© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 031/20 Straßenrechtliche Fragen zur Widmung und Abstufung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 031/20 Seite 2 Straßenrechtliche Fragen zur Widmung und Abstufung Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 031/20 Abschluss der Arbeit: 27.03.2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 031/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Straßenrechtliche Widmung 4 2.1. Allgemeines 4 2.2. Rechtsnatur der Widmung 5 2.3. Beschränkungen innerhalb der Widmung 7 2.4. Geschwindigkeitsbegrenzung durch Widmung 7 3. Abstufung von Bundesfernstraßen zu Landesstraßen 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 031/20 Seite 4 1. Fragestellung Diese Ausarbeitung befasst sich mit der straßenrechtlichen Widmung sowie der Abstufung von Bundesfernstraßen zu Landesstraßen. Konkret wird dabei auf Fragen zu den Möglichkeiten der Länder und Kommunen eingegangen, im Rahmen der Widmung eine Beschränkung auf den öffentlichen Anlieger- und Wirtschaftsverkehr vorzunehmen, sowie zu der Zulässigkeit von straßenrechtlichen Geschwindigkeitsbegrenzungen Stellung genommen. Im Rahmen der Abstufung von Bundesfernstraßen geht es um deren Voraussetzungen sowie die Beteiligung des Bundes. Die zitierten Links wurden zuletzt am 27. März 2020 aufgerufen. 2. Straßenrechtliche Widmung 2.1. Allgemeines Bei der Widmung einer Straße handelt es sich um einen hoheitlichen Rechtsakt, durch den eine öffentliche Stelle erklärt, dass die Sache (Straße) einem bestimmten öffentlichen Zweck dienen soll und ihre Benutzung durch die Allgemeinheit geregelt wird (Gemeingebrauch).1 Mit der Widmung muss zwingend auch die Einstufung in eine der bestimmten Straßengruppen2 (Typenzwang ) erfolgen.3 Dies sind im Bundesfernstraßengesetz (FStrG)4 die Bundesautobahnen und Bundesstraßen.5 Unter das Landesstraßenrecht6 fallen Landes- (bzw. Staats-), Kreis-, Gemeindeund sonstige Straßen.7 Von der Einstufung hängt die Trägerschaft der Baulast ab.8 Maßgeblich für die Einstufung ist die erwartete bzw. beabsichtigte Verkehrsbedeutung der Straße.9 Die Einstufung in eine andere Straßengruppe ist nicht möglich.10 Die Widmung von Bundesfernstraßen 1 Rebler, Straßenrechtliche Grundsätze und Abgrenzung Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, SVR 2017, 246, Link: https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fsvr%2F2017%2Fcont%2Fsvr.2017.246.1.htm&pos=1&hlwords=on. 2 Auch Straßenklasse. 3 Vgl. Steiner/Brinktrine (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Auflage, 2018, § 4 Rn. 55. 4 Bundesfernstraßengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Juni 2007 (BGBl. I S. 1206), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 3. März 2020 (BGBl. I S. 433) geändert worden ist, Link: https://www.gesetzeim -internet.de/fstrg/BJNR009030953.html. 5 Vgl. Dirnberger/Lechner, in: Simon/Busse (Hrsg.), Bayerische Bauordnung, Werkstand: 135. EL Dezember 2019, Art. 1 Rn. 56. 6 Zum Teil wird in den Ländern auch die Bezeichnung Straßen- und/oder Wegerecht verwendet. 7 Vgl. Herber, in: Kodal, Straßenrecht Handbuch, Kapitel 9, Rn. 2.2. 8 Vgl. Sauthoff, in: Müller (Hrsg.), Bundesfernstraßengesetz, 2. Auflage 2013, § 2 FStrG Rn. 28. 9 Ebd. Rn. 44. 10 Vgl. Steiner/Brinktrine (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Auflage, 2018, § 4 Rn. 55. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 031/20 Seite 5 richtet sich nach dem FStrG, die von Landesstraßen nach den jeweiligen Straßengesetzen der Länder. Die Bundesländer haben weitgehend einheitliche Regelungssysteme innerhalb des Straßenrechts, so dass im Rahmen dieser Ausarbeitung überblickshaft Ausführungen zu landesrechtlicher Gesetzgebung gemacht werden. Eine Auswertung von Landesrecht im Detail ist im Rahmen der Zuständigkeiten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages nicht leistbar. 2.2. Rechtsnatur der Widmung Die straßenrechtliche Widmung ist im Regelfall in den Straßengesetzen der Länder als behördliche Verfügung, konkret als Allgemeinverfügung i.S.v. § 35 S. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)11, ausgestaltet.12 Zum Teil wird der Begriff der Allgemeinverfügung ausdrücklich im Gesetz gebraucht.13 Andere Normen sprechen nur von Verfügung bzw. vom Erfordernis, die Widmung „öffentlich bekannt zu machen“, was ebenfalls indiziert, dass die Widmung per Allgemeinverfügung zu erfolgen hat. Aufgrund der hohen gesetzlichen Anforderungen an das Verfahren sowie an die Form der Widmung handelt es sich dabei um einen streng formalisierten, auf eine konkrete Straße bezogenen Rechtsakt.14 Die Mehrheit der Landesstraßengesetze lässt auch eine Widmung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens zu. Die Widmung kann dann zwar im Planfeststellungsverfahren bereits verfügt werden, entfaltet ihre Wirksamkeit aber erst dann, wenn die sonstigen Voraussetzungen der Widmung vorliegen und die Straße für den öffentlichen Verkehr tatsächlich freigegeben und überlassen wird.15 Bei dem ein Planfeststellungsverfahren abschließenden Planfeststellungsbeschluss handelt es sich ebenfalls um eine Allgemeinverfügung.16 11 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), das zuletzt durch Artikel 5 Absatz 25 des Gesetzes vom 21. Juni 2019 (BGBl. I S. 846) geändert worden ist, Link: https://www.gesetze-im-internet.de/vwvfg/BJNR012530976.html. 12 Vgl. Herber, in: Kodal (Hrsg.), Straßenrecht Handbuch, 7. Auflage 2010, Kapitel 8. Widmung, Rn. 19. 13 So die Straßen- und Wegegesetze von Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. 14 Vgl. Axer, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Kapitel 6, Rn. 56. 15 Vgl. Herber, in: Kodal (Hrsg.), Straßenrecht Handbuch, 7. Auflage 2010, Kapitel 8, Rn. 22. 16 Uschkereit, in: Pautsch/Hoffmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz Kommentar, 1. Auflage 2016, § 74 Rn. 151. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 031/20 Seite 6 Zusätzlich haben einige Länder die Möglichkeit normiert, dass allein durch die Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche im Bebauungsplan mit der Verkehrsübergabe die Öffentlichkeit begründet werden kann (Funktion einer Widmung), soweit die Voraussetzungen für eine Widmung gegeben sind.17 Die Straßengesetze beinhalten außerdem Vorschriften hinsichtlich der Widmung bei Änderungen oder Ergänzungen von bestehenden Straßen. So heißt es beispielsweise in § 4 Abs. 6 HStrG18: „Wird eine Straße verbreitert, begradigt, unerheblich verlegt oder ergänzt, so gilt der neue Straßenteil durch die Verkehrsübergabe als gewidmet, sofern die Voraussetzungen des Abs. 2 vorliegen . Einer öffentlichen Bekanntmachung nach Abs. 3 bedarf es nicht.