AUSARBEITUNG Thema: Förderung von Biokraftstoffen Fachbereich V Wirtschaft und Technologie; Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft; Tourismus Tel.: Bearbeiter: Abschluss der Arbeit: 9. Februar 2006 Reg.-Nr.: WF V - 022/06 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. 2 Die Biokraftstoff-Richtlinie der EU1 gibt das Ziel der Steigerung des Anteils der im Verkehr eingesetzten Biokraftstoffe bei Diesel und Benzin auf 5,75 % bis zum Jahr 2010 vor (gegenüber 0,8 % zu Ende des Jahres 2002). Dies entspräche einer Menge von ca. 18 Mio. t. RÖE. Das Zwischenziel für 2005 lag bei 2,0 %. Im Bericht der Kommission zur Bewertung der Politik- und Rechtsinstrumente auf dem Feld der erneuerbaren Energien wird am 26.5.2004 festgestellt, dass im Vergleich zu anderen - ebenfalls defizitären - Marktsegmenten der Erneuerbaren Energien (EE) die Entwicklung bei den Kraftstoffen besonders deutlich hinter den Erwartungen zurück bleibt. Soll—Tendenz-Vergleich Biokraftstoffe EU 25 Die in den Schlussfolgerungen des Berichts aufgestellte Forderung nach einem Tempowechsel in der Politik erscheint im Segment der Biokraftstoffe besonders relevant. Nach den bisher vorliegenden Zahlen bezieht sie sich auf alle Mitgliedstaaten. Nach Auffassung der Kommission unterscheiden sich die bisher in den Mitgliedsstaaten erreichten Ergebnisse weniger nach Quelle: EurobservER, Baromètre des Biocarburants der Wahl der Instrumente, als vielmehr nach dem politischen Willen der jeweiligen Regierungen. Unterschiedliche Wirkungen der beiden Hauptförderinstrumente werden im Hinblick auf das Mengenziel nicht konstatiert. Vielmehr sieht die Kommission den, nach Mitgliedstaaten unterschiedlichen politischen Willen, als ausschlaggebend an. Im Hinblick auf eine Revision des Instrumentariums kündigt die Kommission im zitierten Papier u.a. eine Überprüfung der bisher geltenden Qualitätsanforderungen an Kraftstoffe an um so evtl. höhere Mischungsanteile als bisher zu ermöglichen. Weiter wird erwogen, die bisher den Regierungen zur Verfügung stehende Möglichkeit auszuweiten, die Unternehmen zur Platzierung einer bestimmten Menge am Markt zu verpflichten, d.h. einen Beimischungszwang zu allen verkauften Kraftstoffen 1 Richtlinie 2003/30/EG vom 8. Mai 2003 zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor (ABl. L 123 vom 17.5.2003) 3 einzuführen. In der Tat kommt in den Ländern mit den besten Ergebnissen ein recht unterschiedliches Instrumentarium zum Einsatz. Z.B. werden in Schweden und Österreich Steuererleichterungen mit Beimischungsverpflichtungen und zusätzlichen gezielten Programmen (z.B. in öffentlichen Verkehrsbetrieben) kombiniert. Auch die großen Unterschiede in den beiden bisher marktfähigen Produktlinien Biodiesel (führend: Deutschland) und Bioethanol/ETBE (führend Spanien, Frankreich) erklären sich eher aus den gewachsenen Strukturen in Landwirtschaft, Verarbeitung und Verteilernetz als aus der Wahl der Fördermaßnahmen. Allerdings bereitet deren Diversität insofern Sorge, als sie zunehmend zu Verzerrungen hinsichtlich der ökonomischen Rahmenbedingungen für einzelne Produkte führt und tendenziell die Konkurrenz und Handelbarkeit der Produkte innerhalb der EU erschwert. Deshalb gilt das Augenmerk der Kommission – neben der Erreichung der gesetzten Mengenziele – auch der mittelfristigen Vereinheitlichung der Instrumente. Hierbei werden, ergänzend zur Besteuerungsrichtlinie 2003/96/EG, deren Artikel 16 Steuererleichterungen für Biokraftstoffe erlaubt, insbesondere eine flächendeckende Beimischungsverpflichtung und vereinheitlichte Qualitätsnormen erwogen. Die Verkaufskosten für Kraftstoffe fossiler Herkunft bestehen überall in Europa zu mehr als der