© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 020/20 Gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 2 Gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 020/20 Abschluss der Arbeit: 26. Februar 2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einleitung 4 3. Pflanzenschutzgesetz 5 4. Düngegesetz 9 5. Bundes-Bodenschutzgesetz 11 6. Bundesnaturschutzgesetz 14 7. ANHANG: Allgemeine Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes 16 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 4 1. Fragestellung Es soll recherchiert werden, was in Deutschland unter der „guten fachlichen Praxis“ in der Landwirtschaft verstanden wird und welche Kriterien für sie gelten. 2. Einleitung Die „gute fachliche Praxis“ (gfP) ist ein „zentraler Begriff“ der konventionellen Landwirtschaft, der besagt, „dass z. B. die Anwendung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln nur in Übereinstimmung mit geltendem Recht, den neuesten und anerkannten Anwendungsregeln sowie unter Beachtung der Grundsätze des integrierten Landbaus erfolgen darf.“1 Härtel (2019) erläutert, die Einführung des Begriffs gfP durch den Gesetzgeber sei zurückzuführen auf die Hinwendung von einer rein ökonomisch verstandenen Landwirtschaft hin zu einer nachhaltigen und umweltverträglichen Landwirtschaft. Vorläufer der gfP bildete demnach das Konzept der „ordnungsgemäßen Landwirtschaft“, das ursprünglich als eine Bewirtschaftung definiert wurde, die dem jeweiligen agrarwissenschaftlichen Fachwissen und der landbaulichen Praxis entsprach. Seit Mitte der 80er Jahre sei in den deutschen Umweltgesetzen der Begriff der „ordnungsgemäßen Landwirtschaft“ durch den Begriff gfP ersetzt worden.2 Bei den Regeln der gfP handele es sich um öffentlich-rechtliche Verhaltensstandards für den Landwirt, deren Einhaltung durch behördliche Beratung gefördert werden solle.3 1 Raupp, Manfred G.; Hartmann, Peter (2017). Agrarlexikon mit den wichtigsten Begriffen zur Landwirtschaft im europäischen Umfeld. Bedeutung in deutscher und englischer Sprache erklärt. Lörrach, Juni 2017 http://opus.uni-hohenheim.de/volltexte/2019/1650/pdf/AGRARLEXIKON_DE_EN.pdf 2 Härtel (2019) in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht - Band 1, 4. Aufl. 2019, VI. Die gute fachliche Praxis für die Landwirtschaft. Auch Köck (2019) macht als Vorläufer der gfP die „ordnungsgemäße Landwirtschaft“ aus. (Köck, Wolfgang (2019). Naturschutz und Landwirtschaft – eine Bilanz aus der Perspektive des Rechts. ZUR 2019, 67.). Laut Taube et al. (2012) leitet sich der Begriff gfP „von der Definition der „ordnungsgemäßen Bewirtschaftung“ gemäß § 586 BGB ab. Ursprünglich bestand hier eine Regelung hinsichtlich der Erhaltung einer Pachtsache und deren Zustand bei der Rückgabe (§ 596 BGB). Die ordnungsgemäße Bewirtschaftung ‚...muss im Einklang mit den Regeln stehen, die nach allgemeiner Auffassung unter Land- und Forstwirten einzuhalten sind...‘“. Taube, Friedhelm; Herrmann, Antje; Loges, Ralf (2012). Reichen die Regeln zur „guten fachlichen Praxis“ im Pflanzenbau aus? In: Vorträge zur Hochschultagung 2012 der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. S. 23-34. https://www.agrar.uni-kiel.de/de/forschung/publikationenpdf /HST-Band-118.pdf Siehe auch Art. 28 der Verordnung (EG) NR. 1750/1999 der Kommission vom 23. Juli 1999 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) lautet: „Im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 und der vorliegenden Verordnung ist die gute landwirtschaftliche Praxis im üblichen Sinne der gewöhnliche Standard der Bewirtschaftung, die ein verantwortungsbewusster Landwirt in der betreffenden Region anwenden würde.“ (Die Verordnung ist nicht mehr in Kraft). 3 Härtel in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht - Band 1, 4. Aufl. 2019, VI. Die gute fachliche Praxis für die Landwirtschaft. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 5 Die gfP ist u.a. in den folgenden vier Fachgesetzen geregelt: im Pflanzenschutzgesetz4, im Düngegesetz 5, im Bundes-Bodenschutzgesetz6 sowie im Bundesnaturschutzgesetz7 und wird grundsätzlich in den korrespondierenden agrarrechtlichen Verordnungen konkretisiert (u.a. in der Pflanzenschutz -Anwendungsverordnung8, der Düngeverordnung9 und der Stoffstrombilanzverordnung 10).11 Nachfolgend werden die Kriterien für die gfP in der Landwirtschaft anhand der vier Fachgesetze erläutert. 3. Pflanzenschutzgesetz Das Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) dient dem Schutz von Pflanzen, insbesondere von Kulturpflanzen , und dem Schutz von Pflanzenerzeugnissen vor Schadorganismen. Pflanzenschutz darf nur nach den Vorgaben der gfP und des integrierten Pflanzenschutzes durchgeführt werden (§ 3 Abs. 1 PflSchG). Hierzu gehört die Einhaltung der im Anhang III der Richtlinie 2009/128/EU12 genannten allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes. (Die aktuelle Fassung der allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes findet sich im 4 Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG). BGBl I 2012, 148 (1281); zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 84 des Gesetzes vom 18.7.2016, BGBl I 2016, 1666. https://www.gesetze-im-internet .de/pflschg_2012/PflSchG.pdf 5 Düngegesetz (DüngG). BGBl I 2009, 54 (136); zuletzt geändert durch Art. 1 Gesetz vom 5.5.2017, BGBl I 2017, 1068. https://www.gesetze-im-internet.de/d_ngg/D%C3%BCngG.pdf 6 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz - BBodSchG). BGBl. I 1998, 502; zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 3 der Verordnung vom. 27.9.2017, BGBl I 2017, 3465. https://www.gesetze-im-internet.de/bbodschg/BBodSchG.pdf 7 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG). BGBl I 2009, 2542, zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 13. Mai 2019, BGBl I 2019, 706. https://www.gesetze-im-internet .de/bnatschg_2009/BNatSchG.pdf 8 Verordnung über Anwendungsverbote für Pflanzenschutzmittel. BGBl I 1992, 1887; zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 25.11.2013, BGBl I 2013, 4020. 9 Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen. BGBl I 2017, 1305. 10 Verordnung über den Umgang mit Nährstoffen im Betrieb und betriebliche Stoffstrombilanzen (StoffBilV). BGBl I 2017, 3942; BGBl I 2018, 360. 11 Vgl. Möckel, Stefan (2018). Gute fachliche Praxis, Eingriffsregelung und Landwirtschaft. https://www.ufz.de/export /data/2/206009_Moeckel_DNRT2018.pdf 12 Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden. ABl. L 309, 2009, S. 71–86. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009L0128&qid=1582127835503&from=DE; Berichtigung der Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden ( ABl. L 309 vom 24.11.2009 ). ABl. L 161 vom 29.6.2010, S. 11. https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009L0128R(01)&from=DE Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 6 ANHANG dieser Dokumentation unter Punkt 7.). § 2 Nr. 2 PflSchG definiert integrierten Pflanzenschutz als „eine Kombination von Verfahren, bei denen unter vorrangiger Berücksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß beschränkt wird“.13 Des Weiteren gehört zur gfP die Gesunderhaltung und Qualitätssicherung von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen durch vorbeugende Maßnahmen, durch Verhütung, Abwehr und Bekämpfung von Schadorganismen und durch die Förderung natürlicher Bekämpfungsmechanismen (§ 3 Abs. 1 PflSchG). Zur gfP zählt auch die Abwehr von Gefahren, die durch die Anwendung , das Lagern und den sonstigen Umgang mit Pflanzenschutzmitteln oder durch andere Maßnahmen des Pflanzenschutzes, insbesondere für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Naturhaushalt, entstehen können. Zudem sind die in der Zulassung der Pflanzenschutzmittel „festgesetzten Anwendungsgebiete und Anwendungsbestimmungen (z. B. Anzahl und maximale Menge der Behandlung pro Jahr und Hektar) verbindlich einzuhalten (§ 12 PflSchG) sowie die sonstigen Verbote und Beschränkungen nach §§ 13 ff. PflSchG zu beachten. Der Umgang mit Pflanzenschutzmitteln bedarf eines Sachkundenachweises, der regelmäßig zu erneuern ist ((…) § 9 Abs. 2 Pflanzenschutzgesetz). Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erstellt auf der Grundlage der Verordnung und in Abstimmung mit den Behörden die Grundsätze für den Pflanzenschutzmitteleinsatz nach der guten fachlichen Praxis.“14 Den Ländern obliegt zur Durchführung des Gesetzes auch die Beratung, Aufklärung und Schulung der gfP einschließlich des integrierten Pflanzenschutzes (§ 59 Abs. 2 Nr. 3 PflSchG). Der genaue Wortlaut des § 3 PflSchG15 zur gfP und zum integrierten Pflanzenschutz findet sich nachfolgend: „§ 3 Gute fachliche Praxis und integrierter Pflanzenschutz (1) Pflanzenschutz darf nur nach guter fachlicher Praxis durchgeführt werden. Die gute fachliche Praxis im Pflanzenschutz umfasst insbesondere 1. die Einhaltung der allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes des Anhangs III der Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 71) in der jeweils geltenden Fassung, 2. die Gesunderhaltung und Qualitätssicherung von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen durch a) vorbeugende Maßnahmen, 13 Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG). BGBl I 2012, 148 (1281); zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 84 des Gesetzes vom 18.7.2016, BGBl I 2016, 1666. https://www.gesetze-im-internet .de/pflschg_2012/PflSchG.pdf 14 Budde-von Beust, Marion; Joormann, Ineke; Schmidt, Thomas (2019). Ordnungs- und förderrechtliche Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Agrarumweltmaßnahmen in den Bundesländern. https://franz-projekt .de/uploads/Downloads/F.R.A.N.Z-Ordnungs-und%20foerderrechtliche%20Rahmenbedingungen %20AUM's_2019.pdf 15 BGBl I 2012, 148 (1281); zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 84 des Gesetzes vom 18.7.2016, BGBl I 2016, 1666. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 7 b) Verhütung der Einschleppung oder Verschleppung von Schadorganismen, c) Abwehr oder Bekämpfung von Schadorganismen, d) Förderung natürlicher Mechanismen zur Bekämpfung von Schadorganismen und 3. Maßnahmen zum Schutz vor sowie die Abwehr von Gefahren, die durch die Anwendung, das Lagern und den sonstigen Umgang mit Pflanzenschutzmitteln oder durch andere Maßnahmen des Pflanzenschutzes, insbesondere für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Naturhaushalt einschließlich des Grundwassers, entstehen können. Die zuständige Behörde kann die Maßnahmen anordnen, die zur Erfüllung der in Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 genannten Anforderungen erforderlich sind. (2) Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erstellt unter Beteiligung der Länder und unter Berücksichtigung des Anhangs III der Richtlinie 2009/128/EG, des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie unter Berücksichtigung der Erfahrungen der Pflanzenschutzdienste und des Personenkreises, der Pflanzenschutzmaßnahmen durchführt, sowie der in Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 und 3 genannten Maßnahmen, Grundsätze für die Durchführung der guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz16. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gibt diese Grundsätze im Einvernehmen mit den Bundesministerien für Wirtschaft und Energie, für Arbeit und Soziales, für Gesundheit und für Umwelt, Naturschutz , Bau und Reaktorsicherheit im Bundesanzeiger oder elektronischen Bundesanzeiger bekannt. (3) Tiere und Pflanzen einer invasiven Art im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 9 des Bundesnaturschutzgesetzes dürfen nicht zu Zwecken des Pflanzenschutzes verwendet werden. (4) Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wird ermächtigt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen von dem Verbot des Absatzes 3 zu regeln, wenn dem insbesondere der Schutz natürlich vorkommender Ökosysteme, Biotope oder Arten nicht entgegensteht.“17 Köpl (2016) stellt fest, dass der Begriff der gfP im PflSchG nur ansatzweise und punktuell umrissen und abgegrenzt sei. Aus dem Auftrag des Gesetzgebers an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ergebe sich aber, dass das Spektrum der gfP den aktuellen, be- 16 BMELV (2010). Gute fachliche Praxis im Pflanzenschutz. Grundsätze für die Durchführung. S. 13. https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/GutePraxisPflanzenschutz.pdf?__blob=publication- File 17 BGBl I 2012, 148 (1281); zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 84 des Gesetzes vom 18.7.2016, BGBl I 2016, 1666. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 8 kannten und bewährten Stand der Erfahrungen und Ergebnisse von Praxis und Wissenschaft umfasse . Er verweist zudem auf die „Gute fachliche Praxis im Pflanzenschutz – Grundsätze für die Durchführung“ des BMEL aus dem Jahr 201018.19 Neumann (2012) - Abteilungsleiter im damaligen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) - stellt klar, die Grundsätze für die Durchführung der gfP im Pflanzenschutz seien von jedem zu beachten, der Pflanzenschutzmaßnahmen durchführe. Dabei handele es sich aber nicht um fest vorgeschriebene Handlungsanweisungen, die von einer Reihe von Umwelt, Natur- und Gewässerschutzverbänden und Politikern immer wieder gefordert würden. Solche klar festgelegten Vorgaben seien für den Pflanzenschutz aus rein fachlicher Sicht nicht möglich, da die vielfältigen Situationen in den unterschiedlichen Kulturen, unterschiedlichen Regionen und unterschiedlichen Wetterlagen flexibel nutzbare Handlungsoptionen erforderten . Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass Anwendungsbestimmungen für Pflanzenschutzmittel , Auflagen zum Bienenschutz, die Sachkunde des Anwenders, das geprüfte Pflanzenschutzgerät und die Dokumentation der Pflanzenschutzmittelanwendungen ohnehin festgeschrieben seien.20 Möckel (2017) äußert hinsichtlich der landesrechtlichen Regelungsspielräume für die Durchführung der gfP, das Konkretisierungsdefizit werde bei den Anforderungen an den integrierten Pflanzenschutz auch nicht durch die Verweisung auf Anhang III der Richtlinie 2009/128/EG gelöst, da die dortigen Anforderungen der mitgliedstaatlichen Konkretisierung bedürften (z.B. Festlegung von Schwellenwerten). Den Ländern verblieben dennoch keine Regelungsspielräume zur Konkretisierung dieser Anforderungen, da § 3 Abs. 2 PflSchG das BMEL unter Beteiligung der Länder zum Erlass von konkretisierenden Grundsätzen für die Durchführung der gfP im Pflanzenschutz ermächtige und verpflichte. Von dieser bundesrechtlichen Ermächtigung gehe eine Sperrwirkung gegenüber den Ländern aus, da der Bund erkennbar seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich der Konkretisierung der Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes ausüben wolle. Dass die Grundsätze des BMEL nicht in Form einer außenverbindlichen Rechtsverordnung , sondern nur als unverbindliches Dokument ergehen sollten, sei Teil seiner Kompetenzausübung . Der Bund habe den Ländern jedoch in § 22 Abs. 1 PflSchG Regelungsbefugnisse im Bereich des Pflanzenschutzes eingeräumt. So dürften sie nach Nr. 1 Vorschriften zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in natur- oder wasserrechtlichen Schutzgebieten sowie an oberirdischen Gewässern und Küstengewässern erlassen. Nr. 2 gestatte den Ländern weiterhin auch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln unter Verwendung bestimmter Geräte oder Verfahren 18 Siehe hierzu auch BMELV (2010). Gute fachliche Praxis im Pflanzenschutz. Grundsätze für die Durchführung. https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/GutePraxisPflanzenschutz.pdf?