© 2016 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 031/16 Bienen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 2 Bienen Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 031/16 Abschluss der Arbeit: 21. April 2016 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Tourismus Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Wie haben sich die Bedingungen für Bienen geändert? 4 3. Wie hat sich die Anzahl der Bienenpopulation geändert? 8 3.1. Anzahl der Bienenvölker von 1970 bis 2015 8 3.2. Studie „EPILOBEE“ 8 4. Welchen Giftstoffen sind Bienen in Deutschland ausgesetzt? 11 5. Relevanz der Bienen für die Natur, die Landwirtschaft und den Menschen? 11 6. Wie sieht der rechtliche Rahmen für den Bienenschutz aus? 14 6.1. EU-Ebene 15 6.1.1. VERORDNUNG (EG) Nr. 1107/2009 15 6.1.2. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 15 6.2. Bundesebene 17 6.2.1. Bundesnaturschutzgesetz (Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege) iVm Bundesartenschutzverordnung (Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten) 17 6.2.2. Bienenschutzverordnung 17 6.2.3. Verordnung über das Inverkehrbringen und die Aussaat von mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behandeltem Maissaatgut (MaissaatPfSchMVO) 18 6.2.4. Verordnung über das Inverkehrbringen und die Aussaat von mit Pflanzenschutzmitteln behandeltem Saatgut für Wintergetreide (PflSchGetreidesaatgAnwendV) 18 6.2.5. Bienenseuchenverordnung 18 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 4 1. Einleitung Die Honigbiene in Deutschland ist ein Nutztier und wird in Deutschland von Imkern gehalten. Neben den Honigbienen sind jedoch als Bestäuber auch Wildbienen, Hummeln etc. relevant. 2. Wie haben sich die Bedingungen für Bienen geändert? Die European Food Safety Authority (EFSA) erläutert zur Bienengesundheit: „In den letzten 10 bis 15 Jahren wurde von Imkern ein ungewöhnlicher Rückgang der Bienenzahl sowie der Verlust ganzer Bienenvölker beobachtet, insbesondere in westeuropäischen Ländern wie Frankreich, Belgien, der Schweiz, Deutschland, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden, Italien und Spanien. In Nordamerika hat das seit 2005 beobachtete Bienensterben soweit geführt, dass dort mittlerweile weniger Bienen gehalten werden als jemals zuvor in den vergangenen 50 Jahren. Amerikanische Wissenschaftler haben für dieses Phänomen den Begriff „Colony Collapse Disorder“ (CCD – Völkerkollaps) geprägt. Ein häufiges Merkmal von CCD ist der rasch eintretende Verlust erwachsener Arbeiterbienen im Stock. Bislang konnte keine alleinige Ursache für den Rückgang der Bienenvölker ausgemacht werden . Es werden jedoch verschiedene Einflussfaktoren angeführt, die in Kombination bzw. unabhängig voneinander eine Rolle spielen. Hierzu zählen die Auswirkungen von intensiver Landwirtschaft und dem Einsatz von Pestiziden, die Unter- bzw. Fehlernährung von Bienen, Viren, Angriffe durch Pathogene und invasive Arten – z.B. die Varroamilbe (Varroa destructor ), die asiatische Hornisse (Vespa velutina), den kleinen Beutenkäfer1 (Aethina tumida) und die Milben der Gattung Tropilaelaps –, genetisch veränderte Pflanzen sowie Umweltveränderungen (wie die Fragmentierung und der Verlust natürlicher Lebensräume).“2 Des Weiteren bat die EFSA das Panel on Plant Protection Products and their Residues (PPR) um eine wissenschaftliche Einschätzung zur Geeignetheit des BEEHAVE3 Modells. Das Panel kommt in seinem „Statement on the suitability of the BEEHAVE model for its potential use in a regulatory context and for the risk assessment of multiple stressors in honeybees at the landscape level ” zu dem Ergebnis, dass obgleich einige Stressoren in dem Modell berücksichtigt wurden, Stressoren, wie z.B. Pestizidexpositionen im BEEHAVE Modell nicht untersucht wurden. Die 1 „Der kleine Beutenkäfer wurde im September 2014 zunächst in Kalabrien und einige Wochen später in Sizilien nachgewiesen. Diese Regionen sind wichtige Herkunftsgebiete für Bienenköniginnen, die in viele Teile der EU versendet werden.“ Er befällt Honigbienen, Hummeln und stachellose Bienen. (Quelle: EFSA: Kleiner Beutekäfer : Risiko der Ausbreitung. http://www.efsa.europa.eu/de/press/news/151215) 2 EFSA. Bienengesundheit. http://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/beehealth 3 “BEEHAVE simulates the development of a honey bee colony and its foraging of nectar and pollen in a realistic landscape. The purpose of BEEHAVE is to allow representing stressors, alone and in combination, of honeybee colonies within a hive and in the landscape: varroa mites transmitting the deformed wing virus (DVW) or the acute paralysis virus (APV), effects of several beekeeping practices, poor forage availability or even forage gaps in the landscape, and pesticide losses of foragers, inhive bees, or brood.” http://beehave-model.net/ Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 5 multiplen Stressoren, unter denen Bienen zu leiden haben, führt das Panel insgesamt wie folgt auf: “Honeybee declines have been observed in different regions of the world (...) and are usually related to several factors rather than to a single one (...). The main causes that are most often listed are parasites such as Varroa mites (...) viruses (...), Nosema (...) nutrition (...) and pesticides (...) and acaricides4 (...). There is also evidence of