© 2018 Deutscher Bundestag WD 5- 3000 - 031/18 Strahlenbelastung bestimmter Lebensmittel Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 2 Strahlenbelastung bestimmter Lebensmittel Aktenzeichen: WD 5- 3000 - 031/18 Abschluss der Arbeit: 9. März 2018 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einleitung 4 3. Natürliche und künstliche Strahlung 7 4. Künstliche Radionukleotide 9 5. Unterschiedliche Belastung mit Cs-137 bei Waldböden und landwirtschaftlich bearbeiteten Böden 12 6. Belastung einzelner Lebensmittel 15 7. Exkurs: Lage in Österreich 19 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 4 1. Fragestellung Von Interesse ist der Radioaktivitätsgehalt (insbesondere hinsichtlich der Radionukleotide Cäsium -137 und Cäsium-134 sowie Strontium 90) in heimischen und importierten Lebensmitteln (u.a. in Beerenfürchten, Obst und Gemüse). Des Weiteren wird nach der Ausbreitung der Radioaktivität nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl gefragt, nach den radioaktiven Zerfallsprodukten und deren Werte im Vergleich damals zu heute. 2. Einleitung Seit dem Reaktorunglück in Tschernobyl am 26. April 1986 wird in Deutschland die Radioaktivität in der Umwelt mit Hilfe des Integrierten Mess- und Informationssystem des Bundes (IMIS) kontinuierlich überwacht.1 IMIS, das vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) mit Unterstützung der einzelnen Bundesländer geführt wird, erhält Daten von etwa 1800 Messstationen. Zudem werden in mehr als 60 Laboren von Bund und Ländern u.a. Nahrungs- und Futtermittel, Pflanzen und der Boden untersucht. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden jährlich im Bericht “Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung" vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) veröffentlicht.2 Die Kontrollverfahren zur Überwachung der Höchstgehalte sind für Lebensmittel in der AVV- Strahlenschutzvorsorge-Lebensmittelüberwachung3 festgelegt. Gemäß Anlage 1 zu § 3 Abs. 1 AVV-Strahlenschutzvorsorge-Lebensmittelüberwachung sind u.a. Lebensmittel pflanzlicher Herkunft wie Beerenobst, Freilandgemüse und Getreide zu untersuchen.4 Das Max Rubner-Institut 1 BVL. https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/02_UnerwuenschteStoffeOrganismen/06_Radioaktivitaet /02_Tschernobyl/lm_Tschernobyl_node.html § 163 Integriertes Mess- und Informationssystem des Bundes. Gesetz zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung (Strahlenschutzgesetz - StrlSchG), BGBl. I 2017, 1966. https://www.gesetze-im-internet .de/strlschg/StrlSchG.pdf. (Das StrlSchG ist seit dem 1.10.2017 in Kraft und löst das Strahlenschutzvorsorgegesetz ab.) 2 Vgl. http://www.bmub.bund.de/themen/atomenergie-strahlenschutz/nukleare-sicherheit/fukushima-folgemassnahmen /fragen-und-antworten/ 3 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Überwachung von Lebensmitteln nach der Verordnung (Euratom) Nr. 3954/87 des Rates vom 22. Dezember 1987 zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungsmitteln und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation (AVV-Strahlenschutzvorsorge-Lebensmittelüberwachung – AVV-StrahLe) vom 28. Juni 2000 (GMBl S. 490). http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_28062000_4156501224.htm Nr. 16 Anlage 4 (zu § 97 Absatz 5). Vorläufig als Notfallpläne des Bundes geltende Dokumente. Gesetz zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung (Strahlenschutzgesetz - StrlSchG). https://www.gesetze-im-internet.de/strlschg/anlage_4.html Das Gesetz zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung in Kraft seit dem 1.10.2017 löst das Strahlenschutzvorsorgegesetz ab. (BGBl. I 2017, 1966.) https://www.gesetze-im-internet .de/strlschg/StrlSchG.pdf 4 http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/BMG-415-20000728-SF-A001.htm Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 5 (MRI) im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit seinem Forschungsschwerpunkt gesundheitlicher Verbraucherschutz nimmt diese Aufgaben als Leitstelle gemäß § 7 Abs. 1 Verordnung über die Zuständigkeiten von Bundesbehörden im integrierten Mess- und Informationssystem für die Überwachung der Umweltradioaktivität nach dem Strahlenschutzgesetz (IMIS-Zuständigkeitsverordnung - IMIS-ZustV)5 wahr. Radioaktivität wird in Becquerel (Bq)6 gemessen. Nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gelten bei der Einfuhr von Lebensmitteln aus Nicht-EU-Ländern, die vom Tschernobyl-Unfall betroffen waren, „seit 1986 europaweit einheitliche Grenzwerte für Radioaktivität. Sie sind in der Verordnung (EG) Nr. 733/20087 festgelegt, die bis zum Jahr 2020 gilt. Die Grenzwerte für Cäsium-134 und Cäsium-137 betragen 370 Bq/kg für Milchprodukte und Kleinkindernahrung sowie 600 Bq/kg für alle anderen Lebensmittel. Anwendung finden diese Grenzwerte nicht nur auf Lebensmittel aus Nicht-EU-Ländern, sondern auch auf Produkte aus EU-Mitgliedstaaten, die vom Tschernobyl-Unglück betroffen waren.“8 Die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth führte am 9. Oktober 2017 auf eine Schriftliche Frage zu geringeren Grenzwerten, die für Produkte aus Japan nach dem Reaktorunfall im Jahr 2011 gelten, aus: „Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand und nach übereinstimmender Einschätzung der deutschen Fachbehörden sind die Menschen in Deutschland und Europa mit 5 BGBl. I 2017, S. 3536. https://www.gesetze-im-internet.de/imis-zustv/BJNR353610017.html 6 Ein Bq „bedeutet, dass in dem jeweiligen Material ein Atomkern pro Sekunde zerfällt. Je höher der Becquerel- Wert, desto höher ist die Radioaktivität und damit die Strahlung.“ https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel /02_UnerwuenschteStoffeOrganismen/06_Radioaktivitaet/02_Tschernobyl/lm_Tschernobyl_node.html 7 VERORDNUNG (EG) Nr. 733/2008 DES RATES vom 15. Juli 2008 über die Einfuhrbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ursprung in Drittländern nach dem Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:201:0001:0007:DE:PDF Mit der VERORDNUNG (EG) Nr. 1048/2009 DES RATES vom 23. Oktober 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 733/2008 über die Einfuhrbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ursprung in Drittländern nach dem Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl wird die Geltungsdauer der VERORDNUNG (EG) Nr. 733/2008 bis zum 31. März 2020 verlängert. http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R1048&from=DE Grundlage für die in der Verordnung (EG) Nr. 733/2008 genannten Radiocäsiumgrenzwerte ist die Empfehlung der Kommission vom 14. April 2003 über den Schutz und die Unterrichtung der Bevölkerung in Bezug auf die Exposition durch die anhaltende Kontamination bestimmter wild vorkommender Nahrungsmittel mit radioaktivem Cäsium als Folge des Unfalls im Kernkraftwerk Tschernobyl (2003/274/Euratom). http://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A02003H0274-20030417 8 BVL. https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/02_UnerwuenschteStoffeOrganismen/06_Radioaktivitaet /02_Tschernobyl/lm_Tschernobyl_basepage.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 6 den geltenden Werten der Tschernobyl-Verordnung [Verordnung (EG) Nr. 733/2008] umfassend vor gesundheitlichen Risiken geschützt. Aus gesundheitlichen Gründen ist eine Absenkung für Importe aus anderen Ländern nicht notwendig.“9 Auf die Frage, ob es Fälle gebe, in denen ukrainischer Weizen aus Gebieten in der Nähe von Tschernoby importiert worden sei („Cases of importing Ukrainian wheat from areas near Chernoby ”) antwortete EU-Kommissar Borg im Dezember 2013: „In accordance with the provisions of Council Regulation (EC) No 733/2008 (...), Member States have to check compliance of agricultural products originating in third countries, including Ukraine, with the maximum permitted level established for the sum of the radionuclides caesium ‐134 and ‐137. The intensity of the controls must take into account the degree of contamination of the country of origin, the characteristics of the products in question, the results of the previous checks and the export certificates. These controls must be performed before the release for free circulation of the products concerned. Detailed rules for the controls are laid down in Commission Regulation (EC) No 1635/2006 (...). Every non-compliance with EU legislation involving a serious health risk deriving from food or feed has to be reported through the RASFF10 (...). As regards the findings