© 2016 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 033/16 Geschäftsmodelle zur Milchvermarktung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 2 Geschäftsmodelle zur Milchvermarktung Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 033/16 Abschluss der Arbeit: 25. Mai 2016 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Tourismus Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 1.1. Andienungspflicht 6 1.2. Aktuelle rechtliche Regelungen – die befristete Aufhebung des Kartellverbots 7 2. Anhörung zum Milchsektor in Brüssel am 27. Januar 2016 10 2.1. Margin Protection Program for Dairy (MPP-Dairy) 14 2.2. Milchpreis in Österreich/Ornua in Irland 15 3. ANHANG 19 3.1. Milchpreisentwicklung 19 3.2. Milcherzeugungskosten 19 3.3. Beschluss der Agrarministerkonferenz vom 15. April 2016 20 4. Weitere Quellen 22 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 4 1. Einleitung Aufgrund des monatelangen Preisverfalls für Kuhmilch wird dringend nach neuen Geschäftsmodellen zur Milchvermarktung gesucht und bisher verwendete Modelle stehen auf dem Prüfstand, wie z.B. die Andienungspflicht1. Derzeit wird auf dem Weltmarkt zu viel Milch angeboten und zu wenig Milch nachgefragt. Da sich Agrarpreise als das Ergebnis von Angebot und Nachfrage bilden2, hat das Überangebot enorme Auswirkungen auf den Preis. Der Weltmarkt für Milch ist – wie andere Agrarmärkte auch - sehr volatil. Die Grafik (Stand: 26. April 2016) zeigt den Anstieg der Milchauslieferung in der EU für den Zeitraum Januar bis Februar 2016 verglichen mit dem gleichen Zeitraum des letzten Jahres: Quelle: EU-Kommission (2016)3 1 Zur Andienungspflicht siehe unter Punkt 1.1. 2 Koester, Ulrich (2010). Grundzüge der landwirtschaftlichen Marktlehre. 3 http://ec.europa.eu/agriculture/milk-market-observatory/pdf/mmo-economic-board-meeting-of-26-04- 2016_en.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 5 Aktuell werden bereits einige Maßnahmen zur Erholung der Milchpreise durchgeführt, und noch mehr Maßnahmen werden diskutiert und erwogen. Agrarminister Schmidt äußerte am 22. März 2016, die Lösung der Milchkrise könne nur im Markt selbst und durch die Beteiligten gefunden werden. Weder die EU noch ein einzelner Mitgliedstaat könnten einen globalen Markt durch europäische oder nationale Eingriffe lenken. Wer dies verspreche, sei unredlich gegenüber den Betroffenen und der Öffentlichkeit. Die Wirtschaftsbeteiligten seien auf allen Stufen in der Verantwortung, ein besseres Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu finden.4 Wissenschaftler des Thünen-Instituts räumen einer Steuerung der Angebotsmenge auf dem Milchmarkt keine Erfolgsaussichten ein. Auf dem Weltmarkt habe eine einseitige Drosselung der Milchmenge in Deutschland und in der EU keine nennenswerten Effekte auf den Milchpreis. Als geeignete Instrumente sehen sie für die aktuelle Krise „Bürgschaften, Kreditprogramme und vorzeitig ausgezahlte Direktzahlungen“. Langfristig gewännen aber Marktinformationen und Risikomanagement an Bedeutung.5 Eine Anhörung zum Milchsektor in Brüssel am 27. Januar 2016 brachte u.a. das Ergebnis, dass es nicht die eine Maßnahme gibt, um die Milchkrise zu beenden (siehe ausführlich hierzu unter Punkt 2). Am 25. Mai 2016 wird im Europäischen Parlament eine Anhörung zur Milchkrise “New exceptional market measures limiting milk production“6 stattfinden und am 30. Mai 2016 lädt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) einige Marktakteure zu einem Milchgipfel ein.7 Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sollen sich die Akteure dort auf ein Modell einigen: „Das könnte so aussehen wie in Frankreich: Dort gibt es ein Gremium aus Bauern, Molkereien und Industrie, das auch über Preise spricht. Nicht im Sinne eines Kartells, sondern über Preismodelle. Etwa derart, dass den Bauern bis zu einer gewissen Menge, die sich etwa an der inländischen Nachfrage orientiert, ein höherer Preis gezahlt wird als für jedes Kilo Milch darüber , das an den Weltmarkt geht.“8 4 Pressemitteilung (2016). https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2016/043-Milchmarkt.html 5 Banse/Weber. Drosselung der Milchmenge ohne nennenswerten Preiseffekt. In: AGRA-Europe 43/15; Seite 11. Länderberichte vom 19. Oktober 2015. 6 http://www.europarl.europa.eu/committees/de/events.html?id=20160520CHE00151; https://polcms.secure.europarl .europa.eu/cmsdata/upload/b653d2ea-731a-4b0d-9269-811c367f7b64/Final%20Programme.pdf 7 Die Landwirtschaftsminister der Länder sind laut topagrar nicht eingeladen, und auch nicht der Bund deutscher Milchviehhalter (BDM). http://www.topagrar.com/news/Home-top-News-Milchgipfel-soll-ohne-Laenderagrarminister -stattfinden-3380937.html 8 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.05.2016, Seite 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 6 Vergleichbare Modelle würden auch von Agrarexperten der Großen Koalition präferiert, heißt es nach Zeitungsangaben.9 Seit Januar 2014 arbeitet das Thünen-Institut an dem Projekt Milchmarkt – quo vadis? Projektzeitende ist Dezember 2020. 10 1.1. Andienungspflicht Zur Überprüfung der sog. Andienungspflicht, die die Mehrzahl der Landwirte per Vertrag verpflichtet , „ihre gesamte Produktionsmenge vollständig an ‘ihre‘ Molkerei zu liefern“11, leitete das Bundeskartellamt nun am 21. April 2016 ein Verwaltungsverfahren ein. Hierdurch sollen vor allem die langen Vertragslaufzeiten und Klauseln der sog. Andienungspflicht überprüft werden. Auch die „sog. Referenzpreissysteme, die dazu führen, dass die Preisänderung einer Molkerei umgehend entsprechende Preisänderungen bei anderen Molkereien nach sich ziehen“12 werden untersucht. Der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, erklärte: „Im vergangenen Jahr ist die staatliche Mengensteuerung über die Milchquote weggefallen. Diese wichtige Änderung hat aber kaum Auswirkungen auf die Verträge zwischen den Erzeugern und den Molkereien gehabt. Langfristige Verträge, 100%ige Milchandienungspflichten und ein – auch für den Lebensmitteleinzelhandel – sehr transparentes Preissystem beschränken den Handlungsspielraum der Landwirte. Der Wettbewerb der Molkereien um die Rohmilch wird hierdurch möglicherweise eingeschränkt und eine wirksame Mengensteuerung über den Markt behindert. Das ginge zu Lasten der Landwirte.“13 Mundt konstatierte, zwar könne das Verfahren die aktuelle Krise am Milchmarkt nicht lösen, kartellrechtskonforme Lieferbedingungen könnten aber dazu beitragen, dass der Milchmarkt mittelfristig besser funktionieren werde.14 9 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.05.2016, Seite 2. 