interactions among the different stressors to which bees are exposed . However, among the multiple possible interactions between biological and chemical stressors, only a few interactions were studied, mostly under experimental conditions (laboratory ), as reviewed by the UK Food and Environmental Research Agency (FERA, 2012). Those studies include interactions of Nosema ceranae5 with some neonicotinoids (...), fipronil (...) and some fungicides (...). Other studies have demonstrated interactions between the deformed wing virus (DWV) and neonicotinoids (...), between the acute paralysis virus (APV, which is part of the acute Kashmir–Israeli (AKI) complex) and cypermethrin (a pyrethroid) (...). Studies on the interaction of more than one infectious agent with other chemical stressors (...) remain too scant and this area needs to be further explored. The above studies highlight the need for the collection of more data on other potential combinations of interactions and how they can be modulated in the environment. The underlying mechanisms behind these interactions and their effects at the colony level are still only partly understood.”6 4 Akarizide sind Mittel zur Bekämpfung von Milben und Zecken. https://agrar.bayer.de/Produkte/Pflanzenschutzmittel /Produktgruppen/Akarizide.aspx 5 Nosema ceranae - Erkrankung der Honigbiene durch einen parasitären Pilz. (…) „In Studien aus Deutschland spielt Nosema ceranae als Faktor für das Absterben eines gesamten Bienenvolkes keine Rolle (…). Hingegen wurde in spanischen und US-amerikanischen Studien ein Zusammenhang zwischen einer Infektion mit Nosema ceranae und dem Verlust von ganzen Kolonien beschrieben (…). Als Ursache für die unterschiedlichen Auswirkungen auf Kolonieebene werden klimatische Faktoren oder Variationen in der Virulenz lokaler Isolate angenommen (…).“ http://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/06_Gentechnik/ZKBS/01_Allgemeine _Stellungnahmen_deutsch/03_Parasiten/Nosema_apis_Nosema_ceranae_Nosema _bombi.pdf?__blob=publicationFile&v=2 6 EFSA (2015). Scientific Opinion. Statement on the suitability of the BEEHAVE model for its potential use in a regulatory context and for the risk assessment of multiple stressors in honeybees at the landscape level. EFSA Panel on Plant Protection Products and their Residues (PPR). European Food Safety Authority (EFSA), Parma, Italy. This scientific output, published on 03 November 2015, replaces the earlier version published on 25 June 2015. http://www.efsa.europa.eu/sites/default/files/scientific_output/files/main_documents/4125.pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 6 Eine Studie der Universität Halle vom 14. Januar 2016 wird von der Pressestelle der Martin-Luther -Universität Halle-Wittenberg wie folgt beschrieben: „Weltgeschehen beeinflusst Bienenvölker stärker als Pestizide“7. Die Zusammenfassung dieser Studie von Moritz/Erler (2016) “Lost colonies found in a data mine: Global honey trade but not pests or pesticides as a major cause of regional honeybee colony declines”8 findet sich nachfolgend: “Recent losses of honeybee (Apis mellifera) colonies have been linked to several non-exclusive factors; such as pests, parasites, pesticides (e.g., neonicotinoids) and other toxins. Whereas these losses pose a threat to apiculture, the number of globally managed colonies appeared to be less affected because beekeepers replace lost colonies. From a socioeconomic and ecological perspective the number of managed colonies is arguably more relevant when addressing the issue of apiculture and pollination services provided by honeybees. We here use the FAO data base to dissect the interactions between the global honey market and the number of colonies. Global scale analyses do not show a general colony decline. Whereas Western Europe and the US show suffer colony declines, other regions show considerable increase . We could not find any link between the colony dynamics and the occurrence of specific pathogens or the use of pesticides. In contrast, changes in the political and socioeconomic system show strong effects on apiculture. In addition, many countries show a tight negative correlation between honey import and the number of managed colonies. For some countries, the amount of honey produced per colony is highly positively correlated with the amount of honey imports, and we cannot exclude large scale relabeling of imported to nationally produced honey. It is very clear that honey trade is a dominating factor for the number of managed colonies since countries with a strong import and export ratio are those suffering most strongly from colony declines.”9 In einer Presseerklärung der niederländischen Universität Wageningen vom 11. Februar 2016 wird mitgeteilt: “Surprise discovery: large bee species are becoming increasingly smaller. (...) During the past century, the females of large bee species in the Netherlands, such as the bumblebee 10, have become increasingly smaller. The cause seems to lie in the way bees care for their offspring .” 