of non-compliance with the maximum levels for radioactivity, there have been since 2003, 8 notifications on products from Ukraine (5 on mushrooms, 2 on blueberries and one on blueberry juice) and no notifications on products from Kazakhstan. Regulation No (EC) No 733/2008 is in force until 31 March 2020 and consequently the controls on agricultural products from third countries provided for by this regulation should continue to be carried out. No non-compliant findings with the maximum level of radioactivity have yet been reported on imports of cereals and rape from Ukraine and Kazakhstan. Therefore, the Commission has no intention for the time being to take additional measures for these products as regards possible presence of radioactivity.”11 Gemäß Verordnung (EG) Nr. 1048/2009 des Rates vom 23. Oktober 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 733/2008 über die Einfuhrbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse mit Ursprung in Drittländern nach dem Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl12 erstatten die Mitgliedsstaaten der Kommission jährlich Bericht über die Kontrolle von importierten Lebensmitteln aus Drittländern, die vom Tschernobyl-Unglück betroffen waren. Der Bericht basiert auf den von den Bundesländern an das BVL gemeldeten Ergebnissen zur radioaktiven Belastung in Lebensmitteln . Der aktuelle Jahresbericht zur Kontrolle von Lebensmitteln aus Drittländern nach dem Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl findet sich nachfolgend. 9 Antwort auf Frage 29. BT-Drs. 18/13683. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/136/1813683.pdf 10 RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed crossing borders), EU-Schnellwarnsystem für Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit. RASFF gibt Auskunft über Lebensmittel, die nicht mit den Vorgaben der EU-Gesetzgebung im Einklang stehen und von denen eine Gesundheitsgefährdung ausgeht. 11 Question for written answer E-011693/13 to the Commission Zbigniew Ziobro (EFD) (14 October 2013) Subject: Cases of importing Ukrainian wheat from areas near Chernoby. http://www.europarl.europa.eu/RegData/questions /reponses_qe/2013/011693/P7_RE(2013)011693_EN.pdf 12 ABl. L 290 vom 6.11.2009, S. 4. http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R1048&qid=1520503195344&from=DE Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 7 Quelle: BVL.13 Im Jahr 2015 wurden von den Bundesländern 779 Proben importierter Lebensmittel auf Radioaktivität analysiert. Die meisten Proben kamen aus Belarus (248 Proben) und aus der Russischen Föderation (218 Proben). Es gab keine Höchstwertüberschreitung für die maximale kumulierte Radioaktivität von Cäsium-134 und Cäsium-137.14 3. Natürliche und künstliche Strahlung Biologische und gesundheitliche Auswirkungen durch radioaktive Strahlungen werden in Sievert (Sv) angegeben. Zur Einordnung der Strahlenexposition durch Lebensmittel werden in der 13 https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/02_UnerwuenschteStoffeOrganismen/06_Radioaktivitaet /02_Tschernobyl/lm_Tschernobyl_basepage.html 14 https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel/unerwuenschteStoffe/radioaktivitaet_jahresbericht _2015.html?nn=4691696 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 8 nachfolgenden Grafik die natürliche Strahlenexposition und die zivilisatorische Strahlenexposition in mSv (Millisievert)15 gegenübergestellt. Nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt , Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) beträgt die jährliche effektive Dosis der natürlichen Strahlenexposition bei durchschnittlichen Bedingungen in Deutschland 2,1 Millisievert . Ursächlich hierfür seien die kosmische Strahlung und die überall in der Umwelt vorkommenden natürlichen Radionuklide.16 Laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) beträgt die Strahlenbelastung durch die Ernährung in Deutschland im Mittel 0,3 Millisievert pro Jahr.17 Quelle: BfS (2017).18 Das BfS führt hierzu weiter aus: „Alle Nahrungsmittel enthalten natürliche Radionuklide. Darüber hinaus führten insbesondere der Reaktorunfall von Tschernobyl und die oberirdischen Kernwaffentests zu künstlichen Radionukliden in Nahrungsmitteln. Die natürliche Radioaktivität in Nahrungsmitteln, 15 „Sievert. SI-Einheit der Äquivalentdosis und der effektiven Dosis, wird mit Sievert (Sv) bezeichnet, 1 Sievert = 1 000 Millisievert (mSv) = 1 000 000 Mikrosievert (µSv).