© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 032/20 Wirtschaftliche Aspekte bei der Implementierung eines digitalen Identitätsnachweises Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 032/20 Seite 2 Wirtschaftliche Aspekte bei der Implementierung eines digitalen Identitätsnachweises Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 032/20 Abschluss der Arbeit: 02.04.2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 032/20 Seite 3 1. Fragestellung Gegenstand dieses Sachstands sind wirtschaftliche Aspekte der Implementierung einer (staatlichen ) digitalen Identifizierungslösung. Gefragt ist nach den Bereichen der Privatwirtschaft, für die solche digitalen Lösungen in besonderem Maße von Nutzen sind (3.) sowie nach den Kosten für die jeweiligen Akteure (4.). Zur Frage nach der konkreten wirtschaftlichen Ausgestaltung in Deutschland, insbesondere hinsichtlich der Rolle der involvierten Akteure beim Identifizierungsvorgang und der Preisgestaltung unter diesen, liegen den Wissenschaftlichen Diensten keine Informationen vor. 2. Vorbemerkung Laut Statistischem Bundesamt bedienen sich 17% der Internetnutzer der Online-Funktion des Personalausweises.1 Eine Umfrage zeigt aber auch, dass die Funktion derzeit noch mehrheitlich für Online-Dienste im Rahmen der Verwaltung und nicht so sehr für Angebote im privatwirtschaftlichen Sektor gebraucht wird.2 Als privatwirtschaftliche Profiteure eines digitalen Identitätsnachweises kommen grundsätzlich solche Unternehmen in Betracht, bei denen ein Vertragsschluss die Preisgabe und Verarbeitung (hoch-) sensibler personenbezogener Informationen und ein entsprechend hohes Datenschutzlevel verlangt. Die Notwendigkeit einer exakten und sicheren Identifikation ergibt sich dabei teilweise aus gesetzlichen Vorschriften3, teilweise aber auch aus einem besonderen wirtschaftlichen Interesse daran, genau zu wissen, mit wem ein Vertrag geschlossen wird und sicherzustellen, dass derjenige, der die (elektronischen) Willenserklärungen abgibt, auch der tatsächliche Vertragspartner ist.4 Der ökonomische Anreiz für Privatunternehmen, eine solche oder ähnliche Identifikationsmöglichkeit in ihren Vertragsschluss zu integrieren, liegt in der Vereinfachung des elektronischen Vertragsschlussprozesses, insbesondere in der Vermeidung sog. Medienbrüche5. 1 Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 67, 26.02.2019, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen /2019/02/PD19_067_639.html (zuletzt aufgerufen am 02.04.2020). 2 Rabe, Umfrage zu Nutzungsbereichen der Online-Ausweisfunktion des nPA in Deutschland 2017, 06.11.2018. Abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/777662/umfrage/nutzung-der-online-ausweisfunktion -des-npa-in-deutschland/ (zuletzt aufgerufen am 02.04.2020). 3 Beispielsweise erklärt § 10 Abs. 1 Nr. 1 Geldwäschegesetz (GwG) die Identifizierung des Vertragspartners zur Sorgfaltspflicht, § 111 Abs. 1 Sätze 1,2 Telekommunikationsgesetz (TKG) verpflichtet Mobilfunkanbieter zur Überprüfung der Richtigkeit der angegebenen Kundendaten und § 4 Abs. 5 Nr. 1 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) verlangt eine Identifizierung und Authentifizierung, um sicherzustellen, dass Minderjährige von der Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen ausgeschlossen sind. 4 Klassisches Beispiel hierfür ist der Abschluss eines Darlehensvertrages mit einem Kreditinstitut. 