© 2016 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 030/16 The Eurasian Economic Perspective / Die Eurasische Wirtschaftsunion Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 2 The Eurasian Economic Perspective / Die Eurasische Wirtschaftsunion Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 030/16 Abschluss der Arbeit: 11.05.2016 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Tourismus Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) 4 2.1. Wirtschaftsdaten der Mitgliedsländer im Lichte von GTAI- Veröffentlichungen 9 2.1.1. Russland 9 2.1.2. Kasachstan 10 2.1.3. Belarus 10 2.1.4. Kirgisistan 10 2.1.5. Armenien 10 2.2. Forum Eurasien Economic Perspective 11 3. Weitere Veröffentlichungen 16 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Arbeit betrachtet das Entstehen der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU1) als Gegenpol zur Europäischen Union (EU) und die mögliche Entwicklung zum verbindenden Band der chinesischen Neuen Seidenstraße. 2. Die Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU), die mit Wirkung zum 1. Januar 2015 die zuvor geltende Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft/Zollunion ablöste, ist ein Zusammenschluss von derzeit fünf Staaten, die gemeinsam die Verbesserung des Austauschs von Waren und Dienstleistungen nach dem Vorbild der Europäischen Union verfolgen. Neben den Gründungsstaaten Kasachstan , Russland und Weißrussland zählt die EAWU seit Oktober 2014 Armenien und seit August 2015 Kirgisistan als Mitgliedsstaaten2. Die folgende Abbildung von Germany Trade & Invest (GTAI) zeigt die Intention der Gründungsmitglieder 3. 1 Die Eurasische Wirtschaftsunion wird von den Autoren unterschiedlich abgekürzt. In der vorliegenden Bearbeitung wird das Kürzel EAWU durchgehend verwendet, da es auch dem eigenen Internetauftritt entspricht sowie von der Germany Trade & Invest (GTAI) verwendet wird. 2 Katharina Stumpf, Rödl & Partner Moskau, 2015, Die Eurasische Wirtschaftsunion – neue Ausblicke und Perspektiven für die Wirtschaft, in: Überblick behalten, Newsletter Russland, Aktuelles aus den Bereichen Recht, Steuern und Wirtschaft, Ausgabe: Juli / August 2015 3 http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Meta/Presse/Markets/Markets-international/Ausgaben-2014/marketsinternational -ausgabe-2014-05,t=wirtschaften-im-dreierbund,did=1140602.html (Stand: 10.05.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 5 Katharina Stumpf (siehe Fußnote 2) führt aus: „Der Beitritt weiterer Staaten, wie Tadschikistan, wird derzeit geprüft. Außerdem wurde zuletzt am 29. Mai 2015 das Freihandelsabkommen zwischen der EAWU und der Sozialistischen Republik Vietnam unterzeichnet, das eine erhebliche Reduzierung der durchschnittlichen Einfuhrzölle der EAWU von 9,7 Prozent auf 2 Prozent und der von Vietnam von 10 Prozent auf 1 Prozent vorsieht . Auch wurden bereits Freihandelsgespräche mit Kambodscha aufgenommen. Das Handelsvolumen der EAWU, das momentan rund 4 Milliarden US-Dollar beträgt, soll bis 2020 um mindestens 10 Milliarden US-Dollar vergrößert werden. Die Entwicklungen gestalten sich nicht nur für die Mitgliedsstaaten der Union attraktiv, sondern sprechen auch europäische Unternehmen an, wird der Markteintritt durch die Änderungen doch erheblich vereinfacht und durchsichtiger.