© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 021/21 App-basiertes Angebot von Mietwagenverkehr Gesetzentwurf zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/21 Seite 2 App-basiertes Angebot von privatem Mietwagenverkehr Gesetzentwurf zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 021/21 Abschluss der Arbeit: 24. Februar 2021 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Fragestellung 4 2. Rechtliche Würdigung 5 2.1. Genehmigungspflicht 5 2.2. Genehmigungsfähigkeit 5 2.2.1. Anwendung von § 49 PBefG (Mietwagenverkehr) 5 2.2.2. Rückkehrverpflichtung 6 3. Ergebnis 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/21 Seite 4 1. Einleitung und Fragestellung In Ergänzung zur Ausarbeitung von WD 5 (WD 5 – 3000 – 017/21) zur Regulierung von Car-Pooling -Angeboten nach dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD für ein Gesetz zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts (Bundestags-Drs. 19/26175 vom 26. Januar 20211, im Folgenden PBefG-E) wird nachfolgend auf die geplante Regulierung von Geschäftsmodellen von Mobilitätsanbietern eingegangen, bei denen Kunden einen durch Mietwagen einschließlich Fahrer erbrachten entgeltlichen Fahrdienst mittels einer Software-Applikation (App) bestellen können. Bei Car-Pooling-Angeboten werden die Passagierströme dadurch gebündelt , dass mehrerer Personen ein Fahrzeug gleichzeitig nutzen können (Pooling). Beim Mietwagenverkehr hingegen kommt aufgrund des Pooling-Verbots in § 49 Abs. 1 S. 1 Personenbeförderungsgesetz (PBefG)2 nur eine sequentielle Nutzung in Betracht.3 Die Fahrgäste treten die Fahrt nacheinander an. In dieser Ausarbeitung soll geklärt werden, ob diese App-basierte (sequentielle) Mobilitätsform mangels hinreichend konkreter Genehmigungsvoraussetzungen nach dem PBefG- E unzulässig wäre. Die Frage wurde auch im Bundesrat im Zuge der Befassung mit dem Gesetzentwurf aufgeworfen. In den Empfehlungen des mitberatenden Umweltausschusses in der Bundesrats -Drs. 28/1/21 vom 29. Januar 2021 steht dazu: „Ein wesentlicher rechtlicher Auslöser der vorliegenden Novellierung des PBefG ist die auch in der Begründung des Regierungsentwurfs [zu Nummer 1 Buchstabe b) (Absatz 1a)] festgestellte Konsequenz, dass App-gestützte Vermittlungen von Mietwagen den Vermittlungsdienst zu einem Unternehmer im Sinne des PBefG machen. Der Vermittlungsdienst bedarf daher einer Genehmigung nach PBefG. Eine solche regelt der Gesetzentwurf aber nicht. Wegen der Unzulässigkeit nicht explizit genannter Verkehrsformen nach § 46 Absatz 2 ergibt sich somit keine geregelte Genehmigungsmöglichkeit aber auch kein explizit begründetes Verbot. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt in einer solchen Konstellation (vergleiche BVerfG Beschluss vom 7. April 1964, 1 BvL 12/63), dass Ausgestaltung, Voraussetzungen und Bedingungen einer neu eingeführten Verkehrsform im Gesetz explizit geregelt werden, wenn der Gesetzgeber nicht dezidiert das Verbot dieser Verkehrsform bezweckt. Dieser Vorgabe entspricht der Gesetzentwurf bisher nicht.“4 In der Beschlussdrucksache des Bundesrates ist dieser Aspekt nicht aufgegriffen worden. 5 1 Bundestags-Drs. 19/26175 vom 26. Januar 2021, http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/261/1926175.pdf. 2 https://www.gesetze-im-internet.de/pbefg/PBefG.pdf. 3 Vgl. zu den unterschiedlichen Nutzungsformen auch WD 5 – 3000 – 017/21, Abschnitt 2 („Überblick über Transportangebote im Hinblick auf Plattformnutzungen“). 4 Bundesrats-Drs. 28/1/21 vom 29. Januar 2021 (Empfehlungen der Ausschüsse), S. 23 (Begründung zu Buchstabe a.), https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2021/0001-0100/28-1-21.pdf?__blob=publication- File&v=1. 5 Beschlussdrucksache (Bundesrats-Drs. 28/21 vom 12. Februar 2021), https://www.bundesrat.de/Shared- Docs/drucksachen/2021/0001-0100/28-21(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/21 Seite 5 2. Rechtliche Würdigung 2.1. Genehmigungspflicht Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung stellt § 1 Abs. 1a PBefG-E klar, dass eine Beförderung auch vorliegt, „wenn die Vermittlung und Durchführung der Beförderung organisatorisch und vertraglich verantwortlich kontrolliert wird.