© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 021/17 Importtoleranzen für Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln nach Auslaufen der Pflanzenschutzmittelzulassung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/17 Seite 2 Importtoleranzen für Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln nach Auslaufen der Pflanzenschutzmittelzulassung Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 021/17 Abschluss der Arbeit: 28. April 2017 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr; Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einleitung 4 3. Rechtliche Regelungen zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und zur Genehmigung von Wirkstoffen 5 4. Rechtliche Regelungen zum Rückstandshöchstgehalt und zur Einfuhrtoleranz 7 4.1. Einfuhrtoleranz 8 4.2. Rückstandshöchstgehalt für Wirkstoffe und Pestizidrückstände 8 5. Zuständigkeiten bei der Zulassung von Pflanzenschutzmittel, der Genehmigung von Wirkstoffen und der Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten 10 6. Verfahren zur Bewertung von Wirkstoffen in Pestiziden 10 7. Beispiel Atrazin: Widerruf der Zulassung für Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff und Importtoleranz 12 8. Antwort des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft 14 9. Fazit 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/17 Seite 4 1. Fragestellung Gefragt wurde nach den Auswirkungen im Falle der Nicht-Wiedergenehmigung eines in der EU vorher bereits zugelassenen Pestizids in der Folge des Auslaufens der Genehmigung auf die zulässigen Rückstandshöchstgehalte des entsprechenden Pestizids bei importierten Lebens- und Futtermitteln (Importtoleranzen). 2. Einleitung Außerhalb der Europäischen Union (EU) können aufgrund unterschiedlicher klimatischer Verhältnisse und Pflanzen, anderer Pflanzenkrankheiten oder anderer Pflanzenschädlinge Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, deren Wirkstoffe in der EU nicht oder nicht mehr genehmigt sind oder deren Rückstandshöchstgehalte von denen in der EU abweichen.1 Mit Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates2 wurden in der gesamten EU die Rückstandshöchstgehalte von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen harmonisiert . Die Bundesregierung erläuterte im Mai 2016, vor dem Export eines mit Pflanzenschutzmittelrückständen belasteten Erzeugnisses in die EU sei vom Lebensmittelunternehmer im Drittstaat zu prüfen, ob der geltende EU-Rückstandshöchstgehalt ausreiche. Falls dieser nicht in der entsprechenden Höhe festgesetzt sei, könne ein Antrag auf Festsetzung einer Importtoleranz gestellt werden. Importtoleranzen in Form von neuen Höchstgehaltsfestsetzungen für die beantragten Wirkstoff-Lebensmittel-Kombinationen würden in der EU nur dann erlassen, wenn Rückstände in der beantragten Höhe aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand keine Gefährdung darstellt.3 Am 14. Dezember 2011 konstatierte der Parlamentarische Staatssekretär des damaligen Bundeslandwirtschaftsministeriums , das Verfahren zur Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten sei formal unabhängig vom 1 Siehe hierzu auch Erwägungsgrund 26 der Verordnung (EG) Nr. 396/2005: „Bei außerhalb der Gemeinschaft erzeugten Lebens- und Futtermitteln können hinsichtlich der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln legal andere landwirtschaftliche Praktiken angewandt werden, was dazu führt, dass andere Pestizidrückstände auftreten können als diejenigen, die durch vorschriftgemäße Verwendungen in der Gemeinschaft verursacht werden. Es ist daher zweckmäßig, dass für eingeführte Erzeugnisse Rückstandshöchstgehalte festgesetzt werden, die diesen Verwendungen und den daraus resultierenden Rückständen Rechnung tragen, vorausgesetzt, dass die Sicherheit der Erzeugnisse anhand derselben Kriterien nachgewiesen werden kann, die für einheimische Erzeugnisse gelten.“ (ABl. L 70 vom 16.3.2005, S. 1). Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Auswirkungen von TTIP auf Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland und der Europäischen Union. BT-Drs. 18/8363 vom 09.05.2016. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/083/1808363.pdf; Siehe auch http://onlinelibrary .wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2017.4791/epdf sowie European Crop Protection. Pesticide use and food safety. http://www.ecpa.eu/sites/default/files/ECPA_ResiduesLeafletUK_Web_01.pdf 2 ABl. L 70 vom 16.3.2005, S. 1, in der in der EU jeweils verbindlichen Fassung. http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32005R0396&from=de 3 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Auswirkungen von TTIP auf Land- und Lebensmittelwirtschaft in Deutschland und der Europäischen Union. BT-Drs. 18/8363 vom 09.05.2016. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/083/1808363.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/17 Seite 5 Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel. Die Höchstgehalte für Pflanzenschutzmittelrückstände in Lebensmitteln und Futtermitteln würden nach der Verordnung (EG) Nr. 396/ 2005 beantragt und von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auf die gesundheitliche Unbedenklichkeit überprüft und EU-weit festgesetzt. Falls ein Pflanzenschutzmittelwirkstoff in der EU nicht zugelassen sei, könnten sogenannte Einfuhr- oder Importtoleranzen EU-weit festgelegt werden. Diese würden den Rückstandshöchstgehalten entsprechen, bezögen sich aber auf Lebensmittel, die in die EU eingeführt werden.4 Nachfolgend werden zunächst die rechtlichen Regelungen zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln , zur Genehmigung von Wirkstoffen in Pflanzenschutzmitteln und zu Importtoleranzen kurz vorgestellt, danach werden die Zuständigkeiten aufgezeigt. Des Weiteren wird am Beispiel des in der EU für Pflanzenschutzmittel nicht mehr zugelassenen Wirkstoffs Atrazin die Festsetzung der Importtoleranz beschrieben. 3. Rechtliche Regelungen zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und zur Genehmigung von Wirkstoffen Die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels (PSM) erfolgt auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates.5 National ergänzt das Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz )6 die VO (EG) Nr. 1107/2009. Die Zulassung eines PSM erfolgt durch die Mitgliedstaaten, Erwägungsgrund 23 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Die Zulassung stellt gemäß Art. 3 Ziffer 10 der VO (EG) Nr. 1107/2009 einen Verwaltungsakt dar, „mit dem die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels auf dessen Gebiet zulässt“7. Zudem wird ausgeführt, dass die von einem Mitgliedstaat erteilte Zulassung von anderen Mitgliedstaaten akzeptiert werden solle, so- 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs beim damaligen BMELV, Peter Bleser. PlPr. 17/148, S. 17680. 14. Dezember 2011. http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/17/17148.pdf 5 ABl. L 309, 24.11.2009. http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R1107&from=de „Die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 wurde zu einem Zeitpunkt eingeführt, als die Genehmigung der Wirkstoffe noch unter der Richtlinie 91/414/EWG erfolgte. Mit der Veröffentlichung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 wurde klargestellt, dass Verweise auf die Richtlinie 91/414/EWG als Verweise auf die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gelten.“ http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/07_Rueckstaende Hoechstgehalte/03_ListenRechtsgrundlagen/erlaeuterungen_RHG-Rechtsgrundlagen_basepage.html 6 BGBl I 2012, 148 (1281); zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 84 des Gesetzes vom 18.7.2016 I 1666. 7 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R1107&from=de Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/17 Seite 6 fern die landwirtschaftlichen, pflanzengesundheitlichen und ökologischen Bedingungen (einschließlich der klimatischen Bedingungen) vergleichbar seien, Erwägungsgrund 29 der VO (EG) Nr. 1107/2009.8 Auch die Anforderungen und Bedingungen für die Genehmigung eines PSM-Wirkstoffs werden durch die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bestimmt. In der Regel enthalten PSM mindestens einen Wirkstoff („active substance“). Für die Genehmigung des Wirkstoffs ist die EFSA zuständig, siehe hierzu auch den nachfolgenden Ausschnitt aus einer Darstellung des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU), der die Zuständigkeiten für PSM veranschaulicht: Quelle: SRU (2016).9 Für die Zulassung eines PSM müssen gemäß Art. 29 Abs. 1 lit. a) der VO (EG) Nr. 1107/2009 die im PSM enthaltenen Wirkstoffe genehmigt sein. Art. 4 VO (EG) Nr. 1107/2009 regelt die Genehmigungskriterien für die Wirkstoffe. Zudem ist die Zulassung eines PSM „nur möglich, wenn angemessene Rückstandshöchstgehalte festgesetzt sind.