10 https://www.thuenen.de/index.php?id=3746&L=0 11 http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen /2016/21_04_2016_Milch.html;jsessionid=EAE7EEC7A17958B8CD7F5FFD58759656.1_cid371?nn=3591568 12 http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen /2016/21_04_2016_Milch.html;jsessionid=EAE7EEC7A17958B8CD7F5FFD58759656.1_cid371?nn=3591568 13 http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen /2016/21_04_2016_Milch.html;jsessionid=EAE7EEC7A17958B8CD7F5FFD58759656.1_cid371?nn=3591568 14 http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen /2016/21_04_2016_Milch.html;jsessionid=243586D5CE65BE5B748EB479D14F3364.1_cid362?nn=3591568 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 7 Aktuell wird im politischen Raum überlegt, die Andienungspflicht abzuschaffen. So titelte Topagrar–Online am 10. Mai 2016 „Koalition will Andienungspflicht kippen“.15 Weber/Hansen (2014) erläutern, die genossenschaftlich-organisierte Milchverarbeitung und das Prinzip der uneingeschränkten Abnahmegarantie würden häufig kritisch hinterfragt. Diskutiert wird, ob die damals mit gutem Grund festgeschriebene Abnahmegarantie heute noch ihren Zweck erfülle bzw. weiterhin erforderlich sei. Sie nennen als Beispiel private Milchverarbeiter, die ihren Rohstoffbedarf direkt mit abgeschlossenen Verträgen (Menge, Zeitraum und Preise) steuern würden und daher nicht nur besser planen könnten, sondern in ihrer Reaktion auf veränderte Marktsituationen flexibler seien. So seien in der Schweiz und von Österreichs größter Molkerei (Berglandmilch) sogenannte Molkereiquoten (A-, B- und ggf. C-Milch) eingeführt worden. Diese sog. Molkereiquoten würden eingesetzt, wenn die Abnahmegarantie auf Seiten des Verarbeiters erhalten bleiben, aber eine „marktgerechtere“ Entlohnung der Rohmilchanlieferungen erreicht werden solle.16 In seinem Aufsatz „Die Stellung der Molkereigenossenschaften im Agrarkartellrecht“ analysiert Christian Busse17, Referent im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), die historische Entwicklung des Agrarkartellrechts und die Stellung der Molkereigenossenschaften. Er zeigt u.a. auf, dass es neben der Andienungspflicht auch das Andienungsrecht gibt. Busse sieht das marktbezogene Ungleichgewicht nicht so sehr auf der Ebene von Milcherzeuger und Molkerei, sondern auf der Ebene von Molkerei und Lebensmitteleinzelhandel. Nicht die Andienungspflicht als solche, sondern ihre Ausgestaltung bedürfe näherer Betrachtung. Auch sei zu bedenken, dass die Molkereien verpflichtet seien, die Milch abzunehmen, obwohl es in Niedrigpreisphasen wirtschaftlich fragwürdig sei, eine stetig steigende Milchmenge zu verarbeiten. So entstünden Kosten durch die Verarbeitung und die erforderliche Zwischenlagerung. Mengenbremsende Regelungen in die Lieferbedingungen aufzunehmen, wie zum Beispiel ab einer bestimmten Milchmengenhöhe nur noch ein sehr niedriges Milchentgelt zu zahlen, seien ein probateres Steuerungsmittel. Milcherzeuger und Molkereien sollten zusammen für ein marktgerechtes Verhalten auf dem Rohmilchmarkt sorgen.18 1.2. Aktuelle rechtliche Regelungen – die befristete Aufhebung des Kartellverbots Nachfolgend werden kurz die aktuellen rechtlichen Regelungen vorgestellt, die aufgrund der angespannten Marktsituation auf EU-Ebene bereits beschlossen wurden. Durch den Gesetzentwurf 15 Koalition will Andienungspflicht kippen. http://www.topagrar.com/news/Rind-Rindernews-Koalition-will-Andienungspflicht -abschaffen-3302589.html; siehe hierzu auch unter PlPr. 18/167. S. 16560 f. http://dipbt.bundestag .de/doc/btp/18/18167.pdf 16 Weber, Sascha; Hansen, Heiko (2014). http://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn054260.pdf 17 Busse, Christian (2016). Die Stellung der Molkereigenossenschaften im Agrarkartellrecht. Wirtschaft und Wettbewerb (WuW). S. 154 – 164. 18 Busse, Christian (2016). Die Stellung der Molkereigenossenschaften im Agrarkartellrecht. Wirtschaft und Wettbewerb (WuW). S. 154 – 164. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 8 zur Novellierung des Agrarmarktstrukturgesetzes19, der am 26. April 2016 in den Bundestag eingebracht wurde, werden diese Vorschriften auf nationaler Ebene anpasst.20 Seit dem 12. April 2016 ermöglicht die EU-Kommission den Landwirten in der EU aufgrund des anhaltenden gravierenden Marktungleichgewichts – zunächst befristet auf sechs Monate - freiwillige Mengenabsprachen zu treffen, ohne mit Kartellstrafen rechnen zu müssen. Am 12. April 2016 traten die Durchführungsverordnung (EU) 2016/559 der Kommission vom 11. April 2016 zur Genehmigung von Vereinbarungen und Beschlüssen über die Planung der Erzeugung im Sektor Milch und Milcherzeugnisse21 sowie die Delegierte Verordnung (EU) 2016/558 der Kommission vom 11. April 2016 zur Genehmigung von Vereinbarungen und Beschlüssen von Genossenschaften und anderen Formen von Erzeugerorganisationen im Sektor Milch und Milcherzeugnisse über die Planung der Erzeugung22 in Kraft. EU-Agrarkommissar Hogan erläuterte am 27. April 2016: „These Regulations provide for a limited period of time, the possibility to enable producer organisations , interbranch organisations and cooperatives in the dairy sector to establish voluntary agreements on planning milk production. This is the so-called Article 222 of the Common Market Organisation (CMO), which is specific to the agricultural sector and can be applied in case of severe imbalance in the market. The strict conditions for the application of this article are fulfilled for the dairy sector under the current circumstances. In accordance with the rules laid down in Art. 22223 the above mentioned agreements should not impair the functioning of the internal market, directly or indirectly lead to partitioning markets, to discrimination based on nationality or to fixing prices.”24 Erwägungsgrund (1) der Durchführungsverordnung (EU) 2016/559 der Kommission vom 11. April 2016 zur Genehmigung von Vereinbarungen und Beschlüssen über die Planung der Erzeugung im Sektor Milch und Milcherzeugnisse lautet wie folgt: 19 Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes vom 26.04.2016 - BT-Drucksache 18/8235. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/082/1808235.pdf 20 Vgl. DIP. 26.04.2016 - BT-Drucksache 18/8235; Ausschussüberweisung: 28.04.2016 - BT-Plenarprotokoll 18/167, S. 16501C - 16501D. 21 Durchführungsverordnung (EU) 2016/559 der Kommission vom 11. April 2016 zur Genehmigung von Vereinbarungen und Beschlüssen über die Planung der Erzeugung im Sektor Milch und Milcherzeugnisse. ((ABl. L 96, 12.4.2016, S. 20). http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0559&qid=1463758049488&from=en 22 Delegierte Verordnung (EU) 2016/558 der Kommission vom 11. April 2016 zur Genehmigung von Vereinbarungen und Beschlüssen von Genossenschaften und anderen Formen von Erzeugerorganisationen im Sektor Milch und Milcherzeugnisse über die Planung der Erzeugung. (ABl. L 96, 12.4.2016, S. 18). http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0558&from=it 23 Siehe hierzu auch Busse, Christian (2016). S. 161. 