© 2019 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 028/19 Bindungswirkung von Planfeststellungsbeschlüssen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 028/19 Seite 2 Bindungswirkung von Planfeststellungsbeschlüssen Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 028/19 Abschluss der Arbeit: 26. März 2019 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 028/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Der Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses 5 3. Bindungswirkung 7 4. Änderung der Planung 7 Vorgaben für Planänderungen von wesentlicher Bedeutung 8 Vorgaben für Planänderungen von unwesentlicher Bedeutung 9 5. Straßenausbau oder bloße Instandsetzung? 11 6. Ergebnis 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 028/19 Seite 4 1. Einleitung An die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wurden folgende Fragen gerichtet : - Inwiefern kann der Bund beim Ausbau einer planfestgestellten Bundesfernstraße, die mit ihrer Ausbaustufe in einem Ausbaugesetz des Bundesgesetzgebers definiert wurde, von den Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses und des Ausbaugesetzes abweichen ? Von welchen Vorgaben kann der Bund nicht abweichen? Kann der Bund entsprechende Entscheidungen selbstständig vornehmen oder welche Akteure (Bundesland , Planfeststellungsbehörde etc.) müssen hierbei in welchem Umfang einbezogen werden? - Kann der Bund auf einen Ausbau einer planfestgestellten Bundesfernstraße, die mit ihrer Ausbaustufe in einem Ausbaugesetz des Bundesgesetzgebers definiert wurde, verzichten und die Maßnahme lediglich als Instandsetzung durchführen, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und welche Teile des Planfeststellungsbeschlusses und der Ausbaugesetze sind dann noch in welchem Umfang bindend? Die Fragen betreffen die Ausbaugesetze, das Wesen von Planfeststellungbeschlüssen und ihre Rechts- und Bindungswirkung.1 Für den Zeitraum 2016 bis 2030 ist der Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP)2 maßgeblich. Am 3. August 2016 wurden vom Bundeskabinett zeitgleich mit dem BVWP 2030 drei Entwürfe der Ausbaugesetze (inkl. der Bedarfspläne) für Schiene, Straße und erstmals auch für die Wasserstraße beschlossen, die auf dem BVWP aufbauen.3 Der Deutsche Bundestag hat am 2. Dezember 2016 die Ausbaugesetze zum BVWP beschlossen.4 Mit der Verabschiedung der Ausbaugesetze durch den Bundestag steht fest, welche Infrastrukturprojekte geplant und aus dem Bundeshaushalt finanziert werden sollen. Die Ausbaugesetze sind Teil der Infrastrukturplanung der Bundesregierung und ersetzen keine Verwaltungsverfahren, 1 Die folgenden Ausführungen entstammen teilweise der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zu rechtlichen Vorgaben im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung eines planfestgestellten bundesfernstraßenrechtlichen Neubauvorhabens, WD 5 - 3000 - 86/16. 2 https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/bundesverkehrswegeplan-2030-gesamtplan .pdf?__blob=publicationFile. 3 https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/BVWP/bundesverkehrswegeplanung-ausbaugesetze-und-nachgelagerte -planungsverfahren.html. 4 Dabei handelt es sich um das Sechste Gesetz zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes (18/9523, 18/9853, 18/10102 Nr. 3), das Dritte Gesetz zur Änderung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (18/9524, 18/9953, 18/10102 Nr. 15) und das Gesetz über den Ausbau der Bundeswasserstraßen und zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes (18/9527, 18/9952, 18/10102 Nr. 14), https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv /2016/kw48-de-fernstrassenausbau-481896. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 028/19 Seite 5 wie etwa die Planfeststellungsverfahren.5 Dies folgt beispielsweise aus § 1 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen (Fernstraßenausbaugesetz - FStrAbG)6, wonach die Feststellung des Bedarfs für die Linienbestimmung nach § 16 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) 7 und für die Planfeststellung nach § 17 des Bundesfernstraßengesetzes verbindlich sind. So dürfen nach § 17 FStrG Bundesfernstraßen im Sinne des § 1 FStrG nur gebaut oder geändert werden, wenn vorher ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt und ein entsprechender Plan festgestellt worden ist.8 2. Der Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses Das Bundesfernstraßengesetz (FStrG)9 regelt das Recht der Straßen in Trägerschaft des Bundes, also der Bundesfernstraßen. Dies sind gemäß § 1 Abs. 2 FStrG die Bundesautobahnen und die Bundesstraßen mit den jeweiligen Ortsdurchfahrten. Fachplanung vollzieht sich in der Regel als Planfeststellungsbeschluss (§ 74 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG10) und damit als Verwaltungsakt (§ 35 S. 2 VwVfG).11 Das Planfeststellungverfahren ist vor allem gekennzeichnet durch eine strenge Bindung an zahlreiche Form- und Verfahrensvorschriften sowie durch umfängliche Beteiligungsrechte betroffener Bürger.12 Dies gilt es bei den Antworten auf die oben gestellten Fragen im Blick zu behalten. 5 BVerwG, Urt. v. 28.4.2016 – 9 A 9/15 zum Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der A 20 – Nord-West- Umfahrung Hamburg, NVwZ 2016, 1710; vgl. auch BVerwG, Urt. v.15.12.2016 – 4 A 4/15, Streit über die Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses, NVwZ 2017, 708; im Einzelnen zu den Arten öffentlicher Planung (Fach- und Gesamtplanung, isolierter oder integrierter Planung) Leue, Anke, in: Kodal, Kurt (Hrsg.), Straßenrecht , 7. Auflage, Kapitel 32 Rn. 7 ff. 6 Fernstraßenausbaugesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 2005 (BGBl. I S. 201), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3354), https://www.gesetze-im-internet .de/fstrausbaug/BJNR008730971.html. 7 Bundesfernstraßengesetz der Fassung der Bekanntmachung vom 28.06.2007, BGBl. I S. 1206; zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.08.2015, BGBl. I S. 1474. 8 Stüer, Bernhard, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrecht, 5. Auflage 2015, Rn. 3729. 9 Bundesfernstraßengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Juni 2007 (BGBl. I S. 1206), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2237), https://www.gesetze-im-internet .de/fstrg/BJNR009030953.html. 10 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.01.2003, BGBl. I S. 102; zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.07.2016, BGBl. I S. 1679. 11 Stüer, Bernhard, a.a.O., Rn. 3629; Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 72 Rn. 1. 12 Kastner, Martin, in: Möllers, Martin, Wörterbuch der Polizei, 3. Auflage 2018, Stichwort: Verwaltungsverfahren. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 028/19 Seite 6 So gelten für das Planfeststellungsverfahren selbst gemäß § 17 Satz 3 FStrG die Regelungen der §§ 72 – 78 VwVfG in der durch das FStrG modifizierten Fassung. Das Planfeststellungsverfahren findet auf der Grundlage der Bedarfsplanung und der Linienführung /-bestimmung statt.13 Der Plan eines Vorhabenträgers, ein bestimmtes raumbezogenes Vorhaben mit örtlichen und/oder überörtlichen Auswirkungen realisieren zu wollen, bildet seinen Gegenstand .14 Überörtliche Vorhaben wie Straßen, Wasserstraßen, Stromleitungen, Eisenbahnlinien oder örtliche bzw. Punkt-Vorhaben wie Flughäfen, Abfalldeponien oder Endlager für radioaktive Abfälle berühren regelmäßig zahlreiche öffentliche und private Belange, die für oder gegen deren Verwirklichung angeführt werden können und von privat Betroffenen, anerkannten Natur- und Umweltschutzvereinigungen sowie verschiedenen Behörden vertreten werden. Das Planfeststellungsverfahren ist ein spezielles Instrument, um über so komplexe Vorhaben und ihre öffentlichrechtliche Zulässigkeit in einem Verfahren durch eine Behörde mittels einer einheitlichen Sachentscheidung mit umfassender Rechtswirkung und Problembewältigung zu entscheiden, im so genannten Planfeststellungsbeschluss.15 Die wesentlichen Rechtswirkungen eines Planfeststellungsbeschlusses normiert § 75 VwVfG.16 So stellt diese Verwaltungsentscheidung die Zulässigkeit des planfestgestellten Vorhabens fest (Genehmigungswirkung ).17 Weiterhin sind neben der Planfeststellung keine weiteren behördlichen Entscheidungen erforderlich, da sämtliche materiell-rechtliche Vorschriften, die für die Frage nach der Zulässigkeit des konkreten Vorhabens von Bedeutung sind, im Verlauf des Planfeststellungsverfahrens und unter Berücksichtigung der für und gegen das konkrete Vorhaben streitenden Argumente geprüft werden (Konzentrationswirkung).18 Und letztlich werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen Vorhabenträger und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt (Gestaltungswirkung).19 13 Stüer, Bernhard, a.a.O., Rn. 3730; Leue, Anke, in: Kodal, Kurt (Hrsg.), Straßenrecht, 7. Auflage, Kapitel 35 Rn. 1 ff. 14 Zu den einzelnen Vorhaben eingehend Stüer, Bernhard, a.a.O., Kapitel E. 15 Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 72 Rn. 3 ff. 16 Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 75 Rn. 3. 17 Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 75 Rn. 6 ff. 18 Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 75 Rn. 10 ff. 19 Umfassend dazu Stüer, Bernhard/ Probstfeld, Willi, Die Planfeststellung, Grundlagen – Fachrecht – Rechtsschutz – Beispiele, 2. Auflage 2016, Rn. 388. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 028/19 Seite 7 3. Bindungswirkung Ein Planfeststellungsbeschluss genehmigt das konkrete Vorhaben nur, verpflichtet dessen Träger grundsätzlich aber nicht, den festgestellten Plan auch auszuführen.20 Vielmehr kann der Vorhabenträger von der Durchführung des Plans ganz oder teilweise Abstand nehmen. Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch nicht für einzelne Verpflichtungen , die ihm die Planfeststellungsbehörde auferlegt hat, beispielsweise für Schutzauflagen oder naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen.21 Will der Vorhabenträger das planfestgestellte Vorhaben verwirklichen, unterliegt er einer Planbefolgungspflicht auch hinsichtlich ihm auferlegter Leistungsverpflichtungen, von der er sich nur im Wege der Planänderung nach § 76 lösen kann.22 Will der Vorhabenträger das planfestgestellte Vorhaben verwirklichen, so besteht für ihn ein Zwang zur Planbefolgung.23 Dies ergibt sich aus der Genehmigungswirkung des § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Diese erfasst nur eine vollständige Errichtung des planfestgestellten Vorhabens gemäß der Zulassung sowie den hierzu erforderlichen Bauvorgang.24 Vereinfacht formuliert heißt das, über das „Ob“ kann der Vorhabenträger auch nach dem Planfeststellungsbeschluss noch entscheiden . Setzt er aber um, dann nur gemäß dem Planfeststellungbeschluss. 4. Änderung der Planung Das Verwaltungsrecht kennt Regelungen, um vor Fertigstellung des Vorhabens noch Änderungen zu ermöglichen. Diese haben Ausnahmecharakter, denn sie stehen im Widerspruch zum Wesen des Planfeststellungsverfahrens mit der strengen Bindung an zahlreiche Form- und Verfahrensvorschriften (s.o.). So ist nach § 76 Abs. 1 VwVfG bei einer Änderung des festgestellten Plans vor Fertigstellung des Vorhabens grundsätzlich dann auch ein neues Planfeststellungsverfahren nach Maßgabe der §§ 73, 74 VwVfG durchzuführen.25 Der § 76 VwVfG regelt, ob und in welchen Fällen die Änderung 20 BVerwGE 130, 138 Rn. 16, https://www.bverwg.de/191207U9A22.06.0; Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 74 Rn. 22. 21 BVerwGE 130, 138 Rn. 16, https://www.bverwg.de/191207U9A22.06.0. 22 BVerwGE 130, 138 Rn. 16, https://www.bverwg.de/191207U9A22.06.0. 23 So Hüting, Ralf/ Hopp, Wolfgang, Die Änderung von Planfeststellungsbeschlüssen. Umwelt- und Planungsrecht, 2003, S. 1; Traulsen, Christian/ Haidinger, Steffen, Die endgültige Aufgabe planfeststellungsbedürftiger Vorhaben , Natur und Recht, 2009, S. 697 [701]. 24 Traulsen, Christian/ Haidinger, Steffen, Die endgültige Aufgabe planfeststellungsbedürftiger Vorhaben, Natur und Recht, 2009, S. 697 [701]. 