11 Weitere Details hierzu können der nachfolgenden Zusammenfassung der Studie “Size and Sex-Dependent Shrinkage of Dutch Bees during One-and-a-Half Centuries of Land-Use Change” entnommen werden: 7 https://idw-online.de/de/news644350 8 Robin F.A. Moritz, Silvio Erler (2016). Lost colonies found in a data mine: Global honey trade but not pests or pesticides as a major cause of regional honeybee colony declines. Agriculture, Ecosystems & Environment, Volume 216, 15 January 2016, Pages 44-50, ISSN 0167-8809, http://dx.doi.org/10.1016/j.agee.2015.09.027 9 Robin F.A. Moritz, Silvio Erler (2016). Lost colonies found in a data mine: Global honey trade but not pests or pesticides as a major cause of regional honeybee colony declines. Agriculture, Ecosystems & Environment, Volume 216, 15 January 2016, Pages 44-50, ISSN 0167-8809, http://dx.doi.org/10.1016/j.agee.2015.09.027 10 Hummel. 11 http://www.wageningenur.nl/en/Expertise-Services/Research-Institutes/alterra/show/Surprise-discovery-largebee -species-are-becoming-increasingly-smaller.htm Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 7 „Land-use change and global warming are important factors driving bee decline, but it is largely unknown whether these drivers have resulted in changes in the life-history traits of bees. Recent studies have shown a stronger population decline of large- than small-bodied bee species, suggesting there may have been selective pressure on large, but not on small species to become smaller. Here we test this hypothesis by analyzing trends in bee body size of 18 Dutch species over a 147-year period using specimens from entomological collections. Large-bodied female bees shrank significantly faster than small-bodied female bees (6.5% and 0.5% respectively between 1900 and 2010). Changes in temperature during the flight period of bees did not influence the size-dependent shrinkage of female bees. Male bees did not shrink significantly over the same time period. Our results could imply that under conditions of declining habitat quantity and quality it is advantageous for individuals to be smaller. The size and sex-dependent responses of bees point towards an evolutionary response but genetic studies are required to confirm this. The declining body size of the large bee species that currently dominate flower visitation of both wild plants and insect-pollinated crops may have negative consequences for pollination service delivery.”12 Rudloff/Simon (2015) benennen als Risikofaktoren für Bestäuber insbesondere in Afrika, fehlende Daten und hohen Nutzungsdruck. Bestäubungsbedingte Krisen entstünden in einem Zusammenspiel vieler Risikofaktoren, die auf eine ohnehin fragile Ausgangssituation träfen. Dabei könne ein einzelnes Element, das neu hinzukomme oder bestehende Probleme verschärfe, kaskadenhaft einen massiven Einbruch der Bestäubung auslösen. Weil es am nötigen Monitoring fehle, riskiere man unerwartete Zusammenbrüche. Zum Ist-Zustand der Bestäuber-Population etwa in Nordafrika gebe es kaum gesicherte Informationen. Zwar zeigten die Daten der UN-Ernährungsund Landwirtschaftsorganisation (FAO), dass die Zahl imkerlich gehaltener Honigbienen weltweit steige. Doch für Nordafrika sei das Datenmaterial fehlerbehaftet und lückenhaft. Zur Lage der Wildbienen – die einen Großteil der Bestäubung leisten – gebe es nur sehr wenige Monitoring -Studien. Diese jedoch legten nahe, dass die Zahl der Wildbienen in einzelnen Regionen deutlich zurückgegangen sei. Weitere Risikofaktoren seien die Ausrichtung auf Monokulturen und ein hoher Pestizid-Einsatz zur Ertragssteigerung. Dass man sich in der EU auf relevante Exportfelder konzentriere, fördere einen großflächigen Anbau einzelner Produkte. Damit steige die Abhängigkeit von Agrarchemikalien wie Düngemitteln und Pestiziden. Gleichzeitig würden wichtige Nistflächen für Insekten entfallen. Der Einsatz von Pestiziden gehe zudem mit erheblichen Risiken für Bestäuber einher. Besonders umstritten seien dabei die weit verbreiteten systemisch wirkenden Neonikotinoide. Es gebe Hinweise darauf, dass Bienen auf diese Substanzen besonders empfindlich reagieren würden – Wildbienen noch deutlich stärker als Honigbienen.13 12 Hervorhebung durch Verfasserin. Mikail O. Oliveira, Breno M. Freitas, Jeroen Scheper, David Kleijn, PLOS- One.Size and Sex-Dependent Shrinkage of Dutch Bees during One-and-a-Half Centuries of Land-Use Change. http://www.wageningenur.nl/en/Expertise-Services/Research-Institutes/alterra/show/Surprise-discovery-largebee -species-are-becoming-increasingly-smaller.htm 13 Rudloff, Bettina; Simon, Nils (2015). Kleine Ursache, große Wirkung: Bienensterben in Nordafrika gefährdet eine labile Region. S. 34ff. In: Brozus, Lars (Hg.) (2015). Unerwartet, überraschend, ungeplant. Zugespitzte Situationen in der internationalen Politik. Foresight-Beiträge 2015. http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents /products/studien/2015S20_bzs.pdf#page=34 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 8 3. Wie hat sich die Anzahl der Bienenpopulation geändert? 3.1. Anzahl der Bienenvölker von 1970 bis 2015 Die nächste Grafik des Deutschen Imkerbundes14zeigt die Anzahl der Bienenvölker vom 31. Dezember 1970 bis zum 31. Dezember 2015 in Deutschland: Quelle: Deutscher Imkerbund.15 (D.I.B.