__blob=publication- File 19 Köpl, Christian (2016) in: Dombert/Witt. § 19 Pflanzenschutz- und Düngerecht. Münchener Anwaltshandbuch Agrarrecht. 2. Auflage 2016. Rn.44-45. 20 Neumann, Clemens (2012). Die „gute fachliche Praxis“ aus der Perspektive des BMELV. In: Vorträge zur Hochschultagung 2012 der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. S. 35ff. https://www.agrar.uni-kiel.de/de/forschung/publikationen-pdf/HST-Band-118.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 9 bzw. den Anbau bestimmter Pflanzen auf mit bestimmten Pestiziden behandelten Böden zu regeln .21 So erläutert die Niedersächsische Landesregierung am 25.08.2016 zur gfP: „Die gute fachliche Praxis im Pflanzenschutz umfasst insbesondere die Einhaltung der allgemeinen Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes (IPS) gemäß der Richtlinie 2009/128/EG, Anhang III. Der IPS ist die Grundlage der Pflanzenschutzberatung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK), er ist elementarer Inhalt von Fortbildungsveranstaltungen , der Hinweis zum Integrierten Pflanzenschutz, des sogenannten Warndienstes des Pflanzenschutzdienstes und von Veröffentlichungen. Seit Inkrafttreten des neuen Pflanzenschutzgesetzes und der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 wird der IPS stetig weiterentwickelt. Im Rahmen des Nationalen Aktionsplans für die nachhaltige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln werden die sektor- und kulturpflanzenspezifischen Leitlinien zum Integrierten Pflanzenschutz evaluiert, die dann über die gesetzlich vorgeschriebenen allgemeinen Grundsätze hinaus auf freiwilliger Basis in die Praxis umgesetzt werden sollen. In einzelnen Sektoren , wie z. B. im Apfelanbau, existieren bereits seit längerem solche Leitlinien, nach denen sich die Obstanbauer im Alten Land richten. Eine Kontrolle erfolgt hier aufgrund von Anbauverträgen , durch die Verbände oder auch Erzeugergemeinschaften. Im Rahmen der Kontrollen der LWK zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln wird regelmäßig auch die Beachtung der guten fachlichen Praxis überwacht, allerdings stellt die Einhaltung der allgemeinen Grundsätze der guten fachlichen Praxis gemäß PflSchG aktuell keinen bußgeldbewehrten Tatbestand dar. In bestimmten Fällen können jedoch behördliche Anordnungen erteilt werden, wodurch bei einem wiederholten Verstoß gegen diese Grundsätze im Einzelfall ordnungsrechtliche Ahndungen und gegebenenfalls Kürzungen von EU-Direktzahlungen möglich sind. Für eine weitergehende Verpflichtung zur Einhaltung der Vorgaben der guten fachlichen Praxis bedarf es weitergehender und umfangreicher Präzisierungen der Beurteilungskriterien, die bundesweit zu erarbeiten und festzulegen sind.“22 Siehe auch im ANHANG unter Punkt 7.2. Regelungen zur gfP in Bayern gem. § 2a Abs. 1 Pflanzenschutzgesetz ). 4. Düngegesetz Zweck des Düngegesetzes ist u.a. neben der Sicherstellung der Ernährung von Nutzpflanzen, der Erhaltung der Fruchtbarkeit des Bodens und dessen Humusgehaltes auch ein nachhaltiger und 21 Möckel, Stefan (2017). Landesrechtliche Regelungsspielräume für ordnungs- und planungsrechtliche Anforderungen an die landwirtschaftliche Bodennutzung (DÖV 2017, S. 192). https://beck-online.beck.de/Dokument ?vpath=bibdata%2Fzeits%2Fdoev%2F2017%2Fcont%2Fdoev.2017.192.1.htm&pos=4 22 Landtag Niedersachsen. Antwort der Landesregierung vom 25.08.2016. LT-Drs. 17/6364. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 10 ressourceneffizienter Umgang mit Nährstoffen bei der landwirtschaftlichen Erzeugung. Hofmann (2019) erläutert zum DüngG und zur Düngeverordnung (2017)23: „Das Düngegesetz regelt das Inverkehrbringen von Düngemitteln und das Düngen selbst. Die Düngeverordnung setzt die EU-Nitrat-Richtlinie 91/67/EWG und die Richtlinie 2001/81/EG über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (NEC-Richtlinie) um. Sie konkretisiert die im Düngegesetz formulierte „Gute fachliche Praxis“ bei der Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln auf landwirtschaftlich genutzten Flächen und dient damit der Verminderung von stofflichen Risiken durch die Anwendung der o. g. Stoffe auf landwirtschaftlich genutzten Flächen (§ 1 DüV 2017).“24 Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 und 3 Düngegesetz (DüngG)25 dient „Düngung nach guter fachlicher Praxis der Versorgung der Pflanzen mit notwendigen Nährstoffen sowie der Erhaltung und Förderung der Bodenfruchtbarkeit, um insbesondere die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Erzeugnissen zu sichern. Zur guten fachlichen Praxis gehört, dass Art, Menge und Zeitpunkt der Anwendung am Bedarf der Pflanzen und des Bodens ausgerichtet werden.“26 § 11a Abs. 1 Satz 2 DüngG führt zur gfP weiter aus: „Zur guten fachlichen Praxis gehört insbesondere, dass bei der landwirtschaftlichen Erzeugung ein nachhaltiger und ressourceneffizienter Umgang mit Nährstoffen im Betrieb sichergestellt und hierbei Nährstoffverluste in die Umwelt so weit wie möglich vermieden werden.“ Hofmann (2019) konstatiert, das im Jahre 2017 novellierte Düngegesetz verlange bei der Ausbringung von Dünger auf Böden nicht mehr als die Beachtung der gfP (§ 11 a Abs. 1 DüngG). Solle diese Norm einen nennenswerten Beitrag zu einer Reduzierung des Düngemittelüberschusses leisten, so müsse für die Anwendung im Einzelfall klar definiert sein, welche Mengen welcher Düngersorte unter welchen Umständen einschließlich der angebauten Pflanzensorte und der Bodenqualität auf welches Feld ausgebracht werden dürften. Das sei schon für die Regelsetzung alles andere als trivial. Die Düngeverordnung (DüV) konkretisiere die gfP, indem sie den etwas verfeinerten Grundsatz aufstelle, die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln sei unter Berücksichtigung der Standortbedingungen auf ein Gleichgewicht zwischen dem voraussichtlichen Nährstoffbedarf der Pflanzen einerseits und der Nährstoffversorgung aus dem Boden und aus der Düngung andererseits auszurichten (§ 3 Abs. 1 23 Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen (Düngeverordnung – DÜV). BGBl I 2017, 1305. 24 Hofmann, Ekkehard (2019). Landwirtschaft und Klimaschutz aus deutscher Sicht. (NVwZ 2019, 1145). 25 BGBl I 2009, 54 (136); zuletzt geändert durch Art. 1 Gesetz vom 5.5.2017, BGBl I 2017, 1068. https://www.gesetze -im-internet.de/d_ngg/D%C3%BCngG.pdf 26 BGBl I 2009, 54 (136); zuletzt geändert durch Art. 1 Gesetz vom 5.5.2017, BGBl I 2017, 1068. https://www.gesetze -im-internet.de/d_ngg/D%C3%BCngG.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 11 Satz DüV). Einträge in oberirdische Gewässer und das Grundwasser seien nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Satz 2 DüV zu vermeiden.27 Das BMEL wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anforderungen der gfP im Sinne des § 3 Abs. 2 näher zu bestimmen (§ 3 Abs. 4 Nr. 1 DüngG). Aktuell steht eine erneute Novellierung der Düngeverordnung (2017) an.28 Die Änderung der Düngeverordnung soll der Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Juni 2018 dienen und ist spätestens im April 2020 erforderlich, um eine weitere