“10 Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) konstatiert, grundsätzlich gelte, dass ein Antrag auf Zulassung 8 Im Anhang I der VO (EG) Nr. 1107/2009 findet sich die Verteilung der einzelnen EU-Staaten auf die drei Zonen: Norden, Mitte, Süden. In der EU gibt es das System der Zulassungszonen, die drei Zonen Norden, Mitte und Süden, um ein harmonisiertes und effizientes System zu ermöglichen. Die Mitgliedstaaten beurteilen die Bewerbungen um die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels („Plant Protection Products“) im Namen anderer Länder in ihrer Zone und manchmal auch im Namen aller Zonen. Grundlage hierfür ist die Verordnung (EU) 1107/2009, sie legt die Anforderungen , Verfahren und Zeitrahmen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln fest. (Vgl. https://ec.europa .eu/food/plant/pesticides/authorisation_of_ppp/application_procedure_en). 9 BT-Drs. 18/8500. S. 235. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/085/1808500.pdf 10 BT-Drs. 18/7227. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/072/1807227.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/17 Seite 7 gleichzeitig zum entsprechenden Rückstandshöchstgehalt beantragt werden müsse, Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 396/2005. Ohne einen festgesetzten Höchstgehalt für Lebensmittel und/oder Futtermittel dürften PSM nicht in Verkehr gebracht werden, Art. 18 Abs. 1 VO (EG) Nr. 396/2005. Alle Kombinationen von Wirkstoff und Erzeugnis ohne eine bestehende Zulassung von Pflanzenschutzmitteln , die nicht in den Anhängen I, III und V bzw. deren Wirkstoffe nicht im Anhang IV aufgeführt seien, seien a priori mit einem Wert von 0,01 mg/kg geregelt, Art. 18 Abs. 1 lit. b) VO (EG) Nr. 396/2005. In Fällen von „Gefahr im Verzug“ nach Art. 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und 2000/29/EG seien Abweichungen vom bestehenden Rückstandshöchstgehalt (einschließlich des Wertes von 0,01 mg/kg) möglich, Artikel 18 Abs. 4 VO (EG) Nr. 396/2005.11 4. Rechtliche Regelungen zum Rückstandshöchstgehalt und zur Einfuhrtoleranz Für die Festlegung von Rückstandshöchstgehalten bzw. von Einfuhrtoleranzen bei Pestiziden12 ist die bereits erwähnte Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates13 einschlägig. Sie legt „im Interesse des freien Warenverkehrs, gleicher 11 http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/07_RueckstaendeHoechstgehalte/03_Listen- Rechtsgrundlagen/erlaeuterungen_RHG-Rechtsgrundlagen_basepage.html 12 Hier bedeutet „Pestizid“ PMS und entspricht der allgemeinen Verwendung als Synonym für „Pflanzenschutzmittel “. „Pestizid“ ist aber auch der weitere Begriff, der ebenso Produkte wie Biozide und Produkte aus der Veterinärmedizin umfasst. Biozide werden häufig nicht für den Pflanzenschutz verwendet, sondern in der Regel eher zur Bekämpfung von Schädlingen und Krankheitsüberträgern, wie Insekten, Ratten oder Mäusen. Biozide fallen somit nicht in den direkten Zuständigkeitsbereich der EFSA. (Vgl. https://www.efsa.europa.eu/en/topics /topic/pesticides). Die Zulassung von Bioziden erfolgt gemäß der Verordnung (EU) 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten. (ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1–123). Wirkstoffe in Bioziden fallen in den Zuständigkeitsbereich des Ausschusses für Biozidprodukte der ECHA [European Chemicals Agency]. (https://echa.europa .eu/de/regulations/biocidal-products-regulation/approval-of-active-substances). Für so genannte „Dual use“-Substanzen, die auch im Pflanzenschutz verwendet werden, „existieren zum Teil bereits“ Regelungen zu Rückstandshöchstgehalten. Biozidprodukte kommen häufig erst mit verarbeiteten Lebensmitteln in Kontakt, „wenn sie beispielsweise als Desinfektionsmittel im Herstellungsprozess der Lebensmittel eingesetzt werden“. (http://www.bfr.bund.de/cm/343/experten-diskutieren-wege-zur-festsetzung-von-rueckstandshoechstgehaltenbei -bioziden.pdf). Nach Angaben der EFSA findet allerdings seit einigen Jahren eine enge agenturübergreifende wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen ECHA und EFSA statt. (https://www.efsa.europa.eu/sites /default/files/InteragencyScientificCooperationAnnualReport2015.pdf). 