25 Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 76 Rn. 1 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 028/19 Seite 8 eines festgestellten Plans die Durchführung eines neuen Planfeststellungsverfahrens erforderlich macht. Die bundesfernstraßenrechtliche Spezialregelung des § 17d FStrG hat dabei klarstellende Funktion 26, indem sie auf § 76 VwVfG verweist und ihn modifiziert.27 Die Vorschriften lauten im Einzelnen : § 17d FStrG Planänderung vor Fertigstellung des Vorhabens Für die Planergänzung und das ergänzende Verfahren im Sinne des § 75 Abs. 1a Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und für die Planänderung vor Fertigstellung des Vorhabens gilt § 76 des Verwaltungsverfahrensgesetzes mit der Maßgabe, dass im Fall des § 76 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes von einer Erörterung im Sinne des § 73 Abs. 6 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des § 18 Absatz 1 Satz 4 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung abgesehen werden kann. Im Übrigen gelten für das neue Verfahren die Vorschriften dieses Gesetzes. § 76 VwVfG Planänderungen vor Fertigstellung des Vorhabens Soll vor Fertigstellung des Vorhabens der festgestellte Plan geändert werden, bedarf es eines neuen Planfeststellungsverfahrens. Bei Planänderungen von unwesentlicher Bedeutung kann die Planfeststellungsbehörde von einem neuen Planfeststellungsverfahren absehen, wenn die Belange anderer nicht berührt werden oder wenn die Betroffenen der Änderung zugestimmt haben. Führt die Planfeststellungsbehörde in den Fällen des Absatzes 2 oder in anderen Fällen einer Planänderung von unwesentlicher Bedeutung ein Planfeststellungsverfahren durch, so bedarf es keines Anhörungsverfahrens und keiner öffentlichen Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses . Vorgaben für Planänderungen von wesentlicher Bedeutung Die Regelungen des § 17d FStrG i. V. m. § 76 Abs. 1 VwVfG sind nach ihrem Wortlaut anwendbar , wenn ein bundesfernstraßenrechtlicher Plan nach seiner Feststellung, jedoch vor einer Fertigstellung des Vorhabens wesentlich geändert werden soll.28 26 Kromer, Michael, in: Müller, Hermann/ Schulz, Gerhard, Bundesfernstraßengesetz, 2. Auflage 2013, § 17d Rn. 1. 27 Dazu auch Ronellenfitsch, Michael, in: Marschall, Ernst (Hrsg.), Bundesfernstraßengesetz, 6. Auflage 2012, § 17d Rn. 4. 28 Allgemein Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 76 Rn. 2. Dass § 76 Abs. 1 VwVfG wesentliche Änderungen im Blick hat, ergibt sich aus dem Vergleich mit § 76 Abs. 2 VwVfG, der für unwesentliche Änderungen Verfahrenserleichterungen ermöglicht. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 028/19 Seite 9 Eine Änderung ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn das Vorhaben anders als planfestgestellt , also von der Genehmigungslage abweichend realisiert werden soll, ohne seine Identität zu ändern.29 In diesem Fall ist nach § 76 Abs. 1 VwVfG ein neues Planfeststellungsverfahren durchzuführen, dessen Gegenstand sich allerdings auf den zu ändernden Teil des Vorhabens und dessen Auswirkungen auf die öffentlichen und privaten Belange Dritter beschränkt.30 Nach § 17d FStrG kann bei der Durchführung dieses neuen Planfeststellungsverfahrens auf eine Erörterung verzichtet werden. Darüber hinaus unterliegt dieses Verfahren in verfahrensrechtlicher Hinsicht den allgemeinen Vorgaben des VwVfG nach Maßgabe der §§ 17 ff. FStrG i. V. m. §§ 72 ff. VwVfG. Für das Änderungsverfahren gelten folglich die gleichen verfahrensrechtlichen Anforderungen wie für das ursprüngliche Planfeststellungsverfahren. In materiell-rechtlicher Hinsicht sind im neuen Planfeststellungsverfahren sämtliche Vorgaben zu prüfen, die für die Frage nach der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit der Änderung von Bedeutung sind.31 Je nach den Umständen des Einzelfalls können Vorgaben des Bauplanungsund /oder Bauordnungsrechts oder des Umweltrechts im weiteren Sinne von Bedeutung sein. Welche materiell-rechtlichen Regelungen in dem neuen Planfeststellungsverfahren zu prüfen sind, hängt vom konkreten Planungsfall ab, der nicht Gegenstand der Begutachtung durch die Wissenschaftlichen Dienste ist. Verfahrensergebnis ist jedenfalls bei Vorliegen der materiellrechtlichen Voraussetzungen der Erlass eines