“ http://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt /natuerliche-strahlenbelastung/natuerliche-strahlenbelastung_node.html) Nach Angaben des BfS entspricht „die Aufnahme von 80 000 Becquerel Cs-137 mit Lebensmitteln bei Erwachsenen einer Strahlenbelastung von etwa 1 Millisievert (mSv).“ S. 4. https://doris .bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-2017092114409/3/BfS-SW-23-17_Speisepilze2016_Gesamt %20170921.pdf 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2017). Fragen und Antworten zur Situation in Japan sowie zu möglichen Auswirkungen in Deutschland. Stand: 15.11.2017. http://www.bmub.bund.de/themen/atomenergie-strahlenschutz/nukleare-sicherheit/fukushima-folgemassnahmen /fragen-und-antworten/ 17 http://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/lebensmittel/lebensmittel_node.html 18 BfS (2017). Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung Jahresbericht 2015. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 9 die zur Strahlenbelastung des Menschen beiträgt, ist hauptsächlich durch das Kaliumisotop Kalium-40 und die langlebigen Radionuklide der Uran-Radium-Zerfallsreihe und der Thorium -Zerfallsreihe bedingt. Von den künstlichen Radionukliden ist vor allem Cäsium-137 für die Strahlenbelastung des Menschen wichtig.“19 4. Künstliche Radionukleotide Zu den künstlichen Radionukleotiden gehören Cäsium-137 (Cs-137) und Cäsium-134 (Cs-134) sowie Strontium-90 (Sr-90). Pröhl (2007) erläutert: „Künstliche Radionuklide wurden insbesondere in den Jahren 1945–1963 in die Umwelt eingebracht, als zahlreiche Kernwaffentests in der Atmosphäre durchgeführt wurden. (…) Als Folge des Reaktorunfalls von Tschernobyl im Jahr 1986 wurden in großen Teilen Europas Radionuklide abgelagert. Im Gegensatz zum Kernwaffen- Fallout war die Deposition durch den Tschernobyl-Unfall sehr inhomogen und schwankte allein in Deutschland um mehr als einen Faktor 10.“20 Wie bereits ausgeführt, ist nach dem Reaktorunfall aktuell noch vor allem Cs-137 für die Strahlenbelastung des Menschen relevant.21 Cs-137 ist seit dem Reaktorunfall „aufgrund seiner Halbwertszeit von etwa 30 Jahren (…) nur zu etwa 50 Prozent zerfallen.“22 Die Halbwertszeit von Cs-134 beträgt ca. zwei Jahre und ist nicht mehr nachweisbar.23 Sr-90, das zum überwiegenden Teil noch aus der Zeit der oberirdischen Kernwaffenversuche der 1950er und 1960er Jahre stammt24, findet sich „heute zwar nur noch in Spuren in Lebensmitteln, gehört aber wegen seiner hohen Radiotoxizität weiterhin zum festen Untersuchungsprogramm .“25 Die Halbwertszeit von Sr-90 beträgt ca. 28,5 Jahre.26 Die folgende Grafik vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gibt einen Überblick über die Ausbreitung der radioaktiven Wolken nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl vom 27. April bis 6. Mai 1986: 19 http://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/lebensmittel/lebensmittel_node.html 20 Pröhl, Gerhard (2007). Radionukleotide. Handbuch der Lebensmitteltoxikologie. H. Dunkelberg, T. Gebel, A. Hartwig (Hrsg.). https://application.wiley-vch.de/newsletter/pdf/06130644.pdf 21 https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/lebensmittel/einfuehrung/einfuehrung.html 22 Bundesamt für Strahlenschutz (2017). Radioaktive Kontamination von Speisepilzen Aktuelle Messwerte (Stand: 2016). https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-2017092114409/3/BfS-SW-23-17_Speisepilze 2016_Gesamt%20170921.pdf 23 Römpp-Online. Caesium 137, Caesium 134. https://roempp.thieme.de/roempp4.0/do/data/RD-03-00065 (abgerufen am 01.03.2018). BfS (2017). Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung. Jahresbericht 2015. S. 92. 24 BfS (2017). Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung Jahresbericht 2015. S. 84.; siehe auch http://www.uabw .de/pub/beitrag.asp?subid=3&Thema_ID=15&ID=2499&Pdf=No&lang=DE 25 http://www.ua-bw.de/pub/beitrag.asp?subid=3&Thema_ID=15&ID=2499&Pdf=No&lang=DE 26 Römpp-Online. Strontium. https://roempp.thieme.de/roempp4.0/do/data/RD-19-04457 (abgerufen am 01.03.2018) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 10 Quelle: BfS (2016).27 Die nachfolgende Tabelle zeigt die tägliche Zufuhr (d) von Cs-137, Cs-134 und Sr-90 pro Person in Bq mit der Gesamtnahrung in Deutschland im Zeitraum von 1960 bis 2015. Quelle: BfS (2017).28 27 Bundesamt für Strahlenschutz (2016). 5. Aktualisierte Auflage. S. 4. https://www.bfs.de/SharedDocs/Downloads /BfS/DE/broschueren/ion/bro-tschernobyl.pdf?__blob=publicationFile&v=12 28 BfS (2017). Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung Jahresbericht 2015. S. 92. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 11 Nachfolgend ist die Cs-137-Ablagerung in Europa am 10. Mai 1986 dargestellt, die nicht nur durch das Reaktorunglück in Tschernobyl, sondern auch durch frühere oberirdische Kernwaffentests 29 u.a. hervorgerufen wurde: Quelle: BfS (2016).30 Die nächste Grafik aus dem Bericht des United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation zeigt detailliert, die mit Cs-137 belasteten Gebiete in Belarus, der Russischen Föderation und der Ukraine im Jahr 1989 im Umkreis von Tschernobyl (Chernobyl). 29 Siehe hierzu auch S. 110. http://mobil.bmu.de/fileadmin/bmu-import/files/pdfs/allgemein/application /pdf/schriftenreihe_rs640.pdf 30 Bundesamt für Strahlenschutz (2016). Der Reaktorunfall 1986 in Tschernobyl. 5. Aktualisierte Auflage. S. 41. https://www.bfs.de/SharedDocs/Downloads/BfS/DE/broschueren/ion/bro-tschernobyl.pdf?__blob=publication- File&v=12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 12 Quelle: UNSCEAR (2011).31 5. Unterschiedliche Belastung mit Cs-137 bei Waldböden und landwirtschaftlich bearbeiteten Böden Das BVL führt auf seiner Internetseite aus: „Die Belastung von Lebensmitteln in Folge des Reaktorunfalls in Tschernobyl im Jahre 1986 wirkt sich noch regional auf die radioaktive Belastung bestimmter Pilzarten, Wild und Waldbeeren aus.“32 Im Jahr 2002 konstatierte das BfS hierzu Folgendes : „Bereits die ersten Jahre nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl zeigten, dass die Nahrungsmittel des Waldes wesentlich höher radioaktiv kontaminiert sein können als landwirtschaftliche Erzeugnisse. Dies liegt an der unterschiedlichen Beschaffenheit von Waldböden und landwirtschaftlich genutzten Böden. Die Aktivitätskonzentrationen von Cs-137 in landwirtschaftlichen Produkten liegen derzeit in Deutschland im Bereich von nur einigen Bq/kg und darunter. Anders stellt sich die Situation bei wild wachsenden Speisepilzen, Waldbeeren und beim Wildbret dar (…).“33 31 UNSCEAR (2011). Sources and effcts of ionizing radiation. United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation. UNSCEAR 2008 Report to the General Assembly with Scientific Annexes. VOLUME II Scientific Annexes C, D and E. Annex D. S. 51. http://www.unscear.org/docs/publications/2008/UN- SCEAR_2008_Annex-D-CORR.pdf 32 BVL (o.D.). Reaktorunglück in Tschernobyl, Ukraine, 1986. https://www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel /02_UnerwuenschteStoffeOrganismen/06_Radioaktivitaet/02_Tschernobyl/lm_Tschernobyl_basepage.html 33 BfS (2002). Informationen zur Kontamination von Pilzen, Beeren und Wild. 16 Jahre nach Tschernobyl. Ausgabejahr 2002. 25.04.2002. http://www.bfs.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/BfS/DE/2002/025.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 13 Das BfS erläutert: „Radiocäsium kann auf den mineralischen Böden vieler Ackerflächen stark an bestimmte Tonminerale gebunden werden. Dadurch steht es nur in sehr geringem Maß für die Aufnahme über die Wurzeln zur Verfügung. Landwirtschaftliche Kulturen, die erst nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl ausgesät oder angepflanzt wurden, waren bereits im Sommer 1986 nur noch mit wenigen Becquerel Radiocäsium pro Kilogramm kontaminiert. Auch heute liegt der Gehalt von Cäsium-137 in landwirtschaftlichen Produkten aus inländischer Erzeugung in dieser Höhe und darunter. (…) Ganz anders stellt sich die Situation bei Nahrungsmitteln des Waldes dar. Insbesondere bei Speisepilzen und Wildbret können auch 30 Jahre nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl deutlich erhöhte Cäsium-137-Aktivitäten gemessen werden. Die Ursache hierfür ist der