5 Hierunter versteht man den Wechsel des Mediums innerhalb einer Informationsübertragungskette. Beispiel: Ein Onlineformular wird elektronisch ausgefüllt, muss aber ausgedruckt und gegebenenfalls mit zusätzlichen Papieranlagen zurückgesandt werden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 032/20 Seite 4 Je komplizierter der Vertragsabschluss, desto wahrscheinlicher ist es, dass der potenzielle Vertragspartner Abstand von dem Vorhaben nimmt. Andersherum führen möglichst nahtlose Möglichkeiten zum Nachweis der erforderlichen Tatsachen zu einer höheren Anzahl abgeschlossener Verträge.6 Eine weitere zentrale Hürde für die feste Integration des digitalen Identitätsnachweises in den wirtschaftlichen Alltag ist zudem der wechselseitige Einfluss zwischen den bereits bestehenden Einsatzmöglichkeiten von Identifikationslösungen und den Anreizen potenzieller Nutzer, sich für eine solche Lösung zu registrieren. Je vielfältiger die Einsatzmöglichkeiten sind, desto größer ist der Anreiz für Nutzer, sich einer solchen Lösung zu bedienen. Je weniger Nutzer jedoch für entsprechende Lösungen registriert sind, desto geringer der Anreiz für Unternehmen, derartige Identifizierungsmöglichkeiten in ihr Online-Angebot zu integrieren und zu dort zu investieren.7 Es ist zudem anzumerken, dass zunehmend Anbieter auf dem Markt aktiv sind, die digitale Identifizierungslösungen unabhängig von der Online-Ausweisfunktion anbieten. Die Konzepte reichen dabei von einer Nutzung der Onlinebanking-Daten über den Zusammenschluss mehrerer Unternehmen zur Unterhaltung eines gemeinsamen Kundenkontos bis hin zu Lösungen, die sich der Blockchain-Technologie bedienen. 3. Digitaler Identitätsnachweis in der Privatwirtschaft Wie eingangs dargestellt, besteht ein Interesse an Lösungen für einen digitalen Identitätsnachweis immer dort, wo die Erhebung (bestimmter) sensibler Daten und/oder eine Rückverfolgbarkeit von Aktionen auf eine bestimmte Person erforderlich sind. Derzeit sind digitale Identifizierungslösungen am weitesten im Banken- und Finanzsektor8, im E-Commerce sowie in den Bereichen Telekommunikation, Mobilität und Versicherung verbreitet . Weitere Sektoren, in die digitale Identitätsnachweise bereits Einzug gehalten haben oder in denen ihre Implementierung denkbar bzw. geplant ist, sind der Gesundheitssektor, die Gaming-, Glücksspiel- und die Automobilbranche sowie spezielle Dienstleister (z.B. Anwaltskanzleien) und die Industrie.9 6 Vgl. nur Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat; Digitale Identifizierung mit dem deutschen Online -Ausweis, Informationen für Unternehmen und Behörden, September 2019, S. 17. Abrufbar unter: https://www.personalausweisportal.de/SharedDocs/Downloads/DE/Material-Dienstleister/anwenderhandbuch .pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt aufgerufen am 02.04.2020). 7 Deutsche Bundesbank (Arbeitskreis eID), Nutzung elektronischer Identifizierungsmittel (eIDs) im elektronischen Zahlungsverkehr und bei der Kontoeröffnung, 2019, S.22. Abrufbar unter: https://www.bundesbank.de/resource/blob/820850/8f7ff5fca3fe5d823f7f10a30752b31f/mL/bericht -eids-elekronischer-zahlungsverkehr-data.pdf (zuletzt aufgerufen am 02.04.2020). 8 Rabe, Umfrage zu Nutzungsbereichen der Online-Ausweisfunktion des nPA in Deutschland 2017, 06.11.2018. Abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/777662/umfrage/nutzung-der-online-ausweisfunktion -des-npa-in-deutschland/ (zuletzt aufgerufen am 02.04.2020). 9 Vgl. https://www.bundesdruckerei.de/de/loesungen/AusweisIDent-Online (zuletzt aufgerufen am 02.04.