“ Ergänzend bemerkt die Außenwirtschaftsagentur und Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland Germany Trade & Invest (GTAI)4: „Auf höchster Ebene der EAWU, dem Obersten Eurasischen Wirtschaftsrat, hat jeder Mitgliedsstaat eine Stimme, es gilt das Konsensprinzip. Das Gesamtbudget der EAWU wird zu 88 Prozent von Russland getragen. Ziel der Wirtschaftsunion ist der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen , Kapital und die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Der Vertrag über die Wirtschaftsunion hat neben den oben genannten Freiheiten auch die Durchführung bzw. Aufstellung einiger gemeinsamer Politiken zum Ziel. So sollen die Mitgliedstaaten eine gemeinsame und koordinierte Energiepolitik auf der Basis eines gemeinsamen Energiemarktes aufstellen. Zudem ist ein gemeinsamer Markt für Arzneimittel und Medizinprodukte mit einer harmonisierten Regulierung zum 01.01.2016 vorgesehen. Der Vertrag legt zudem die Schwerpunkte der Transportpolitik, die Harmonisierung der Agrarpolitik und Koordinierung der makroökonomischen Politik fest. Des Weiteren soll eine Harmonisierung der Finanzmarktregulierung vorgenommen werden. Bis 2025 wird die Schaffung eines gemeinsamen Finanzmarktregulierungsorgans in Aussicht gestellt. Die Liste der Dienstleistungen, die dem freien Dienstleistungsverkehr unterliegen, wird vom Wirtschaftsrat auf Vorschlag der Mitgliedstaaten bestimmt. Im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt ab dem 01.01.2015 die Inländergleichbehandlung. Das heißt, Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten sind sowohl steuer- als auch arbeitsrechtlich den Inländern des Staates, in dem der Arbeitnehmer tätig ist, gleichzustellen.“ Lutz Herden führt aus5: „Die EAWU nimmt erkennbar Anleihen bei der EU. Ihr Fundament ist eine Zollunion wie einst bei der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) der mit den Römischen Verträgen (1957) begründete Gemeinsame Markt. Anfang 2010 einigten sich Russland, Belarus und Kasachstan auf einen zollfreien Handel. Sie wollten die Ukraine einbeziehen, wozu es wegen der zwischen Brüssel und Moskau lavierenden Politik des Präsidenten Wiktor Janukowitsch jedoch nie kam. 4 http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Recht-Zoll/Zoll/zoll-aktuell,t=die-eurasische-wirtschaftsunionloest -die-eurasische-wirtschaftsgemeinschaft-ab,did=1148924.html (Stand: 10.05.2016) 5 Der Freitag, 2015, Freihandel als Ostpolitik https://www.freitag.de/autoren/lutz-herden/freihandel-als-ostpolitik (Stand: 10.05.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 6 Das Muster EU zeigt sich ebenso bei der seit 2012 in Moskau ansässigen Eurasischen Wirtschaftskommission , die der EU-Kommission ähnelt. Auch die im EAWU-Vertrag vom 29. Mai 2014 verankerten Absichten, ein einheitlicher Wirtschaftsraum zu sein, einen ebensolchen Energiemarkt zu bedienen und sich einer Währungsunion anzunähern, verweist auf Parallelen.“ Katharina Stumpf6 führt ergänzend fort: „Ziel der EAWU ist aber nicht nur die Erweiterung des wirtschaftlichen Geltungsbereichs der EAWU durch die Aufnahme von eurasischen Staaten, auch die Aufrechterhaltung der Zusammenarbeit mit den Staaten der EU und deren Förderung soll eines der Hauptziele der Union sein – nicht zuletzt deswegen, weil sich das wirtschaftliche Funktionieren und der Aufbau der EAWU stark an dem der EU orientieren. Auch nach Aussagen der Ministerin für Integrationsentwicklung und Makroökonomie der Eurasischen Wirtschaftskommission, Tatiana Valovaya, ist und bleibt die EU wirtschaftlicher Schlüsselpartner der EAWU. Europäische Unternehmer hätten bereits verstärkt Interesse am Eintritt auf den Markt der EAWU gezeigt, insbesondere in den Bereichen der Fisch-, Medizin- und Kosmetikproduktion. Geplant ist insoweit auch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes für Arznei- und Medizinprodukte innerhalb der EAWU, der Anfang 2016 in Kraft treten soll. Hierzu wurden bereits entsprechende Regulierungsvorschläge zur Diskussion der Beteiligten veröffentlicht.