13 ABl. L 70 vom 16.3.2005, S. 1, in der in der EU jeweils verbindlichen Fassung. http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32005R0396&from=de; letzte konsolidierte Fassung vom 19. Januar 2017 mit Anhängen (2817 Seiten). http://publications.europa.eu/resource/cellar/48e94fc3-e581-43f8-8df1- 6bdf7f97d9b2.0012.01/DOC_1 „Mit dem vollständigen Inkrafttreten der EG-Verordnung sind die Rückstandshöchstgehalte der deutschen Rückstands-Höchstmengenverordnung (RHMV) nicht mehr gültig. Die RHMV ist allerdings nicht völlig hinfällig geworden. Sie hat weiterhin Gültigkeit für einige sonstige Stoffe (z. B. Safener und Synergisten) und einige Erzeugnisse (Fische, Fischereierzeugnisse, Schalentiere, Muscheln und sonstige von Meeres- oder Süßwasserfischen gewonnene Erzeugnisse).“ http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben /07_RueckstaendeHoechstgehalte/03_ListenRechtsgrundlagen/psm_Regelungen_zu_Hoechstmengen _node.html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/17 Seite 8 Wettbewerbsbedingungen für alle Mitgliedstaaten und eines hohen Verbraucherschutzniveaus“14 harmonisierte Gemeinschaftsvorschriften für Rückstandshöchstgehalte in Erzeugnissen pflanzlichen und tierischen Ursprungs unter Berücksichtigung der guten Agrarpraxis fest, Art. 1 VO (EG) Nr. 396/2005. 4.1. Einfuhrtoleranz Gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. g) VO (EG) Nr. 396/2005 bezeichnet Einfuhrtoleranz „einen für eingeführte Erzeugnisse festgelegten Rückstandshöchstgehalt, um den Erfordernissen des internationalen Handels gerecht zu werden, wenn die Verwendung dieses Wirkstoffs in einem Pflanzenschutzmittel an einem bestimmten Erzeugnis in der Gemeinschaft aus anderen Gründen als dem Schutz der öffentlichen Gesundheit für das spezifische Erzeugnis und die spezifische Verwendung nicht zugelassen ist oder ein anderer Wert zweckmäßig ist, weil der geltende gemeinschaftliche Rückstandshöchstgehalt aus anderen Gründen als dem Schutz der öffentlichen Gesundheit für das spezifische Erzeugnis und die spezifische Verwendung festgelegt wurde“.15 Gemäß Art. 6 Abs. 4 VO (EG) Nr. 396/2005 werden Anträge auf Einfuhrtoleranzen von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten entgegengenommen. Artikel 7 der VO (EG) Nr. 396/2005 regelt die weiteren Modalitäten der Antragstellung. 4.2. Rückstandshöchstgehalt für Wirkstoffe und Pestizidrückstände Art. 3 Abs. 2 lit. d) VO (EG) Nr. 396/2005 definiert Rückstandshöchstgehalt (RHG) als „die höchste zulässige Menge eines Pestizidrückstands in oder auf Lebens- oder Futtermitteln, die gemäß dieser Verordnung auf der Grundlage der guten Agrarpraxis und der geringsten Exposition der Verbraucher, die zum Schutz gefährdeter Verbraucher notwendig ist, festgesetzt wird“16. Gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. c) VO (EG) Nr. 396/2005 sind Pestizidrückstände „Rückstände, auch von derzeit oder früher in Pflanzenschutzmitteln im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie 91/414/EWG verwendeten Wirkstoffen und ihren Stoffwechsel- und/oder Abbau- bzw. Reaktions- 14 Erwägungsgrund 2, VO (EG) Nr. 396/2005. 15 ABl. L 70 vom 16.3.2005, S. 1, in der in der EU jeweils verbindlichen Fassung. http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32005R0396&from=de; letzte konsolidierte Fassung vom 19. Januar 2017 mit Anhängen (2817 Seiten). http://publications.europa.eu/resource/cellar/48e94fc3-e581-43f8-8df1- 6bdf7f97d9b2.0012.01/DOC_1 Hervorhebung durch Verfasser des Sachstands. 