eine Beförderungsleistung an welche Personen erbracht wird.2 Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)3 sieht jedoch Einschränkungen dieser Vertragsfreiheit vor. Das Gesetz „regelt den Schutz vor Diskriminierung aus rassistischen Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität durch private Akteure, wie bspw. Arbeitgeber, Vermieter, sowie Anbieter von Waren und Dienstleistungen. Allerdings dürfte der Impfstatus unter keines dieser Merkmale zu fassen sein. Es wird zum Teil erwogen, das Merkmal der Behinderung zumindest für solche Personen heranzuziehen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können. Diese Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zudem regelt § 20 Abs. 1 AGG, dass in bestimmten Fällen eine Ungleichbehandlung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein kann. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AGG. Das von ungeimpften Personen ausgehende Infektionsrisiko könnte damit die Ungleichbehandlung als sachlichen Grund rechtfertigen.“4 1 BVerfGE 89, 214, 231. 2 Vgl. dazu in Bezug auf bereits etablierte Impfungen Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 5 – 3000 – 016/21, S. 5, https://www.bundestag.de/resource /blob/829892/648baa6fb08c4630f145c625737807e9/WD-5-016-21-pdf-data.pdf. 3 https://www.gesetze-im-internet.de/agg/BJNR189710006.html. 4 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3 – 3000 – 001/21, S. 10, https://www.bundestag .de/resource/blob/817546/f6116e700eff33433cb8123198852d11/WD-3-001-21-pdf-data.pdf, (Fußnoten des Originals ausgelassen); siehe auch S. 11: „Die Ungleichbehandlung von Ungeimpften im Privatrechtsverkehr wirft hingegen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken auf“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/21 Seite 5 3. Beförderungspflicht und Beförderungsbedingungen Für Personenbeförderungsunternehmen, die einer Beförderungspflicht unterliegen, kann es außerdem Einschränkungen geben. 3.1. Nahverkehr und Fernbusse 3.1.1. Beförderungspflicht Beförderungsunternehmen die unter das Personenbeförderungsgesetz (PBefG)5 fallen, trifft in der Regel die Beförderungspflicht aus § 22 PBefG. Vom Anwendungsbereich des PBefG erfasst ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 PBefG die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, mit Oberleitungsomnibussen (Obussen) und mit Kraftfahrzeugen. Eisenbahnverkehr, der nicht Straßenbahnverkehr im Sinne des § 4 Abs. 1 oder 2 PBefG ist, ist nicht erfasst.6 Zu den Straßenbahnen können aber S-Bahnen zählen, wenn sie ausschließlich oder überwiegend Orts- und Nachbarortsverkehr dienen (im Unterschied zum Regionalverkehr).7 Gleiches gilt für U-Bahnen.8 Unter den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen fällt unter anderem der Busfernverkehr. Die Vorschiften des PBefG gelten innerhalb Deutschlands.9 Die Beförderungspflicht ist auf die Erbringung der genehmigten Beförderungsleistungen an jedermann im Rahmen der Betriebspflicht nach § 21 PBefG gerichtet. Dies bringt einen Beförderungsanspruch mit sich, der aus der Beschränkung der Allgemeinen Handlungsfreiheit des Publikums durch Monopolisierung des Leistungsangebots resultiert. Die Beförderungspflicht ist eine Ausprägung des daseinsvorsorglichen Teilhabeanspruchs.10 Damit besteht ein Kontrahierungszwang, der den Unternehmer zum Abschluss eines Beförderungsvertrages verpflichtet.11 Die Beförderungspflicht besteht jedoch nur dann, wenn insbesondere die Beförderungsbedingungen eingehalten werden, vgl. § 22 Nr. 1 PBefG. 5 https://www.gesetze-im-internet.de/pbefg/BJNR002410961.html. 6 Heinze, in: Heinze/Fehling/Fiedler, Personenbeförderungsgesetz, 2. Auflage 2014, § 1 Rn. 4. 7 Ebd., Rn. 1. 8 Bauer, Personenbeförderungsgesetz, 2010, § 4 Rn. 3. 9 Heinze, in: Heinze/Fehling/Fiedler, Personenbeförderungsgesetz, 2. Auflage 2014, § 1 Rn. 3. 