“ So hatte beispielsweise das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bereits 2015 unterschieden zwischen der bloßen Vermittlung von Beförderungsmöglichkeiten , die von selbständig agierenden Beförderungsunternehmen durchgeführt werden und dem Betrieb im eigenen Namen und Auftreten als Vertragspartner im Außenverhältnis zu den Fahrgästen.6 Das OVG ordnete die App UberPOP der zweiten Kategorie („Beförderer “) zu und stützte sich dabei auf die allein verantwortliche Organisation und Kontrolle der Kunden-Werbung, der Kunden-Registrierung, der Vermittlung und Durchführung der Beförderung bis hin zu deren Bezahlung.7 Solche Plattformbetreiber unterliegen damit sowohl nach derzeitiger als auch nach der (klarstellenden) geplanten Rechtslage nach § 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 PBefG einer Genehmigungspflicht.8 2.2. Genehmigungsfähigkeit 2.2.1. Anwendung von § 49 PBefG (Mietwagenverkehr) Die Frage, nach welchen Vorschriften die Genehmigungsfähigkeit von solchen App-basierten Diensten, die als Beförderer anzusehen sind, zu beurteilen ist, richtet sich nach der einschlägigen Verkehrsart. Der Vermittlungsdienst bzw. die Plattform an sich stellt keine eigene Verkehrsart dar.9 Auch nach dem geänderten PBefG findet auf das App-basierte Angebot von im eigenen Namen des App-Betreibers durchgeführte Fahrten mit Mietwagen und im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung (OVG Berlin-Brandenburg) § 49 PBefG Anwendung.10 § 49 PBefG-E ergänzt den bisherigen § 49 Abs. 4 Satz 1 insofern wie folgt: 6 OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. April 2015 - OVG 1 S 96.14, Rn. 31 (zitiert nach openjur), https://openjur.de/u/769090.html 7 OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O. (Fn. 6), Rn. 35 (zitiert nach openjur). 8 Vgl. auch Linke/Jürschik, Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV) 2018, 496 (498). 9 Anders jedoch im Ergebnis Bundesrat-Drs. 28/1/21 vom 29. Januar 2021 (Empfehlungen der Ausschüsse), S. 23 (Begründung zu Buchstabe a.), https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2021/0001-0100/28-1- 21.pdf?__blob=publicationFile&v=1. 10 OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O. (Fn. 6), Rn. 42ff. (zitiert nach openjur). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/21 Seite 6 „Verkehr mit Mietwagen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt , deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen nach § 47 und nicht gebündelter Bedarfsverkehr nach § 50 sind.“11 Damit wird der App-basierte Mietwagenverkehr gegenüber den Car-Pooling-Diensten abgegrenzt. 2.2.2. Rückkehrverpflichtung Nach § 49 Abs. 4 S. 2 PBefG dürfen nur Aufträge durchgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Nach § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG hat der Mietwagen nach Ausführung des Beförderungsauftrags unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren , es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten. Eine automatische elektronische Weiterleitung des Auftrags über eine Handy-App an in Betracht kommende Fahrer reicht nicht, damit die Ausnahme von der Rückkehrpflicht greift und die Fahrt nicht mehr „auftragslos“ ist. Dementsprechend hatte das Oberverwaltungsgericht die Genehmigungsfähigkeit des Geschäftsmodells von Uber POP mit automatisierter Weiterleitung verneint.12 Nach der geplanten Rechtslage bestünde für die in Rede stehenden Geschäftsmodelle jedoch eine größere Flexibilität. Das Erfordernis, dass der Auftrag nur „fernmündlich“ weitergeleitet werden kann, würde gestrichen. So lautet § 49 Abs. 4 S. 3 in der Fassung des PBefG-E wie folgt: „Nach Ausführung des Beförderungsauftrags hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten .“13 Laut Gesetzesbegründung sei es für die Ausführung des Gesetzes belanglos, ob der Auftrag fernmündlich (telefonisch) oder elektronisch beim Mietwagen eingehe.14 Des Weiteren sieht § 49 Abs. 4 S. 4 PBefG-E eine elektronische Erfassung von Aufträgen vor: „Den Eingang des Beförderungsauftrages am Betriebssitz oder in der Wohnung hat der Mietwagenunternehmer buchmäßig oder elektronisch (auch mittel App-basierten Systems) zu erfassen und die Aufzeichnung ein Jahr aufzubewahren.“15 11 Die kursive Einfügung zeigt die vorgesehene Ergänzung durch den PBefG-E. 12 OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O. (Fn. 6), Rn. 47, 50 (zitiert nach openjur). 13 Vorgesehene Änderung durch den PBefG-E kursiv gesetzt. 14 Bundestags-Dars. 19/26175, a. a. O. (Fn. 1), S. 46. 15 Vorgesehene Einfügung durch den PBefG-E kursiv gesetzt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/21 Seite 7 Auch App-basierte Auftragseingänge würden ermöglicht. Der Auftrag muss dann auf dem Server am Betriebssitz des Unternehmens eingegangen sein und vom System gespeichert werden.16 Aufgrund dieser Neuerung erscheinen Geschäftsmodelle denkbar, bei denen eine automatische Weiterleitung des am Betriebssitz elektronisch eingegangenen Beförderungsauftrags an den Fahrer erfolgt.17 3. Ergebnis Nach hiesigem Verständnis sind die Voraussetzungen einer Genehmigung des Angebots von App-basiertem Mietwagenverkehr auch nach den geplanten Änderungen im PBefG-E dem Grunde nach geregelt. Eine Regelungslücke dürfte daher nicht vorliegen. *** 16 Vgl. Gesetzesbegründung in Bundestags-Drs. 19/26175, a. a. O. (Fn. 1), S. 46. 17 Implizit Koschmieder/Uwer, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2021, 15 (18) (aus Beck Online).