Änderungsplanfeststellungsbeschlusses, der mit dem zu ändernden Planfeststellungsbeschluss zu einer rechtlichen Einheit verschmilzt.32 Vorgaben für Planänderungen von unwesentlicher Bedeutung Nach den Vorgaben des § 76 Abs. 2 VwVfG kann von der Durchführung eines neuen Planfeststellungsverfahrens abgesehen werden, wenn es sich um eine Planänderung von unwesentlicher Bedeutung handelt. Wann dies der Fall ist, kann nur im Einzelfall mit Blick auf das zugelassene Vorhaben und dessen Auswirkungen einerseits und auf die beabsichtigten quantitativen und qualitativen Änderungen und die davon Betroffenen andererseits entschieden werden.33 29 So Maus, Moritz, Die Änderung von Planfeststellungsbeschlüssen vor Fertigstellung des Vorhabens, NVwZ 2012, S. 1277 [1278]; Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 76 Rn. 8. 30 So Maus, Moritz, a.a.O., S. 1277 [1278]; Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 76 Rn. 10. 31 Dazu Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 76 Rn. 11. 32 Maus, Moritz, a.a.O., S. 1277 [1279 f.] m. w. N. 33 So Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 76 Rn. 18 m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 028/19 Seite 10 Eine Planänderung ist jedenfalls dann von unwesentlicher Bedeutung im Sinne des § 76 Abs. 2 VwVfG, wenn sie das ursprüngliche Plangefüge unangetastet lässt.34 Dies ist immer dann der Fall, wenn die geänderte Planung die Zielsetzung der Planung und die im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss getroffene Abwägung aller einzustellenden Belange ihrer Struktur nach unberührt lässt. Dies ist anzunehmen, wenn Umfang und Zweck des Ausbauvorhabens unverändert bleiben und zusätzliche belastende Auswirkungen von einigem Gewicht sowohl auf die Umgebung als auch hinsichtlich der Belange Einzelner auszuschließen sind.35 Liegen die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 VwVfG vor, kann die Planfeststellungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen von einem neuen Planfeststellungsverfahren absehen, muss dies aber nicht.36 Entscheidet sie sich gegen die Durchführung eines neuen Planfeststellungsverfahrens, hat sie stattdessen ein schlichtes Verwaltungsverfahren unter Beachtung der allgemeinen Anforderungen durchzuführen, wobei insbesondere Betroffene sowie die maßgeblichen Behörden zu beteiligen sind.37 Die Behörde erlässt in diesem Fall keinen Änderungsbeschluss sondern einen feststellenden Verwaltungsakt , der zum einen über die Entbehrlichkeit eines erneuten Planfeststellungsverfahrens und zum anderen über die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit des Änderungsvorhabens entscheidet .38 Da dem feststellenden Verwaltungsakt nach überwiegender Auffassung ebenfalls Konzentrationswirkung zukommt,39 darf der Vorhabenträger das planfestgestellte Vorhaben ohne weitere behördliche Entscheidung in geänderter Form ausführen.40 Entscheidet sich die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen bei einer unwesentlichen Planänderung für die Durchführung eines neuen Planfeststellungsverfahrens, ermöglichen die Regelungen des § 76 Abs. 3 VwVfG die Durchführung eines vereinfachten Planfeststellungsverfahrens, 34 Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 76 Rn. 19 m. w. N. 35 So Maus, Moritz, a.a.O., S. 1277 [1280] m. w. N. 36 Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 76 Rn. 23 m. w. N.; Ronellenfitsch, Michael, in: Marschall, Ernst (Hrsg.), a.a.O., § 17d Rn. 16. 37 Maus, Moritz, a.a.O., S. 1277 [1280] m. w. N. 38 Maus, Moritz, a.a.O., S. 1277 [1280 m. w. N]; Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 76 Rn. 23 f. m. w. N. 39 Vgl. dazu Maus, Moritz, a.a.O., S. 1277 [1280] m. w. N. 40 Maus, Moritz, a.a.O., S. 1277 [1280 m. w. N]; Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 76 Rn. 23 m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 028/19 Seite 11 in dessen Rahmen auf die Durchführung eines Anhörungsverfahrens und auf die öffentliche Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses verzichtet werden kann, aber nicht verzichtet werden muss.41 Auch im vereinfachten Planfeststellungsverfahren