10 Ebd., § 22 Rn. 1. 11 Jahn, in: Redeker/Uechtritz, Anwaltshandbuch Verwaltungsverfahren, 4. Auflage 2020, Kapitel C, Rn. 34b. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/21 Seite 6 3.1.2. Allgemeine Beförderungsbedingungen Auf Grundlage des § 57 Abs. 1 Nr. 5 PBefG wurde für den Bereich des Personenbeförderungsgesetzes die Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahnund Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen (BefBedV)12 erlassen. Diese sieht in § 3 Abs. 1 S. 1 den Ausschluss von der Beförderung für Personen vor, die eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Betriebes oder für Fahrgäste darstellen. Insbesondere sind dies nach Nr. 2 „Personen mit ansteckenden Krankheiten“. Diese Vorschrift dürfte jedoch lediglich für den Fall einschlägig sein, wenn nachweislich eine Covid-19 Infektion vorliegt, nicht jedoch – jedenfalls dem Wortlaut nach – wenn Personen nicht gegen ansteckende Krankheiten geimpft sind. Auch dürfte sich aus dieser Vorschrift eher keine Testpflicht herleiten lassen, da zumindest der erste Anschein eines Ausschlussgrundes nach § 3 wohl grundsätzlich vom Unternehmer darzulegen sein dürfte. 3.1.3. Besondere Beförderungsbedingungen § 39 Abs. 6 PBefG bestimmt ferner für Straßenbahnen ausdrücklich (und für Obusse und den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen nach den § 41 Abs. 3, § 45 Abs. 2 PBefG entsprechend), dass Beförderungsbedingungen vor ihrer Einführung der Genehmigungsbehörde zur Zustimmung vorzulegen sind, soweit sie von den Allgemeinen Beförderungsbedingungen abweichen (Besondere Beförderungsbedingungen ). Nach § 1 S. 2 BefBedV kann die zuständige Behörde Anträgen auf Abweichungen von den Bestimmungen dieser Verordnung zustimmen. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Zustimmung .13 Die Beförderungsbedingungen können jedoch nur von der BefBedV abweichen, wenn besondere Verhältnisse das erfordern. Dies müssen die Unternehmen begründen.14 Die Behörde hat zu prüfen, ob der Verwendung der Besonderen Beförderungsbedingungen öffentliche Interessen entgegenstehen.15 3.2. Eisenbahnverkehr Für öffentliche Eisenbahnverkehrsunternehmen, die dem Personenverkehr dienen, bestehen ähnliche Vorschriften. Die Beförderungspflicht und ein damit einhergehender Kontrahierungszwang 12 http://www.gesetze-im-internet.de/befbedv/BJNR002300970.html. 13 Heinze/Fiedler, in: Heinze/Fehling/Fiedler, Personenbeförderungsgesetz, 2. Auflage 2014, § 39 Rn. 44. 14 Hilpert, Beförderungsbedingungen im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs als Rechtsproblem, NZV 2007, 288 (289). 15 Bauer, Personenbeförderungsgesetz, 2010, § 39 Rn. 24. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/21 Seite 7 ergeben sich aus § 10 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG).16 Die Einhaltung der Beförderungsbedingungen ist ebenfalls Voraussetzung für das Bestehen der Beförderungspflicht, vgl. § 10 Nr. 1 AEG.17 Beförderungsbedingungen der Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) sind genehmigungspflichtig .18 Die Genehmigung ist Voraussetzung für die Erbringungen von Eisenbahnverkehrsdiensten, vgl. § 12 Abs. 3 S. 1 AEG. Den Rahmen für Beförderungsbedingungen setzen die Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO)19 sowie europarechtliche Vorschriften.20 Maßgeblich für die Genehmigungsfähigkeit von Beförderungsbedingungen nach § 12 Abs. 5 S. 1 AEG ist allein die Vereinbarkeit mit geltendem Recht.21 Dabei hat die Behörde auch Grundrechte zu beachten, auch wenn das jeweilige EVU nicht selbst grundrechtsverpflichtet ist. Insbesondere bedarf es einer grundrechtskonformen Auslegung des § 12 Abs. 5 AEG.22 3.3. Luftverkehr § 21 Abs. 2 S. 3 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) enthält für Flugverkehrsunternehmen, die Linienverkehr betreiben, einen rein privatrechtlichen