“ Der Politik Almanach, Politik und Zeitgeschichte, stellt die EAWU auf einen Blick sowie im Vergleich zur EU wie folgt dar7: 6 Fußnote 2 7 http://crp-infotec.de/intorgs-eawu/?s=EAWU (Stand: 10.05.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 7 Die EU hat demnach fast dreimal so viele Einwohner wie die EAWU, und ihr BIP ist mehr als siebenmal höher als das der Eurasischen Wirtschaftsunion. Bei der EU sind die vier größten Länder und Volkswirtschaften besonders markiert. Auf der Seite der EAWU sticht Russland hervor, während die anderen vier Mitgliedsländer mit Ausnahme Kasachstans kaum nennenswerte Beiträge aufweisen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 8 Einen weiteren EU/EAWU-Vergleich zeigt die folgende Abbildung des Fischer Weltalmanach8: In dem in der Reihe „russian analytical digest“ erschienenen Beitrag: „Eurasian Economic Union: A 6 months report“ ziehen die Autoren Gennady Chufrin, Maria Lagutina, Kateryna Boguslavska ein erstes Fazit nach dem ersten Halbjahr der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU). Gennady Chufrin untersucht dabei Chancen und Risiken der wirtschaftlichen Integration. Er sieht durchaus langfristige Erfolgschancen, betont aber, dass dafür noch einige Schwierigkeiten zu überwinden sind. Maria Lagutina sieht die EAWU im Kontext des weltweiten Prozesses der Regionalisierung als Versuch, eine globale Region zu bilden um zu verhindern, dass die weltweite Rolle der EAWU auf die eines peripheren Rohstofflieferantens beschränkt bleibt. Kateryna Boguslavska untersucht die ersten sechs Monate der EAWU hinsichtlich der makroökonomischen Entwicklung und Handelsbeziehungen, welche unter einer Anzahl von Handelskonflikten und Marktabschottungsversuchen einiger Mitgliedsstaaten leiden (Anlage 1): 8 http://files.newsnetz.ch/file_upload/85/78/13/39/box_55356257_textbig1_1_box_55317895_textbig1_1_eurasien .jpg (Stand: 10.05.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 9 Russian analytical digest, Nr. 170, 2015, Eurasian Economic Union: A 6 months report http://www.css.ethz.ch/content/dam/ethz/special-interest/gess/cis/center-for-securities-studies /pdfs/Russian_Analytical_Digest_172.pdf (Stand: 10.05.2016) Weitere Informationen sind der offiziellen Webpräsenz der Eurasischen Wirtschaftsunion zu entnehmen . http://www.eaeunion.org/?lang=en (Stand: 10.05.2016) 2.1. Wirtschaftsdaten der Mitgliedsländer im Lichte von GTAI-Veröffentlichungen Germany Trade & Invest (GTAI) ist die Außenwirtschaftsagentur/Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Mit über 50 Standorten weltweit und dem Partnernetzwerk unterstützt Germany Trade & Invest deutsche Unternehmen bei ihrem Weg ins Ausland, wirbt für den Standort Deutschland und begleitet ausländische Unternehmen bei der Ansiedlung in Deutschland. Hierbei analysiert GTAI u.a. Regionen, Länder und Branchen. Die Reihe "Wirtschaftsdaten kompakt" wird zweimal jährlich im Mai und November aktualisiert. Folgende Indikatoren sind unter anderem enthalten: Einwohner, Bevölkerungsdichte, Währung, Wechselkurs, Bruttoinlandsprodukt, BIP je Einwohner, BIP-Wachstum, Inflationsrate, Durchschnittslohn , Arbeitslosigkeit, Haushaltssaldo, Außenhandel, wichtigste Ein- und Ausfuhrgüter, wichtigste Handelspartner, ausländische Direktinvestitionen, Länderbonität, Devisenreserven, Außenhandel mit der EU und Deutschland, wichtigste deutsche Ein- und Ausfuhrgüter. In der Reihe „Wirtschaftstrends“ sind ergänzend Entwicklungen der folgenden Indikatoren enthalten : Export, Import, Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland, Wirtschaftslage, -entwicklung, allgemein, Sozialprodukt / Volkseinkommen / BIP / BSP, Außenhandel / Struktur, allgemein, Investitionen (Inland), Investitionsklima, allgemein, Konjunktur, allgemein. 