16 ABl. L 70 vom 16.3.2005, S. 1, in der in der EU jeweils verbindlichen Fassung. http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32005R0396&from=de; letzte konsolidierte Fassung vom 19. Januar 2017 mit Anhängen (2817 Seiten). http://publications.europa.eu/resource/cellar/48e94fc3-e581-43f8-8df1- 6bdf7f97d9b2.0012.01/DOC_1 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/17 Seite 9 produkten, die in oder auf den unter Anhang I dieser Verordnung fallenden Erzeugnissen vorhanden sind, darunter auch insbesondere die Rückstände, die von der Verwendung im Pflanzenschutz , in der Veterinärmedizin und als Biozidprodukt herrühren können“.17 Erwägungsgrund (22) der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 führt zu RHG Folgendes aus: „Rückstandshöchstgehalte für Pestizide sollten kontinuierlich überwacht und angepasst werden , um neuen Erkenntnissen und Daten Rechnung zu tragen. Rückstandshöchstgehalte sollten an der unteren analytischen Bestimmungsgrenze festgesetzt werden, wenn sich bei zulässiger Verwendung von Pflanzenschutzmitteln keine Pestizidrückstände in nachweisbaren Mengen feststellen lassen. Sind Pestizidverwendungen auf Gemeinschaftsebene nicht zugelassen , so sollten die Rückstandshöchstgehalte auf einem angemessen niedrigen Niveau festgesetzt werden, um den Verbraucher vor der Aufnahme unzulässiger oder zu hoher Mengen an Pestizidrückständen zu schützen.“18 Artikel 18 Abs. 1 lit. b) der VO (EG) Nr. 396/2005 sieht für Pestizidrückstände „einen Auffangwert von 0,01 mg/kg vor, soweit kein spezifischer Rückstandshöchstgehalt oder unter Berücksichtigung der verfügbaren routinemäßigen Analysemethoden unterschiedliche Standardwerte für einen Wirkstoff festgelegt wurden.“19 Die Bestimmungsgrenze20 für Pestizidrückstände ist die „validierte geringste Rückstandskonzentration , die im Rahmen der routinemäßigen Überwachung nach validierten Methoden quantifiziert und erfasst werden kann“; Art. 3 Abs. 2 lit f) VO (EG) Nr. 396/2005. Das für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland zuständige BVL erläutert hierzu, Rückstandshöchstgehalte würden grundsätzlich nach dem Minimierungsgebot festgesetzt , d. h. so niedrig wie unter den gegebenen Produktionsbedingungen und nach guter landwirtschaftlicher Praxis möglich, aber niemals höher als toxikologisch vertretbar. Bei der Festsetzung von Höchstgehalten würden deshalb in der Regel toxikologische Expositionsgrenzwerte, wie z. B. die duldbare tägliche Aufnahmemenge (ADI: Acceptable Daily Intake) oder die akute Referenzdosis (ARfD) berücksichtigt, die noch Sicherheitsfaktoren – meistens um den Sicherheitsfaktor 100 erhöht – beinhalten würden, so dass bei einer gelegentlichen Überschreitung der Höchstgehalte keine gesundheitliche Gefährdung des Verbrauchers zu erwarten sei. Nichtsdestotrotz seien die Höchstgehalte einzuhalten. Verantwortlich dafür sei in erster Linie der Hersteller /Erzeuger bzw. bei der Einfuhr aus Drittländern der in der EU ansässige Importeur. Die amtli- 17 Ebenda. 18 ABl. L 70 vom 16.3.2005, S. 1, in der in der EU jeweils verbindlichen Fassung. http://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32005R0396&from=de; letzte konsolidierte Fassung vom 19. Januar 2017 mit Anhängen (2817 Seiten). http://publications.europa.eu/resource/cellar/48e94fc3-e581-43f8-8df1- 6bdf7f97d9b2.0012.01/DOC_1 19 BT-Drs. 17/4984. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/17/049/1704984.pdf 20 Untere analytische Bestimmungsgrenze - lowest limit of analytical determination (LOD). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/17 Seite 10 che Lebensmittelüberwachung kontrolliere stichprobenweise das Erzeugnisangebot auf die Einhaltung der Höchstgehalte. Bei Überschreitung eines Höchstgehalts sei das Produkt nicht verkehrsfähig und dürfe nicht verkauft werden.21 5. Zuständigkeiten bei der Zulassung von Pflanzenschutzmittel, der Genehmigung von Wirkstoffen und der Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten Die Entscheidungen über die Genehmigung des Wirkstoffs (Wirkstoffentscheidung) sowie die Entscheidungen über die Rückstandshöchstwerte, auch die der Importtoleranzen, finden auf EU-Ebene statt. Einen umfassenden Überblick über nationale Zuständigkeiten und Zuständigkeiten auf EU-Ebene bei PSM, bei den in ihnen enthaltenen Wirkstoffen („active substances“) und bei deren Zulassung liefert die nachfolgende Grafik. Demnach liegt die Festsetzung von RHG22 und die Genehmigung von Wirkstoffen in PSM in der Zuständigkeit der EU: Quelle: Bundesamt für Ernährungssicherheit, Österreich (2016).23 6. Verfahren zur Bewertung von Wirkstoffen in Pestiziden Die Bewertung von Wirkstoffen in Pestiziden erfolgt im Rahmen eines mehrstufigen Verfahrens. Die EFSA führt hierzu Folgendes aus: 21 BVL. http://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel/02_BUEp_dokumente/BUEp_Bericht _2015.pdf?