im Vergleich zu Ackerflächen andere Bodenaufbau. Wälder zeichnen sich durch so genannte organische Auflageschichten auf den Mineralböden aus. In diesen Schichten, die aus sich zersetzender Streu gebildet werden und reich an Bodenorganismen sind, ist Radiocäsium leicht verfügbar und wird schnell durch Bodenorganismen, Pilze und Pflanzen aufgenommen. Radiocäsium bleibt in die für nährstoffarme Ökosysteme typischen, sehr wirkungsvollen Nährstoffkreisläufe eingebunden und wandert deshalb nur langsam in die mineralischen Bodenschichten ab, wo es ähnlich wie auf landwirtschaftlichen Böden durch bestimmte Tonminerale fixiert werden kann. Der Radiocäsiumgehalt von Waldprodukten nimmt daher in der Regel nur langsam ab. Höher kontaminierte Nahrungsmittel aus dem Wald sind in den Teilen Deutschlands zu erwarten, die vom Tschernobyl-Fallout besonders betroffen waren. Dies sind insbesondere der Bayerische Wald und die Gebiete südlich der Donau. In anderen Regionen, wie etwa dem Norden Deutschlands, sind die Aktivitätswerte wegen der geringeren Ablagerung von Radiocäsium entsprechend niedriger. Auch innerhalb kleiner Gebiete kann der Cäsium -137-Gehalt von wild wachsenden Pilzen und Wildbret stark schwanken.“34 Die folgende Karte zeigt die Belastung des Bodens in Deutschlands im Jahr 1986 mit Cs-137 mit den besonders stark betroffen Gebieten in Süddeutschland (Südbayern und der Bayerische Wald): 34 BfS (2017). Nahrungsmittel des Waldes. http://www.bfs.de/DE/themen/ion/notfallschutz/unfaelle/tschernobyl /umweltfolgen.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 14 Quelle: BfS (2016).35 Nachfolgend findet sich der detaillierte Kartenausschnitt Süddeutschlands im Jahr 1986. Quelle: BfS (2017). 35 Bundesamt für Strahlenschutz (2016). 5. Aktualisierte Auflage. S. 5. https://www.bfs.de/SharedDocs/Downloads /BfS/DE/broschueren/ion/bro-tschernobyl.pdf?__blob=publicationFile&v=12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 15 6. Belastung einzelner Lebensmittel Im aktuellen Bericht “Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung" des BMUB wird konstatiert, Cs-137 habe in Nahrungsmitteln auch 2015 zu Kontaminationen geführt, die allerdings „auf einem sehr niedrigen Niveau“ lagen. Im Vergleich zu den Vorjahren vermindere sich die Aktivitätskonzentration von Jahr zu Jahr nur noch äußerst geringfügig. Wegen der kürzeren Halbwertszeit sei Cs-134 nicht mehr nachweisbar. Auf einem sehr niedrigen Niveau befinde sich ebenfalls die Sr-90-Aktivitätskonzentration: „Eine Ausnahme bilden die meisten Wildfleischarten (…), Speisepilze (…) mit Ausnahme von Kulturpilzen, Wildbeeren (…) und Blütenhonig (…). Für diese Umweltbereiche liegt die Aktivitätskonzentration des Cs-137 erheblich höher als in anderen Lebensmitteln.“36 Die nächste Tabelle aus dem aktuellen Bericht zeigt die Mittelwerte von Cs-137 und Sr-90 für Obst (auch für Wald- und Wildbeeren) sowie Rhabarber in den Jahren 2014 und 2015: BfS (2017).37 36 BfS (2017). Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung. Jahresbericht 2015. S. 92. 37 BfS (2017). Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung Jahresbericht 2015. S. 302. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 16 Nachfolgend finden sich Messergebnisse aus dem IMIS für landwirtschaftliche Produkte (Milch, Fleisch, Blattgemüse (Freilandanbau) und Frischgemüse ohne Blattgemüse (Freilandanbau) sowie Kartoffeln und Getreide) aus inländischer Erzeugung im Jahr 2016 (Stand: 21.04.2017). Die spezifische Cs-137 Aktivität ist in Bq/kg Frischmasse bzw. in Bq/Liter angegeben. Es werden die Zahlen der Proben, der Minimal- und Maximalwert sowie der Mittelwert aufgezeigt: 38 Ein Experte des Max Rubner-Instituts erläuterte, dass z.B. durch den Verzehr von Waldbeeren mit einem Frischgewicht von 10 kg in einem Jahr und mit einer angenommenen Belastung von 300 Bq/kg für den Konsumenten eine Strahlenbelastung von 10 Mikrosievert entstünde.39 Zum Vergleich: Ein Flug von Frankfurt - Las Palmas (Gran Canaria) führt zu einer durchschnittlichen effektiven Dosis von ca. 10 - 18 Mikrosievert.40 Laut Bericht des Fachbereichs Strahlenschutz und Umwelt des BfS „Radioaktive Kontamination von Speisepilzen“, der jährlich veröffentlicht wird, können bestimmte Pilzarten aus dem Bayerischen Wald oder aus dem Berchtesgadener Land „noch bis zu einige tausend Becquerel pro Kilogramm Cs-137 in der Frischmasse aufweisen“41. Der Süden Deutschlands „wurde mit Aktivitäts- 38 http://www.bfs.de/DE/themen/ion/notfallschutz/unfaelle/tschernobyl/umweltfolgen.html 39 Telefonat vom 2. März 2018. 