24 EN P-002140/2016. Answer given by Mr Hogan on behalf of the Commission (27.4.2016). http://www.europarl .europa.eu/sides/getAllAnswers.do?reference=P-2016-002140&language=MT Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 9 “Die Milcherzeugerpreise stehen aufgrund des Ungleichgewichts zwischen der gestiegenen Erzeugung und dem verlangsamten Wachstum der Nachfrage auf dem Weltmarkt seit 18 Monaten unter Druck. Die Milchlieferungen in der Union sind im Jahr 2015 um mehr als 3,5 Mio. t gestiegen, wohingegen die Importnachfrage auf dem Weltmarkt nicht zugenommen hat. Dem war ein noch stärkerer Anstieg der Milchlieferungen im Jahr 2014 vorausgegangen, während der langfristige Trend bei der Importnachfrage Schätzungen zufolge einer Menge von durchschnittlich 1,5 Mio. t Milch zusätzlich pro Jahr entspricht. Die Gewinnspannen auf Betriebsebene stehen angesichts sinkender Einnahmen aus Milchverkäufen und steigender Kosten insbesondere im Zusammenhang mit dem Schuldendienst unter Druck. Aufgrund des langfristigen Charakters von Investitionen in die Milchviehbestände ist es für die Landwirte besonders schwierig, sich unter ungünstigen Umständen rasch auf eine alternative wirtschaftliche Tätigkeit zu verlegen.“25 Obgleich bereits seit 2014 einige wirksame Maßnahmen, wie z.B. Beihilfen für die private Lagerhaltung von Butter, Magermilchpulver und Käse, bestehen, heißt es in Erwägungsgrund (5) der Durchführungsverordnung (EU) 2016/559: „Trotz der Wirksamkeit dieser Maßnahmen verschlechtert sich die Lage weiter, da die Schließung des russischen Marktes und der Rückgang der Nachfrage aus China den Sektor Milch und Milcherzeugnisse zu einer Zeit getroffen haben, als angesichts des Auslaufens der Milchquotenregelung am 31. März 2015 und der positiven Aussichten auf dem Weltmarkt in die Erzeugung investiert worden war. Auf der Grundlage der vorliegenden Marktanalyse ist in den kommenden zwei Jahren nicht mit einem erheblichen Rückgang der Erzeugungsmengen zu rechnen.“26 Gemäß Erwägungsgrund (6) „sollten freiwillige Vereinbarungen und Beschlüsse von anerkannten Erzeugerorganisationen, ihren Vereinigungen und anerkannten Branchenverbänden über die Planung der Erzeugung für einen befristeten Zeitraum von sechs Monaten27 ermöglicht werden.“28 Erwägungsgrund (3) der Delegierten Verordnung (EU) 2016/558 der Kommission vom 11. April 2016 zur Genehmigung von Vereinbarungen und Beschlüssen von Genossenschaften und anderen Formen von Erzeugerorganisationen im Sektor Milch und Milcherzeugnisse über die Planung der Erzeugung lautet wie folgt: 25 Durchführungsverordnung (EU) 2016/559 der Kommission vom 11. April 2016 zur Genehmigung von Vereinbarungen und Beschlüssen über die Planung der Erzeugung im Sektor Milch und Milcherzeugnisse. http://eurlex .europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0559&qid=1463758049488&from=en 26 Durchführungsverordnung (EU) 2016/559 der Kommission vom 11. April 2016 zur Genehmigung von Vereinbarungen und Beschlüssen über die Planung der Erzeugung im Sektor Milch und Milcherzeugnisse. http://eurlex .europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0559&qid=1463758049488&from=en 27 Die Durchführungsverordnung trat am 12. April 2016 in Kraft und ist auf sechs Monate befristet (Frühjahr und Sommer sind die Haupterzeugungssaison im Sektor Milch und Milcherzeugnisse, siehe Erwägungsgrund (7) der Durchführungsverordnung (EU) 2016/559). 28 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0559&qid=1463758049488&from=en Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 10 „Gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2016/559 der Kommission dürfen anerkannte Erzeugerorganisationen, ihre Vereinigungen sowie anerkannte Branchenverbände im Sektor Milch und Milcherzeugnisse zur Planung der Milcherzeugung für einen befristeten Zeitraum von sechs Monaten freiwillige gemeinsame Vereinbarungen schließen und gemeinsame Beschlüsse fassen. Da der Sektor Milch und Milcherzeugnisse überwiegend genossenschaftlich strukturiert ist, sollte diese Genehmigung mitsamt den damit verbundenen Mitteilungspflichten auf diese von Milcherzeugern errichteten Strukturen ausgeweitet werden. Im Hinblick auf einen maximalen Erfassungsbereich der Maßnahme gilt dies auch für andere Formen von Erzeugerorganisationen , die von Milcherzeugern nach nationalem Recht gegründet wurden und im Sektor Milch und Milcherzeugnisse tätig sind.“29 2. Anhörung zum Milchsektor in Brüssel am 27. Januar 2016 Am 27. Januar 2016 lud die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament die fünf Fachleute - Prof. Dr. Andrzej Babuchowski aus Polen, Dr. Aurélie Trouvé aus Frankreich, Johann Költringer aus Österreich, Tibor Mélykuti aus Ungarn und Prof. Ludwig Theuvsen von der Georg-August-Universität Göttingen - zu einer Anhörung zum Thema “The future of the European milk sector: What instruments are needed to prevent future crises?”30 ein. Prof. Ludwig Theuvsen fasste am 20. Februar 2016 in seinem Papier „Die Zukunft des europäischen Milchsektors: Welche Instrumente sind notwendig zur Verhinderung zukünftiger Krisen?“31 die wichtigsten Ergebnisse dieser Anhörung wie folgt zusammen: „Bei der Analyse der Ursachen der gegenwärtigen Krise auf dem Milchmarkt herrschte unter den geladenen Experten weitgehend Einigkeit. So wurde auf den in allen wichtigen Erzeugungsregionen starken Anstieg der Milcherzeugung verwiesen, der nicht zuletzt durch die zwischenzeitlich hohen Preise auf dem Milchmarkt und die dadurch ausgelösten Investitionen der Landwirte verursacht worden ist. Wesentlich weniger dynamisch hat sich dagegen in der jüngsten Vergangenheit die weltweite Nachfrage nach Milchprodukten entwickelt. Vor allem Russland und China haben ihre Importmengen drastisch reduziert. Im Falle Russlands ist dafür neben dem Verfall der Rohstoffpreise, der zusammen mit der starken Abwertung des Rubels die Kaufkraft des Landes schwächt, vor allem das Handelsembargo als Folge der Annektierung der Krim ausschlaggebend. In China wiederum sind eine allgemeine wirtschaftliche Abschwächung und als Folge eine stärkere Kaufzurückhaltung zu spüren, die auch die Nachfrage nach hochwertigen, verarbeiteten Produkten der Ernährungswirtschaft dämpft. Als Folge der starken Ausdehnung der Produktion bei gleichzeitig verhaltener Entwicklung der Nachfrage ist ein erhebliches Überangebot auf dem Weltmilchmarkt festzustellen, das sehr stark auf die Preise drückt. 29 Delegierte Verordnung (EU) 2016/558 der Kommission vom 11. April 2016 zur Genehmigung von Vereinbarungen und Beschlüssen von Genossenschaften und anderen Formen von Erzeugerorganisationen im Sektor Milch und Milcherzeugnisse über die Planung der Erzeugung. (ABl. L 96, 12.4.2016, S. 18). http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0558&from=i 30 http://www.eppgroup.eu/event/Hearing%3A-The-future-of-the-European-milk-sector- 31 http://www.milchtrends.de/fileadmin/milchtrends/5_Aktuelles/16-02_Bericht_EU-Kommission_Theuvsen.