© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 022/17 Bedeutung, Voraussetzungen und Verfahren des § 6 Fernstraßenausbaugesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Raumordnungsverfahren nach § 15 ROG 7 2.1.4. Linienbestimmungsverfahren nach § 16 FStrG 7 2.1.5. Planfeststellungsverfahren nach §§ 17 ff. FStrG 8 2.2. Grundzüge der rechtlichen Vorgaben für die Finanzplanung zur Realisierung von Bundesfernstraßenvorhaben 9 2.2.1. Fünfjahresplan nach § 5 FStrAbG 9 2.2.2. Straßenbaupläne nach Art. 3 StrFinG 10 3. Bedeutung, Voraussetzungen und Verfahren des § 6 FStrAbG 10 3.1. Bedeutung des § 6 FStrAbG 11 3.2. Voraussetzungen und Verfahren des § 6 FStrAbG 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 022/17 Seite 4 1. Einleitung Der vorliegende Sachstand widmet sich den rechtlichen Vorgaben für die Finanzierung bestimmter bundesfernstraßenrechtlicher Aus- und Neubauvorhaben. Zu erläutern sind nachfolgend insbesondere Bedeutung, Voraussetzungen und Verfahren des § 6 Fernstraßenausbaugesetz (FStrAbG)1, der vorsieht, dass im Einzelfall Straßenbaupläne unter bestimmten Voraussetzungen auch Maßnahmen enthalten können, die nicht dem Bedarfsplan entsprechen . Mit der vorliegenden Arbeit werden zum einen die in der Norm genannten Voraussetzungen für die Aufnahme von nicht im Bedarfsplan2 enthaltenen Maßnahmen in die Straßenbaupläne erläutert . Dabei ist insbesondere der Frage nachzugehen, ob ökologische bzw. gesundheitspolitische Kriterien wie etwa die Luftqualität in den Städten als Begründung für eine nachträgliche Aufnahme von Verkehrsprojekten in die Straßenbaupläne ausreichen. Zum anderen soll das Verfahren zur Aufnahme derartiger Maßnahmen in die Straßenbaupläne erläutert werden. Zur Beantwortung dieser Fragen werden einleitend die Stellung und Bedeutung des FStrAbG sowie insbesondere des Bedarfsplans sowie die Bedeutung des § 6 FStrAbG im Gesamtsystem der rechtlichen Vorgaben für die Realisierung von im Bedarfsplan aufgeführten bundesfernstraßenrechtlichen Aus- und Neubauvorhaben (Bundesfernstraßenvorhaben) überblicksartig skizziert (2.). Auf diesen Ausführungen aufbauend werden im Anschluss die aufgeworfenen Fragen beantwortet (3.). 2. Stellung und Bedeutung der Regelungen des FStrAbG im Gesamtsystem der rechtlichen Vorgaben für die Realisierung von Bundesfernstraßenvorhaben Nach § 1 Abs. 2 Bundesfernstraßengesetz (FStrG)3 gliedern sich die Bundesstraßen des Fernverkehrs (Bundesfernstraßen) in Bundesautobahnen und Bundesstraßen mit den Ortsdurchfahrten. Nach § 5 Abs. 1 FStrG ist grundsätzlich der Bund Träger der Straßenbaulast für die Bundesfernstraßen , wobei die Straßenbaulast nach § 3 Abs. 1 FStrG alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben umfasst. Nach § 3 Abs. 1 S. 2 FStrG haben die Träger der Straßenbaulast die Bundesfernstraßen nach ihrer Leistungsfähigkeit in einem 1 Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.01.2005, BGBl. I S. 201; zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2016, BGBl. I S. 3354. 2 Ausgehend vom Bundesverkehrswegeplan 2030 enthält der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als Anlage zu § 1 Abs. 1 S. 2 FStrAbG sämtliche nach Dringlichkeit eingestufte Bundesfernstraßenneu- und –ausbauprojekte für den Zeitraum 2016 – 2030. Dazu Deutscher Bundestag (2016). Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 05.09.2016. BT-Drs. 18/9523. S. 53. 3 Bundesfernstraßengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.06.2007, BGBl. I S. 1206; zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.08.2015, BGBl. I S. 1474. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 022/17 Seite 5 dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern. Die tatsächliche Realisierung eines konkreten Bundesfernstraßenvorhabens stellt dabei das Ergebnis eines komplexen, gestuften Bundesfernstraßenplanungsprozesses dar, der sich im Wesentlichen in die zwei Teilbereiche Ausbauplanung und Finanzplanung unterteilen lässt.4 Nachfolgend sollen die Grundzüge der rechtlichen Vorgaben für die Ausbau- sowie die Finanzplanung zur Realisierung konkreter Bundesfernstraßenvorhaben skizziert werden. Dabei erhebt die nachfolgende Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit im Sinne einer umfassenden Behandlung der Bundesfernstraßenplanung, sondern fokussiert sich auf die oben genannten Fragen .5 Insbesondere werden europarechtliche Vorgaben, die bei der Durchführung einzelner Planungsschritte und Prüfverfahren von teilweise erheblicher Bedeutung sein können, nicht erläutert . 2.1. Grundzüge der rechtlichen Vorgaben für die Ausbauplanung zur Realisierung von Bundfernstraßenvorhaben Die Ausbauplanung zur Realisierung von Bundesfernstraßenvorhaben, die im Bedarfsplan aufgeführt sind, erfolgt in dem nachfolgend dargestellten gestuften Verfahren. 2.1.1. Bundesverkehrswegeplan Die erste Stufe auf nationaler Ebene bildet die verkehrsträgerübergreifende politische Planung für den Schienen-, Bundesfernstraßen- und Luftverkehr sowie für die Schifffahrt durch den Bundesverkehrswegeplan (BVWP). Der BVWP wird durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) auf der Grundlage von Bedarfsanmeldungen der einzelnen Bundesländer aufgestellt und vom Bundeskabinett beschlossen.6 Beim BVWP handelt es sich lediglich um einen Investitionsrahmenplan der Bundesregierung auf freiwilliger Basis7, der aber weder konkrete Aussagen über die Finanzierung der einzelnen Projekte noch über das „Ob“ oder den Zeitpunkt der Realisierung trifft.8 Er verdeutlicht lediglich die verkehrspolitische Gesamtstrategie der Bundesregierung für einen Zeitraum von 10 – 15 Jahren. Der derzeit geltende BVWP 2030 stellt 4 Siehe dazu Tausch, Felix (2011). Gestufte Bundesfernstraßenplanung – Unter besonderer Berücksichtigung der Richtlinie über die strategische Umweltprüfung. Diss. Tübingen. 2011. Hamburg: Verlag Dr. Kovač. S. 240. 5 Umfassend dargestellt – mit teilweise voneinander abweichenden Schwerpunkten – werden sämtliche Aspekte der Bundesfernstraßenplanung etwa bei Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4) sowie bei Vetterl, Rudolf (1985). Die Planungsakte des Gesetzgebers und der Regierung beim Ausbau der Bundesfernstrassen. Diss. München. 1985. 6 So Maaß, Volker/Vogt, Matthias (2013). Fernstraßenausbaugesetz. Nomos Kommentar. 1. Auflage 2013. Baden- Baden: Nomos. Einleitung Rn. 6. 7 Eine gesetzliche Verpflichtung zur Aufstellung des BVWP besteht nicht. Dazu Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 49. 8 Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 49. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 022/17 Seite 6 ein Rahmenprogramm für die anstehenden Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur des Bundes bis 2030 dar.9 2.1.2. Gesetzliche Bedarfsplanung durch das FStrAbG Der BVWP, der selbst keinen Gesetzescharakter besitzt,10 bildet den Ausgangspunkt für die zweite Stufe der Fernstraßenausbauplanung. Diese findet in Form der gesetzlichen Bedarfsplanung statt. Der Begriff der Bedarfsplanung bezeichnet dabei die gesetzliche Festlegung eines bestimmten Ausbaubedarfs – im Falle der Bundesfernstraßen – an Bundesautobahnen und Bundesstraßen mit einer bestimmten Dimensionierung.11 In diesem Zusammenhang dient das FStrAbG als Trägergesetz für den aus dem BVWP entwickelten und dem Gesetz als Anlage beigefügten Bedarfsplan . Darüber hinaus regelt das Gesetz die Rechtswirkungen der Bedarfsplanung, Verfahrensanordnungen und weitere Aspekte.12 Das FStrAbG dient somit im Wesentlichen dem Zweck, einen verbindlichen Rahmen für den Neu- und Ausbau der Bundesfernstraßen zu setzen, indem der Bedarf, wie er sich nach dem BVWP darstellt, gesetzlich festgestellt und diese Feststellung mit bestimmten Rechtswirkungen versehen wird. So lautet § 1 FStrAbG folgendermaßen: „§ 1 (1) Bau und Ausbau der Bundesfernstraßen sind Hoheitsaufgaben des Bundes. Das Netz der Bundesfernstraßen wird nach dem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ausgebaut, der diesem Gesetz als Anlage beigefügt ist. (2) Die in den Bedarfsplan aufgenommenen Bau- und Ausbauvorhaben entsprechen den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 des Bundesfernstraßengesetzes. Die Feststellung des Bedarfs ist für die Linienbestimmung nach § 16 des Bundesfernstraßengesetzes und für die Planfeststellung nach § 17 des Bundesfernstraßengesetzes verbindlich.“ Konkrete Streckenverläufe regelt der Bedarfsplan jedoch nicht. Er gibt lediglich die Anfangs- und Endpunkte der auszubauenden Straßen an.13 9 Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2017). Was ist der BVWP und welche Ziele hat er? Informationen auf der Internetseite des BMVI zum BVWP 2030. Link: http://www.bmvi.de/DE/Themen/Mobilitaet /Infrastrukturplanung-Investitionen/Bundesverkehrswegeplan-2030/bundesverkehrswegeplan-2030.html (letzter Abruf: 16.03.2017). 10 Maaß, Volker/Vogt, Matthias (2013). A. a. O. (Fn. 6). Einleitung Rn. 6. 11 Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 56. 12 Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 66. 13 So Vetterl, Rudolf (1985). A. a. O. (Fn. 5). S. 27. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 022/17 Seite 7 Dass das BMVI alle fünf Jahre zu prüfen hat, ob der Bedarfsplan, der als Anlage zu § 1 Abs. 1 S. 2 FStrAbG Gesetzescharakter besitzt, der Verkehrsentwicklung anzupassen ist und dass diese Prüfung unter Berücksichtigung der bei der Bedarfsplanung berührten Belange, insbesondere die der Raumordnung, des Umweltschutzes und des Städtebaus, stattzufinden hat, ist Regelungsgegenstand des § 4 FStrAbG. Sollte der Bedarfsplan anzupassen sein, hat das nach § 4 S. 2 FStrAbG durch Gesetz zu erfolgen. 2.1.3. Raumordnungsverfahren nach § 15 ROG Auf der dritten Planungsstufe führen die zuständigen Behörden der Länder ein Raumordnungsverfahren nach § 15 Raumordnungsgesetz (ROG) durch.14 Nach der gesetzgeberischen Konzeption dient es der Koordination raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen untereinander sowie insbesondere deren Abstimmung mit den Erfordernissen der Raumordnung.15 2.1.4. Linienbestimmungsverfahren nach § 16 FStrG Anschließend oder auch parallel wird auf der vierten Stufe der Ausbauplanung das Linienbestimmungsverfahren nach § 16 FStrG durchgeführt. Nach § 16 Abs. 1 S. 1 FStrG bestimmt das BMVI im Benehmen mit den Landesplanungsbehörden der beteiligten Länder die Planung und Linienführung der Bundesfernstraßen. Nach § 16 Abs. 2 FStrG sind bei der Bestimmung der Linienführung „die von dem Vorhaben berührten öffentlichen Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit und des Ergebnisses des Raumordnungsverfahrens im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Die Bestimmung der Linienführung ist innerhalb einer Frist von drei Monaten abzuschließen.