WD5 - 3000 - 031/17 (15. März 2017) © 2017 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. 1. Fragestellung Wie könnte durch einen horizontalen Leitsatz im Deutschen Lebensmittelbuch zur Bestimmung des Regionalitätsbegriffs der Schutz für Verbraucher vor Irreführung erhöht werden? 2. Einleitung Das Deutsche Lebensmittelbuch (DLMB) ist eine Sammlung von grundsätzlich vertikalen Leitsätzen 1, in denen über 2000 Lebensmittel und deren Beschaffenheit beschrieben werden. Die Beschreibungen im DLMB werden von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) erarbeitet . Wesentliches Ziel des DLMB ist der gesundheitliche Verbraucherschutz und der Schutz der Verbraucher vor Täuschung. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erläutert, die Arbeit an den Leitsätzen des DLMB sei eine Daueraufgabe, denn sowohl die am Markt befindlichen Produkte als auch die Verbrauchererwartung unterlägen einem Wandel.2 Lebensmittelübergreifende Bezeichnungen, wie z. B. „Regionalität“, sind derzeit nicht Bestandteil der Leitsätze. Im Hinblick auf die Fragestellung werden nachfolgend das Verfahren zur Aufnahme von Leitsätzen (3.) einschließlich der Initiierung der Leitsatzerstellung (4.) sowie die Qualität solcher Festlegungen (5.) skizziert. 1 Leitsätze zu den einzelnen Produktgruppen: Fleisch und Fleischerzeugnisse, Fische, Krebs- und Weichtiere und Erzeugnisse daraus, Speisefette und Speiseöle, Feinkostsalate, Gewürze und andere würzende Zutaten, Brot und Kleingebäck, Feine Backwaren, Teigwaren, Kartoffelerzeugnisse, Ölsamen und daraus hergestellte Massen und Süßwaren, Obsterzeugnisse, Gemüseerzeugnisse, Gemüsesaft und Gemüsenektar, Pilze und Pilzerzeugnisse, Fruchtsäfte, Erfrischungsgetränke, weinähnliche und schaumweinähnliche Getränke; Tee, teeähnliche Erzeugnisse , deren Extrakte und Zubereitungen; Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse, Honig; Puddinge, andere süße Desserts und verwandte Erzeugnisse. https://www.bmel.de/DE/Ernaehrung/Kennzeichnung/Lebensmittelbuch /Dossier_DeutschesLebensmittelbuch.html?nn=5769682¬First=true&docId=379796 2 http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/Lebensmittelbuch/DLMBK-GO- 160620.pdf?__blob=publicationFile Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Horizontaler Leitsatz im Deutschen Lebensmittelbuch zur Bestimmung des Regionalitätsbegriffs Kurzinformation Horizontaler Leitsatz im Deutschen Lebensmittelbuch zur Bestimmung des Regionalitätsbegriffs Fachbereich WD 5 (Wirtschaft und Verkehr; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 3. § 15 und § 16 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch Das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) enthält die folgenden Vorgaben zum DLMB (§ 15 LFGB), zur DLMBK (§ 16 LFGB), zum grundsätzlich einstimmigen Beschluss von Leitsätzen durch die DLMBK (§ 16 Abs. 3 LFGB) und zur Anerkennung von Leitsätzen durch das BMEL und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (§ 15 Abs. 3 LFGB): § 15 Deutsches Lebensmittelbuch „(1) Das Deutsche Lebensmittelbuch ist eine Sammlung von Leitsätzen, in denen Herstellung, Beschaffenheit oder sonstige Merkmale von Lebensmitteln, die für die Verkehrsfähigkeit der Lebensmittel von Bedeutung sind, beschrieben werden. (2) Die Leitsätze werden von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission unter Berücksichtigung des von der Bundesregierung anerkannten internationalen Lebensmittelstandards beschlossen . (3) Die Leitsätze werden vom Bundesministerium im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie veröffentlicht. Die Veröffentlichung von Leitsätzen kann aus rechtlichen oder fachlichen Gründen abgelehnt oder rückgängig gemacht werden. § 16 Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission (1) Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission wird beim Bundesministerium gebildet. (2) Das Bundesministerium beruft im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Mitglieder der Kommission aus den Kreisen der Wissenschaft, der Lebensmittelüberwachung , der Verbraucherschaft und der Lebensmittelwirtschaft in zahlenmäßig gleichem Verhältnis. Das Bundesministerium bestellt den Vorsitzenden der Kommission und seine Stellvertreter und erlässt nach Anhörung der Kommission eine Geschäftsordnung. (3) Die Kommission soll über die Leitsätze grundsätzlich einstimmig beschließen. Beschlüsse, denen nicht mehr als drei Viertel der Mitglieder der Kommission zugestimmt haben, sind unwirksam . Das Nähere regelt die Geschäftsordnung.