“19 Eine Zeit lang war es streitig, ob die Widmung Verwaltungsakt- oder Rechtsnormcharakter besitzt . Mittlerweile wird jedoch ausgeführt, dass aufgrund des eindeutigen Verständnisses der Länder, die Widmung als Allgemeinverfügung zu sehen20, – sowie aufgrund der ausdrücklichen Erwähnung der Widmung als Beispiel einer Allgemeinverfügung in der Gesetzesbegründung zum Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes21 nun Rechtsklarheit herrsche, die Widmung als Allgemeinverfügung einzustufen.22 Zu der Frage, ob es dennoch zulässig wäre, seitens der Länder die Widmung nicht mehr durch Allgemeinverfügung sondern durch Landesgesetz herbeizuführen, ist auszuführen, dass Maßnahmengesetze , welche die an sich der Administrative obliegende Handlungen der Verantwortung der Legislative zuweisen, zwar grundsätzlich als verfassungsrechtlich zulässig angesehen werden dürften. Mitunter wird aber hierzu aber in der straßenrechtlichen Literatur angemerkt, dass dies zumindest dann verfassungsrechtlich bedenklich sei, wenn Rechtsschutz gegen die Widmung wegen möglicher Grundrechtsverletzung gesucht werde. Gegen eine Widmung per Gesetz könnte nicht gleichermaßen wie gegen eine Widmung per Allgemeinverfügung unmittelbarer Rechtsschutz gesucht werden. Daneben spielten Praktikabilitätserwägungen eine Rolle, weshalb eine Zuweisung der Aufgabe an die Verwaltung deutlich effizienter und sinngemäßer erschiene.23 17 Vgl. Axer, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Kapitel 6, Rn. 65. 18 Hessisches Straßengesetz (HStrG), GVBl. I 2003 S. 166 vom 27.06.2003, Link: http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?t=158496739595599435&session ID=6234214131632942059&source=link&highlighting=off&templateID=document&chosenIndex =Dummy_nv_68&xid=169958,5. 19 Überwiegend ist die entsprechende Vorschrift in den anderen Ländern ähnlich, wenn nicht sogar gleichlautend. 20 Vgl. Herber, in: Kodal (Hrsg.), Straßenrecht Handbuch, 7. Auflage 2010, Kapitel 8 Rn. 19.2. 21 BT-Drs. 7/910, S. 57, Link: : http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/07/009/0700910.pdf. 22 Nach Sauthoff auch die ganz herrschende Meinung, Sauthoff, in: Müller (Hrsg.), Bundesfernstraßengesetz, 2. Auflage 2013, § 2 Rn. 20. 23 Vgl. Herber, in: Kodal (Hrsg.), Straßenrecht Handbuch, 7. Auflage 2010, Kapitel 8 Rn. 20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 031/20 Seite 7 2.3. Beschränkungen innerhalb der Widmung Unabhängig von der Einstufung in den Straßentyp kann im Rahmen der Widmung die Nutzung der Straße zusätzlich beschränkt werden. So können je nach Landesrecht Beschränkungen auf Benutzungsarten (z.B. nur Kfz, Radfahren24), auf Benutzungszwecke (z.B. Ladestraße25), auf Benutzungszeiten oder aber auch auf Benutzerkreise (z.B. Anlieger oder Anwohner26) vorgenommen werden.27 Entscheidend ist, dass die Beschränkung auf objektiven Merkmalen beruht.28 Subjektive Gesichtspunkte, z.B. Bewohner eines bestimmten Ortsteils, dürfen nicht maßgebend sein.29 Solche Beschränkungen können grundsätzlich mit allen öffentlichen Interessen begründet werden , so z.B. mit städtebaulichen Bedürfnissen oder mit dem Umweltschutz.30 Sie müssen jedoch geeignet sein, das angestrebte Ziel zu erreichen.31 Eine Begrenzung auf den öffentlichen bzw. Anlieger- oder Wirtschaftsverkehr dürfte demnach zulässig sein, da es sich hierbei um objektive Kriterien handelt. Eine neue Straßengruppe wird damit nicht geschaffen. Beispielsweise bestimmt § 6 Abs. 2 S. 1 des Hamburger Wegegesetzes (HWG)32: „Die Widmung kann auf einzelne Verkehrsarten sowie auf einzelne Verkehrszwecke, insbesondere den Anliegerverkehr , den Wirtschaftsverkehr oder den öffentlichen Personennahverkehr beschränkt werden.