__blob=publicationFile&v=3 22 Rückstandshöchstwerten bzw. Rückstandshöchstgehalten (Maximum Residue Level - MRL). 23 Barcza-Leeb, Hildegard; Schinnerl, Isabell (2016). Pflanzenschutzmittel-Zulassung. Rechtliche Grundlagen und praktische Umsetzung. AGES - Runder Tisch Pflanzenschutzmittelzulassung WSP, 01.12.2016. Bundesamt für Ernährungssicherheit. http://www.zukunft-pflanzenbau.at/fileadmin/Redakteure_ZP/Zukunft_Pflanzenbau /Pflanzenschutzmittel/04_BAES_Schinnerl__PSM_Zulassung.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/17 Seite 11 „1. Für jeden Stoff wird zunächst von einem Bericht erstattenden Mitgliedstaat (Rapporteur Member State – RMS) ein vorläufiger Bewertungsbericht (Draft Assessment Report – DAR) bzw. ein Bewertungsbericht zur Neubewertung (Renewal Assessment Report – RAR) erstellt. Bei Anträgen auf Erneuerung einer Genehmigung entscheidet die Kommission über die Benennung eines berichterstattenden Mitgliedstaats in Absprache mit allen Mitgliedstaaten und Industrievertretern. 2. Die Risikobewertung des RMS wird von der EFSA zusammen mit allen Mitgliedstaaten einem Peer-Review unterzogen.24 3. Die EFSA erstellt einen Bericht („Schlussfolgerung“) bezüglich des Wirkstoffs. Die Schlussfolgerung der EFSA fließt ein in das Genehmigungsverfahren der Europäischen Kommission, die anschließenden Bewertungen von Pflanzenschutzmitteln durch die Mitgliedstaaten sowie die Prüfung der Rückstandshöchstgehalte in Lebensmitteln seitens der EFSA. 4. Die Europäische Kommission entscheidet, ob die Substanz in die EU-Liste der genehmigten Wirkstoffe aufgenommen wird. Dies bestimmt, ob der Wirkstoff in einem Pflanzenschutzmittel in der EU verwendet werden kann. 5. Die EU-Mitgliedstaaten bewerten bzw. neubewerten die Sicherheit von den Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmitteln, die in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet in Verkehr gebracht werden.“25 Die EFSA ist für die Risikobewertung zuständig, die EU-Kommission führt das Risikomanagement durch und trifft die endgültige Entscheidung über den Wirkstoff, Erwägungsgrund 12 der VO (EG) Nr. 1107/2009. Das Risikoassessment der EU sieht vor, dass die EFSA einen Rückstandshöchstgehalt für den Wirkstoff des Pflanzenschutzmittels festsetzt, so dass er für alle Konsumentengruppen in der EU sicher ist, dies schließt Säuglinge, Kinder und Vegetarier mit ein, „that this residue is safe for all European consumer groups, including vulnerable groups such as babies, children and vegetarians“.26 24 Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) beschreibt das Peer-Review-Verfahren zur Bewertung des Wirkstoffs wie folgt: „Die Bewertung jedes Wirkstoffes wird im Peer-Review-Verfahren der EFSA mit allen Mitgliedsstaaten, einschließlich einer öffentlichen Kommentierung, abgestimmt und bei Bedarf auf einem Expertentreffen (PRAS) diskutiert, das von der EFSA Pesticides Unit und ihrem Panel on Plant Protection Products and their Residues (PPR) organisiert wird. Auf Basis des abgestimmten Bewertungsberichts fällt die Kommission dann ihre Entscheidung über die Genehmigung.“ (Quelle: http://www.bfr.bund.de/cm/343/gesetzliche-verfahren-im-bereichpflanzenschutz .pdf). 