2.1.1. Russland - Wirtschaftsdaten kompakt: Russland Stand: November 2015 (Anlage 2) https://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten /PUB/2015/11/pub201511242007_159230_wirtschaftsdaten-kompakt---russland--november -2015.pdf?v=1 (Stand: 10.05.2016) - Wirtschaftstrends kompakt Jahreswechsel 2015/16 Russland (Anlage 3) https://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten /PUB/2016/02/pub201602028011_20710_wirtschaftstrends-kompakt---russland--jahreswechsel -2015-16.pdf?v=1 (Stand: 10.05.2016) - Wirtschaftstrends Jahreswechsel 2015/16 – Russische Föderation (ausführlich – Anlage 4) https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/Wirtschaftsklima/wirtschaftstrends ,t=wirtschaftstrends-jahreswechsel-201516--russische-foederation,did=1408866.html (Stand: 10.05.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 10 2.1.2. Kasachstan - Wirtschaftsdaten kompakt: Kasachstan Stand: November 2015 (Anlage 5) https://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten /PUB/2015/11/pub201511242096_159840_wirtschaftsdaten-kompakt---kasachstan--november -2015.pdf?v=1 (Stand: 10.05.2016) - Wirtschaftstrends Jahreswechsel 2015/16 – Kasachstan (Anlage 6) https://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/Wirtschaftsklima/wirtschaftstrends ,t=wirtschaftstrends-jahreswechsel-201516--kasachstan,did=1365170.html (Stand: 10.05.2016) 2.1.3. Belarus - Wirtschaftsdaten kompakt: Belarus Stand: November 2015 (Anlage 7) http://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten /PUB/2015/11/pub201511242019_159880_wirtschaftsdaten-kompakt---belarus--november -2015.pdf?v=1 (Stand: 10.05.2016) - Wirtschaftstrends kompakt Jahreswechsel 2015/16 Belarus (Anlage 8) http://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten /PUB/2016/01/pub201601198005_20657_wirtschaftstrends-kompakt---belarus--jahreswechsel -2015-16.pdf?v=1 (Stand: 10.05.2016) 2.1.4. Kirgisistan - Wirtschaftsdaten kompakt: Kirgisistan Stand: April 2015 (Anlage 9) http://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten /PUB/2015/05/pub201505292056_16991_wirtschaftsdaten-kompakt---kirgisistan.pdf?v=2 (Stand: 10.05.2016) 2.1.5. Armenien - Wirtschaftsdaten kompakt: Armenien Stand: Juni 2015 (Anlage 10) http://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten /PUB/2015/08/pub201508128006_17123_wirtschaftsdaten-kompakt---armenien--juli- 2015.pdf?v=1 (Stand: 10.05.2016) - Wirtschaftstrends kompakt Jahreswechsel 2015/16 Armenien (Anlage 11) http://www.gtai.de/GTAI/Content/DE/Trade/Fachdaten /PUB/2016/01/pub201601198019_20660_wirtschaftstrends-kompakt---armenien--jahreswechsel -2015-16.pdf?v=1 (Stand: 10.05.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 11 2.2. Forum Eurasien Economic Perspective Das Forum Eurasian Economic Perspective dient als Think-Tank zur Weiterführung der Integration der Mitgliedsländer, der Aufnahme weiterer Kandidaten, der Zusammenarbeit mit der Europäischen Union sowie der Erweiterung der Kooperationsmöglichkeiten z. B. im Rahmen der von China angestrebten Neuen Seidenstraße. Vom 21. bis 22. April 2016 fand das 2. Forum unter dem Titel >Die Konturen Eurasiens: Theorie und Praxis der Entwicklung der Eurasischen Wirtschaftsunion< in Saratov statt9. In einer Meldung vor dem Forum heißt es dazu: „Organized by the Russian Scientific Research Support Foundation, the event will bring together representatives of governments, experts, researchers, public figures and representatives of business communities of Russia, Kazakhstan, Belarus and other post-Soviet countries to discuss political and military cooperation, humanitarian