“ 2.4. Geschwindigkeitsbegrenzung durch Widmung Fraglich ist, ob auch die Anordnung von Geschwindigkeitsbegrenzungen im Rahmen der Widmung zulässig ist. 24 Vgl. Sauthof, in: Johlen/Oerder (Hrsg.), MAH Verwaltungsrecht, § 21 Das Mandat im Straßenrecht, Rn. 12. 25 Ebd. 26 Vgl. Vgl. Sauthoff, in: Johlen/Oerder (Hrsg.), MAH Verwaltungsrecht, § 21 Das Mandat im Straßenrecht, Rn. 12 sowie Axer, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Kapitel 6 Rn. 61. 27 Vgl. Steiner/Brinktrine (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Auflage 2018, § 4 Rn. 44. 28 Vgl. Sauthoff, in: Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2017, § 21 Das Mandat im Straßenrecht Rn. 12. 29 Vgl. Herber, in: Kodal (Hrsg.), Straßenrecht Handbuch, 7. Auflage 2010, Kapitel 8 Rn. 6. 30 Vgl. Rebler, Straßenrechtliche Grundsätze und Abgrenzung Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, SVR 2017, 246, Link. https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fsvr%2F2017%2Fcont%2Fsvr.2017.246.1.htm&pos=4&hlwords=on. 31 Vgl. Sauthoff, in: Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2017, § 21 Mandat im Straßenrecht, Rn. 12. 32 Hamburgisches Wegegesetz (HWG) in der Fassung vom 22. Januar 1974, HmbGVBl. 1974, S. 41, 83, Link: http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr-WegeGHArahmen &st=lr. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 031/20 Seite 8 Hierbei ist zunächst zwischen dem Straßenrecht und dem Straßenverkehrsrecht zu unterscheiden . Zwar sind sie kompetenzrechtlich selbstständige Bereiche, das Straßenrecht unterliegt der Gesetzgebungskompetenz der Länder (mit Ausnahme des Bundesfernstraßenrechts) und das Straßenverkehrsrecht der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 des Grundgesetzes (GG)33. Sie verfolgen auch grundsätzlich verschiedene Zwecke. Da sie aber in einem sachlichen Zusammenhang stehen – betreffen sie doch beide die Nutzung von Straßen – ist eine Abgrenzung nicht immer ganz einfach. Mit dem Straßenrecht, das sog. öffentliches Sachenrecht ist, werden Rechtsverhältnisse an solchen Straßen, Wegen und Plätzen geregelt, die dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind.34Damit legt es die Verkehrsfunktion und den generellen Nutzungsrahmen der Straße fest.35 Das Straßenverkehrsrecht als ein sachlich begrenztes Ordnungsrecht,36 betrifft das Verkehrsgeschehen als solches. Es setzt an der straßenrechtlichen Widmung an und soll insbesondere den spezifischen Gefahren des Straßenverkehrs begegnen und die Verkehrsausübung „aus gefahrenabwehrrechtlicher Perspektive zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ regeln.37 Dabei gilt das Straßenverkehrsrecht für alle Straßen, auf denen ein jedermann offenstehender Verkehr stattfindet, unabhängig davon, ob sie straßenrechtlich gewidmet oder Privatstraßen sind.38 In Anbetracht des engen Zusammenhangs zum Status der Straße, der durch Widmung konstituiert wird, könnte die Anordnung beispielsweise einer Tempo 30-Zone im Rahmen der Widmung als eine Nutzungsbeschränkung denkbar sein.39 33 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1546) geändert worden ist, Link: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html. 34 Vgl. Papier, in: Ehlers, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 2, 3. Auflage 2013, § 43 Rn. 9. 