“ Die Linienbestimmung hat dabei den Charakter einer vorbereitenden Grundentscheidung. Bestimmt wird insbesondere der Grobverlauf der Strecke einschließlich der Anfangs- und Endpunkte sowie der Verknüpfungen mit dem bestehenden Straßennetz, der Schnittstellen mit den Anlagen anderer Verkehrsträger und der Lage zu benachbarten schutzbedürftigen Bereichen. Daneben werden die Straßengattung, die Streckencharakteristik sowie der Straßenquerschnitt festgelegt .16 Die Linienbestimmung stellt eine bedeutende Stufe der Bundesfernstraßenplanung dar: So dient sie zum einen dazu, erstmals auf der Grundlage der gesetzlichen Bedarfsplanung isoliert ein bestimmtes Bundesfernstraßenvorhaben im Sinne einer Grobtrassierung fachplanerisch näher zu konkretisieren. Zum anderen sichert sie dem Bund als Baulastträger der Bundesfernstraßen eine 14 Raumordnungsgesetz vom 22.12.2008, BGBl. I S. 2986; zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.08.2015, BGBl. I S. 1474. 15 So Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 105. 16 So Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 115 m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 022/17 Seite 8 bedeutende Einflussmöglichkeit gegenüber den Planungsbehörden der Bundesländer sichert, welche die Planung der Bundesfernstraßen im Wege der Auftragsverwaltung durchführen.17 2.1.5. Planfeststellungsverfahren nach §§ 17 ff. FStrG Auf der fünften und letzten Planungsstufe wird über die eigentliche Zulassung eines konkreten Bundesfernstraßenvorhabens seitens der zuständigen Behörden der entsprechenden Bundesländer im Wege eines Planfeststellungsverfahrens nach den §§ 17 ff. FStrG entschieden. Bundesfernstraßenvorhaben berühren regelmäßig zahlreiche öffentliche und private Belange, die für oder gegen deren Verwirklichung angeführt werden können und von privat Betroffenen, anerkannten Natur- und Umweltschutzvereinigungen sowie verschiedenen Behörden vertreten werden . Das Planfeststellungsverfahren stellt vor diesem Hintergrund ein verfahrensrechtliches Instrument dar, das es ermöglicht, über ein komplexes Vorhaben und seine öffentlich-rechtliche Zulässigkeit in einem Verfahren durch eine Behörde mittels einer einheitlichen Sachentscheidung mit umfassender Rechtswirkung und Problembewältigung zu entscheiden (Planfeststellungsbeschluss ).18 Nach § 17 S. 2 FStrG sind bei der Planfeststellung die von dem Bundesfernstraßenvorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Für das durchzuführende Planfeststellungsverfahren gelten nach § 17 Satz 3 FStrG die Regelungen der §§ 72 – 78 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)19 in der durch das FStrG modifizierten Fassung. Auf der Grundlage des im Verfahrensverlauf ermittelten Sachverhalts entscheidet die Planfeststellungsbehörde unter der Beachtung der im konkreten Einzelfall maßgeblichen Rechtslage mittels des Planfeststellungsbeschlusses über die Zulässigkeit des in Rede stehenden Bundesfernstraßenvorhabens .20 Ein wesentlicher Prüfungspunkt ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob das Vorhaben gerechtfertigt ist (Planrechtfertigung).21 Dies ist der Fall, wenn es zum einen mit den Zielvorgaben des jeweiligen Fachgesetzes übereinstimmt (Zielkonformität des Vorhabens) und zum anderen 17 So Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 109. Zur Auftragsverwaltung im Bereich der Bundesfernstraßen siehe Art. 90 Abs. 2 Grundgesetz (GG) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung; zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.12.2014, BGBl. I S. 2438. 