“3 4. Geschäftsordnung der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission Die aktuelle Geschäftsordnung der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission vom 20. Juni 2016, die auf Grund des § 16 Abs. 2 Satz 2 LFGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426) vom BMEL erlassen wurde, führt in ihrer Präambel zu den Leitsätzen Folgendes aus: 3 https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/lfgb/gesamt.pdf Kurzinformation Horizontaler Leitsatz im Deutschen Lebensmittelbuch zur Bestimmung des Regionalitätsbegriffs Fachbereich WD 5 (Wirtschaft und Verkehr; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 „Die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs haben im Sinne des § 15 Absatz 1 des Lebensmittel -und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) das Ziel, alle Wirtschaftsbeteiligten, insbesondere aber die Verbraucherinnen und Verbraucher, vor Irreführung und Täuschung zu schützen. Dies ist gewährleistet, wenn ein Lebensmittel in Zusammensetzung, Aufmachung und Kennzeichnung dem redlichen Hersteller- oder Handelsbrauch und der berechtigten Verbrauchererwartung entspricht. Als Beitrag dazu wird in den Leitsätzen eine allgemein gültige Verkehrsauffassung für die darin aufgeführten Lebensmittel beschrieben. Die Verkehrsauffassung umfasst Herstellung und Beschaffenheit sowie alle sonstigen, für die Verkehrsfähigkeit bedeutsamen Merkmale des Lebensmittels wie Bezeichnungen, Angaben und Aufmachung einschließlich bildlicher Darstellungen. Die Leitsätze sind ein untergesetzliches Regelwerk, das Hilfestellung bei der Auslegung des Rechts leistet. Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission (Kommission) kann in besonderen Fällen feststellen, dass sich noch keine allgemein anerkannte Verkehrsauffassung gebildet oder dass sich die Verkehrsauffassung in eine unerwünschte Richtung entwickelt hat. In diesen besonderen Fällen kann die Kommission auch prägend tätig werden.“4 § 7 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission berechtigt jede Person und Institution zur „Initiierung der Leitsatzerstellung und Leitsatzänderung“. Eine Leitsatzerstellung und Leitsatzänderung kann demnach schriftlich beim Sekretariat der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission beantragt werden: „(1) Jede Person und Institution ist berechtigt, die Erarbeitung oder Änderung eines Leitsatzes schriftlich beim Sekretariat zu beantragen. Der Antrag soll eine Begründung und möglichst einen Formulierungsvorschlag enthalten (siehe Muster in Anhang 3). Das Sekretariat bestätigt den Antragseingang. Das Präsidium beschließt über die Befassung der Kommission mit der Erarbeitung oder Änderung von Leitsätzen. Anträge, die nicht die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs betreffen oder missbräuchlich gestellt wurden, werden vom Präsidium abgelehnt . Nimmt das Präsidium einen Antrag nicht zur Bearbeitung an, wird die Antragstellerin oder der Antragsteller hierüber unter Angabe der Ablehnungsgründe informiert.“5 5. Hinweise für die Anwendung der Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches Das BMEL erläutert zur Anwendung der Leitsätze des DLMB, die Leitsätze seien für Hersteller, Handel, Importeur, Verbraucher, Überwachung und Gerichte eine wichtige Orientierungshilfe, bei deren Anwendung folgende Hinweise zu beachten seien: „1. Die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches sind keine Rechtsnormen und damit nicht rechtsverbindlich. Auch kommt ihnen nicht der Charakter von Verwaltungsrichtli- 4 http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/Lebensmittelbuch/DLMBK-GO- 160620.pdf?__blob=publicationFile 5 http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/Lebensmittelbuch/DLMBK-GO- 160620.pdf?