35 Vgl. Freymann, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage, Stand 26.11.2018, Einleitung, Rn. 51, Fundstelle kann über die juris-Datenbank abgerufen werden. 36 Vgl. Axer, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Kapitel 6 Rn. 16. 37 Ebd. 38 Vgl. Herber, in: Kodal (Hrsg.), Straßenrecht Handbuch, 7. Auflage 2013, Kapitel 4, Rn. 4.2. 39 Ebd. Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 031/20 Seite 9 Die Vorschriften zur Geschwindigkeit im Straßenverkehr finden sich dabei aber in der Straßenverkehrsordnung (StVO)40, also im Straßenverkehrsrecht. § 3 StVO normiert konkret die geltenden Höchstgeschwindigkeiten. Daneben räumt § 45 StVO den Straßenverkehrsbehörden die Befugnis ein, Verkehrsbeschränkungen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung anzuordnen.41 Eine Geschwindigkeitsbegrenzung durch straßenrechtliche Maßnahmen (Widmung) würde gegen den Vorrang des Straßenverkehrsrechts verstoßen: Ein Bereich, den der Bundesgesetzgeber durch das Straßenverkehrsrecht (dazu zählen das Straßenverkehrsrecht (StVG), die StVO sowie weitere Verordnungen) nach Maßgabe des Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz abschließend geregelt hat, darf nicht durch Maßnahmen des Straßenrechts , z.B. im Rahmen der Widmung, geregelt werden.42 Insbesondere dürfen straßenverkehrsrechtliche Regelungen nicht durch die Straßenbaubehörden „im Gewande der straßenrechtlichen Widmung getroffen werden.“43 Dies führt dazu, dass inhaltliche Zusätze der Widmung, die dem Wesen nach eine straßenverkehrsrechtliche Regelung bedeuten, unzulässig sind.44 Da Geschwindigkeitsbegrenzungen nach Maßgabe der StVO erfolgen, dürfte für eine straßenrechtliche Anordnung kein Raum bleiben. Das gilt auch für Bundesfernstraßen.45 3. Abstufung von Bundesfernstraßen zu Landesstraßen Die Abstufung, als ein Unterfall der Umstufung, beschreibt den straßenrechtlichen Statusakt, durch den eine Straße nachträglich einer untergeordneten Straßengruppe zugeordnet wird.46 Die Abstufung einer Bundesfernstraße zu einer Landesstraße ist in § 2 Abs. 4 Alt. 2 FStrG geregelt . Danach ist eine Bundesfernstraße, bei der sich die Verkehrsbedeutung geändert hat und bei der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG weggefallen sind, unverzüglich dem Träger der Straßenbaulast zu überlassen, der sich nach Landesrecht bestimmt. Zuständig für die Widmung und Umstufung von Bundesfernstraßen ist die jeweils oberste Landesstraßenbaubehörde (§ 2 Abs. 6 FStrG). Die Vorschrift räumt der Behörde keinerlei Ermessen ein. Es handelt sich um eine 40 Straßenverkehrs-Ordnung vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367), die zuletzt durch Artikel 4a der Verordnung vom 6. Juni 2019 (BGBl. I S. 756) geändert worden ist, Link: https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/BJNR036710013.html. 41 Vgl. Axer, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Kapitel 6 Rn. 14. 42 Vgl. Herber, in: Kodal (Hrsg.), Straßenrecht Handbuch, 7. Auflage 2010, Kapitel 4, Rn. 6.2. 43 Vgl. Axer, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Kapitel 6 Rn. 18. 44 Vgl. Herber, in: Kodal (Hrsg.), Straßenrecht Handbuch, 7. Auflage 2010, Kapitel 8 Rn. 6. 45 Vgl. Sauthoff, in: Müller (Hrsg.), Bundesfernstraßengesetz, 2. Auflage 2013, § 2 FStrG Rn. 17. 46 Vgl. Steiner/Brinktrine (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Auflage, 2018, § 4 Rn. 55. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 031/20 Seite 10 gebundene Entscheidung. Das bedeutet, bei Vorliegen der Voraussetzung ist die Behörde verpflichtet , eine Abstufung vorzunehmen. Entscheidend für die Frage einer Abstufung ist also, ob sich die Verkehrsbedeutung der Bundesstraße geändert hat und dadurch die Straße nicht mehr die Anforderungen des § 1 Abs. 1 FStrG erfüllt.47 Das Merkmal der Verkehrsbedeutung schlägt sich in den Begriffen „dem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind“ nieder.48 Das setzt in jedem Fall voraus, dass eine Verkehrsbedeutung einer Bundesstraße tatsächlich einmal vorgelegen hat. Eine Abstufung aufgrund fehlerhafter Einstufung sieht das FStrG nicht vor.49 Die Änderung der Verkehrsbedeutung kann dabei gezielt herbeigeführt werden, z.B. durch bauliche Änderungen im Verkehrsnetz oder durch verkehrsregelnde Maßnahmen. Auch raumstrukturelle Änderungen kommen in Betracht. Sie kann aber auch von alleine eintreten, wenn beispielsweise eine Abwanderung des Verkehrs eintritt.50 Schwierig und nicht ganz eindeutig geklärt ist jedoch die Frage, ob für eine Abstufung eine tatsächliche Änderung des Verkehrsaufkommens („dienen“) eingetreten sein muss oder ob es auch genügt, wenn die Zweckbestimmung, also die der Straße zugedachte Verkehrsfunktion („zu dienen bestimmt“), sich geändert hat. Letzteres wird mit Hinweis auf den Wortlaut des § 1 Abs. 1 FStrG, der eben auch die Alternative des „zu dienen bestimmt“ enthält, bejaht.51 Es handelt sich bei den beiden Varianten des Abs. 1 nicht um einander gleichzusetzende Kriterien, sie stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander.52 Anzumerken ist jedoch, dass sich Änderungen der Zweckbestimmung aus objektivierten Konzeptionen , wie beispielsweise einem Landesentwicklungsprogramm oder Regionalplänen, ergeben müssen. Eine Änderung der Konzeption ist auch denkbar durch die Planung einer anderen Straße, deren neue Verkehrsbedeutung Einfluss auf die Verkehrsbedeutung der bisherigen Straße hat.53 Lassen Verkehrskonzeption und Straßennetzgestaltung keine eindeutige Einstufung zu, kommt der tatsächlichen Verkehrsbelastung ein erhebliches indizielles Gewicht zu.54 Letztlich 47 Vgl. Sauthoff, in: Müller, Bundesfernstraßengesetz, 2. Auflage 2013, § 2 FStrG Rn. 45. 48 BVerwG, Beschluss vom 23.10.2002 – 4 B 49/02. 49 Vgl. Sauthoff, in: Müller, Bundesfernstraßengesetz, 2. Auflage 2013 § 2 FStrG Rn. 45. 50 Vgl. Sauthoff, Die Abstufung nicht fernverkehrsrelevanter Bundesfernstraßen, DÖV 2009, S. 974, Link: https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fdoev%2F2009%2Fcont%2Fdoev.2009.974.1.htm&pos=1&hlwords=on. 51 So Sauthoff, in: Müller (Hrsg.), Bundesfernstraßengesetz, 2. Auflage 2013, § 2 FStrG Rn. 47. 52 BVerwG, Beschluss vom 23.10.2002 – 4 B 49/02. 53 Vgl. Sauthoff, Die Abstufung nicht mehr fernverkehrsrelevanter Bundesfernstraßen, DÖV 2009, S. 974, Link: https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fdoev%2F2009%2Fcont%2Fdoev.2009.974.1.htm&pos=1&hlwords=on. 54 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 031/20 Seite 11 bedarf es immer einer Einzelfallentscheidung, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG in Bezug auf die abzustufende Straße noch gegeben sind.55 Das BVerwG hat jedoch festgestellt, dass eine dem weiträumigen Verkehr dienende und bislang zu dienen bestimmte Straße auch dann eine Bundesstraße bleibt, wenn die zuständige Behörde