25 https://www.efsa.europa.eu/sites/default/files/corporate_publications/files/efsaexplainsglyphosate 151112de.pdf 26 http://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/max_residue_levels/actions_en Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/17 Seite 12 7. Beispiel Atrazin: Widerruf der Zulassung für Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff und Importtoleranz Am 10. März 2004 entschied die EU-Kommission über die Nichtaufnahme von Atrazin in den Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates27, was den Widerruf der Zulassungen für PSM mit dem Wirkstoff Atrazin in den EU-Mitgliedstaaten zur Folge hatte.28 Siehe hierzu auch nachfolgende Grafik u.a. zum in der EU nicht mehr zugelassenen Wirkstoff Atrazin: Quelle: BVL.29 27 Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates enthält „Für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln zulässige Wirkstoffe“. Die RL 91/414/EWG wurde durch die VO (EG) 1107/2009 abgelöst. „Mit der Veröffentlichung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 wurde klargestellt, dass Verweise auf die Richtlinie 91/414/EWG als Verweise auf die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gelten.“ (http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben /07_RueckstaendeHoechstgehalte/03_ListenRechtsgrundlagen/erlaeuterungen_RHG-Rechtsgrundlagen _basepage.html). 28 ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 10. März 2004 über die Nichtaufnahme von Atrazin in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates und den Widerruf der Zulassungen für Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff . http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32004D0248&from=EN 29 BVL. http://www.folienserie.agroscience.de/index.php?option=com_content&view=category&layout =blog&id=47&Itemid=137&lang=de, dann weiter zu Modul 2 - Rechtliche Grundlagen. Der vom BVL im Internet zur Verfügung gestellten Liste der „Widerrufenen und ruhenden Zulassungen“ (letzte Änderung: 18. Januar 2017) konnte entnommen werden, dass in der Spalte F der Wirkstoffliste für Atrazin ein „nein“ eingetragen war, d.h. Atrazin ist demnach nicht oder nicht mehr in der Positivliste der EU enthalten. BVL. Widerrufene und ruhende Zulassungen (letzte Änderung: 18. Januar 2017). http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/02_ZulassungPSM/01_ZugelPSM/03_Widerrufe /psm_ZugelPSM_widerrufe_node.html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/17 Seite 13 Die Kommission machte für den Widerruf der Genehmigung des Wirkstoffs in PSM insbesondere Wasserschutzgründe30 geltend.31 Des Weiteren sei nach den Bewertungen der übermittelten Informationen nicht nachgewiesen worden, dass Atrazin enthaltende PSM unter den vorgeschlagenen Anwendungsbedingungen allgemein die Anforderungen gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a) und b) der Richtlinie 91/414/EWG erfüllen würde. Somit wurden in der EU alle bestehenden Zulassungen für PSM, die Atrazin enthalten, widerrufen. Infolgedessen wurden die RHG für diesen Wirkstoff in Anhang II und III gemäß Art. 17 der VO (EG) Nr. 396/2005 gestrichen. Auf Grundlage von Art. 43 der VO (EG) Nr. 396/2005 bat die EU-Kommission die EFSA im Jahr 2015 um eine wissenschaftliche Stellungnahme zu vorläufigen Rückstandshöchstgehalten von Atrazin in Mais in Höhe von 0,1 mg/kg, nachdem Argentinien einen Antrag auf Festsetzung einer Importtoleranz für Atrazin für Getreide gestellt hatte. Die EFSA kam zu folgendem Ergebnis und senkte den RHG auf 0,05 mg/kg: „Auf der Grundlage der vom Antragsteller eingereichten Rückstandsuntersuchungen zur Stützung der Verwendung von Atrazin auf Mais entsprechend guter landwirtschaftlicher Praxis in Argentinien gelangte die Behörde zu dem Schluss (…), dass die RHG für Atrazin in Getreide auf 0,05 mg/kg gesenkt werden sollten.32 Dieser Wert entspricht der geltenden einschlägigen Bestimmungsgrenze für Atrazin in Erzeugnissen pflanzlichen Ursprungs. Die vorgeschlagenen RHG stellen kein Gesundheitsrisiko für die europäischen Verbraucher dar.“33 Die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 wurde durch die Verordnung (EU) 2016/440 der Kommission vom 23. März 2016 zur Änderung der Anhänge II, III und V der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Höchstgehalte an Rückständen von Atrazin in oder auf bestimmten Erzeugnissen34 geändert.35 30 „In seiner Stellungnahme akzeptierte der Wissenschaftliche Ausschuss „Pflanzen“ die übermittelten Berechnungen der Umweltkonzentrationen im Grundwasser nicht. (…).