40 https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/luft-boden/flug/flug.html 41 Kabai, Eva; Baginski, Kathrin; Poppitz Spuhler, Angela (2017). Radioaktive Kontamination von Speisepilzen Aktuelle Messwerte (Stand: 2016). Fachbereich Strahlenschutz und Umwelt. Bundesamt für Strahlenschutz. https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-2017092114409/3/BfS-SW-23-17_Speisepilze2016_Gesamt %20170921.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 17 ablagerungen zwischen 2 000 und 50 000 Becquerel pro Quadratmeter Cs-137 sowie lokalen Spitzenwerten von 100 000 Becquerel pro Quadratmeter durch den Reaktorunfall von Tschernobyl besonders betroffen.“42 Des Weiteren heißt es dort: „In Deutschland werden mit Nahrungsmitteln aus landwirtschaftlicher Erzeugung im Mittel weniger als 100 Becquerel Cs-137 pro Person und Jahr aufgenommen. Mit einer Mahlzeit höher kontaminierter Speisepilze kann somit mehr Cs-137 zugeführt werden als mit Lebensmitteln aus landwirtschaftlicher Produktion während eines ganzen Jahres. Wichtig für die Beurteilung des Radioaktivitätsgehalts von wild wachsenden Speisepilzen ist die Höhe der Strahlenbelastung, die sich aus dem Verzehr dieser Pilze für den Menschen ergibt. Als Faustregel gilt, dass die Aufnahme von 80 000 Becquerel Cs-137 mit Lebensmitteln bei Erwachsenen einer Strahlenbelastung von etwa 1 Millisievert (mSv) entspricht. Das Bundesamt für Strahlenschutz rät grundsätzlich, sich nicht unnötig einer Strahlung auszusetzen. Die Strahlenbelastung durch den Verzehr von Nahrungsmitteln lässt sich durch das individuelle Ernährungsverhalten reduzieren. Wer für sich persönlich die Strahlenbelastung so gering wie möglich halten möchte, sollte auf den Verzehr hoch kontaminierter Pilze verzichten.“43 Die bayerische Staatsregierung antwortete im April 2016 auf die Frage, wie die Bevölkerung über radioaktive Belastung – vorrangig mit Cäsium – informiert werde, wie viele Proben das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bei Wild (insbesondere bei Wildschweinen) und Pilzen in diesem Zusammenhang 2015 untersucht habe, und wie von Behördenseite der Umgang der Jäger mit möglicherweise belastetem Wildfleisch kontrolliert werde: „Auf den Internetseiten der beiden Landesämter, Landesamt für Umwelt (LfU) und Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), stehen dem Bürger umfangreiche Informationen zur Radioaktivität und zur nach wie vor vorhandenen Belastung aus dem Reaktorunfall von Tschernobyl zur Verfügung. Unter anderem sind die Untersuchungsergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung (Proben des LGL) auf der Internetseite http://www.lfu.bayern.de/strahlung/umrei/strvgprobe abrufbar. Auf der Internetseite des LGL http://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/chemie/kontaminanten/- radioaktivitaet/et_faq_lebensmittel _radioaktivitaet.htm werden „häufig gestellte Fragen“ (FAQ) beantwortet. 2015 hat das LGL 259 Wildbretproben, darunter 160 vom Wildschwein, und 80 Wildpilze untersucht und veröffentlicht. Die Verantwortung, dass die in Verkehr gebrachten Lebensmittel den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, liegt beim Lebensmittelunternehmer, damit hier bei den Jägern . Die amtliche Lebensmittelüberwachung überprüft stichprobenweise, z.B. durch die Entnahme von Proben, ob die Lebensmittelunternehmer dieser Verantwortung nachkommen. Aus den Proben der amtlichen Lebensmittelüberwachung ergeben sich keine Hinweise darauf, 42 Ebenda. 43 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 18 dass die bayerischen Jäger ihrer Verantwortung als Lebensmittelunternehmer nicht nachkämen . Außerdem werden die Qualifizierten Wildbretmessstellen einer jährlichen Qualitätskontrolle durch die amtliche Lebensmittelüberwachung unterzogen.