© 2019 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 031/19 Rechtsfragen zur Einführung der Isofluran-Narkose bei der Ferkelkastration durch den Tierhalter Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 031/19 Seite 2 Rechtsfragen zur Einführung der Isofluran-Narkose bei der Ferkelkastration durch den Tierhalter Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 031/19 Abschluss der Arbeit: 6.3.2019 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 031/19 Seite 3 Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes (TierSchG)1 wurde durch § 6 Abs. 6 TierSchG eine Verordnungsermächtigung eingefügt, die es dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erlaubt, die Kastration von männlichen Ferkeln ohne Betäubung durch Tierärzte zu regeln. Die Norm lautet: „Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für Eingriffe im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 2a2 abweichend von § 5 Absatz 1 Satz 23 zuzulassen, dass die Betäubung von bestimmten anderen Personen vorgenommen werden darf, soweit es mit dem Schutz der Tiere vereinbar ist. In der Rechtsverordnung nach Satz 1 sind die Anforderungen zu regeln, unter denen diese Personen die Betäubung vornehmen dürfen; dabei können insbesondere 1. Verfahren und Methoden einschließlich der Arzneimittel und der Geräte zur Durchführung der Betäubung sowie des Eingriffes nach Satz 1 vorgeschrieben oder verboten werden , 2. vorgesehen werden, dass die Person, die die Betäubung durchführt, die für diese Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit und die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu besitzen und diese nachzuweisen hat, und 3. nähere Vorschriften über die Art und den Umfang der nach Nummer 2 erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erlassen sowie Anforderungen an den Nachweis und die Aufrechterhaltung der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten festgelegt und das Verfahren des Nachweises geregelt werden.“ Ferner wurde durch das Vierte Gesetz zur Änderung des TierSchG4 in § 21 ein neuer Absatz 1a eingefügt, der mit Wirkung vom 1.1.2019 folgendes vorsieht: „Bis zum 31. Mai 2019 wird dem Deutschen Bundestag eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums nach § 6 Absatz 6 zugeleitet. Die Zuleitung an den Deutschen Bundestag erfolgt vor der Zuleitung an den Bundesrat. Die Rechtsverordnung kann durch Beschluss des Deutschen Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluss des Deutschen Bundestages wird dem Bundesministerium zugeleitet. Hat sich der Deutsche Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, so wird die unveränderte Rechtsverordnung dem Bundesrat zugeleitet. Soweit die Rechtsverordnung auf Grund des Beschlusses des Bundesrates geändert wird, bedarf es keiner erneuten Zuleitung an den Bundestag .“ 1 Gesetz vom 4. Juli 2013, BGBl. I, 2182 ff. 2 Kastration von unter acht Tage alten männlichen Schweinen. 3 § 5 Abs. 1 Satz 2 TierSchG verlangt, dass die Betäubung warmblütiger Wirbeltiere sowie von Amphibien und Reptilien durch einen Tierarzt vorzunehmen ist. 4 Gesetz vom 17. Dezember 2018, BGBL. I, 2586 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 031/19 Seite 4 Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat im Januar 2019 einen Referentenentwurf vorgelegt, mit dem von dieser Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht wird.5 Diesem Sachstand liegen Fragen der Vereinbarkeit des Verordnungsentwurfs mit einfachgesetzlichen und gleichrangigen nationalen Vorschriften, insbesondere arzneimittelrechtlicher Art, bei der Betäubung und Kastration von männlichen Schweinen zugrunde. Bisher regelt § 5 Abs. 1 TierSchG folgende Grundsätze:6 „An einem Wirbeltier darf ohne Betäubung ein mit Schmerzen verbundener Eingriff nicht vorgenommen werden. Die Betäubung warmblütiger Wirbeltiere sowie von Amphibien und Reptilien ist von einem Tierarzt vorzunehmen . Dies gilt nicht, soweit die Betäubung ausschließlich durch äußerliche Anwendung eines Tierarzneimittels erfolgt, das nach arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen ist, um eine örtliche Schmerzausschaltung zu erreichen, und nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zum Zweck der Durchführung des jeweiligen Eingriffs geeignet ist. Dies gilt ferner nicht für einen Eingriff im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2a, soweit die Betäubung ohne Beeinträchtigung des Zustandes der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit, ausgenommen die Schmerzempfindung, durch ein Tierarzneimittel erfolgt, das nach arzneimittelrechtlichen Vorschriften für die Schmerzausschaltung bei diesem Eingriff zugelassen ist. Für die Betäubung mit Betäubungspatronen kann die zuständige Behörde Ausnahmen von Satz 2 zulassen, sofern ein berechtigter Grund nachgewiesen wird. Ist nach den Absätzen 2, 3 und 4 Nr. 1 eine Betäubung nicht erforderlich, sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Schmerzen oder Leiden der Tiere zu vermindern.