mit ihrer Konzeption, der Straße die Bestimmung für den weiträumigen Verkehr zu nehmen, scheitert. Dagegen dient die Straße nicht mehr dem weiträumigen Verkehr, wenn der Anteil dieses Verkehrs hinter dem Anteil jeder Art der übrigen Verkehrsvorgänge zurückbleibt.56 Demnach genießt die tatsächliche Verkehrsbedeutung grundsätzlich Vorrang vor der Zweckbestimmung.57 Die Verwaltung der Bundesfernstraßen wurde lange Zeit durch die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften in Auftragsverwaltung58 wahrgenommen. Mit der Grundgesetzänderung von 2017 wurden die Bundesautobahnen aus der Auftragsverwaltung herausgenommen und gemäß des geänderten Art. 90 Abs. 2 GG in die Bundesverwaltung überführt . Jedoch bestimmt Art. 143e GG als Übergangsvorschrift, dass die Autobahnen bis längstens 31. Dezember 2020 noch in Auftragsverwaltung der Länder bzw. der nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften geführt werden. Die Verwaltung der sonstigen Bundesfernstraßen erfolgt gemäß Art. 90 Abs. 3 GG weiterhin in Auftragsverwaltung.59 Die Vorschriften und Regelungen zum Verfahren der Abstufung einer Bundesfernstraße bestimmen keine Pflicht, den Bund zu beteiligen. (Anders bei der Aufstufung von Straßen zu Bundesfernstraßen . Dort ist gemäß § 2 Abs. 6 S. 3 FStrG grundsätzlich das Einverständnis des Bundesverkehrsministeriums , teilweise auch das des Bundesfinanzministeriums, einzuholen.60) In der Praxis sieht es zumeist so aus, dass der Bund sich an die entsprechende Landesbehörde wendet, sofern er eine Abstufung für erforderlich hält. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in diesem Zusammenhang deutlich gemacht, dass eine Weisung des Bundes, die eine Aufforderung zur Abstufung einer Bundesfernstraße enthält, nicht zulässig ist, da sie nicht vom Weisungsrecht gemäß Art. 90 Abs. 2 GG erfasst ist. In seinem 55 Vgl. Witting, Einstufung und Umstufung öffentlicher Straßen, DVBl 2010, 408, Link: https://www.recht.jurion .de/dokument/?user_nvurlapi_pi1[did]=3942425 56 BVerwG, Beschluss vom 23.10.2002 – 4 B 49/02. 57 So Sauthoff, Die Abstufung nicht fernverkehrsrelevanter Bundesfernstraßen, DÖV 2009, S. 974, Link: https://beck-onli-ne.beck.de/Dokument?vpath=bibdata %2Fzeits%2Fdoev%2F2009%2Fcont%2Fdoev.2009.974.1.htm&pos=1&hlwords=on sowie VGH Kassel, Urteil vom 21.06.1988 - 2 UE 2651/84, Fundstelle: NVwZ RR 1989, 338. 58 Auftragsverwaltung ist die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder im Auftrag des Bundes. 59 Vgl. dazu auch Gröpl, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 89. EL Oktober 2019, Art. 90 Rn. 30. 60 Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Band 11, Bundesfernstraßen – Planen, Bauen und Betreiben, 2., überarbeitete Auflage 2018, S. 150. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 031/20 Seite 12 Urteil führt das BVerfG abschließend aus: „Nach allem stehen dem Bund lediglich die Möglichkeiten offen, eine als Bundesfernstraße entbehrlich gewordene Straße in Ausübung seines Weisungsrechts zu entwidmen oder dem Land nach Vereinbarung zur Übernahme zu überlassen.“61 Darüber hinaus können Bund und Länder über die Abstufung eine Vereinbarung in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrags schließen.62 *** 61 BVerfG, Urteil vom 03.07.2000 - 2 BvG 1/96, Link: https://openjur.de/u/220449.html. 62 Vgl. Sauthoff, in: Müller (Hrsg.), Bundesfernstraßengesetz, 2. Auflage 2013, § 2 FStrG Rn. 50a.