Hälfte aus Steuern. Gleichzeitig liegen die Herstellungskosten von Biokraftstoffen bislang noch über dem Doppelten der Gestehungskosten von herkömmlichem Benzin und / oder Diesel. Unabhängig davon, ob Biokraftstoffe als eigene Produktlinie auf den Markt gebracht werden, oder ob sie konventionellen Kraftstoffen beigemischt werden, bieten sich Steuerermäßigungen deshalb als einfachste Förder-Methode an. Sieben Mitgliedstaaten haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und Biokraftstoffe entweder ganz oder teilweise von der Steuer befreit: Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Schweden, Spanien und das Vereinigte Königreich. Biodiesel-Produktion 2003/2004 in to Quelle: EurobservER – Baromètre des biocarburants, 2005 4 Bioethanol- und ETBE-Produktion in to 2003 2004 Ethanol ETBE Ethanol ETBE Quelle: EurobservER – Baromètre des biocarburants, 2005 Als Nachteil der Steuerbegünstigungen ist zunächst die undifferenzierte, d.h. produktionskosten- unabhängige Bemessung zu nennen. Mit zunehmendem Investitionsvolumen entstehen rentabler wirtschaftende Betriebe. Deren Kosten werden evtl. überkompensiert, da der Grad der Steuerentlastung i.d.R. nach den Kostennachteilen der Betriebe aus der Gründergeneration bemessen ist, die es zu Beginn der Förderung in Produktion zu bringen galt. Die so entstehenden windfall – profits führen zu unnötig hohen Staatsausgaben. Zu welchem Teil der Steuerverzicht bei Biokraftstoffen (derzeit ca. 1 Mrd. € / jährlich) im Wege der Überkompensation zu ungerechtfertigten Profiten führt bzw. das Überleben nicht mehr wettbewerbsfähiger Betriebe sichert, ist nicht bezifferbar. Andererseits wirkt sich die zeitliche Beschränkung der Steuererleichterungen als Investitionshemmnis in der Planung größerer bzw. modernerer Anlagen aus, speziell dort, wo es um die Biokraftstoffe der zweiten Generation (z.Bsp. Fischer-Tropsch-Treibstoffe), aber auch um Bioethanol- Anlagen der ersten Generation geht. Die Besteuerungsrichtlinie 2003/96/EG erlaubt eine Steuerbefreiung für die Dauer von max. sechs Jahren. Diese Frist wird nur in Frankreich ausgeschöpft. In Deutschland ist die Steuerbefreiung seit 2004 und somit für die Dauer von fünf Jahren in Kraft. Tendenziell resultiert daraus eine unangemessene Bevorzugung älterer bzw. unaufwändigerer Produktlinien wie etwa Biodiesel. Die für ausschließlichen Betrieb mit Biodiesel geeigneten Motoren verschwinden nach und nach vom Markt. Für moderne Motoren mit höherer Effizienz erteilen die Hersteller seit 2005 keine Zulassungen mehr, so dass nur noch eigens nachgerüstete Motoren mit reinem Biodiesel betrieben werden können. 5 Angesichts des geringen Preisvorteils gegenüber konventionellem Diesel verbleiben dem Biodiesel somit zusätzliche Absatzchancen im Straßenverkehr nur mehr über die Beimischung, die in Deutschland durch eine Novellierung des Mineralölsteuergesetzes seit dem 1. Januar 2004 erlaubt ist. In Anbetracht der hohen Mineralölssteuer auf fossile Kraftstoffe und der Steuerfreiheit des Beimischungsanteils machen die Mineralölkonzerne von der lt. technischer Norm bis zur Grenze von 5% erlaubten Möglichkeit der Beimischung auch regen Gebrauch. Hieraus erklärt sich das in Deutschland erzielte Absatzwachstum von 44 % zwischen 2003 und 2004. Hingegen ist der Biodiesel-Absatz in Frankreich zurückgegangen, nachdem dort die fossilen Kraftstoffe seit 2004 niedriger besteuert werden. Aus diesem Zusammenhang wird deutlich, dass eine verpflichtende Beimischungsquote – wie in Frankreich praktiziert – nur dann zu höherem Absatz führt, wenn sie in einer Höhe festgesetzt wird, die höhere Kosten für die Verbraucher bzw. eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Transport-Branchen