“ Die Betäubung mit Isofluran wird als Inhalationsnarkose verabreicht und fällt daher nicht unter den Anwendungsfall des § 5 Abs. 1 Satz 4 TierSchG. Inzwischen ist Isofluran für die Ferkelkastration in Deutschland zugelassen. Das BMEL schreibt auf seiner Internetseite: „Das für die Zulassung von Tierarzneimitteln zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat mit Bescheid vom 19. November 2018 eine Zulassung für das Tierarzneimittel "Isofluran Baxter vet 1000 mg/g" zur Inhalationsnarkose für Hunde, Katzen, Pferde und Schweine (Ferkel) erteilt. Damit steht erstmals in der EU ein zugelassenes Inhalationsnarkotikum für die Durchführung einer wirksamen Schmerzausschaltung bei der Ferkelkastration zur Verfügung. Das ermöglicht künftig ein neues, praxisgerechtes Verfahren, das die Fortführung der chirurgischen Ferkelkastration unter tierschutzgerechten Bedingungen ermöglicht.“7 5 Referentenentwurf einer Verordnung zur Durchführung der Narkose mit Isofluran bei der Ferkelkastration durch sachkundige Personen (FerkNarkSachkV) vom 10.1.2019, https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads /GlaeserneGesetze/Referentenentwuerfe/Referentenentwurf_FerkNarkSachkV.pdf?__blob=publicationFile. 6 Fettungen durch die Verfasserin dieses Sachstands. 7 Pressemitteilung Nr. 190 vom 23.11.18, „Julia Klöckner: Für die Durchführung einer wirksamen Schmerzausschaltung bei der Ferkelkastration steht nun erstmals in der EU ein zugelassenes Inhalationsnarkotikum zur Verfügung!" https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2018/190-Ferkelkastration.html. Die Meldung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit findet sich unter dem Link: https://www.bvl.bund.de/DE/05_Tierarzneimittel/05_Fachmeldungen/2018/2018_11_23_Fa_Isofluran.html;jsessionid =0208AA321A3A838F52C20C7E53EF108F.2_cid350 . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 031/19 Seite 5 Vor diesem Hintergrund regelt der neue Verordnungsentwurf ausschließlich die Voraussetzungen der Verabreichung von Isofluran durch sachkundige Personen. Der Verordnungsentwurf in seiner jetzigen Fassung nimmt in seinen Vorschriften nicht auf arzneimittelrechtliche Ermächtigungsnormen oder Regelungen Bezug. Das lässt den Schluss zu, dass Ausnahmen vom bisher geltenden Arzneimittelrecht mit dieser Verordnung nicht erfolgen sollen. Insbesondere ist Isofluran nach § 1 Ziff. 1 i.V.m. der Anlage 1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV)8 nach wie vor ein verschreibungspflichtiges Medikament. Insoweit § 58 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG)9 verlangt , dass Tierhalter verschreibungspflichtige Arzneimittel oder andere vom Tierarzt verschriebene oder erworbene Arzneimittel bei Tieren, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, nur nach tierärztlicher Behandlungsanweisung anwenden dürfen, ist dieser Anforderung mit der Einbindung von Tierärzten in den Sachkundeerwerb Rechnung getragen. Es ändert sich auch nichts an den Voraussetzungen einer Verschreibung von Isofluran nach § 56a AMG. Vielmehr werden mit der Zulassung von Isofluran für die Ferkelkastration und die angestrebte Rechtsverordnung die Voraussetzungen des § 56a AMG erfüllt. Dass auf eine nach § 12 Abs. 1 TÄHAV10 erforderliche ordnungsgemäße Behandlung als Voraussetzung für die Verschreibung von Isofluran verzichtet werden soll, lässt sich dem Verordnungsentwurf nicht entnehmen. § 12 Abs. 2 Nr. 2 TÄHAV verlangt eine Kontrolle der Anwendung der Arzneimittel und des Behandlungserfolgs durch den Tierarzt . Ob hierfür während der Narkose die Anwesenheit des Tierarztes erforderlich ist, eine Rufbereitschaft sinnvoll ist oder es ausreicht, dass der Tierarzt nach erfolgtem Eingriff den Behandlungserfolg kontrolliert, kann vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages nicht beurteilt werden. *** 8 AMVV vom 21. Dezember 2005, BGBl. I S. 3632, zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 26. September 2018, BGBl. I S. 1386, https://www.gesetze-im-internet.de/amvv/AMVV.pdf. 9 Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005; BGBl. I S. 3394, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Juli 2017, BGBl. I S. 2757. 10 Verordnung über tierärztliche Hausapotheken in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juli 2009, BGBl. I S. 1760, geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 21. Februar 2018, BGBl. I S. 213.