=Deutscher Imkerbund) 3.2. Studie „EPILOBEE“ Die Studie „EPILOBEE. Pan-European epidemiological study on honeybee colony losses 2012- 2014”16 hat das Ziel die aktuelle Sterblichkeitsrate und den Gesundheitszustand der Honigbie- 14 http://www.deutscherimkerbund.de/161-Imkerei_in_Deutschland_Zahlen_Daten_Fakten 15 http://www.deutscherimkerbund.de/161-Imkerei_in_Deutschland_Zahlen_Daten_Fakten 16 Laurent, Marion et al. (2016). EPILOBEE. Pan-European epidemiological study on honeybee colony losses 2012- 2014 European Union Reference Laboratory for honeybee health (EURL) Anses Honeybee pathology Unit, on behalf of the EPILOBEE consortium. Version 2 vom 13. Januar 2016. http://ec.europa.eu/food/animals/live_animals /bees/study_on_mortality/index_en.htm Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 9 nenkolonien zu ermitteln. Sie analysiert die Sterblichkeitsrate der Honigbiene u.a. bei der Überwinterung . Die erste Abbildung zeigt die Sterblichkeitsrate der Honigbienenkolonien im Winter 2012 – 2013 in den EU-Mitgliedstaaten: 17 Die zweite Grafik zeigt den Winter 2013 – 2014: 17 http://ec.europa.eu/food/animals/docs/live-animals_bees_bee-report_2012_2014_en.pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 10 18 Die Autoren der Studie kommen zu folgendem Ergebnis: “Rates of colony mortality differed from one year to another towards a decrease in the second year of EPILOBEE. Significant regional differences in colony losses were also observed. Climate might have influenced winter colony losses over the two years. However its role in the winter colony mortality should be further balanced with other risk factors that also certainly took part. Furthermore, two consecutive years of follow-up are not sufficient to get a trend in colony losses. Long-term collection of data on colony mortality would enable to obtain a representative overview on the colony mortality in Europe. Prevalence of diseases, based on clinical signs observed by bee inspectors, appeared to have similar trends during the second year of the programme. Although American foulbrood and varroosis were recorded in most of the Member States, overall disease prevalence were low for most of the diseases. It should be emphasised that the substantial amount of data gathered throughout these two years on various topics (use of veterinary treatments, the beekeeping context, colony management...) is currently under analysis to get statistical correlations between the colony losses and some risk factors. This descriptive programme, EPILOBEE, was a required first step that will facilitate future implementation of projects (e.g. explanatory studies) studying other risk factors affecting colony health. For example, the study of potential causes such as pesticides, pathological agents, food intakes either on their own or in combination, could be integrated in future explanatory studies, such as case-control studies, in order to explore their role in honeybee colony mortality. These epidemiological projects require the consultation of all stakeholders and up-front developed action strategies.“19 18 http://ec.europa.eu/food/animals/docs/live-animals_bees_bee-report_2012_2014_en.pdf 19 Hervorhebung durch Verfasserin. http://ec.europa.eu/food/animals/docs/live-animals_bees_bee-report _2012_2014_en.pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 11 4. Welchen Giftstoffen sind Bienen in Deutschland ausgesetzt? Die Internetseiten des Julius-Kühn-Instituts mit Informationen zum Thema "Bienenschutz" mit Schwerpunkt "Bienenvergiftungen durch Pflanzenschutzmittel"20 enthielten keinerlei Daten. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) äußerte am 20. März 2015 zum „Bienenschutz bei Tankmischungen mit mehreren Insektiziden“, es sei üblich und auch zulässig, mehrere Pflanzenschutzmittel als Tankmischung auszubringen. In der Regel würden dabei Bienen nicht gefährdet, wenn alle Vorschriften eingehalten würden, die für die beteiligten Mischungspartner gelten. Speziell bei der Mischung mehrerer Insektizide seien Vergiftungen von Bienen aber nicht auszuschließen, auch wenn die Mischungspartner als bienenungefährlich eingestuft seien. Die Einstufung als bienenungefährlich basiere auf einer Prüfung bis zu der höchsten durch die Zulassung festgelegten Aufwandmenge des einzelnen Mittels. Die Mischung mehrerer Mittel sei toxikologisch einer Erhöhung der Aufwandmenge gleichzusetzen, da Dosisaddition oder synergistische Prozesse nicht ausgeschlossen werden könnten. Eine Mischung mehrerer Insektizide sollte deshalb wie ein bienengefährliches Pflanzenschutzmittel betrachtet werden .21 Belastbare Informationen zu Giftstoffen, denen Bienen derzeit in Deutschland ausgesetzt sind, konnten in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden. 5. Relevanz der Bienen für die Natur, die Landwirtschaft und den Menschen? Die EFSA erläutert auf ihrer Homepage zur Relevanz der Bienen: „Schätzungen der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zufolge werden 71 der 100 Nutzpflanzenarten, aus denen 90% der Lebensmittel weltweit gewonnen werden, von Bienen bestäubt. Der Großteil der in der Europäischen Union (EU) angebauten Kulturpflanzen ist auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Abgesehen von der grundsätzlichen Bedeutung, der der Bestäubung beim Erhalt der biologischen Vielfalt zukommt, wird ihr finanzieller Wert weltweit jährlich auf Hunderte Milliarden von Euro geschätzt.“22 Die Europäische Kommission erklärt zur Honigbiene im Folgenden: „It is estimated that pollinators, including honey bees, bumblebees23 and wild bees, contribute at least 22 billion24 EUR each year to the European agriculture industry. They ensure pollination for over 80% of crops and wild plants in Europe. Honey bees also provide honey 20 http://bienen.jki.bund.de/index.php?menuid=1 21 http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/06_Fachmeldungen/2015/2015_03_20_Fa_Bienenschutz .html?nn=1471850 22 http://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/beehealth 23 Dt. Hummeln. 