18 So die allgemeinen Ausführungen bei Neumann, Werner (2014). In: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.). Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar 8. Auflage 2014. München: C. H. Beck. § 72 Rn. 3 ff. 19 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.01.2003, BGBl. I S. 102; zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.07.2016, BGBl. I S. 1679. 20 Zu den grundsätzlichen formellen und materiellen Rechtmäßigkeitskriterien eines Planfeststellungsbeschlusses siehe Neumann, Werner (2014). In: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.). A. a. O. (Fn. 18). § 74 Rn. 32 ff. 21 Neumann, Werner (2014). In: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.). A. a. O. (Fn. 18). § 74 Rn. 33. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 022/17 Seite 9 ein konkreter Bedarf für das jeweilige Bundesfernstraßenvorhaben besteht.22 Für Vorhaben, die in der Anlage zu § 1 Abs. 1 S. 2 FStrAbG (Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen) aufgeführt sind, sind die Zielkonformität und der Bedarf durch § 1 Abs. 2 FStrAbG für die Planfeststellungsbehörde verbindlich festgestellt.23 2.2. Grundzüge der rechtlichen Vorgaben für die Finanzplanung zur Realisierung von Bundesfernstraßenvorhaben Die finanzielle Konkretisierung von Bedarfsplanvorhaben erfolgt ebenfalls in einem mehrstufigen Verfahren: Zum Zweck der Festlegung der finanziellen Rahmenbedingungen für deren Umsetzung sind die zu realisierenden Bedarfsplan- bzw. Bundesfernstraßenvorhaben in einem ersten Schritt in einen Fünfjahresplan aufzunehmen (mittelfristige Finanzplanung), aus dem anschließend die jährlich aufzustellenden Straßenbaupläne (kurzfristige Finanzplanung) zu entwickeln sind.24 2.2.1. Fünfjahresplan nach § 5 FStrAbG Nach § 5 Abs. 1 FStrAbG hat das BMVI zur Verwirklichung des Ausbaus nach dem Bedarfsplan Fünfjahrespläne aufzustellen, die ihrerseits den Rahmen für die Aufstellung der Straßenbaupläne nach Art. 3 Straßenbaufinanzierungsgesetz (StrFinG)25 bilden. Die Fünfjahrespläne sind Bauprogramme, die eine zeitliche und finanzielle Planung für die Ausführung bestimmter Bundesfernstraßenvorhaben enthalten.26 Sie legen fest, welche Vorhaben konkret verwirklicht werden sollen und geben an, welche Finanzmittel dafür voraussichtlich zur Verfügung gestellt werden.27 Allerdings fehlt einem Fünfjahresplan noch die konkrete Zuordnung von Finanzmitteln zu einem Projekt, da er als Instrument der mittelfristigen Finanzpolitik vielmehr die Verbindung zwischen 22 Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 156 ff. 23 Neumann, Werner (2014). In: Stelkens, Paul/Bonk, Heinz Joachim/Sachs, Michael (Hrsg.). A. a. O. (Fn. 18). § 74 Rn. 42 sowie Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 165. 24 Umfassend dazu Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 236 ff. 25 Straßenbaufinanzierungsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 912-3, veröffentlichten bereinigten Fassung; zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.08.2015, BGBl. I S. 1474. 26 Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 237. 