__blob=publicationFile Kurzinformation Horizontaler Leitsatz im Deutschen Lebensmittelbuch zur Bestimmung des Regionalitätsbegriffs Fachbereich WD 5 (Wirtschaft und Verkehr; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) Wissenschaftliche Dienste Seite 4 nien zu. In Beurteilungen und Stellungnahmen sind die Leitsätze deshalb als Auslegungshilfe , nicht aber als Rechtsgrundlage zitierbar. Sie schränken auch keinesfalls die Zulässigkeit dessen ein, was nach nationalem oder Gemeinschaftsrecht erlaubt ist. 2. Leitsätze haben den Charakter objektivierter Sachverständigengutachten. Sie beschreiben die allgemeine Verkehrsauffassung über die Zusammensetzung und die sonstige Beschaffenheit der erfassten Produkte und bringen die hiernach zutreffende verkehrsübliche Bezeichnung des Lebensmittels im Sinne der Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) zum Ausdruck. Sie sind darüber hinaus vorrangige Auslegungshilfe für die Beantwortung der Frage, ob eine Irreführung im Sinne der Vorschriften des Lebensmittelrechts vorliegt. 3. Ergibt die Prüfung eines Lebensmittels eine Abweichung von der Beschreibung in den Leitsätzen , so können die Vorgaben des Artikels 17 Absatz 1 LMIV dennoch durch eine ausreichende Ergänzung der Bezeichnung des Lebensmittels erfüllt werden. Weiterhin kann bei Berücksichtigung der übrigen vorgeschriebenen und korrekt angegebenen Informationen, zum Beispiel der Angaben im Zutatenverzeichnis, in vielen Fällen eine Irreführung verneint werden . Auch bei lose abgegebenen Lebensmitteln ist zu prüfen, ob bei (freiwilliger) Angabe einer Bezeichnung des Lebensmittels, die von den Leitsätzen abweicht, eine Irreführung nach Berücksichtigung zusätzlicher, geeigneter Informationen verneint werden kann. 4. Bestehen jedoch Zweifel, ob bereits ein im Wesen anderes Lebensmittel (Aliud) vorliegt und damit die verwendete Bezeichnung des Lebensmittels nicht mehr zutreffend ist, hat die/der Sachverständige bei der Interpretation der Leitsätze die herkömmlichen Regeln der Normauslegung entsprechend anzuwenden. Von einem Aliud ist beispielsweise dann regelmäßig auszugehen , wenn in dem entsprechenden Leitsatz für ein Lebensmittel mit der festgestellten Beschaffenheit eine andere verkehrsübliche Bezeichnung aufgeführt ist. Die ursprünglich gewählte Bezeichnung wird dann regelmäßig nicht den Vorgaben des Artikels 17 Absatz 1 LMIV entsprechen und ggf. als irreführend im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 LMIV zu beurteilen sein. 5. Für ein Lebensmittel in einer Verpackung, das mit einer bestimmten Bezeichnung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum rechtmäßig in Verkehr ist, dem betreffenden Leitsatz aber nicht entspricht, regelt Artikel 17 Absatz 2 LMIV, dass dieses Lebensmittel grundsätzlich auch im Inland unter dieser Bezeichnung in den Verkehr gebracht werden darf. Diese Bezeichnung ist durch weitere beschreibende Informationen zu ergänzen, wenn anderenfalls , insbesondere unter Berücksichtigung der sonstigen in der Verordnung vorgeschriebenen Angaben, der Verbraucher nicht in der Lage wäre, die Art des Lebensmittels zu erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden. Kurzinformation Horizontaler Leitsatz im Deutschen Lebensmittelbuch zur Bestimmung des Regionalitätsbegriffs Fachbereich WD 5 (Wirtschaft und Verkehr; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) Wissenschaftliche Dienste Seite 5 6. Die Leitsätze werden regelmäßig durch die Kommission überprüft und ggf. geändert. Darüber hinaus können Erkenntnisse, dass sich die Verkehrsauffassung geändert hat, zur Überprüfung des entsprechenden Leitsatzes auf dem üblichen Weg an das Sekretariat der Lebensmittelbuch - Kommission herangetragen werden.“6 Weitere Informationen „Zum Begriff der Regionalität bei der Lebensmittelerzeugung“ finden sich in der Dokumentation WD 5 - 3000 – 022/16 vom 23. März 2016 unter folgendem Link: https://www.bundestag.de/blob/421390/fbe9c9758380c056946fbc59edb3d77b/wd-5-022-16- pdf-data.pdf *** 6 Hervorhebung durch Verfasser der Kurzinformation. https://www.bmel.de/DE/Ernaehrung/Kennzeichnung/Lebensmittelbuch /HinweiseLeitsaetzeLebensmittelbuch.html