in Kauf nimmt. Da eventuelle windfall-profits bei der Vermarktung über die Mineralölkonzerne nicht mehr in den im Biodieselsegment dominierenden landwirtschaftsnahen Wertschöpfungsketten anfallen, hat der Widerstand der berufsständischen Organisationen gegen eine „angemessene“ Besteuerung des Beimischungsanteils inzwischen nachgelassen. Im Falle des Bio-Diesels kommt einschränkend hinzu, dass aus Qualitätsgründen ein Mischungsanteil über 5 % bis auf weiteres nicht in Betracht kommt, womit im Dieselsegment das Ziel von 5,75% auf längere Sicht nicht erreichbar sein wird. Anders stellt sich die Situation bei Bio-Ethanol, speziell bei dem aus Ethanol zu gewinnenden Ethyltertiärbutylether (ETBE) dar. Während die Beimischung von Ethanol zu Anteilen über 5% technische Probleme bereitet, ist ETBE relativ leicht und kostengünstig aus Bioethanol und Isobuten (Nebenprodukt der Erdölraffinerien) zu gewinnen. Die Beimischung zu herkömmlichen Ottokraftstoffen gestaltet sich unproblematisch und die Automobilindustrie zeigt sich gegenüber Quoten zwischen 10 und 15 % offen. Ein Beimischungszwang in dieser Größenordnung wäre also geeignet, das Zahlenziel für 2010 zu erreichen. Allerdings dürfte der Rohstoffbedarf in Deutschland für die Anlaufperiode nur schwer zu decken sein bzw. Importe nach schwedischem Beispiel notwendig machen. Mit weitem Abstand führend in der Produktion und der Beimischung sind innerhalb Europas Frankreich und Spanien, wo größere Anlagen seit mehreren Jahren in Betrieb sind. In Deutschland wurden 6 0 10 20 30 40 50 60 70 Au st ra lia (C an e) Br az il (C an e) Th ai la nd (C as sa va ) C hi na (C or n) U SA (C or n) EU (W he at sm al l) EU (W he at la rg e) Country (Feedstock) C os ts [E U R /h l] Gross production costs Net production costs Investitionen erst in jüngster Zeit getätigt, nachdem die Änderung der Zuckermarktordnung dies als Ausgleich für die reduzierten Exportchancen der europäischen Zuckerüberschüsse und die zurückgeführten Zuckerpreise dies nahe legten. Die steuerliche Vorzugsbehandlung gestaltet sich bei ETBE aufgrund des Herstellungswegs schwieriger als etwa beim Biodiesel. Auch liegt – anders als beim Biodiesel - der größte Teil der Wertschöpfungskette außerhalb der Landwirtschaft. Diese erhält immerhin im Wege der Direktzahlungen einen Ausgleich für die entstandenen Preisstrukturen Benzin /Ethanol Einkommenseinbussen. Schließlich fallen bei der vollständigen Steuerbefreiung erhebliche windfall -profits auf Seite der Mineralölgesellschaften an. Somit spricht vieles dafür, die angestrebten Produktionsmengen über Beimischungsquoten am Markt zu platzieren und das zugesetzte Ethanol angemessen zu besteuern. Andererseits dürfte der Kapazitätsausbau ohne die längerfristige Gewährung steuerlicher Vorzüge nur zögerlich von statten gehen, zumal vor allem im Vergleich zu den Hauptkonkurrenten Brasilien und USA enorme Wettbewerbsnachteile zu konstatieren sind. Die Produktionskosten-Differenz von ca. 40 €/hl zwischen brasilianischem und europäischem Ethanol wird durch Frachtkosten Produktionskosten–Vergleich Ethanol(€/hl) und einen Zollsatz von 20 € /hl annähernd kompensiert. Allerdings drängt Brasilien mit guter Erfolgsaussicht bei der WTO auf niedrigere Zölle. Die EU hat inzwischen eine Quote zu halbiertem Zollsatz in Aussicht gestellt. Die Vertreter der Agrarwirtschaft befürchten deshalb, dass der vom BMF erwogene Steuersatz von ca. 10 € / hl dazu führen könnte, dass die Mineralölgesellschaften ihren Bedarf annähernd vollständig durch Einkäufe aus Brasilien und den USA decken könnten. Verschiedentlich wird 7 gefordert, Ethanol –wie vorher schon Zucker – bei der WTO als „sensibles Produkt“ zu