27 Vetterl, Rudolf (1985). A. a. O. (Fn. 5). S. 29, 162 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 022/17 Seite 10 dem Bedarfsplan als gesetzlich festgeschriebene Langfristplanung und dem jeweiligen Straßenbauplan als jährliche Haushaltsplanung herstellt.28 Fünfjahresplänen kommt keine rechtliche Verbindlichkeit zu.29 2.2.2. Straßenbaupläne nach Art. 3 StrFinG Die weitere Konkretisierung der Bedarfsplanvorhaben unter dem Aspekt der Finanzplanung erfolgt durch die jährliche Aufstellung der Straßenbaupläne nach Art. 3 StrFinG als Anlage zum Bundeshaushaltsplan, der nach den Vorgaben der Bundeshaushaltsordnung30 als Haushaltsgesetz zu erlassen ist. Mit diesen Plänen werden die Finanzmittel den zu realisierenden Bundesfernstraßenvorhaben konkret zugeordnet.31 Der Straßenbauplan stellt somit einen konkreten Bau- und Finanzierungsplan dar. Der für 2017 verbindliche Straßenbauplan gibt als Teil A (Kapitel 1201) der Anlage zum Einzelplan 12 (Verkehrsinvestitionen des Bundes) des Bundeshaushalts 2017 umfassend Auskunft über die Verwendung bestimmter Finanzmittel für die Realisierung bestimmter Maßnahmen im Zusammenhang mit der Umsetzung von Bedarfsplanvorhaben.32 Die inhaltlichen Anforderungen an einen Straßenbauplan sind in Art. 3 Abs. 2 StrFinG normiert. Darüber hinaus bestehen außerhalb der allgemeinen Anforderungen an Gesetzgebungsverfahren keine besonderen Vorschriften für die Aufstellung des Straßenbauplans.33 3. Bedeutung, Voraussetzungen und Verfahren des § 6 FStrAbG Auf der Basis dieser allgemeinen Ausführungen zu den Vorgaben für die Ausbau- und Finanzplanung zur Realisierung von Bundesfernstraßenvorhaben werden nachfolgend Bedeutung, Voraussetzungen und Verfahren des § 6 FStrAbG erläutert. 28 So Vetterl, Rudolf (1985). A. a. O. (Fn. 5). S. 29; Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 237. 29 Vetterl, Rudolf (1985). A. a. O. (Fn. 5). S. 166; Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 238. 30 Bundeshaushaltsordnung vom 19.08.1969, BGBl. I S. 1284; zuletzt geändert durch Gesetz vom 03.12.2015, BGBl. I S. 2178. 31 Vetterl, Rudolf (1985). A. a. O. (Fn. 5). S. 167. 32 Siehe dazu Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017 vom 20.12.2016, BGBl. I S. 3016. Kapitel 1201 der Anlage zum Einzelplan 12. S. 1765 ff. (des PDF-Dokuments). Link: https://www.bundeshaushalt-info.de/fileadmin/de.bundeshaushalt/content_de/dokumente/2017/soll/Gesamt _Haushalt_2017_mit_HG.pdf (letzter Abruf: 16.03.2017). 33 Dazu Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 238 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 022/17 Seite 11 Dieser lautet wörtlich: „§ 6 Die Straßenbaupläne können im Einzelfall auch Maßnahmen enthalten, die nicht dem Bedarfsplan entsprechen, soweit dies wegen eines unvorhergesehenen höheren oder geringeren Verkehrsbedarfs, insbesondere auf Grund einer Änderung der Verkehrsstruktur, erforderlich ist.“ 3.1. Bedeutung des § 6 FStrAbG In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es zur Bedeutung der Vorschrift: „Um plötzlich auftretenden Bedarf befriedigen zu können, müssen die jährlichen Straßenbaupläne im Einzelfall auch von dem Bedarfsplan abweichen können. Dabei kann sich der Verkehrsbedarf auch aus Gründen der Raumordnung ergeben. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Beschlussfassung über die Straßenbaupläne ohnehin frei. Das Gesetz muss aber dennoch eine Ausnahmebestimmung enthalten, damit die Planaufstellung nicht eingeengt wird. Die Abweichungen müssen im Einzelfall aus besonderen Gründen gerechtfertigt sein. Sie dürfen nicht dazu führen, von den Entwicklungslinien des Bedarfsplans in erheblichem Maße abzugehen. Eine Möglichkeit, von den Fünfjahresplänen abzuweichen, braucht das Gesetz nicht vorzusehen, da sie nach § 5 nur den Rahmen für die Straßenbaupläne bilden.