and cultural aspects of post-Soviet integration, and prospects of incorporation of the Eurasian Economic Union (EEU) into international political and economic infrastructure. The forum participants will, in particular, discuss features of the modern stage of functioning of the EEU, prospects of development and border cooperation. They will also discuss problems and mechanisms of conjunction of the EEU and the Silk Road Economic Belt projects as well as joint ways of modernization of the economies of the EEU member nations.” Das Mercator Institute for China Studies (MERICS), ein auf Initiative der Stiftung Mercator 2013 gegründetes Forschungs- und Analyseinstitut mit Sitz in Berlin, berichtet in seinem China Update Nr. 18/2015 (China und Russland wollen Seidenstraße und Eurasische Wirtschaftsunion verbinden ) wie folgt 10: „Während des Staatsbesuchs von Präsident Xi Jinping in Russland haben Xi und Präsident Putin am 8. Mai 2015 eine gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit im Rahmen der chinesischen Seidenstraßeninitiative und der russischen Eurasischen Wirtschaftsunion unterzeichnet. Zur Konkretisierung dieses Vorhabens wird eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der jeweiligen Außenministerien eingesetzt. In der Erklärung bekräftigen beide Staaten die wechselseitige Unterstützung der jeweiligen Initiativen zur regionalen Integration. Die Kooperation in den Bereichen Handel, Investitionen, Industrieparks und im Rahmen von Infrastrukturprojekten soll ausgebaut werden. Das Abkommen betont zudem erneut die Stärkung der Zusammenarbeit in Finanz- und Währungsfragen. Überprüft werden solle langfristig außerdem ein Freihandelsabkommen zwischen China und der Eurasischen Wirtschaftsunion. Neben dieser Absichtserklärung wurden 32 unterschiedlich konkrete Vereinbarungen über neue Projekte getroffen, darunter eine Klärung der Bedingungen für Erdgaslieferungen über die „Western Route“ in Sibirien (siehe Übersicht unten). Eine endgültige Einigung über den Gaspreis scheinen beide Seiten bislang jedoch nicht erzielt zu haben.“ 9 http://news.tj/en/news/prospects-eurasian-economic-union-be-discussed-saratov-next-week (Stand: 10.05.2016) 10 http://www.merics.org/fileadmin/templates/download/china-update/MERICS_China_Update_18_2015.pdf (Stand: 10.05.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 12 Quelle: s. Fußnote 10 Die Belarussische Telegraphenagentur BelTA verkündete am 22.12.2015 unter der Schlagzeile >EAWU will Fahrplan für Zusammenarbeit mit China im 3. Vierteljahr 2016 genehmigen<11: „Die Eurasische Wirtschaftsunion rechnet damit, dass der Fahrplan für die Zusammenarbeit mit China im 3. Vierteljahr 2016 genehmigt wird. Das erklärte der Vorsitzende des Kollegiums der Eurasischen Wirtschaftskommission, Wiktor Christenko, am 21. Dezember im Anschluss an die Sitzung des Obersten Eurasischen Wirtschaftsrates in Moskau vor Journalisten, wie ein BelTA- Korrespondent bekanntgab. In der Sitzung des Obersten Eurasischen Wirtschaftsrates wurde die Frage über die Integration der EAWU und des Wirtschaftsgürtels entlang der Seidenstraße behandelt . „Wir hoffen, dass wir endliche Abstimmung im 2. Vierteljahr mit unseren chinesischen Partnern beginnen. Der Fahrplan kann bereits im 3. Quartal genehmigt werden“, informierte Wiktor Christenko. Die vorrangigen Bereiche wurden bereits bestimmt. „Das sind Industrie, agrarindustrieller Komplex, Finanzen, Transport, Informationsinfrastruktur. Die Regierungen der EAWU-Länder arbeiten an Projekten. Sie bilden eine Grundlage für den Fahrplan“, führte Wiktor Christenko hinzu.“ 11 http://deu.belta.by/economics/view/eawu-will-fahrplan-fur-zusammenarbeit-mit-china-im-3.