24 Eng. Billion = Dt. Milliarden. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 12 and other apiculture products such as pollen, wax for food processing, propolis in food technology , and royal jelly used as a dietary supplement and as an ingredient in food.”25 Das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz listet folgende Aussagen: „Französische und deutsche Wissenschaftler haben berechnet, welche Werte Insekten einschließlich der Bienen durch die Bestäubung von Agrarpflanzen schaffen. Der Studie zufolge hat der ökonomische Nutzen durch diese Bestäuber im Jahr 2005 etwa 150 Milliarden Euro betragen. Die Wissenschaftler des Nationalen Institutes für Agrarforschung und des Zentrums für Wissenschaftliche Forschung aus Frankreich sowie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung schätzten außerdem die Schäden, die durch das Fehlen von bestäubenden Insekten entstehen würden auf 190 bis 310 Milliarden Euro pro Jahr (…). Laut Bundesumweltministerium betragen allein in Deutschland der volkswirtschaftliche Nutzen durch Bienen und das Bestäuben rund 2 Milliarden Euro pro Jahr. Außerdem ist die Biene Honiglieferant. Jede und jeder Deutsche konsumiert pro Jahr im Schnitt ein Kilogramm Honig. Mit den rund 750 000 Bienenvölkern in Deutschland können die heimischen Imkerinnen und Imker diesen Bedarf lediglich zu 20 % abdecken. Der Rest wird aus anderen Staaten innerhalb und außerhalb der EU importiert.“26 Der Congressional Research Service (2015) der Vereinigten Staaten von Amerika „Bees, both commercially managed honey bees and wild bees, play an important role in global food production. In the United States alone, the value of insect pollination to U.S. agricultural production is estimated at $16 billion27 annually, of which about three-fourths is attributable to honey bees. Worldwide, the contribution of bees and other insects to global crop production for human food is valued at about $190 billion. Given the importance of honey bees and other bee species to food production, many have expressed concern about whether a “pollinator crisis” has been occurring in recent decades.”28 25 European Commission. Honey bees. http://ec.europa.eu/food/animals/live_animals/bees/index_en.htm 26 Hervorhebung durch Verfasserin. LT-Drs. 17/3327. Antwort der Landesregierung. Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Hannover vom 10.04.2015 auf eine Kleine schriftliche Anfrage. 27 Eng. Billion = Dt. Milliarden. 28 Hervorhebung durch Verfasserin. Congressional Research Service (2015). Bee Health: Background and Issues for Congress. January 20, 2015. http://fas.org/sgp/crs/misc/R43191.pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 13 Eine sog. Foresight-Studie, eine „wissenschaftlich angeleitete Vorausschau“29, von Bettina Rudloff und Nils Simon vom November 2015 mit dem Titel „Kleine Ursache, große Wirkung: Bienensterben in Nordafrika gefährdet eine labile Region“30 beschreibt die Vision, was geschehen würde, wenn in Nordafrika die Bienen durch Krankheiten reduziert würden. Über die Vision hinaus benennen Rudloff/Simon (2015) allerdings auch folgende Fakten: „Von den weltweit 115 landwirtschaftlich am meisten genutzten Pflanzen sind 85 mehr oder weniger stark von tierischer Bestäubung abhängig. Gemessen am Produktionsvolumen relativiert sich dieser Wert etwas, weil beispielsweise Getreide ein Windbestäuber ist. Insgesamt können 35 Prozent der Agrarproduktion als teilweise oder vollständig abhängig von Bestäubung durch Insekten und andere Tiere gelten. Man geht davon aus, dass die weltweite Agrarproduktion bei einem vollständigen Ausfall der so geleisteten Bestäubung um 3 bis 8 Prozent zurückgehen würde. Die direkten wirtschaftlichen Verluste in einem solchen Fall werden mit 153 Milliarden Euro pro Jahr beziffert; für die USA und die EU wären es jeweils ca. 15 Milliarden US-Dollar bzw. Euro. Bei allen Unsicherheiten derartiger Rechenspiele ist die Größenordnung doch beachtlich – in der Summe entspricht sie der globalen Entwicklungshilfe im Jahr 2013.“31 Das Julius-Kühn-Institut schreibt zum Nutzen der Honigbiene Folgendes: „Der ökonomische Nutzen unserer Honigbiene (Apis mellifera L.) wird häufig nur an den von ihr direkt erzeugten Produkten Honig und Wachs gemessen. Durch ihre Bestäubungstätigkeit schafft sie aber für die Landwirtschaft vor allem im Obst-, Beeren- und Samenanbau Werte, die den Gesamtwert der Honig- und Wachserzeugung um das 10-12fache übersteigen. Bezieht man in einen derartigen Vergleich die Bestäubung wilder Blütenpflanzen mit ein, die wegen des dadurch bewirkten Fruchtansatzes zur Nahrungsgrundlage einer Vielzahl von Tieren werden , so ist von einem noch weit höheren ökonomischen Nutzen auszugehen. Neben der Honigbiene sind zahlreiche andere Insekten, vor allem Wildbienen und Hummeln, an der Blütenbestäubung beteiligt. Die Honigbiene nimmt diesbezüglich jedoch eine Sonderstellung ein, die durch die folgenden drei Eigenschaften bedingt ist: 29 Brozus, Lars (2015). Einleitung: Der Nutzen wissenschaftlich angeleiteter Vorausschau, S. 5. In: Brozus, Lars (Hg.) (2015). Unerwartet, überraschend, ungeplant. Zugespitzte Situationen in der internationalen Politik. Foresight -Beiträge 2015. http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien /2015S20_bzs.pdf#page=34 30 Rudloff, Bettina; Simon, Nils (2015). Kleine Ursache, große Wirkung: Bienensterben in Nordafrika gefährdet eine labile Region. S. 34ff. In: Brozus, Lars (Hg.) (2015). Unerwartet, überraschend, ungeplant. Zugespitzte Situationen in der internationalen Politik. Foresight-Beiträge 2015. http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents /products/studien/2015S20_bzs.pdf#page=34 31 Rudloff, Bettina; Simon, Nils (2015). Kleine Ursache, große Wirkung: Bienensterben in Nordafrika gefährdet eine labile Region. S. 34ff. In: Brozus, Lars (Hg.) (2015). Unerwartet, überraschend, ungeplant. Zugespitzte Situationen in der internationalen Politik. Foresight-Beiträge 2015. http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents /products/studien/2015S20_bzs.pdf#page=34 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 14 - Die Honigbiene überwintert als Volk. Sie ist deshalb bereits im Frühjahr zur Blüte wichtiger Kulturpflanzen wie Obst und Raps in großer Individuenzahl vorhanden. - Die Honigbiene ist blütenstet, d.h. sie befliegt auf einem Trachtflug in der Regel nur die Blüten einer Pflanzenart. Im Hinblick auf den Bestäubungserfolg – die Befruchtung – ist sie daher den meisten anderen Bestäuberinsekten überlegen. - Die Honigbiene ist manipulierbar. In ihren künstlichen Behausungen (Beuten) kann sie bei Bedarf in eine „lohnende“ Tracht transportiert werden.“32 6. Wie sieht der rechtliche Rahmen für den Bienenschutz aus? Im Jahr 2008 verursachten Stäube eines Maissaatgutbeizmittels, eines Neonicotinoids mit dem Inhaltsstoff Clothianidin, ein Bienensterben in Süddeutschland. Beim Aussäen der Maissaat durch pneumatische Sämaschinen verteilte die Abluft der Maschinen die Stäube in der Umgebung . Nach Auffassung von Experten - auch des Julius Kühn-Instituts (JKI)33 – verursachte das Maissaatgutbeizmittel das Bienensterben. Aus diesem Grund wurde in Deutschland die Saatgutbeizung für Mais mit bestimmten Neonicotinoiden durch die Verordnung über das Inverkehrbringen und die Aussaat von mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behandeltem Maissaatgut vom 11. Februar 200934 verboten. Am 21. Juli 2015 trat die Eilverordnung Verordnung über das Inverkehrbringen und die Aussaat von mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behandeltem Saatgut für Wintergetreide (PflSchGetreidesaatgAnwendV) in Kraft. Als Grund für den Erlass dieser Verordnung nannte Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt den Schutz vor massenhaftem Bienensterben .35 Die Süddeutsche Zeitung titelte am 29. März 2016 „Die Bundesregierung will das Verbot schädlicher Pflanzenschutzmittel aufweichen. Imker sind empört“.36 Siehe hierzu auch Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN37 „Geplante Aufhebung des absoluten Verbots bienengiftiger Pestizidwirkstoffe (Neonikotinoide) bei der Saatgutbehandlung von Wintergetreide und Folgen aus neueren Kenntnissen zu ökologischen Risiken solcher Wirkstoffe“ vom 7. März 2016. Weitere Informationen hierzu konnten aufgrund der Kürze der Zeit nicht ermittelt werden. 32 http://bienen.jki.bund.de/index.php?menuid=52 33 JKI (2008). Presseinformtaion. Analysen des Julius Kühn-Instituts zu Bienenschäden durch Clothianidin. http://www.jki.bund.de/fileadmin/dam_uploads/_presse/pi_2008/08-06-10.pdf 34 Verordnung über das Inverkehrbringen und die Aussaat von mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behandeltem Maissaatgut vom 11. Februar 2009 (BAnz. 2009 Nr. 23 S. 519), zuletzt geändert durch Artikel 5 der Verordnung vom 27. Juni 2013 (BGBl. I S. 1953). https://www.gesetze-im-internet.de/maispflschmv/index.html 35 http://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2015/164-SC-Bienen.html 36 http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/umwelt-gift-fuer-die-bienen-1.2922086 37 BT-Drs. 18/7810. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/078/1807810.pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 15 6.1. EU-Ebene 6.1.1. VERORDNUNG (EG) Nr. 1107/2009 Die VERORDNUNG (EG) Nr. 1107/2009 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates soll neben einem hohen Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt auch die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft sichern; und insbesondere den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten.38 Gemäß Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sollen bestimmte Stoffe nur dann im Pflanzenschutz zum Einsatz kommen, wenn sie der Erzeugung von Pflanzen nutzen, zugleich aber unschädlich für die Gesundheit von Lebewesen sind.39 So heißt es im Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, zu den Verfahren und Kriterien für die Genehmigung von Wirkstoffen40, Safenern41 und Synergisten 42: „Ein Wirkstoff, Safener oder Synergist wird nur genehmigt, wenn auf der Grundlage einer angemessenen Risikobewertung nach gemeinschaftlich oder international akzeptierten Testrichtlinien festgestellt wird, dass seine Verwendung unter den vorgeschlagenen Bedingungen für die Verwendung des Pflanzenschutzmittels, das diesen Wirkstoff, Safener oder Synergisten enthält, – zu einer vernachlässigbaren Exposition von Honigbienen führt, oder – unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf Honigbienenlarven und das Verhalten von Honigbienen keine unannehmbaren akuten oder chronischen Auswirkungen auf das Überleben und die Entwicklung des Bienenvolks hat.