© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 034/20 Fragen zur Ermächtigungsgrundlage des § 25 Abs. 3 Nr. 2 Pflanzenschutzgesetz Ergänzung zu WD 5 - 3000 - 015/20 Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/20 Seite 2 Fragen zur Ermächtigungsgrundlage des § 25 Abs. 3 Nr. 2 Pflanzenschutzgesetz Ergänzung zu WD 5 - 3000 - 015/20 Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 034/20 Abschluss der Arbeit: 22.04.2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Inhalt der Verordnungsermächtigung 4 3. Vorgaben für eine Rechtsverordnung durch die Exekutive 5 4. Verfassungsrechtliche Abwägungsentscheidung durch den Gesetzgeber 7 5. Exkurs: Bedeutung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/20 Seite 4 1. Fragestellung Im Nachgang zur Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages mit dem Titel „Export nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel“ (WD 5 – 3000 - 015/20) ist gefragt worden, inwiefern eine Verordnung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gemäß der Ermächtigungsgrundlage aus § 25 Abs. 3 Nr. 2 Pflanzenschutzgesetz (PflSchG)1 in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus Art. 14 Grundgesetz (GG)2 eingriffe, ob es sich im Falle eines Exportverbots um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung des Eigentums handelte und welche Folgen sich daraus ergäben. Außerdem wurde nach der Bedeutung eines Urteils des Gerichts der Europäischen Union (EuG) zu „Neonicitonoiden“ für den Erlass einer solchen Verordnung gefragt. 2. Inhalt der Verordnungsermächtigung Das Pflanzenschutzgesetz ermächtigt in § 25 Abs. 3 Nr. 2 das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (im Einvernehmen mit weiteren Bundesministerien und mit Zustimmung des Bundesrates) eine Rechtsverordnung mit dem Inhalt eines Verbots oder einer Beschränkung der Ausfuhr von bestimmten Pflanzenschutzmitteln oder von Pflanzenschutzmitteln mit bestimmten Stoffen in Drittstaaten zu erlassen: „Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wird ermächtigt, soweit dies 1. (...) 2. zur Abwehr erheblicher, auf andere Weise nicht zu behebender Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder sonstiger Gefahren, insbesondere für den Naturhaushalt, erforderlich ist, im Einvernehmen mit den Bundesministerien für Wirtschaft und Energie, für Arbeit und Soziales, für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Ausfuhr bestimmter Pflanzenschutzmittel oder von Pflanzenschutzmitteln mit bestimmten Stoffen in Staaten außerhalb der Europäischen Union zu verbieten oder zu beschränken oder von einer Genehmigung oder Anzeige abhängig zu machen.“ 1 Pflanzenschutzgesetz vom 6. Februar 2012 (BGBl. I S. 148, 1281), das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 84 des Gesetzes vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666) geändert worden ist, Link: https://www.gesetze-im-internet.de/pflschg_2012/BJNR014810012.html. Die zitierten Links wurden zuletzt am 22.04.2020 aufgerufen. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1546) geändert worden ist, Link: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/20 Seite 5 3. Vorgaben für eine Rechtsverordnung durch die Exekutive Eine Rechtsverordnung, die die Ausfuhr von bestimmten Pflanzenschutzmitteln in Drittstaaten beschränkt oder verbietet, dürfte grundsätzlich in die Rechte von Herstellern und Exporteuren solcher Mittel, insbesondere in das Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG und das ebenfalls daraus abgeleitete Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingreifen. Solche Eingriffe sind dann grundgesetzkonform, wenn die Verordnungsermächtigung den Anforderungen des Art. 80 GG genügt, die Regelung die Grenzen der Verordnungsermächtigung beachtet und hiermit verbundene grundrechtliche Eingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt sind und insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit3 genügen. Sollte eine Rechtsverordnung auf der hier in Rede stehenden Ermächtigungsgrundlage des § 25 Abs. 3 Nr. 2 PflSchG geschaffen werden , so muss dieser verfassungsrechtliche Rahmen beachtet werden. Grundsätzlich gilt also zunächst, dass eine solche Rechtsverordnung nicht die vom Gesetzgeber gestattete Intensität und gezogenen Grenzen überschreiten dürfte, also hat sie sich an die inhaltlichen Vorgaben der gesetzlichen Ermächtigung zu halten. Sie darf nicht mehr regeln, als ihr aus der Ermächtigungsgrundlage an Regelungskompetenz übertragen wurde. Weiter ist allgemein im Hinblick die Grundrechtskonformität der in Rede stehenden Regelung durch Rechtsverordnung zu ergänzen: Ein Verbot oder eine Beschränkung der Ausfuhr von bestimmten Pflanzenschutzmitteln dürfte eine Inhalts- und Schrankenbestimmung und keine Enteignung darstellen. 4 Das Bundesverfassungsgericht versteht darunter „die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum geschützt werden.