“ http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32004D0248&from=DE 31 Im Umweltgutachten 2016 des Sachverständigenrates für Umweltfragen heißt es hingegen, das Herbizid Atrazin sei „in der EU aufgrund seiner hormonellen und kanzerogenen Wirksamkeit seit 2003 verboten“. (Unterrichtung durch die Bundesregierung. Umweltgutachten 2016 des Sachverständigenrates für Umweltfragen. Impulse für eine integrative Umweltpolitik. BT-Drs. 18/8500. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/085/1808500.pdf) 32 “EFSA concluded that an MRL at the level of 0.05 mg/kg for atrazine in maize is more appropriate than 0.1 mg/kg.” EFSA (2015). Reasoned opinion on the setting of a new maximum residue level for atrazine in cereals. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2015.4126/epdf 33 ABl. L 78 vom 24. März 2016, S. 34-46. Celex-Nr.: 32016R0440. http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0440&from=DE; Commission Decision of 10 March 2004 concerning the non-inclusion of atrazine in Annex I to Council Directive 91/414/EEC and the withdrawal of authorisations for plant protection products containing this active substance. http://eur-lex.europa.eu/legal-content /EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32004D0248&from=EN 34 ABl. L 78 vom 24. März 2016, S. 34-46. Celex-Nr.: 32016R0440. http://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0440&from=DE 35 Die konsolidierte Fassung der VO (EG) Nr. 396/2005 vom 19. Januar 2017 weist im Anhang den RHG für Atrazin für bestimmte Lebensmittelgruppen aus: S. 2781 – 2793. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 021/17 Seite 14 8. Antwort des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) antwortete dem Fachbereich auf eine entsprechende Anfrage zu RHG wie folgt: „Für Erzeugnisse, bei denen die Anwendung eines Pflanzenschutzmittelwirkstoffs in der Folge des Auslaufens der Genehmigung in der EU nicht mehr zulässig ist und für die keine Einfuhrtoleranzen oder keine im Rahmen des Codex Alimentarius festgesetzten Rückstandshöchstgehalte (CXL) gelten, sind die Rückstandshöchstgehalte (RHG) formal auf die analytische Bestimmungsgrenze des jeweiligen Wirkstoffs abzusenken. Es ist hierbei festzuhalten, dass eine Absenkung von RHG im Fall einer Nichtgenehmigung eines Wirkstoffs nicht nur aus gesundheitlichen Gründen vorzusehen ist, sondern auch, wenn keine Pflanzenschutzanwendung in Europa mehr als Bewertungsgrundlage herangezogen werden kann. Im Fall einer Nichtgenehmigung eines Wirkstoffs sieht die Verordnung (EG) Nr. 396/2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen derzeit keinen Automatismus vor, die Rückstandshöchstgehalte (RHG) unmittelbar nach einer Nichtgenehmigung des Wirkstoffs zu senken. Die Europäische Kommission hat bislang u.a. Abverkaufs- und Aufbrauchfristen berücksichtigt. Normalerweise werden Einfuhrtoleranzen für Wirkstoffe gewährt, die in der EU zugelassen sind. Es können jedoch nach Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe g) der VO (EG) Nr. 396/2005 weiterhin sog. Einfuhrtoleranzen gewährt werden, wenn die Pflanzenschutzmittel-Zulassung nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes versagt wurde. Die bereits in der EU gewährten Einfuhrtoleranzen sind u.a. mit Blick auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit zu überprüfen . Danach können diese beibehalten werden, wenn alle notwendigen Daten vorhanden sind und keine gesundheitlichen Gründe dem entgegenstehen. Falls ein Drittstaat im Fall einer Nichtgenehmigung eines Wirkstoffs weitere spezifische RHG benötigt, ist ein Importtoleranzantrag beim sog. Bericht erstattenden Mitgliedstaat (Rapporteur Member State - RMS) zu stellen.“36 9. Fazit Die Zulassung eines PSM in der EU bedarf der Genehmigung des PSM-Wirkstoffs durch die EU- Kommission. Die Zulassung eines PSM erfordert ebenfalls die Festsetzung von RHG durch die EU-Kommission. Sind PSM-Wirkstoffe in der EU nicht oder nicht mehr genehmigt, bzw. sind die RHG des Wirkstoffs in importierten Lebens- oder Futtermitteln höher als in der EU erlaubt, beantragt der Importeur eine Importtoleranz. Wurde die Genehmigung für einen PSM-Wirkstoff nicht aufgrund von Gesundheitsschutzgründen entzogen, sind Importtoleranzen möglich. Das Festsetzen einer Importtoleranz durch die EU-Kommission erfolgt nach einer wissenschaftlichen Bewertung durch die EFSA. *** 36 E-Mail an Verfasser vom 4. April 2017.