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 032/20 Seite 5 4. Kosten für den Staat und die Nutzer Angaben über die Kosten, die dem Staat aufgrund dieses Systems waren hier nicht ermittelbar. Für die Nutzer ist hinsichtlich der Kostensituation Folgendes zu berücksichtigen: Der Bürger bzw. Einwohner hat für die Ausstellung des Personalausweises gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Personalausweisgebührenverordnung (PAuswGebV)10 eine Gebühr von 28,80 Euro zu entrichten. Seit seiner Änderung durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises11 im Jahr 2017 sieht § 10 Abs. 1 des Personalausweisgesetzes (PAuswG)12 zudem die standardmäßige - und in diesem Fall gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 PAuswGebV13 gebührenfreie - Aktivierung der elektronischen Ausweisfunktion vor. Bei nachträglicher Aktivierung wird eine Gebühr von 6 Euro erhoben (§ 2 Abs. 1 Satz 1 PAuswGebV)14. Darüber hinaus fallen für den Nutzer Kosten für die Anschaffung eines Chipkarten-Lesegerätes oder sonst erforderlicher Hardware an; bei neueren Smartphones, die mit einem NFC-Chip ausgestattet sind, ist dies jedoch nicht mehr zusätzlich erforderlich. Die benötigte Software steht dem Nutzer regelmäßig kostenfrei zur Verfügung.15 Dienstanbieter, die sich die Online-Ausweisfunktion zunutze machen wollen, benötigen eine von der Vergabestelle für Berechtigungszertifikate im Bundesverwaltungsamt erteilte Berechtigung im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 PAuswG. Für deren Beantragung und Bescheidung fallen gemäß § 3 PAuswGebV Gebühren zwischen 80 Euro und 115 Euro an. Die Software steht ihnen von staatlicher Seite im Übrigen kostenfrei zur Integration und Bearbeitung zur Verfügung16; ein 10 Personalausweisgebührenverordnung vom 1. November 2010 (BGBl. I S. 1477), die zuletzt durch Art. 2 der Verordnung zur Änderung der Personalausweisverordnung, der Personalausweisgebührenverordnung und der Ersten Bundesmeldedatenübermittlungsverordnung vom 1.7.2015 (BGBl. I S. 1011) geändert worden ist, http://www.gesetze-im-internet.de/pauswgebv/BJNR147700010.html (zuletzt aufgerufen am 02.04.2020). 11 Art. 1 Nr. 4 lit. b) Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises (Gesetz vom 07.07.2017 - BGBl. I 2310), https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger _BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl117s2310.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl117s 2310.pdf%27%5D__1585654436829 (zuletzt aufgerufen am 02.04.2020). 12 Personalausweisgesetz vom 18. Juni 2009 (BGBl. I S. 1346), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. Juni 2019 (BGBl. I S. 846) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet.de/pauswg/BJNR134610009.html (zuletzt aufgerufen am 02.04.2020). 13 Gleiches gilt für den elektronischen Aufenthaltstitel gem. § 45a Abs. 1 Satz 2 Aufenthaltsverordnung (AufenthV). 14 Gleiches gilt für den elektronischen Aufenthaltstitel gem. § 45a Abs. 1 Satz 1 AufenthV. 15 Vgl. nur § 2 Abs. 2 Satz. 1 der AGB zur AusweisApp2. Abrufbar unter: https://www.ausweisapp.bund.de/fileadmin/user_upload/Software/1.14.1/AusweisApp2- 1.14.1-Lizenz.pdf (zuletzt aufgerufen am 02.04.2020). 16 Vgl. Nr.2 der Lizenzbedingungen zur AusweisApp2. Abrufbar unter: https://www.ausweisapp.bund.de/fileadmin/user_upload/Software/1.14.1/AusweisApp2- 1.14.1-Lizenz.pdf (zuletzt aufgerufen am 02.04.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 032/20 Seite 6 Entgelt für die Integration und Nutzung daraus hervorgehender privater Dienste kann jedoch individuell vereinbart werden. ***