“43 6.1.2. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 In der DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 540/2011 DER KOMMISSION vom 25. Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und 38 Erwägungsgründe (8 und 9) der Pflanzenschutzverordnung (EG) Nr. 1107/2009. 39 Erwägungsgrund (10) der Pflanzenschutzverordnung (EG) Nr. 1107/2009. 40 Wirkstoff „Stoffe, einschließlich Mikroorganismen, mit allgemeiner oder spezifischer Wirkung gegen Schadorganismen an Pflanzen, Pflanzenteilen oder Pflanzenerzeugnissen“. http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R1107&from=EN 41 Safener „Stoffe oder Zubereitungen, die einem Pflanzenschutzmittel beigefügt werden, um die phytotoxische Wirkung des Pflanzenschutzmittels auf bestimmte Pflanzen zu unterdrücken oder zu verringern.“ http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R1107&from=EN 42 Synergisten „Stoffe oder Zubereitungen, die keine oder nur eine schwache Wirkung gemäß Absatz 1 aufweisen , aber die Wirkung des Wirkstoffs/der Wirkstoffe in einem Pflanzenschutzmittel verstärken.“ http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R1107&from=EN 43 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R1107&from=EN Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 16 des Rates hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe44 finden sich Listen von Wirkstoffen, die als im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genehmigt gelten. In der ursprünglichen Version finden sich dort auch die Neonicotinoide Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid. Mit der DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 485/2013 DER KOMMISSION vom 24. Mai 2013 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Bedingungen für die Genehmigung der Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid sowie des Verbots der Anwendung und des Verkaufs von Saatgut, das mit diese Wirkstoffe enthaltenden Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde45 aus dem Jahr 2013 stellt die EFSA nach einer Untersuchung auf Antrag der Kommission ein hohes akutes Risiko für Bienen aufgrund von Pflanzenschutzmitteln mit den genannten Neonicotinoiden fest. Man ermittelte ein Risiko für Bienen aufgrund der Exposition gegenüber Staub, aufgrund der Aufnahme von Rückständen in kontaminiertem Pollen und Nektar sowie bei Mais aufgrund der Exposition gegenüber Guttationsflüssigkeit . Auch müsse man davon ausgehen, dass möglicherweise Risiken aufgrund akuter und chronischer Auswirkungen auf das Überleben und die Entwicklung von Bienenvölkern bestehen.46 Nach dieser behördlichen Schlussfolgerung kam die Kommission zu dem Schluss, dass man nach diesen Hinweisen nicht mehr davon ausgehen könne, dass Neonicotinoide vollkommen unschädlich seien. Ein hohes Risiko für die Bienen könne man nur ausschließen, indem man die Anwendung dieser Stoffe weiter einschränkt.47 Grundsätzlich gelten Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid als gem. der VO (EG) Nr. 1107/2009 genehmigt; die Exposition der Bienen schränkt man aber dahingehend ein, dass nur bestimmte Anwendungsarten dieser Stoffe erlaubt sind und besondere Maßnahmen zur Risikobegrenzung vorgeschrieben werde, um einen effektiven Bienenschutz gewährleisten zu können.48 44 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:02011R0540- 20160401&qid=1461165131168&from=DE 45 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32013R0485&qid=1461164883613&from=DE 46 Erwägungsgrund (6) der Änderungsverordnung Nr. 485/2013. Die DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 485/2013 DER KOMMISSION vom 24. Mai 2013 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Bedingungen für die Genehmigung der Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid sowie des Verbots der Anwendung und des Verkaufs von Saatgut, das mit diese Wirkstoffe enthaltenden Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde. http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32013R0485&qid=1461164883613&from=DE 47 Erwägungsgrund (7) der Änderungsverordnung Nr. 485/2013. 48 Erwägungsgrund (11) der Änderungsverordnung Nr. 485/2013. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 17 6.2. Bundesebene 6.2.1. Bundesnaturschutzgesetz (Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege) iVm Bundesartenschutzverordnung (Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten ) Gem. § 44 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG)49 ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen , sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen , sie zu beschädigen oder zu zerstören. Darüber hinaus ist es gem. § 44 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG verboten, Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten (Besitzverbote). Gemeint sind damit nur wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten, das Verbot erstreckt sich auf alle Entwicklungsformen wie Larven, Eier oder Puppen.50 Nach § 54 BNatSchG ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit dazu ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmte Tierarten, die nicht unter § 7 BNatSchG fallen, unter besonderen Schutz zu stellen. Von dieser Ermächtigung hat das Ministerium durch den Erlass der Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten (Bundesartenschutzverordnung - BArtSchV)51 Gebrauch gemacht. In der Anlage zu § 1 BArtSchV sind verschiedene Tierarten aufgeführt, die in Verbindung mit § 1 BArtSchV entweder unter besonderem oder sogar unter strengem Artenschutz stehen. Dieser Anlage kann man entnehmen, dass alle heimischen Arten der Bienen und Hummeln besonders geschützte Tierarten darstellen und somit auch durch § 44 BNatSchG geschützt werden. Ausnahme ist jedoch die Honigbiene: Als domestizierte Form steht sie gem. Nr. 5 der Anlage 1 zu § 1 BArtSchV52 nicht unter besonderem Schutz. 