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 11 Wegen der Liberalisierung der EU-Agrarpolitik schlagen die niedrigen Weltmarktpreise auch auf den europäischen Markt durch und belasten die Milcherzeuger, die daher vielfach unter erheblichen Liquiditätsproblemen leiden, die ihre Existenz bedrohen. Die Landwirte reagieren auf diese Situation nach übereinstimmender Aussage der befragten Experten oftmals mit einer Ausweitung der Produktion, um auf diese Weise liquide Mittel zu generieren. Einzelbetrieblich kann dieses Verhalten möglicherweise sinnvoll sein; in der Summe verschärft es jedoch die krisenhafte Lage auf dem Milchmarkt. Als Folge der aktuellen Situation sehen die Experten die Gefahr, dass aufgrund des entstandenen Wettbewerbsdrucks nicht nur einzelne Betriebe, sondern möglicherweise sogar ganze Länder oder Regionen in der EU vollständig aus der Milcherzeugung aussteigen könnten bzw. müssen. Diese Gefahr besteht vor allem in Bergregionen und anderen benachteiligten Gebieten. Die Erzeugung würde sich dann immer mehr auf die Gunststandorte konzentrieren. Mittelfristig, so die wiederholt geäußerte Befürchtung , könnte dies zu zurückgehenden Absatzmengen führen und die Position der EU auf dem Weltmarkt schwächen. Zudem fehlt es in den benachteiligten Gebieten oft an Alternativen zur Milcherzeugung, so dass eine Verödung ganzer Landstriche nicht ausgeschlossen werden kann. Weitgehend Einigkeit herrschte ferner dahingehend, dass das bisherige Sicherheitsnetz der EU für den Milchmarkt zu wenig Halt bietet und sich somit als zu wenig leistungsfähig erwiesen hat. Speziell in den Ländern, die durch eine starke Rolle von Molkereigenossenschaften gekennzeichnet sind, so z.B. Deutschland und Österreich, haben die im jüngsten Milchpaket enthaltenen Maßnahmen, etwa die Stärkung von Erzeugerorganisationen, kaum Wirkung entfalten können. Wenig Hoffnung wird zudem in die seit langem propagierten, jedoch wenig liquiden und daher weitgehend funktionsuntüchtigen Warenterminbörsen für Milchprodukte gesetzt. Daher waren die fünf Experten übereinstimmend der Ansicht, dass von Seiten der EU weitere Maßnahmen zur Stabilisierung des Milchsektors, speziell der Milcherzeugung, ergriffen werden sollten. Welche Maßnahmen dies allerdings im Einzelnen sein sollten und wie die Wirksamkeit der verschiedenen Maßnahmen einzuschätzen sei, darüber herrschte nur teilweise Einigkeit. Etwas vereinfachend konnten zwei grundsätzlich unterschiedliche Positionen unter den beteiligten Experten ausgemacht werden: Die Experten aus Ungarn und Frankreich sowie mit Einschränkungen aus Polen hielten eine Mengensteuerung im europäischen Milchmarkt für unverzichtbar, um die Milchpreise zu stabilisieren . Teils wird eine Mengensteuerung generell, teils nur für Krisenzeiten als notwendig erachtet. Dr. Trouvé von AgroParisTech sprach in diesem Zusammenhang anschaulich von einem „freeze scheme“, also einem Konzept zum „Einfrieren“ der bisher erzeugten Milchmengen . Wie diese Mengensteuerung im Einzelnen organisiert und administriert werden soll, blieb aufgrund der knappen Zeit, die im Rahmen der Anhörung zur Verfügung stand, weitgehend im Dunkeln. Verbunden werden sollte die Mengensteuerung nach Ansicht dieser Experten in jedem Fall mit finanziellen Anreizen, entweder in Form von Prämien für Landwirte, die ihre Produktion freiwillig drosseln, oder in Form von Strafzahlungen für Betriebe, die ihre Produktion weiter ausdehnen. Nicht ganz überraschend ging das Plädoyer für eine Mengensteuerung im Milchmarkt mit Forderungen nach einer Stärkung der privaten Lagerhaltung und einer Anpassung des Interventionspreisniveaus sowie zum Teil sogar mit der Empfehlung , die Exportbeihilfen wiederaufleben zu lassen, einher. Von einzelnen Experten wurden darüber hinaus auch die verstärkte Subventionierung des Absatzes von Milchprodukten, etwa Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 12 über Schulmilchprogramme, die vergünstigte Abgabe von Milchprodukten an ärmere Bevölkerungsschichten oder die finanzielle Förderung des Einsatzes z.B. von Magermilchpulver als Viehfutter gefordert. Eine gänzlich andere Position bezog Professor Theuvsen in der Diskussion. Er bezweifelte die Wirksamkeit einer Mengensteuerung im europäischen Milchmarkt mit Verweis auf die starken Preisschwankungen, die bereits seit etwa 2007 und damit weit vor Abschaffung des Milchquotensystems zu beobachten gewesen seien. Zudem meldete er starke Zweifel daran an, dass eine nur in Europa vorgenommene Kürzung der Produktionsmengen die erwünschten Effekte auf dem Weltmarkt haben würde. An der Einbindung der europäischen Milcherzeuger in den Weltmarkt und an der damit verbundenen starken Preisvolatilität würden auf die EU begrenzte Ansätze zur Mengensteuerung zudem überhaupt nichts ändern. Seine Empfehlung lautete daher, die seiner Meinung nach fruchtlose Diskussion über eine Mengensteuerung endlich zu beenden und nach anderen, wirksameren Lösungen für den Milchmarkt zu suchen. Darüber hinaus sprach er sich gegen eine Anpassung des Interventionspreisniveaus aus, da davon erhebliche Fehlanreize für die Erzeugung ausgehen würden und der Nutzen einer derartigen Maßnahme sehr ungleich innerhalb der EU verteilt sein würde. Anstatt über eine Steuerung der Produktionsmengen und eine Anpassung der Interventionspreise zu diskutieren, empfahl Professor Theuvsen den anwesenden Politikern, unmittelbar das zentrale Problem der Milcherzeuger, nämlich ihre Liquiditätsschwierigkeiten, zu adressieren . Kurzfristig könne dies durch Liquiditätshilfen auf nationaler oder EU-Ebene geschehen, ein Vorschlag, der in ähnlicher Form auch von den anwesenden polnischen und französischen Experten unterbreitet wurde. Mittelfristig seien dagegen, so Professor Theuvsen, aufgrund der mangelnden Funktionsfähigkeit der Warenterminbörsen in Europa neue Instrumente zu entwickeln, die den Milcherzeugern eine Absicherung ihrer Liquiditätsrisiken ermöglichen würden. Er verwies in diesem Zusammenhang auf das versicherungsähnlich ausgestaltete US-amerikanische Dairy Margin Protection Program. Dieses Milch-Margen-Absicherungsprogramm erlaubt es – vereinfacht formuliert – amerikanischen Milcherzeugern, gegen eine Selbstbeteiligung eine Mindest-Bruttomarge, genauer gesagt: eine bestimmte futterkostenfreie Leistung, abzusichern. Ein derartiges Programm hat nach Auffassung von Professor Theuvsen mehrere Vorteile: So knüpfe es an der Bruttomarge an und erfasse damit neben volatilen Milchpreisen auch schwankende Futterkosten. Zudem trage die Option, gegen unterschiedlich hohe Zahlungen verschieden hohe Bruttomargen absichern zu können, der unterschiedlichen Risikoeinstellung der Betriebsleiter, der Vielfalt der Milchproduktion in Europa und der unterschiedlichen Risikotragfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe Rechnung . Drittens motivieren die einer Versicherungsprämie ähnlichen Zahlungen die Betriebe, innerbetriebliche Maßnahmen des Risikomanagements, etwa