Kontrahierungszwang, um den Zugang der Allgemeinheit zu Flugbeförderungsleistungen sicherzustellen.23 Begrenzt wird der Kontrahierungszwang durch die Unzumutbarkeit für das Beförderungsunternehmen. Wann eine Beförderung unzumutbar ist, ist Frage des Einzelfalls.24 Nach Stimmen aus der Literatur gilt der Kontrahierungszwang jedoch nicht für innergemeinschaftliche Flugdienste, da europäisches Recht25 in diesem Bereich die Regelung des § 21 Abs. 2 16 https://www.gesetze-im-internet.de/aeg_1994/BJNR239600993.html. 17 Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, 1. Auflage 2012, § 10 Rn. 1f. 18 Wilmsen, in: Kühling/Otte, AEG, ERegG, 2020, § 12 AEG Rn. 2. 19 http://www.gesetze-im-internet.de/evo/BJNR206630938.html. 20 Vgl. Wilmsen, in: Kühling/Otte, AEG, ERegG, 2020, § 10 Rn. 22. 21 Ebd., § 12 Rn. 60. 22 Vgl. Wilmsen, in: Kühling/Otte, AEG, ERegG, 2020, § 12 Rn. 61. 23 Vgl. Schaefer, Kontrahierungszwang und Beförderungspflicht im Luftverkehr, ZLW 2015, 453 (455). 24 Ebd., 460. 25 So Schaefer, ebd., unter Verweis auf die Grundfreiheiten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/21 Seite 8 S. 3 verdränge.26 So bestehe er nur für den Linienverkehr aus der Bundesrepublik Deutschland in Drittstaaten.27 Luftfahrtunternehmen können ihre Beförderungsbedingungen grundsätzlich frei bestimmen.28 Eine Genehmigungspflicht besteht nicht. Als allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen die Beförderungsbedingungen der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)29.30 Gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 LuftVG31 sind Beförderungsbedingungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine Abweichung von den veröffentlichten Beförderungsbedingungen der Luftfahrtunternehmen ist nur zugunsten der Verbraucher zulässig.32 Die Beförderungsbedingungen sind ferner der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen. Beförderungsbedingungen können gemäß § 21 Abs. 2 S. 2 LuftVG ganz oder teilweise untersagt werden, wenn dadurch öffentliche Verkehrsinteressen nachhaltig beeinträchtigt werden.33 Öffentliche Verkehrsinteressen schützen das Interesse der Allgemeinheit an der Einrichtung, Aufrechterhaltung , Sicherheit und Rentabilität einer regelmäßigen, jedermann offen stehenden und zuverlässigen Verkehrsverbindung.34 Die Möglichkeit der Untersagung dient insbesondere dazu, einem Missbrauch einer Marktstellung durch ein Luftfahrtunternehmen entgegenzuwirken.35 4. Nachweis reduzierten Infektionsrisikos 4.1. Grundsatz der Beförderungspflicht Für alle Beförderungsarten ergibt sich aus den oben unter 4. dargestellten Regelungen der Grundsatz einer Beförderungspflicht bzw. des Kontrahierungszwangs. Daher gilt für alle Beförderungsarten eine öffentliche Kontrolle der Beförderungsbedingungen. Die Formulierung des Kontrollvorbehalts im Luftverkehrsrecht dürfte dabei grundsätzlich einen weiteren Spielraum für die Unternehmen zulassen, als bei der Personen- oder Eisenbahnbeförderung. Hierfür spricht auch, dass 26 Ebd., 458. 27 Ebd., 461. 28 Vgl. Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, Lfg. 41 – 1. Mai 2005, § 21 Rn. 18. 29 https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/BJNR001950896.html. 30 Vgl. Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 5. Auflage 2019, Kapitel 14 Rn. 68. 31 https://www.gesetze-im-internet.de/luftvg/BJNR006810922.html. 32 Vgl. Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 5. Auflage 2019, Kapitel 14 Rn. 42. 33 Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 5. Auflage 2019, Kapitel 14 Rn. 73. 34 Vgl. Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, Lfg. 41 – 1. Mai 2005, § 22 Rn. 17. 35 Vgl. BT-Drs. 14/8730, S. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/21 Seite 9 lediglich eine (reaktive) Untersagungsmöglichkeit vorgesehen ist, nicht aber die wohl engere Kontrolle des (aktiven) Genehmigungsvorbehalts. Ferner spricht hierfür auch der engere Wortlaut („die öffentlichen Verkehrsinteressen nachhaltig beeinträchtigt werden“).36 4.2. Abwägungsfaktoren Einschlägige Rechtsprechung zu Impfungen bei der Personenbeförderung liegt nicht vor. Auch zur Wirksamkeit von Beförderungsbedingungen besteht nahezu keine Rechtsprechung. Lediglich in einem Urteil im Jahr 1980 sah der Bundesgerichtshof die Einführung eines Rauchverbots auf U-Bahnhöfen durch Beförderungsbedingungen einer Verkehrsgesellschaft aus Gründen des erhöhten Reinigungsaufwands als gerechtfertigt an, ohne aber auf Gesundheitsaspekte einzugehen .37 Ob der Nachweis eines reduzierten Infektionsrisikos als Beförderungsbedingung zustimmungsfähig ist, dürfte sich nicht generell für alle Fälle einheitlich beurteilen lassen. Wesentliche Entscheidungsfaktoren dürften wohl vor allem aus virologischer und epidemiologischer Sicht in Bezug auf das gesamte Infektionsgeschehen und zu dem Zeitpunkt der Regelungsänderung zu beurteilen sein. Hierbei sind unter anderem folgende Fragen relevant: − Besteht ein erhöhtes Ansteckungsrisiko in den Beförderungsmitteln, dem sich am effektivsten mit einem Test- oder Impfnachweis begegnen lässt? − Handelt es sich um das Risiko einer Eigen- oder Fremdansteckung? − Mindert ein negativer Test oder eine Covid-19-Impfung das Risiko einer Ansteckung oder Übertragung in signifikanter Weise oder schließt dieses Risiko aus? − Welche persönlichen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Risiken fallen bei einem Test und bei einer Impfung jeweils ins Gewicht? − Welche gesetzlichen Pflichten bestehen bereits zum Testen und zum Impfen? Darüber hinaus dürfte bei der Abwägung eine Rolle spielen, ob und in welchem Maße alternative Beförderungswege für etwaig ausgeschlossene Personen zur Verfügung stehen. 4.3. Nachweis eines negativen Testergebnisses Der Nachweis eines negativen Testergebnisses ist bereits zum jetzigen Zeitpunkt für jedermann möglich, so dass kein Ausschluss bestimmter Personen erfolgen würde. Ferner ist ein negatives Testergebnis bereits jetzt schon gesetzliche Vorgabe für den Zutritt zu bestimmten Bereichen öffentlichen Lebens. Mithin dürften für einen solchen Nachweis als Beförderungsbedingung gute Gründe sprechen. Ob entsprechende Kontrollen im täglichen Massenverkehr über Stichproben hinaus praktikabel zu handhaben wären, erscheint zweifelhaft, ist aber nicht Gegenstand dieser Ausarbeitung. 36 Hervorgehoben durch den Autor der Ausarbeitung. 37 BGH, Urteil vom 4. Dezember 1980 – VII ZR 217/80. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/21 Seite 10 4.4. Impfnachweis Ein Impfnachweis als Alternative zum Testnachweis dürfte wohl vorbehaltlich der weiteren Regelungsdetails grundsätzlich zulässig sein. Ein Impfnachweis als absolute Beförderungsbedingung hingegen dürfte wohl vielfach Bedenken begegnen. Anders als die Möglichkeit eines Tests steht eine Impfung einer Mehrheit der potentiellen Beförderungskunden derzeit noch nicht zur Verfügung. Diese wären von der Teilhabe an Verkehrsdiensten ausgeschlossen. Dies dürfte dem öffentlichen Verkehrsinteresse regelmäßig entgegenstehen. Dies könnte sich zwar anders darstellen, wenn z. B. eine signifikante Mehrheit der Bevölkerung geimpft wurde und dann am Verkehr teilnehmen könnte. Allerdings stellt sich dann auch die Frage, ob es für einen Ausschluss nicht geimpfter Personen von der Beförderung noch einen hinreichenden Grund gibt. Jedenfalls insoweit eine Impfung eine Ansteckung und Übertragung ausschließt , verbliebe ggf. nur noch ein Eigenrisiko der nicht geimpften Personen. Auch hier sind im Wesentlichen virologische und epidemiologische Aspekte entscheidend, insbesondere auch, ob sich nicht z. B. mit einer Maskenpflicht für nicht geimpfte Personen schon ein hinreichender Gesamtschutz bei der Beförderung erzielen ließe. ***