6.2.2. Bienenschutzverordnung Des Weiteren erfahren Bienen auf Bundesebene rechtlichen Schutz durch die Verordnung über die Anwendung bienengefährlicher Pflanzenschutzmittel (Bienenschutzverordnung - BienSchV)53. Diese Verordnung untersagt die Handhabung, Anwendung oder Aufbewahrung von für Bienen gefährlichen Pflanzenschutzmitteln, sofern Bienen mit diesen in Kontakt kommen könnten (§ 2 Bien SchV). Im Sinne der Verordnung sind bienengefährliche Pflanzenschutzmittel solche, die vom 49 Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), zuletzt geändert durch Artikel 421 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474). http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht /bnatschg_2009/gesamt.pdf 50 Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Verlag C.H.Beck, hier: BNatSchG, kommentiert von Stöckel/Müller -Walter, § 44 Rn. 2. 51 Bundesartenschutzverordnung vom 16. Februar 2005 (BGBl. I S. 258, 896), zuletzt geändert durch Artikel 10 des Gesetzes vom 21. Januar 2013 (BGBl. I S. 95). 52 Anlage 1 BArtSchV in der Fassung vom 29.7.2009. 53 BGBl I 1992, 1410; zuletzt geändert durch Artikel 6 der Verordnung vom 27. Juni 2013 (BGBl. I S. 1953). https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/bienschv_1992/gesamt.pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 18 Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit nur mit der Auflage erlassen wurden , als „bienengefährlich“ gekennzeichnet zu werden. Außerdem gelten Pflanzenschutzmittel auch dann als bienengefährlich, wenn sie in höchster Aufwandmenge oder Konzentration verabreicht wurden (§ 1 Nr. 1 BienSchV).54 Das Julius-Kühn-Institut erläutert: „Die Missachtung der Bienenschutzverordnung kann die Entstehung schwerer Bienenschäden zur Folge haben. Die strikte Beachtung der Verordnung ist daher das wichtigste Instrument zur Vermeidung von Bienenschäden durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln.“55 6.2.3. Verordnung über das Inverkehrbringen und die Aussaat von mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behandeltem Maissaatgut (MaissaatPfSchMVO) Mit dieser Verordnung wurde auf das Bienensterben in Süddeutschland reagiert. Maissaatgut, das mit Neonicotinoiden behandelt wurde, darf nicht ausgesät werden; außerdem ist die Einfuhr oder das Inverkehrbringen dieses Saatguts verboten. (§§1, 3 I iVm Anlage 1 MaissaatPfSchMVO).56 6.2.4. Verordnung über das Inverkehrbringen und die Aussaat von mit Pflanzenschutzmitteln behandeltem Saatgut für Wintergetreide (PflSchGetreidesaatgAnwendV) Diese PflSchGetreidesaatgAnwendV57 ist am 21. Juli 2015 in Kraft getreten. Als Grund für den Erlass dieser Verordnung nannte Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt den Schutz vor massenhaftem Bienensterben.58 Gegenstand dieser Verordnung ist das Verbot der Einfuhr oder des Inverkehrbringens von Saatgut für Wintergetreide, das mit einem Pflanzenschutzmittel, das aus dem Wirkstoff Clothianidin, Imidacloprid oder Thiamethoxam besteht oder einen solchen Wirkstoff enthält. 6.2.5. Bienenseuchenverordnung Weiteren Schutz für die Bienen bietet die Bienenseuchenverordnung (BienSeuchV). Sie enthält zum einen präventive Vorschriften wie etwa Hygienevorschriften, um Seuchen vorzubeugen (§ 2 BienSeuchV) – zum anderen aber auch Vorschriften darüber, wie im Falle eines Seuchenausbruchs verfahren wird. Schutzmaßregeln nach amtlicher Feststellung der Amerikanischen Faulbrut, gegen 54 https://www.gesetze-im-internet.de/bienschv_1992/index.html 55 http://bienen.jki.bund.de/index.php?menuid=29 56 Verordnung über das Inverkehrbringen und die Aussaat von mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behandeltem Maissaatgut vom 11. Februar 2009 (BAnz. 2009 Nr. 23 S. 519), zuletzt geändert durch Artikel 5 der Verordnung vom 27. Juni 2013 (BGBl. I S. 1953). https://www.gesetze-im-internet.de/maispflschmv/index.html 57 BAnz AT 20.07.2015 V1 (AT 23.07.2015 V1). https://www.gesetze-im-internet.de/pflschgetreidesaatganwendv /BJNR620100015.html 58 http://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2015/164-SC-Bienen.html Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 031/16 Seite 19 die Milbensäure, Varroatose, den Befall mit dem Kleinen Beutekäfer sowie gegen den Befall mit Tropilaelaps-Milben sollen die Bienenbestände schützen (§§ 8 ff. BienSeuchV).59 Darüber hinaus bestehen auf Landesebene verschiedene Regelungen, mit denen beispielsweise Bienenbelegstellen (Räume für die Befruchtung von Bienenköniginnen) geschaffen und geschützt werden etc. ENDE DER BEARBEITUNG 59 https://www.gesetze-im-internet.de/bienseuchv/index.html