eine Verbesserung ihres Liquiditätsmanagements , nicht zu vernachlässigen. Viertens schließlich könne ein derartiges Programm – wie dies auch in den USA der Fall sei – Vorkehrungen gegen eine zu starke Ausweitung der Milchproduktion enthalten, um nicht als Produktionsanreiz in Zeiten einer überreichlichen Versorgung der Milchmärkte zu wirken. Ungeachtet der grundsätzlichen Vorteile einer „Versicherung gegen Liquiditätsprobleme“ sind zahlreiche Fragen noch ungeklärt. So ist gegenwärtig trotz erster Analysen, die beispielsweise am Thünen-Institut in Braunschweig durchgeführt worden sind, unklar, ob ein derartiges Absicherungssystem angesichts der Heterogenität der EU-Milcherzeugung im Hinblick auf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 13 Haltungssysteme, Produktionskosten etc. funktionieren kann. Auch die genauen (Verteilungs -)Wirkungen, die von einem solchen Programm ausgehen würden, sind bislang nicht detailliert für die EU untersucht worden. Zur Beantwortung dieser Fragen ist die Datenlage unzureichend und es fehlt an vertieften Analysen. Entsprechende Untersuchungen sollten daher nach Auffassung von Professor Theuvsen dringend durchgeführt werden. Diese sollten auch eine andere wichtige Frage beantworten helfen: Welche (WTO-konforme) finanzielle Unterstützung durch die EU wäre erforderlich, um ein Programm zur Absicherung der Liquidität europäischer Milcherzeuger zu realisieren? Weniger kontrovers wurden andere Maßnahmen diskutiert. Dies galt insbesondere für die Notwendigkeit von maßgeschneiderten Programmen zur Erhaltung der Milcherzeugung in Berg- und anderen benachteiligten Regionen, die weitere Unterstützung der Qualitätspolitik durch die EU sowie die Erschließung zusätzlicher Drittländermärkte. Weitgehend Einigkeit bestand auch dahingehend, dass der Gesetzgeber Anpassungen des Wettbewerbsrechts vornehmen solle, damit unfaire Praktiken des Lebensmitteleinzelhandels, der die gegenwärtig außerordentlich schwierige Verhandlungsposition der Molkereien zu seinen Gunsten auszunutzen versucht, leichter unterbunden werden können. Speziell für die Länder Mittel- und Osteuropas wurde darüber hinaus die Notwendigkeit einer weiteren Stärkung der Position der Landwirte durch Erzeugerorganisationen, wie sie schon im letzten Milchpaket vorgesehen war, diskutiert. In diesen Ländern scheinen Marktmachtunterschiede zwischen Erzeugern und Verarbeitern immer noch sehr stark zuungunsten der Landwirte eingesetzt zu werden, etwa in Form sehr kurzer Fristen für die Kündigung von Milchlieferverträgen durch die Molkereien . Um diesen Missstand zu beseitigen, sollten, so der Vorschlag von ungarischer Seite, Erzeugerorganisationen finanziell gefördert und ihnen in Krisensituationen weitergehende Ausnahmen vom Wettbewerbsrecht zugestanden werden. Insgesamt machte die Anhörung deutlich, dass den anwesenden Mitgliedern des Europäischen Parlaments die außerordentlich schwierige Lage der europäischen Milcherzeuger bewusst ist. Gleichzeitig hat die Expertenanhörung aber auch gezeigt, dass es nicht den „Stein der Weisen“, sprich: die eine Maßnahme, die alle Probleme lösen kann, gibt. Trotz der in Teilen der Wissenschaft wie auch der Politik ungebrochenen Unterstützung für Modelle der Milchmengensteuerung scheint die Diskussion gegenwärtig insgesamt eher auf Lösungen zur Absicherung der Preis- und damit der Liquiditätsrisiken der Milcherzeuger hinauszulaufen, da sie wirksamer und wesentlich einfacher umzusetzen wären sowie mutmaßlich weniger marktverzerrende Wirkungen hätten. Für diese These sprechen aktuelle Entwicklungen unter anderem in Irland, wo verstärkt Fest- und indexbasierte Preismodelle implementiert werden, um den Landwirten mehr Planungssicherheit zu geben. In dieselbe Richtung geht die in Brüssel laut gewordene Forderung, die Realisierungschancen und Wirkungen eines europäischen Margenabsicherungsprogramms für Milcherzeuger zu analysieren und im Falle positiver Ergebnisse ein entsprechendes Programm zeitnah einzuführen.“32 Die vollständigen Beiträge der einzelnen Experten können unter den folgenden Links abgerufen werden: 32 http://www.milchtrends.de/fileadmin/milchtrends/5_Aktuelles/16-02_Bericht_EU-Kommission_Theuvsen.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 14 Andrzej Babuchowski (2016). The future of the European Milk sector: What instruments are needed to stem against future crisis. http://www.eppgroup.eu/event/Hearing%3A-The-futureof -the-European-milk-sector-. Last Updated: 08.03.2016 - 10:52.- Költringer, Johann (2016). The future of the European Milk sector: What instruments are needed to stem against future crisis. Mag. DI Johann Költringer. Director Austrian Dairy Association (VÖM). EPP Group Public Hearing, European Parliament. Bruxelles, 27 January 2016. VÖM - Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter. http://www.eppgroup.eu/event/Hearing %3A-The-future-of-the-European-milk-sector-. Last Updated: 08.03.2016 - 10:52.- Mélykuti, Tibor (2016). The future of the European Milk sector: What instruments are needed to stem against future crisis. President of the Hungarian Milk Interbranch Organisation and Dairy Board. Managing Director of the Alföld Milk Ltd., Hungary. http://www.eppgroup.eu/event/Hearing%3A-The-future-of-the-European-milk-sector-. Last Updated: 08.03.2016 - 10:52.- Theuvsen, Ludwig (2016). The future of the European Milk sector: What instruments are needed to stem against future crisis. Department of Agricultural Economics and Rural Development , Georg-August-University, Göttingen, Germany. http://www.eppgroup.eu/event/Hearing %3A-The-future-of-the-European-milk-sector-. Last Updated: 08.03.2016 - 10:52.- Trouve, Aurélie (2016). The future of the European Milk sector: What instruments are needed to stem against future crisis. Reader in Economics, Department of Economics and Management , AgroParisTech (Paris Institute of Technology for Life, Food and Environmental Sciences ), France. http://www.eppgroup.eu/sites/default/files/event-files/summaries /2016/01/Presentation%20Trouv%C3%A9_EN.ppt. Last Updated: 08.03.2016 - 10:52 2.1. Margin Protection Program for Dairy (MPP-Dairy) Theuvsen verweist in seiner Präsentation auf das Margin Protection Program for Dairy (MPP- Dairy) in den USA, das seines Erachtens nach einer größeren wissenschaftlichen und politischen Aufmerksamkeit bedarf („deserves more scientific and political attention“). Das MPP-Dairy ist ein freiwilliges Instrument des Risikomanagements für Milcherzeuger, wurde mit dem Farm Bill 2014 eingeführt und gilt zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2018. Das US-Programm bietet den Milcherzeugern Schutz, wenn die Differenz zwischen dem gesamten Milchpreis und den durchschnittlichen Futterkosten (Marge) unter einen bestimmten Dollarbetrag fällt, der vom Milcherzeuger bestimmt wurde: „The Margin Protection Program for Dairy (MPP-Dairy) is a voluntary risk management program for dairy producers authorized by the Agricultural Act of 2014 (2014 Farm Bill) through Dec. 31, 2018. The MPP-Dairy offers protection to dairy producers when the difference between the all milk price and the average feed cost (the margin) falls below a certain dollar amount selected by the producer.