sind sämtliche Vorgaben zu prüfen, die für die Beurteilung der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit der unwesentlichen Planänderung von Bedeutung sind.42 Welche materiell-rechtlichen Regelungen die Behörde genau prüft, hängt auch hier von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer pauschalen Beantwortung. Das vereinfachte Planfeststellungsverfahren wird durch einen Planfeststellungsbeschluss abgeschlossen , der mit dem zu ändernden Beschluss zu einer rechtlichen Einheit verschmilzt.43 5. Straßenausbau oder bloße Instandsetzung? Planungsrechtlich besteht ein Unterschied zwischen Instandsetzung und baulichen Erhaltungsmaßnahmen einerseits und einem Straßenausbau anderseits. So ist die Planfeststellung nur für den Bau einer neuen oder Änderung einer vorhandenen Straße vorgeschrieben, zulässig oder anordnungsfähig .44 Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten sind keine Änderungen.45 Eine Instandsetzung soll den ursprünglichen Zustand wiederherstellen, während der Straßenausbau schon rein begrifflich darüber hinausgeht.46 Neben der beitragsrechtlichen Komponente ist relevant, dass während beim Erhalt nicht erneut in die Rechte Dritter eingriffen wird, dies beim Ausbau sehr wohl möglich ist. Dies ist auch der Maßstab für die Kategorisierung der Maßnahme und nicht etwa, wo ihr Schwerpunkt liegt (Erhaltung oder Ausbau). Wenn im Rahmen einer Instandsetzung die Straße auch nur 41 Umfassend dazu Maus, Moritz, a.a.O., S. 1277 [1280 f.] m. w. N.; Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 76 Rn. 25 ff. m. w. N.; Hüting, Ralf/ Hopp, Wolfgang, a.a.O., 2003, S. 4. 42 Neumann, Werner/ Külpmann, Christoph in: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.), a.a.O., § 76 Rn. 28 m. w. N. 43 So Maus, Moritz, a.a.O., S. 1277 [1281] m. w. N. 44 Dürr, Hansjochen, in: Kodal, Kurt (Hrsg.), Straßenrecht, 7. Auflage, München 2010, Rn. 7.3. 45 Dürr, Hansjochen, in: Kodal, Kurt (Hrsg.), a.a.O., Rn. 7.33. 46 VG Frankfurt (Oder) Urt. v. 2.2.2010 – 3 K 283/06, BeckRS 2010, 47630: „Beiträge […] sind Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwandes unter anderem für die Verbesserung von Anlagen und nicht der Instandsetzung oder laufenden Unterhalt dienen.“ Laut VGH München ist unter einer beitragsfähigen Erneuerung die - über eine bloße Instandsetzung hinausgehende - Ersetzung einer infolge bestimmungsgemäßer Nutzung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit abgenutzten Orts Straße durch eine gleichsam „neue“ Ortsstraße von gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher funktioneller Aufteilung der Fläche und gleichwertiger Befestigungsart zu verstehen, also eine Maßnahme, durch die eine erneuerungsbedürftige Straße bzw. Teileinrichtung nach Ablauf der für sie üblichen Nutzungsdauer in einen Zustand versetzt wird, der mit ihrem ursprünglichen Zustand im Wesentlichen vergleichbar ist, VGH München Urt. v. 18.5.2017 – 6 BV 16.2345, BeckRS 2017, 113703.. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 028/19 Seite 12 teilweise ausgebaut wird, so ist dies grundsätzlich auch ein Fall für ein erneutes Planfeststellungsverfahren .47 Vor diesem Hintergrund bedarf es für eine rechtliche Bewertung eines genauen Blicks auf die tatsächliche Baumaßnahme im Einzelfall, die nicht Gegenstand der Begutachtung der Wissenschaftlichen Dienste ist. 6. Ergebnis Der Vorhabenträger ist nicht verpflichtet, das mit Planfeststellungbeschluss genehmigte Projekt auch zu verwirklichen. Entscheidet er sich für die Verwirklichung, muss er es gemäß den Vorgaben des Beschlusses durchführen. In wie weit der Bund von einem Planfeststellungsbeschluss abweichen kann, ist abhängig vom jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze. Insofern ist eine pauschale Aussage zu einzelnen Beteiligungsrechten ohne Prüfung des konkreten Einzelfalls nicht möglich. Wird im Rahmen der Instandsetzung eine Straße auch nur teilweise ausgebaut, so ist dies grundsätzlich auch ein Fall für ein erneutes Planfeststellungsverfahren. *** 47 Dürr, Hansjochen, in: Kodal, Kurt (Hrsg.), a.a.O., Rn. 7.3 ff.