-vierteljahr-2016- genehmigen-23640-2015/ (Stand: 10.05.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 13 Das Mercator Institute for China Studies (MERICS) veranschaulicht das von China im Rahmen der Seidenstraßeninitiative im Bau befindliche Infrastrukturnetzwerk in der folgenden Abbildung 12. 12 http://www.merics.org/merics-analysen/infografikchina-mapping/seidenstrassen-initiative.html (Stand: 10.05.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 14 Alexander Libman / Susan Stewart / Kirsten Westphal konstatieren in einem aktuellen Beitrag der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)13: „Im heutigen Gesamteuropa konkurrieren zwei Auffassungen von Interdependenz, eine »westliche « und eine »russische«. Der Westen sah die wechselseitige Verflechtung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts als treibende Kraft für Globalisierung und entstehenden Multilateralismus an, denn sie galt politischer Kooperation und globalen Märkten als zuträglich. In den 1990er Jahren nahmen zwischenstaatlicher, aber auch transnationaler wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Austausch zu. Die EU und Deutschland betrachteten den Prozess der Regimebildung als wichtiges Element, um die grenzüberschreitenden Aktivitäten zu verregeln. Im Wirtschaftsbereich sollten auf diese Weise stabile Rahmen- und gleiche Ausgangsbedingungen für Unternehmen hergestellt werden. Es ging aber auch darum, angesichts wachsender wirtschaftlicher Verflechtung politische Steuerungsfähigkeit zu gewährleisten. Ohne gemeinsame Regeln sei Kooperation zum einen instabil, da immer ein Rückfall in Nichtkooperation oder gar Konflikte drohe, und zum anderen womöglich mit hohen sozialen Kosten verbunden (zum Beispiel weil sie zur Vermachtung der Märkte führen könnte). Deswegen müssten sich die Vertreter partikularer wirtschaftlicher Interessen bisweilen dem Ziel unterordnen, gemeinsame Regeln zu schaffen. Erst diese ermöglichten den Aufbau langfristiger Wirtschaftsbeziehungen, auch wenn dies einzelnen Akteuren zunächst Kosten verursache. Dadurch stärke Regelbildung die Interdependenz und Interdependenz die Regelbildung. Russland dagegen hat sich spätestens zu Beginn des neuen Jahrhunderts von diesem regel- und normbasierten Interdependenzverständnis entfernt und bevorzugt interessengeleitete konkrete Projekte. Eher ad hoc wird zum Beispiel auf physische Infrastruktur (Gasleitungen oder Bahnstrecken) oder Investitionsprojekte gesetzt. Diese sorgen zwar für Interessenkonvergenz , etwa weil alle Beteiligten materielle Gewinne zu erwarten haben, unterliegen aber einem Kosten-Nutzen-Kalkül entlang nationaler Interessen oder persönlichen Machterhalts. Aus russischer Sicht ist der Ausbau wirtschaftlicher Interdependenz notwendig und erwünscht. Anders als die EU will Russland diesen aber nicht gemeinsam regulieren. Die russischen Eliten unterstellen , dass Akteure Regelwerke grundsätzlich instrumentalisieren, wie der russische Staat dies mit dem Justizsystem tut. Daher wird das Streben der EU nach Verregelung als Versuch gesehen , eigene Interessen gegen Russland durchzusetzen. In russischer Perspektive torpediert gerade das Beharren der EU auf gemeinsamen Regelwerken die Zusammenarbeit, da es wichtige Projekte hemme oder gar verhindere.