“5 Durch eine Rechtsverordnung, die die Ausfuhr beschränkt oder verbietet, würde das Nutzungsrecht an den Pflanzenschutzmitteln eingeschränkt. Dabei sind nur solche bereits bestehende Eigentumspositionen , nicht aber bloße Erwerbsmöglichkeiten, Gewinnaussichten, Hoffnungen oder Chancen geschützt.6 Im Falle von Pflanzenschutzmitteln, deren Inverkehrbringen auch national sowie auf EU-Ebene bereits verboten ist, könnte fraglich sein, ob ein Ausfuhrverbot in Drittstaaten nicht dann einer Enteignung i.S.v. Art. 14 Abs. 3 GG gleichkommt, da es die Nutzung des Eigentums praktisch schlechthin unmöglich machen und das Recht damit völlig entwerten könnte. Die Enteignung ist „auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver, durch Art. 14 Abs.1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet“7 und hat Rechts- und Vermögensverluste zur Folge. Das BVerfG setzt allerdings als 3 Vgl. Burghart, in: Leibholz/Rinck (Hrsg.), Grundgesetz, 79. Lieferung 10.2019, Art. 80 GG Rn. 238. 4 Vgl. dazu Ausfuhrverbot im Kulturgüterschutzrecht: BVerwG, Urteil vom 27.05.1993 – 7 C 33/92. 5 BVerfG, Urteil vom 23.11.1999 - 1 BvF 1/94. 6 Vgl. Borwieck, Chemischer Pflanzenschutz und Biodiversität, ZUR 2017, 387, Link: https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fzur%2F2017%2Fcont%2Fzur.2017.387.1.htm&pos=1&hlwords=on. 7 BVerfG, Urteil vom 23.11.1999 - 1 BvF 1/94. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/20 Seite 6 weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer Enteignung zwingend voraus, „dass der hoheitliche Zugriff auf das Eigentumsrecht zugleich eine Güterbeschaffung zugunsten der öffentlichen Hand oder des sonst Enteignungsbegünstigten ist.“8 Damit verfolgt es einen engen Enteignungsbegriff . Im vorliegenden Fall würde es allerdings daran fehlen. Eine Rechtsverordnung gemäß § 25 Abs. 3 Nr. 2 PflSchG, sollte sie die Eigentumspositionen überhaupt derart entwerten, verfolgt nicht den Zweck einer Güterbeschaffung, sondern erfolgt ausweislich des Wortlautes der Ermächtigungsgrundlage zur Gefahrenabwehr. Grundsätzlich hat ein Eigentümer eine Inhalts-und Schrankenbestimmung entschädigungslos hinzunehmen, denn sie ist Ausfluss der Sozialbindung des Eigentums.9 Nur in Fällen, bei denen sie eine unzumutbare Belastung mit sich bringt und es daher aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten ist, kann ein finanzieller Ausgleich geleistet werden.10 So verweist das BVerfG auf die Möglichkeit in Ausnahme- und Einzelfällen die Verfassungsmäßigkeit einer sonst unverhältnismäßigen Inhalts-und Schrankenbestimmung durch einen finanziellen Ausgleich herbeizuführen .11 Es betont aber, dass es sich dabei um eine Art „ultima ratio“ handelt und bevor darauf zurückgegriffen wird, eine Regelung derart ausgestaltet werden muss, beispielsweise durch Härtefall - und Übergangsregelungen, dass dadurch eine unverhältnismäßige Belastung verhindert wird.12 Da die Bundesregierung bislang noch nicht von der Ermächtigungsgrundlage Gebrauch gemacht hat, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden, ob eine solche ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung in Betracht kommt. Jedoch dürfte mit der Implementierung von Übergangsregelungen für Ausfuhrbeschränkungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden können. Im vorliegenden Fall dürfte darüber hinaus die Schutzwürdigkeit der Grundrechtsträger deshalb schwächer ausfallen, da die Ermächtigungsgrundlage seit langer Zeit bereits im PflSchG verankert ist, Hersteller und Exporteure von Pflanzenschutzmitteln also jederzeit mit dem Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung mit Ausfuhrbeschränkungen rechnen müssen. Auf den Fortbestand des bisherigen Zustandes der Nichtregelung kann nicht vertraut werden.13 Mangels konkreter Verordnungsregelung kann eine weitergehende Detailprüfung an dieser Stelle nicht erfolgen. 8 BVerfG, Urteil vom 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11, 1 BvR 321/12, 1 BvR 1456/12. 9 BVerfG, Beschluss vom 15. 9. 2011 − 1 BvR 2232/10. 10 Vgl. Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 42. Edition, Stand 01.12.2019, Art. 14 Rn. 104. 11 Vgl. Froese, Der Eigentumsentzug ohne Güterbeschaffung als Enteignung „light“?, NJW 2017, 444, Link; https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fnjw%2F2017%2Fcont%2Fnjw.2017.444.1.htm&anchor=Y-300-Z-NJW-B-2017-S-444-N-1. 12 BVerfG, Urteil vom 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11, 1 BvR 321/12, 1 BvR 1456/12. 13 Vgl. Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 89. EL Oktober 2019, Art. 14 GG Rn. 208. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/20 Seite 7 4. Verfassungsrechtliche Abwägungsentscheidung durch den Gesetzgeber Abschließend ist aber auf Folgendes hinzuweisen: Eine Prüfung möglicher Grundrechtseingriffe erfolgt bereits im förmlichen Gesetzgebungsverfahren , also bereits bei der Schaffung der gesetzlichen Verordnungsermächtigung. Denn Art. 80 Abs. 1 GG schreibt vor, dass der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Rechtsverordnung, zu der er die Exekutive ermächtigt, hinreichend bestimmen muss (Bestimmtheitsgebot). Er muss sich also schon dort selbst mit möglichen Beeinträchtigungen von Grundrechten auseinandersetzen. Bereits aus der Ermächtigungsgrundlage müssen der Inhalt einer möglichen Verordnung sowie das, was vom Bürger gefordert werden kann, erkennbar und vorhersehbar sein.14 Der Gesetzgeber muss selbst die Entscheidung treffen, dass bestimmte Fragen geregelt werden sollen. Dafür muss er die Grenzen einer solchen Regelung festsetzen und angeben, welchem Ziel die Regelung dienen soll.15 Die Voraussetzungen, unter denen der Gebrauch des Eigentums beschränkt werden darf, muss er entsprechend selbst durch das Gesetz festlegen.16 Damit bestimmt der Gesetzgeber schon mit der Verordnungsermächtigung den möglichen Grundrechtseingriff und nimmt die für Art. 14 Abs. 1 GG erforderliche Abwägung zwischen dem Eigentumsrecht und dessen Sozialpflichtigkeit gemäß Art. 14 Abs. 2 GG vor.17 Im Rahmen dieses Ausgleichs der kollidierenden Rechtsgüter und Interessen besitzt der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum.18 In diesem Sinne hat vorliegend also auf der Ebene des Gesetzgebers bei der Gestaltung der Verordnungsermächtigung in § 25 Abs. 3 Nr. 2 PflSchG bereits eine grundgesetzlich vorgeschriebene Abwägungsentscheidung stattgefunden. 5. Exkurs: Bedeutung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat in seinem Urteil vom 17. Mai 2018 (Rechtssachen T-429/13 und T-451/13)19 einen Eingriff durch eine Durchführungsverordnung der Europäischen Kommission, mit der die Genehmigung von bestimmten Wirkstoffen in Pflanzenschutzmitteln im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der 14 Vgl. Burghart, in: Leibholz/Rinck (Hrsg.), Grundgesetz, 79. Lieferung 10.2019, Art. 80 GG Rn. 136. 15 Vgl. Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 89. EL Oktober 2019, Art. 80 GG, Rn. 64-68. 16 Vgl. Burghart, in: Leibholz/Rinck (Hrsg.), Grundgesetz, 79 Lieferung 10.2019, Art. 14 GG Rn. 551. 17 Vgl. dazu Borwieck, Chemischer Pflanzenschutz und Biodiversität, ZUR 2017, 387, Link: https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fzur%2F2017%2Fcont%2Fzur.2017.387.1.htm&pos=1&hlwords=on. 18 Vgl. Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 42. Edition, Stand 01.12.2019, Art. 14 Rn. 104. 19 Urteil des Gerichts (Erste erweiterte Kammer) vom 17. Mai 2018, Rechtssachen T-429/13 und T-451/13, Link: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1586248535446&uri=CELEX:62013TJ0429. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 034/20 Seite 8 Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (EU-Pflanzenschutzverordnung)20 aufgehoben bzw. beschränkt worden war, in den Wesensgehalt der Eigentumsrechte und in die unternehmerische Freiheit aus Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union21 verneint. Das Gericht macht insbesondere deutlich, dass das Eigentumsrecht und die freie Ausübung der unternehmerischen Freiheit Beschränkungen unterworfen werden könnten, soweit diese dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Union entsprächen. Dabei räumt das Gericht dem Umweltschutz aus Art. 37 der Charta der Grundrechte sowie Art. 11 und Art. 114 Abs. 3 der Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)22 „eine vorrangige Bedeutung gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen“ ein, „so dass er sogar beträchtliche negative Folgen wirtschaftlicher Art für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen kann.“ Das Gericht führt außerdem an, dass die Tätigkeit der Herstellung von Pflanzenschutzmitteln als solche nicht berührt wird und weiterhin ausgeübt werden könne. Die Voraussetzung, dass neue wissenschaftliche oder technische Kenntnisse vorliegen, bezieht sich auf die Möglichkeit der Neubewertung der Genehmigungsfähigkeit von Wirkstoffen durch die Europäische Kommission nach der EU-Pflanzenschutzverordnung (Art. 21). Die Genehmigung von Wirkstoffen auf EU-Ebene ist Voraussetzung für eine Zulassung von Pflanzenschutzmitteln durch die einzelnen Mitgliedsstaaten. Für den Erlass einer o.g. nationalen Rechtsverordnung im Hinblick auf ein Exportverbot spielen die Kriterien, nach denen die Kommission Wirkstoffe neu bewertet, keine Rolle. *** 20 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates, Link: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A32009R1107. 21 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2012/C 326/02, Link: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?uri=CELEX%3A12012P%2FTXT. 22 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Link: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /EN/TXT/?uri=CELEX:12016E/TXT.