“44 Die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter von Baden-Württemberg wiesen im Jahr 2014 bei 73 der 334 untersuchten Wildschweinproben (22 Prozent) Überschreitungen des Richtwertes von 600 Bq/Kg nach. Das Fleisch dieser Tiere kam nicht in den Handel.45 Rheinland-Pfalz hat aufgrund der im Jahr 2000 gewonnenen Erkenntnisse über ansteigende Gehalte an Radiocäsium bei Wildschweinen als Spätfolge des Reaktorunfalls von Tschernobyl 1986 (…) im Jahr 2001 die Radioaktivitätsmessung bei Schwarzwild erheblich ausgeweitet. Alle erlegten Wildschweine aus dem Pfälzer Wald und gewissen Gebieten der Eifel werden auf ihren Gesamtcäsiumgehalt überprüft. (…). Es zeigt sich, dass Wildschweine aus verschiedenen, selbst benachbarten Regionen, zum Teil sehr unterschiedliche Gesamtcäsiumgehalte aufweisen. Als Allesfresser wühlen Wildschweine einen erheblichen Teil ihrer Nahrung aus dem Boden und nehmen dabei kontaminiertes Futter auf, vor allem den für Menschen ungenießbaren Hirschtrüffel.“46 Die nachfolgende Tabelle aus dem Bericht des Bayerischen Landesamts für Umwelt „30 Jahre nach Tschernobyl - was nach einer Halbwertszeit bleibt. Der Reaktorunfall von Tschernobyl und seine Auswirkungen auf Bayern“ zeigt die Mittelwerte der Cs-137-Messwerte (Bq/kg) in den Jahren 1986 bis 2015 für Waldbeeren und Kulturbeeren. Sie liegen unter den EU-Grenzwerten für Cs-137. 44 https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Basisdrucksachen /0000007000/0000007150.pdf 45 https://mlr.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mlr/intern/dateien/publikationen/Verbraucherpolitischer _Bericht_2014_2015.pdf 46 https://lua.rlp.de/de/unsere-themen/lebensmittel-co/untersuchung-von-lebensmitteln/ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 19 Quelle: LfU Bayern (2016).47 Unter dem zuvor genannten Link http://www.lfu.bayern.de/strahlung/umrei/strvgprobe - Daten zur Überwachung der allgemeinen Umweltradioaktivität in Bayern - können die aktuellen Bq- Werte für heimische und ausländische Lebensmittelproben abgerufen werden. Für Wald- und Wildbeeren wurden auch in den Jahren 2016 und 2017 keine Grenzwertüberschreitungen für Cs- 137 gemessen. 7. Exkurs: Lage in Österreich Im Endbericht „Radioökologische Evaluierung der Radionuklidkontamination in Waldökosystemen 30 Jahre nach Tschernobyl“, der im Auftrag des österreichischen Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erstellt wurde, heißt es: „Die Messergebnisse zeigen, dass selbst 30 Jahre nach Tschernobyl noch immer erhebliche Cs-137 Aktivitätskonzentrationen im Waldökosystem zu finden sind. Das Cs-137 befindet sich noch immer vor allem in den obersten Schichten der Böden. Während bei den gemessenen Beeren und Pilzen nur bei einer Probe eine geringe Überschreitung des Grenzwertes von 600 Bq/kg festgestellt wurde, kann es bei Wildschweinfleisch noch immer zu einer 7 fachen Überschreitung kommen.“48 47 Bayerisches Landesamt für Umwelt (2016). 30 Jahre nach Tschernobyl - was nach einer Halbwertszeit bleibt. Der Reaktorunfall von Tschernobyl und seine Auswirkungen auf Bayern. https://www.bestellen.bayern.de/application /eshop_app000009?SID=679801618&ACTIONxSESSx- SHOWPIC(BILDxKEY:%27lfu_stra_00041%27,BILDxCLASS:%27Artikel%27,BILDxTYPE:%27PDF%27) 48 Damberger, Viktoria et al. (2016). Endbericht „Radioökologische Evaluierung der Radionuklidkontamination in Waldökosystemen 30 Jahre nach Tschernobyl“. Im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft , Umwelt und Wasserwirtschaft (GZ: BMLFUW-UW.1.1.11/0027-I/7/2015). 29.02.2016. Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, Geschäftsfeld Strahlenschutz, Abt. Strahlenschutz und Radiochemie , Universität für Bodenkultur, Low Level Counting Laboratory Arsenal, Wien. https://www.ages.at/download/0/0/278d738d82155e190344d7d11ca7928f0745e2e8/fileadmin/AGES2015/Themen /Strahlenschutz_Dateien/Wild/EndberichtRad%C3%96koWald.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5- 3000 - 031/18 Seite 20 Die nachfolgende Abbildung zeigt die Konzentration von Cäsium-137 in Beeren, die Daten beziehen sich auf das Frischgewicht in Beeren gemittelt über alle Standorte. Im Endbericht wird ausgeführt , die Ergebnisse würden zeigen, dass der Genuss von Beeren unbedenklich sei. Lediglich eine Probe der Heidelbeeren habe den EU Grenzwert von 600 Bq/kg überschritten.49 Quelle: Damberger et al. (2016)50 *** 49 Ebenda. 50 Ebenda.