“ (…) „Der Gegensatz zwischen den Interdependenzauffassungen spiegelt sich auch in den Beziehungen zwischen der EU und der von Russland unterstützten Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) wider. An der EAWU lässt sich ablesen, inwieweit Russland bereit ist, sich auf gemeinsame Regelwerke einzulassen. Sie mutet fast wie eine Kopie der EU an. Die Organisation wird von einem supranationalen Gremium geleitet, der Eurasischen Wirtschaftskommission. Die EAWU sieht einen Souveränitätsverzicht der Mitglieder in einigen Bereichen vor, wie Außenhandelszölle , gemeinsame Standards sowie Freizügigkeit von Arbeitskräften und Kapital. Diese Merkmale scheint die russische Führung aber nicht als Errungenschaften, sondern eher als unvermeidliche Zugeständnisse zu betrachten, um der EAWU durch Anlehnung an das Beispiel 13 Alexander Libman / Susan Stewart / Kirsten Westphal, 2016, Mit Unterschieden umgehen: Die Rolle von Interdependenz in der Beziehung zu Russland, Eurasische Wirtschaftsunion und Wirtschaftsraum Lissabon–Wladiwostok ? in: SWP-Ausblick 2016: Begriffe und Realitäten internationaler Politik, S.18-20 f http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/sonstiges/Ausblick2016.pdf (Stand: 10.05.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 15 der europäischen Integration Legitimität zu verschaffen. Darum plädiert Russland auch für direkte Kontakte zwischen EU und EAWU. Der wahre Wert der Kooperation liegt aus russischer Sicht darin, in Eurasien Investitions- und Infrastrukturprojekte etwa im Transport- oder Energiebereich zu verwirklichen, von denen staatsnahe und staatliche russische Großkonzerne profitieren würden. Das bedeutet nicht, dass das EAWU-Regelwerk Makulatur ist, sondern nur, dass es für Russland (und die anderen Mitgliedstaaten) einen geringeren Stellenwert hat, als man aus europäischer Sicht erwarten würde. Übergeordnete geopolitische Interessen haben weitaus mehr Bedeutung für Russland. Deswegen führte es im Sommer 2014 einseitig und ohne Zustimmung anderer EAWU-Staaten Importverbote für europäische Lebensmittel ein, obwohl dies erhebliche Spannungen in der EAWU verursachte. Russland ist aber auch flexibel, wenn andere Mitglieder gegen EAWU-Regeln verstoßen – wie im Fall Kasachstans, das im Herbst 2015 im Zuge seines WTO-Beitritts zahlreiche einseitige Maßnahmen beschloss, die vom EAWU-Zolltarif abweichen. Für Russland sind gemeinsame Regelwerke also eine taktische Lösung und ein Ansatz, den man in weniger wichtigen Bereichen verfolgt. Dagegen sieht die EU gemeinsame Regeln als strategisches Ziel, das gerade in essentiellen Bereichen besonders energisch anzustreben ist. Die gegensätzlichen Auffassungen zur Interdependenz bewirkten, dass die EU und Russland bei ihren Dialogversuchen der letzten Jahre in puncto Handel regelmäßig verschiedene Sprachen gesprochen haben. Das trifft vor allem auf das Konzept des gemeinsamen Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok zu, das zumindest in der Rhetorik sowohl der europäischen als auch der russischen Seite häufig angeführt wird. Für die EU bedeutet ein »gemeinsamer Wirtschaftsraum« eine Freihandelszone, also ein gemeinsames Regelwerk. Russland aber nimmt ein neues Regelwerk nicht als attraktives Angebot wahr. Wenn russische Entscheidungsträger von einem gemeinsamen Wirtschaftsraum sprechen, haben sie vielmehr eine Verflechtung der zahlreichen Investitionsprojekte und Unternehmenskooperationen im Sinn. Hier ist Russland eher an dem Format interessiert , das China im Zuge seiner Seidenstraßeninitiative entwickelt und über dessen Verknüpfung mit der EAWU seit Herbst 2015 verhandelt wird. Aus russischer Perspektive sind gemeinsame Regeln in erster Linie ein Kostenfaktor, als dass sie Profit versprechen. Insbesondere eine Freihandelszone wird mit großer Skepsis betrachtet: Freihandel reduziert den Druck auf europäische Unternehmen, Produktionsstätten in Russland zu errichten, um Zollbarrieren zu umgehen . Für Russland sind jedoch gerade diese Investitionen das Wertvollste an der Partnerschaft mit Europa.