deklarieren, bis eine international wettbewerbsfähige Ethanolwirtschaft in Deutschland etabliert ist. Der von Seiten der Umweltverbände geforderte E 85 Kraftstoff2 der in Brasilien und den USA seit langem im Straßenverkehr eingesetzt wird, hätte bei einer Besteuerung des Ethanol-Anteils wohl keinerlei Chance, sich auf dem hiesigen Markt durchzusetzen. Wie auch beim Biodiesel liegt bei diesem Kraftstoff der größere Teil der Wertschöpfung in der Agrarwirtschaft und im landwirtschaftsnahen Bereich. Da er eigene Zapfsäulen benötigt, eignet er sich auch zur Vermarktung über kleine und mittelständische Strukturen, u.a. auch genossenschaftlich getragene Vertriebskanäle. Mischungen wie E 5 oder E10 würden hingegen wohl ausschließlich von den großen Mineralölkonzernen vertrieben. Der Debatte über Steuerpräferenzen und Beimischungsquoten liegt deshalb nicht zuletzt auch ein Streit über die Verteilung von Umsätzen und Gewinnen zugrunde. Die EU-Kommission sieht nach Abwägung der Ziele und der bisherigen Erfahrungen ihre, schon vor Entstehung der Biokraftstoff-Richtlinie geäußerte, Präferenz zugunsten Importpreise für Ethanol aus Brasilien von Beimischungsquoten erneut bestätigt: Zum einen sieht sie in einem europaweit festgelegten Beimischungszwang die Chance, mit Hilfe der „fortschrittlichen “ Mitgliedstaaten die Entwicklung auch in den Ländern voranzutreiben, die es bisher an politischem Willen zugunsten der Biokraftstoffe fehlen ließen. Zum anderen möchte sie die Verantwortung für die Reduzierung von Ölimporten in die Mineralölwirtschaft und die Automobilindustrie verlagern, da die bisherige Abhängigkeit in diesen Branchen am stärksten manifest wird. Schließlich sieht sie in dieser Verlagerung auch die Chance, Wettbewerb und Effizienzdruck innerhalb des Biokraftstoffsektors herzustellen. Insgesamt vertraut die Kommission offenbar eher den Kräften des Marktes als komplexen Steuerregimes, 2 Mischungsanteile 85 % Ethanol, 15% fossile Kraftstoffe 8 Fristensetzungen und Ausnahmeregelungen.3 Vieles spricht dafür, dass - ähnlich wie im Fall der Einspeisevergütungen oder Quotenregelungen in der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energieträgern – ein Produktionskosten für Bioethanol in Deutschland abgestufter Kompromiss zu finden sein wird. Die in Deutschland erzielten, vergleichsweise hohen Zuwachsraten bei EE-Strom erklären sich vor allem aus der hohen Anfangsförderung, bei der für einen bestimmten Zeitraum auch Überkom- Quelle: Zeddies /Enfa 2005 pensationen in Kauf genommen wurden. Die in anderen Ländern bevorzugten Quotenregelungen konnten ihre Vorzüge hingegen nur entfalten, wenn die neuen Produktionslinien nicht zu früh den Kräften des Marktes ausgesetzt wurden.4 Ein für alle Mitgliedstaaten und Biokraftstoffe optimaler Zeitpunkt für die Überleitung von steuerlicher Förderung zu Beimischungsverpflichtung wird von der Sache her nicht zu finden sein. Die Situation in Deutschland, wo Biodiesel bereits eine lange Tradition besitzt, unterscheidet sich erheblich von der Spaniens und Frankreichs, wo bereits seit vielen Jahren auf Ethanol gesetzt wurde. Und die Biokraftstoffe der kommenden Generationen, welche jegliche Art von Biomasse energetisch umzusetzen vermögen, müssen noch für einige Jahre im Bereich von Forschung und Entwicklung gefördert werden, bevor auch bei ihnen die Frage nach Subventionierung oder Beimischung relevant wird. Berlin, 7. Februar 2006 3vgl. hierzu: Aktionsplan Biomasse, Mitteilung der Kommission KOM(2005) 628 endgültig vom 7.12.2005 4 s. u.a.: : Wirksamkeit von Festpreis- und Quoten- / Zertifikatsmodellen bei der Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern, Ausarbeitung -WF V G, Juli 2005