“33 33 http://www.fsa.usda.gov/programs-and-services/price-support/market-loss-assist/index Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 15 Zweck der MPP-Dairy ist es “to provide eligible dairy producers risk protection against low margins resulting from a combination of low milk prices and high feed costs.”34 Weber/Hansen (2014) vom Thünen-Institut erläutern zum MPP-Dairy: “Bei freiwilliger Programmteilnahme erhalten Milcherzeuger eine Beihilfe zur Absicherung ihrer Bruttomarge. Diese definiert sich als Differenz zwischen Milcherlös und Futtermittelkosten und wird monatlich vom Landwirtschaftsministerium berechnet. Diese Art der Versicherung ist bei Produktionsausweitungen begrenzt und die Prämie staffelt sich nach der jährlichen Milcherzeugung. Damit soll Angebotsüberschüssen vorgebeugt werden.“35 2.2. Milchpreis in Österreich/Ornua in Irland Trotz Russlandembargo und Milchquotenende sind die Milchmarktpreise in Österreich signifikant höher als in dem Rest der EU. Das nachfolgende Diagramm zeigt die Preisentwicklung des Milchmarktes. Es werden die Milchmarktpreise Österreichs (blaue Linie), der EU (grüne Linie) und den USA (rote Linie) von Januar 2013 bis November 2015 dargestellt: Die komplette rechtliche Regelung zum MPP-Dairy findet sich im Code of Federal Regulations unter : 7 CFR Part 1430, Subpart A. https://www.law.cornell.edu/cfr/text/7/part-1430/subpart-A 34 7 CFR Part 1430, Subpart A. § 1430.100 Purpose. https://www.law.cornell.edu/cfr/text/7/part-1430/subpart-A 35 Weber, Sascha; Hansen, Heiko (2014). Kann eine Marktbeobachtungsstelle den EU-Milchmarkt effizient regulieren ? Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut, Thünen Working Paper 34, http://literatur.thuenen .de/digbib_extern/dn054260.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 16 Quelle: Költringer, Johann (2016).36 Am 17. Mai 2016 konstatierte die österreichische Zeitung STANDARD-Online: >Ein ähnliches Preis-Gemetzel wie in Deutschland dürfte heimischen Bauern erspart bleiben, sagt Andreas Geisler von der Arge Heumilch zum STANDARD. „Die Produzenten haben es gemeinsam mit dem Handel geschafft, Konsumenten von teureren, regionalen Produkten zu überzeugen.“ Die kleinteilige Struktur der heimischen Betriebe sei da eher ein Vorteil. Sie würden auf höherwertige Produkte setzen, weil sie ihr Überleben gar nicht anders sichern könnten. In Deutschland gebe es gerade im Norden viele Großbetriebe, „die eher Industrieprodukte herstellen“, sagt Geisler. Für Bio- oder Heumilch zahlen Molkereien deutlich mehr, es ist aber auch die Herstellung teurer.<37 Eine Forsa-Umfrage vom 18. Januar 2016 gibt Auskunft über die Meinungen und Einstellungen der Verbraucher zur Milchwirtschaft in Deutschland, demnach ist der Hersteller bzw. die Marke ein entscheidendes Kriterium für den Kauf von Milch bzw. Milchprodukten.38 36 Költringer, Johann (2016). The future of the European Milk sector: What instruments are needed to stem against future crisis. Mag. DI Johann Költringer. Director Austrian Dairy Association (VÖM). EPP Group Public Hearing, European Parliament. Bruxelles, 27 January 2016. VÖM - Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter. http://www.eppgroup.eu/event/Hearing%3A-The-future-of-the-European-milk-sector. Last Updated: 08.03.2016 - 10:52.- 37 http://derstandard.at/2000037084109/Milchpreis-faellt-in-Deutschland-erstmals-unter-20-Cent 38 http://dialog-milch.de/wp-content/uploads/2016/03/umfrageergebnisse-18-01-2016.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 17 Quelle: Forsa(2016).39 Joe Collins und Anne Randles von Ornua/Kerrygold40 erläuterten am 24. November 2015 im Irischen Parlament (dem Oireachtas) in einer Anhörung vor dem Agrarausschuss, welche Anstrengungen das Unternehmen Ornua unternimmt, um der Volatilität des Milchmarktes zu begegnen .41 Nachfolgend findet sich ein Auszug der Anhörung: „What has Ornua been doing to help insulate farmers against volatility? We have a six-point plan, which we have been working on since 2011. That is around growing the brand, particularly Kerrygold. Brand prices tend to operate in narrower tramlines than commodity prices. That has worked quite well. We have also spent a lot of time on and have invested in technology and innovation to develop value-added ingredients. If customers are buying a value-added ingredient, they tend not to be able to switch to alternatives, so there is some protection in that. The third factor is diversification, both geographically - Ornua sells products in 110 countries - and in sectors . We operate in retail, food services, ingredients and across a wide range of products. That is probably a bit unlike our peers, who may focus on one market and one product. We have also worked hard on strengthening the supply chain with key blue-chip customers in that we do longterm contracts, we look at ways of working together and we build in price points and tramlines, which help to take out some of the volatility. For the past four years, we have supported the processors with guaranteed fixed milk price schemes, where we effectively link customers with the farmer on fixed price contracts. Since 2012 we have put much focus on, and resources into, building up a trading team, which will take some knowledge and expertise from other sectors to 39 http://dialog-milch.de/wp-content/uploads/2016/03/umfrageergebnisse-18-01-2016.pdf 40 http://www.ornua.com/ Kerrygold 41 Seite 4f. http://oireachtasdebates.oireachtas.ie/debates%20authoring/DebatesWebPack.nsf/committeetakes /AGJ2015112400004?opendocument Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 18 help manage volatility in terms of using the financial markets to hedge and de-risk our physical positions. Has this strategy worked? We would say it has. Members can see on the graph the purchase price index42, which is the index of what we pay for a product by month. It is based on 2010, which was 100, and members can see that over the past year or so, the swing has been about 10 base points, or about a 10% swing. This would compare to the GDT [Global Dairy Trade], the New Zealand auction, which has swung to the tune of 66% in that period and Dutch quotes, which are more representative of European prices, have moved by about 50% in that period. The strategy we have in place has helped take out some of the volatility but obviously not all of it. Moving on to the market and where we are now and where we think it might move to, a good place to start is by looking back. If members look at the table43, they will see that in 2012, particularly the latter