“ Die Bundesregierung hat sich im Rahmen einer Kleinen Anfrage zur Ausweitung eines Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok wie folgt geäußert14: Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/7016 – Die deutschen Beziehungen zu Kasachstan Drucksache 18/7336 v. 20.01.2016 „Aus Sicht der Bundesregierung handelt es sich bei einem Wirtschaftsraum von >Lissabon bis Wladiwostok< um ein langfristiges Ziel, dessen Umsetzung die Mitwirkung der Europäischen Union, der Staaten der Östlichen Partnerschaft und der Mitgliedstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) vorsehen muss. Die Bundesregierung fördert den Dialog zwischen der Eu- 14 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/073/1807336.pdf (Stand: 10.05.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 16 ropäischen Union und der EAWU und setzt sich intensiv auch unter den EU-Partnern für vermehrte Kontakte mit der EAWU ein. Am 22. Dezember 2015 setzte die Russische Föderation die GUS-Freihandelsvereinbarung zwischen der Ukraine und Russland im Zusammenhang mit der vorläufigen Anwendung des umfassenden und vertieften Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Ukraine ab 1. Januar 2016 aus, was von der Bundesregierung als Rückschlag auf dem Weg zu einem Wirtschaftsraum von „Lissabon bis Wladiwostok“ gewertet wird.“ Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft bemerkt abschließend in einem im Oktober 2015 erschienenen Beitrag15: „Das Projekt Eurasische Wirtschaftsunion wird von der deutschen Wirtschaft - dies zeigen Umfragen des Ost-Ausschusses - mit Interesse verfolgt, da dadurch ein Wirtschaftsraum mit über 170 Millionen Menschen entstanden ist, der sich nach dem Vorbild der EU auf gemeinsame Außenzölle und Zertifizierungsregeln geeinigt hat. Wenn es gelingen würde, diese Union zu einem Bindeglied zwischen der EU und den asiatischen Märkten zu machen, wäre dies ein durchaus hilfreiches Projekt für die Wirtschaft.“ 3. Weitere Veröffentlichungen Spiegel Online, 29.05.2014, Vorbild EU: Russland gründet Eurasische Wirtschaftsunion http://www.spiegel.de/politik/ausland/vorbild-eu-russland-gruendet-eurasische-wirtschaftsunion -a-972383.html (Stand: 10.05.2016) FES, Dezember 2014, Die Eurasische Wirtschaftsunion, Analysen und Perspektiven aus Belarus, Kasachstan und Russland http://library.fes.de/pdf-files/id-moe/11131.pdf (Stand: 10.05.2016) FES, Juni 2014, Die Eurasische Wirtschaftsunion als geopolitisches Instrument und Wirtschaftsraum . Eine Analyse aus Kasachstan. http://library.fes.de/pdf-files/id-moe/10810.pdf (Stand: 10.05.2016) SWP, 2015, Dialog zwischen EU und Eurasischer Wirtschaftsunion – einen Versuch wert, in: SWP-Aktuell 62 Juli 2015 http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015_A62_lbm.pdf (Stand: 10.05.2016) SWP, 2016, Ein gemeinsamer Energiemarkt in der Eurasischen Wirtschaftsunion Implikationen für die EU und ihre Energiebeziehungen zu Russland Maria Pastukhova / Kirsten Westphal, in SWP-Aktuell 6 Februar 2016 https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2016A06_Pastukhova_wep.pdf (Stand: 10.05.2016) 15 Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, 2015, Russische Föderation http://www.ost-ausschuss.de/russische-f-deration (Stand: 10.05.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 030/16 Seite 17 GTAI, 2015, Auswirkungen des WTO-Beitritts Kasachstans auf die Eurasische Wirtschaftsunion Zollsenkungen und Ausfuhrverbote angekündigt http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Recht-Zoll/Zoll/suche,t=auswirkungen-deswtobeitritts -kasachstans-auf-die-eurasische-wirtschaftsunion-zollsenkungen-und-ausfuhrverboteangekuendigt ,did=1339034.html (Stand: 10.05.2016) ENDE DER BEARBEITUNG