“34 Ausweislich dieser Begründung ist Adressat der Norm nicht der Bundesgesetzgeber selbst, dem es grundsätzlich frei steht, seine in Form der Straßenbaupläne zu erlassenen Gesetze zu ändern.35 Adressat ist vielmehr die Verwaltung, deren Freiheit bei der vorhergehenden Planaufstellung durch die Norm gesichert werden soll.36 3.2. Voraussetzungen und Verfahren des § 6 FStrAbG Die Frage, ob § 6 FStrAbG nur die Aufnahme von neuen, nicht im Bedarfsplan aufgeführten Maßnahmen oder auch die Änderung bestehender Bedarfsplanvorhaben ermöglichen soll, ist in der Fachliteratur umstritten, wobei die überwiegende Auffassung davon ausgeht, dass § 6 FStrAbG beide Konstellationen erfasst.37 34 Zitiert nach Maaß, Volker/Vogt, Matthias (2013). A. a. O. (Fn. 6). § 6 Rn. 2. 35 So Maaß, Volker/Vogt, Matthias (2013). A. a. O. (Fn. 6). § 6 Rn. 3. 36 So Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 72. 37 Dazu nach Maaß, Volker/Vogt, Matthias (2013). A. a. O. (Fn. 6). § 6 Rn. 4; Tausch, Felix (2011). A. a. O. (Fn. 4). S. 71 m. w. N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 022/17 Seite 12 Voraussetzung ist dafür lediglich, dass sich der Verkehrsbedarf in einer unvorhergesehenen Art und Weise seit dem Zeitpunkt der Aufstellung des BVWP bzw. des Bedarfsplans38 dergestalt verändert hat, dass nunmehr ein höherer oder geringerer Verkehrsbedarf besteht. Die Gründe, die ihrerseits dazu geführt haben, dass sich der Verkehrsbedarf erhöht oder verringert hat, sind nicht Regelungsgegenstand des § 6 FStrAbG. Dennoch scheint es nicht ausgeschlossen, dass ein verringerter oder (an anderer Stelle) erhöhter Verkehrsbedarf mit ökologischen bzw. gesundheitspolitischen Argumenten wie etwa der Luftqualität in den Städten begründet werden kann. So wurde etwa im März 2010 eine Ortsumgehung in den entsprechenden Straßenbauplan aufgenommen, weil dem vierstreifigen Ausbau der in Rede stehenden Bundesstraße wegen der Notwendigkeit der Fahrbahnsanierung sowie erforderlicher Wasserschutzmaßnahmen bei hohem Verkehrsaufkommen zugestimmt wurde.39 Dieses Beispiel zeigt, dass die Veränderung von Verkehrsbedarfen auch mit ökologischen Argumenten begründet werden kann. Laut Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage aus der 17. Wahlperiode ist die Anwendung des § 6 FStrAbG jedoch „sehr restriktiv und nur nach differenzierter Prüfung zu handhaben. Die für die Planung der Bundesfernstraßenprojekte verantwortlichen Länder haben an das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung [nunmehr: BMVI] einen entsprechenden prüffähigen Antrag zu stellen, der die Unvorhersehbarkeit der Verkehrsentwicklung gegenüber dem Entscheidungszeitpunkt der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans bzw. des Bedarfsplans darzustellen hat. […] […] Der Antrag nach § 6 FStrAbG ist hierfür rechtzeitig vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens zu stellen.“40 * * * 38 So Maaß, Volker/Vogt, Matthias (2013). A. a. O. (Fn. 6). § 6 Rn. 3. 39 Deutscher Bundestag (2011). Planungsaufträge des Bundesverkehrsministeriums für Straßenvorhaben ohne gesetzliche Bedarfsfeststellung. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 29.06.2011. BT-Drs. 17/6308. S. 3. 40 Deutscher Bundestag (2011). A. a. O. (Fn. 39). S. 2.