half, milk production globally was quite low. That stimulated high prices. The prices in turn stimulated very strong production from late 2013 to late 2014. In fact, globally milk was up about 5% in that period year-on-year, or roughly twice demand or consumption, which was about 2.5%. That is probably the start of the current problem. As we moved into 2015, supply quietened down, back towards about 1.25%, but unfortunately the legacy of the stock that was made in 2014, plus the compound growth factor, continues to overhang the market . Looking at the GDT prices, and we mentioned volatility before, members can see at the start of 2014 whole milk powder, for example, was up at $5,000 per tonne. It then dropped 70% in the period to August 2015. It has recovered slightly but is now in slight decline at the last few auctions . In terms of looking at the current situation, New Zealand milk has slowed but unfortunately probably not enough. Six weeks ago, there were reports that it could slow by 8% to 10% for the current season. More recently, they are saying it could be less than half that at 4% to 5%. That has certainly affected the market in the last two to three weeks. European production has been very strong recently. As can be seen from the graph, particularly as we moved into August and September, there are very strong flows year-on-year. The background to that is probably twofold. The weather has been exceptionally mild across Europe, typically 6° Celsius to 7° Celsius higher in temperature and feed cost has been quite low. Obviously, with no quota, farmers have pushed on. The real point is that European milk production in 2014 was up by 4.5%. It is likely to be up by 1.5% this year. That is a compounded 6%, which is a lot of extra milk. The other thing we need to remember is that Europe is seven times the size of New Zealand when it comes to milk output, so what happens in Europe is key.“44 42 Die Präsentation im Irischen Parlament (Presentation to Oireachtas Joint Committee on Agriculture, Food and the Marine Joe Collins – MD Ornua Dairy Trading & Ingredients Anne Randles – Company Secretary 24 th November 2015) kann unter nachfolgendem Link abgerufen werden: http://slideplayer.com/slide/8939714/ (zuletzt abgerufen am 24. Mai 2016). 43 Ebenda. 44 Mr. Joe Collins (Ornua). Seite 5. http://oireachtasdebates.oireachtas.ie/debates%20authoring/Debates WebPack.nsf/committeetakes/AGJ2015112400005?opendocument Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 19 3. ANHANG 3.1. Milchpreisentwicklung Einen guten Überblick über die Milchpreisentwicklung bietet das European Milk Market Observatory (MMO)45. Unter EU historical series findet sich eine Tabelle der monatlichen Rohmilchpreise seit Januar 1977 (EU historical prices). Die nachfolgende Darstellung zeigt die monatliche Milchpreisentwicklung in der EU seit 2013 bis März 2016: Quelle: LTO Nederland.46 (Stand: März 2016). 3.2. Milcherzeugungskosten Die folgende Abbildung des Milch Board und des European Milk Board (EMB) zeigt eine Trendberechnung der Erzeugungskosten für Milch in Deutschland in den Regionen Nord, Ost und Süd (Stand: April 2016). Die Erzeugungskosten sind regional innerhalb Deutschlands unterschiedlich: 45 http://ec.europa.eu/agriculture/milk-market-observatory/index_en.htm 46 http://www.milkprices.nl/; dann weiter untere Graphic review. Der niederländische Bauernverband (LTO), der EDF (European Dairy Farmers) und Zuivel NL, erfasst und veröffentlicht die Auszahlungspreise der größten milchverarbeitenden Unternehmen in Europa. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 20 Quelle: Milch Board/EMB (2016).47 3.3. Beschluss der Agrarministerkonferenz vom 15. April 2016 Während der Agrarministerkonferenz am 15. April 2016 wurde ebenfalls nach Möglichkeiten gesucht , um die dramatische Lage in der Milchviehhaltung langfristig zu verbessern. Der Beschluss lautet wie folgt: „1. Die Ministerinnen, Minister und Senatoren der Agrarressorts der Länder nehmen den mündlichen Bericht des BMEL zur Situation am Milchmarkt und über die weitere Umsetzung der Handlungsempfehlungen des Runden Tisches sowie zu den Ergebnissen der Beratung der Bund-Länder -Arbeitsgruppe der Milchreferentinnen und -referenten zur Kenntnis. 2. Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage am Milchmarkt besteht fort. Nachfrageseitig sind kurzfristig keine Impulse zu erwarten. Es muss jetzt die Rohstoffmenge reduziert werden. Dazu sind die neuen Möglichkeiten aus den am 12.04.2016 veröffentlichten Verordnungen der EU-Kommission zur freiwilligen Mengenplanung von den Marktpartnern umgehend aufzunehmen und Schritte zu deren Umsetzung einzuleiten. Die Ministerinnen, Minister und Senatoren der Agrarressorts der Länder begrüßen in diesem Zusammenhang die Äußerungen der EU- Kommission zu befristeten Beihilferegelungen für das Einfrieren oder die Reduzierung der Produktion . Der Bund wird aufgefordert, die damit verbundenen Möglichkeiten aufzugreifen. 3. Sofern mit freiwilligen Maßnahmen zur Mengensteuerung bis zur nächsten Agrarministerkonferenz keine spürbaren Fortschritte erreicht werden, bitten sie das BMEL, auf EU-Ebene die faktischen und rechtlichen Möglichkeiten einer zeitlich befristeten entschädigungslosen Mengenbegrenzung (nach Artikel 221 der Gemeinsamen Marktorganisation – GMO, VO (EU) Nr. 1308/2013) und die sich daraus ergebenden Sanktionsmöglichkeiten prüfen zu lassen und dann umzusetzen. 47 http://www.milch-marker-index.de/fileadmin/mmi/pdf/Poster_Erzeugungskosten_4.2016.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 21 4. Eine Rückkehr zur Quotenregelung wird ausgeschlossen. 5. Die Ministerinnen, Minister und Senatoren der Agrarressorts der Länder sind der Auffassung, dass die Wirtschaftsbeteiligten ihre gemeinsame Verantwortung bei der Gestaltung der Lieferbeziehungen im Hinblick auf ein marktkonformes Lieferverhalten bisher nicht ausreichend wahrnehmen . Verbindlich vereinbarte und konkrete Vertrags- und Lieferkonditionen zu Menge, Preis und Laufzeiten, wie auch von der Mehrzahl der Erzeuger gewünscht, werden als Beitrag zur Abmilderung künftiger Marktkrisen angesehen. Bisher ist die Position der Milcherzeuger in der Wertschöpfungskette jedoch offenbar nicht stark genug, diese Forderung durchzusetzen. 6. Deshalb wird der Bund gebeten, sich erstens auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Gemeinsame Marktorganisation - GMO, VO (EU) Nr. 1308/2013, Artikel 148 „Vertragsbeziehungen im Sektor Milch und Milcherzeugnisse“ geändert wird. Die Ausnahmeregelungen für Genossenschaften in Absatz 3 sowie die freie Verhandelbarkeit aller Vertragsbestandteile in Absatz 4 müssen gestrichen werden. Zweitens ergeht die Bitte an den Bund, die geänderte GMO unverzüglich in nationales Recht umzusetzen, sollte eine freiwillige Einigung der Markpartner auf privatrechtlicher Grundlage zu den konkreten Lieferkonditionen nicht erfolgen. 7. Zur besseren Vorbereitung auf künftige Marktkrisen fordern die Ministerinnen, Minister und Senatoren der Agrarressorts der Länder die Wirtschaftsbeteiligten auf, sich in Branchenorganisationen zusammenzuschließen. Mit der Neuausrichtung der Gemeinsamen Marktorganisation wurden anerkannten Branchenorganisationen Rechte und Pflichten eingeräumt, die speziell auch hinsichtlich von Krisen vorbeugend wirken. 8. Zur Sicherung der Liquidität fordern die Ministerinnen, Minister und Senatoren der Agrarressorts der Länder den Bund auf, sich auf EU-Ebene für ein zweites, ausreichend finanziell ausgestattetes EU-Hilfspaket einzusetzen, mit dessen Mitteln bereits laufende nationale Maßnahmen zur Krisenbewältigung finanziell deutlich verstärkt werden können. Der Bund wird aufgefordert, ebenfalls eigene zusätzliche Haushaltsmittel für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen. Liquiditätshilfen sollen mit dem Ziel einer Reduzierung der Milchmenge verbunden werden. 9. Die Ministerinnen, Minister und Senatoren der Agrarressorts der Länder sehen nachfolgende Maßnahmen als zielführend an, um dem Milchsektor in der gegenwärtigen prekären Marktsituation effizient helfen zu können und fordern den Bund daher auf, diese einzuleiten bzw. zu begleiten : Einführung eines Bonusprogramms Milch, um Molkereien und Erzeuger finanziell zu unterstützen , die sich an milchmengenreduzierenden Maßnahmen beteiligen; Verstetigung des für 2016 um 78 Millionen Euro auf 178 Millionen Euro erhöhten Bundeszuschusses zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung auch für die folgenden Jahre mindestens auf diesem Niveau; Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Vertiefung der Wertschöpfungsketten; zeitlich befristete Übernahme des Arbeitgeberanteils bei Sozialversicherungen nach dem Beispiel der Verfahrensweise bei den deutschen Reedern zu prüfen; Erlass der Restschuld aus öffentlichen Darlehen, die in den 1990er Jahren für Investitionen in die Tierhaltung gewährt wurden; Verbesserung der Stellung der Landwirte in der Wertschöpfungskette; Verbesserung der wettbewerbs- und kartellrechtlichen Instrumente zur Sicherung fairer Wettbewerbsbedingungen in der Lebensmittellieferkette; Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 22 die Ausdehnung der steuerlichen Gewinnglättung von derzeit zwei Jahre auf vier Jahre; Einführung einer steuerlichen Risikoausgleichsrücklage; Nutzung der Möglichkeiten des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI). 10. Die Ministerinnen, Minister und Senatoren der Agrarressorts der Länder bitten den Bund, auf EU-Ebene für folgende Punkte einzutreten: spontane Herauskaufaktionen zur kurzfristigen Entlastung des Milchmarktes („Spontanintervention “); Anhebung der De-minimis-Obergrenze von 15.000 Euro auf 30.000 Euro; Verwendung von Lebensmitteln aus EU-Herkunft bei den national oder EU-finanzierten Nahrungsmittelhilfen in Krisenregionen, insbesondere mit Blick auf das World Food Programm ; Prüfung neuer Instrumente, wie Versicherungslösungen zur Einkommensstabilisierung der Landwirte; Operationelle Programme – wie derzeit für im Sektor Obst und Gemüse möglich – auch im Sektor Milch vorzusehen und mit entsprechenden EU-Mitteln zu fördern. 11. Darüber hinaus bitten sie den Bund, folgende Maßnahmen umzusetzen: die Bereitstellung zusätzlicher Bundesmittel für Maßnahmen zur Abfederung der Milchkrise im Rahmen der aufgestockten De-minimis-Beihilfe sowie zur Entlastung der Betriebe bei den Sozialabgaben und im Steuerbereich, die unbefristete Verlängerung und Verschärfung des Verbotes des „Verkaufs unter Einstandspreis “ im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Protokollerklärung der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt: Die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt lehnen eine Verknüpfung der Gewährung von Liquiditätshilfen mit Mengenreduzierungen ab. Sie bitten den Bund, sich für eine Erhöhung der landwirtschaftlichen Freibeträge im Einkommenssteuergesetz einzusetzen.“48 4. Weitere Quellen European Milk Market Observatory. http://ec.europa.eu/agriculture/milk-market-observatory/index _en.htm Marktinformationen http://www.milk.de/pages/de/Marktinformation.htm#News-aktuell Thiele, Holger D.; Richarts, Erhard; Burchardi, Henrike (2015). Kriseninstrumente im Milchmarkt . Ife. Institut für Ernährungswirtschaft Kiel. April 2015. http://www.schleswig-holstein .de/DE/Fachinhalte/T/tierproduktion/Downloads/kriseninstrument-milchmarkt.pdf;jsessionid =B40C101A58A8AAC960406567C48CB3DB?__blob=publicationFile&v=3 48 https://www.agrarministerkonferenz.de/documents/ErgebisprotokollAMKGoehren-Lebbin_Endfassung 02052016.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 033/16 Seite 23 Weber, Sascha (2015). EU-Milchmarkt auf dem Weg in die Freiheit: Umgang mit Preisrisiken stellt Erzeuger vor Herausforderungen. In: Trendbuch : Innovative Agrarwirtschaft 2015. Frankfurt a M: Deutscher Fachverl, S. 13-16. Weber, Sascha et al. (2015). Mit gedrosselter Milcherzeugung zu höheren Preisen? - Ein zum Scheitern verurteilter Versuch. Agra Europe (Bonn)(43):11-12. Weber, Sascha; Hansen, Heiko (2014). Kann eine Marktbeobachtungsstelle den EU-Milchmarkt effizient regulieren? Braunschweig: Johann Heinrich von Thünen-Institut, Thünen Working Paper 34. http://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn054260.pdf Weber, Sascha et al. (2013). Volatile Weltmarktpreise von Milchprodukten und ihr Einfluss auf die nationale Preisbildung: Der deutsche Käsemarkt. Landbauforsch Appl Agric Forestry Res 63(2):103-114. http://literatur.thuenen.de/digbib_extern/bitv/dn052237.pdf Bundestag (2015). Öffentliche Anhörung am 23. März 2015. Instrumente für Krisenintervention und -management auf dem Milchmarkt: 31. Sitzung -Öffentliche Anhörung am 23. März2014 von 16:00 bis 18:00 Uhr (pdf | 198 KB)49 Einzelsachverständiger Gunnar Hemme (Molkerei Hemme, Angermünde) (pdf | 433 KB) Einzelsachverständiger Dr. Sascha Alexander Weber (Johann Heinrich von Thünen-Institut ) (pdf | 653 KB) Deutscher Bauernverband e.V. (DBV) (pdf | 576 KB) Deutscher Raiffeisenverband e.V. (DRV) (pdf | 598 KB) Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e.V. (BDM) (pdf | 662 KB) Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) (pdf | 658 KB) Einzelsachverständiger Prof. Dr. Holger Thiele (Informations- und Forschungszentrum für Ernährungswirtschaft e.V.) (pdf | 433 KB) Wortprotokoll 31. Sitzung Öffentliche Anhörung 23. März 2015 (pdf | 988 KB) Jongeneel, R.; Van Berkum, S. (2015). What will happen after the EU milk quota system expires in 2015? An assessment of the Dutch dairy sector. Wageningen, LEI Wageningen UR, University & Research centre. https://www.wageningenur.nl/upload_mm/1/1/b/18337522-934e-4720-bde7- 46c107e56e93_2015-041_Jongeneel_DEF.pdf http://www.ornua.com/our-group/ornua-ppi/ ENDE DER BEARBEITUNG 49 Im Link ist das Jahr unzutreffend angegeben.