Klage im Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen des „andauernden Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie “29 zu vermeiden.30 5. Bundes-Bodenschutzgesetz Auch das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG)31 enthält in seinem § 17 Regelungen zur „Guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft“. Gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 BBodSchG sollen die nach jeweiligem Landesrecht zuständigen landwirtschaftlichen Beratungsstellen bei ihrer Beratungstätigkeit die Grundsätze der gfP vermitteln. § 17 Abs. 2 BBodSchG normiert die Anforderungen an die landwirtschaftliche Bodennutzung, indem er sieben Grundsätze zur „guten fachlichen Praxis der landwirtschaftlichen Bodennutzung“ auflistet , die darauf abzielen, „schädliche Bodenveränderungen weitestgehend zu vermeiden. Dabei geht es nicht nur darum, Bodenverdichtungen, Bodenerosion und Gewässerbelastungen zu vermeiden , sondern auch Bodenstruktur, biologische Aktivität und den Humusgehalt zu fördern.“32 Die Grundsätze der gfP zu landwirtschaftlich genutztem Boden (§ 17 Abs. 2 BBodSchG) lauten wie folgt: „(2) Grundsätze der guten fachlichen Praxis der landwirtschaftlichen Bodennutzung sind die nachhaltige Sicherung der Bodenfruchtbarkeit und Leistungsfähigkeit des Bodens als natürlicher Ressource. Zu den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis gehört insbesondere, dass 1. die Bodenbearbeitung unter Berücksichtigung der Witterung grundsätzlich standortangepasst zu erfolgen hat, 27 Hofmann, Ekkehard (2019). Landwirtschaft und Klimaschutz aus deutscher Sicht. (NVwZ 2019, 1145). 28 Die neue Düngeverordnung kommt – trotz Protesten. Westdeutsche Zeitung-Online vom 19.02.2020. https://www.wz.de/politik/die-neue-duengeverordnung-kommt-trotz-protesten_aid-49056215 29 https://ec.europa.eu/germany/news/20190725-nitrat_de 30 Plenarprotokoll 19/142, S. 17756. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btp/19/19142.pdf#P.17756 31 Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG). Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten. BGBl. I 1998, 502; zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 3 der Verordnung vom. 27.9.2017, BGBl I 2017, 3465. https://www.gesetze-im-internet.de/bbodschg/BBodSchG.pdf 32 Dossier. Gute fachliche Praxis. https://www.thuenen.de/de/thema/boden/gute-fachliche-praxis/ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 12 2. die Bodenstruktur erhalten oder verbessert wird, 3. Bodenverdichtungen, insbesondere durch Berücksichtigung der Bodenart, Bodenfeuchtigkeit und des von den zur landwirtschaftlichen Bodennutzung eingesetzten Geräten verursachten Bodendrucks, so weit wie möglich vermieden werden, 4. Bodenabträge durch eine standortangepasste Nutzung, insbesondere durch Berücksichtigung der Hangneigung, der Wasser- und Windverhältnisse sowie der Bodenbedeckung, möglichst vermieden werden, 5. die naturbetonten Strukturelemente der Feldflur, insbesondere Hecken, Feldgehölze, Feldraine und Ackerterrassen, die zum Schutz des Bodens notwendig sind, erhalten werden , 6. die biologische Aktivität des Bodens durch entsprechende Fruchtfolgegestaltung erhalten oder gefördert wird und 7 der standorttypische Humusgehalt des Bodens, insbesondere durch eine ausreichende Zufuhr an organischer Substanz oder durch Reduzierung der Bearbeitungsintensität erhalten wird.“33 Laut Schwartmann handelt es sich bei den Grundsätzen nicht um „abschließende Regelbeispiele “.34 Auch Ginzky (2018) betrachtet die in § 17 Abs. 2 S. 2 BBodSchG genannten Grundsätze - aufgrund des Begriffs „insbesondere“ - als nicht abschließend.35 Nachfolgend kommentiert Ginzky (2018) die einzelnen Grundsätze zur gfP (1 bis 7): „Nach Nr. 1 hat die landwirtschaftliche Bodenbearbeitung unter Berücksichtigung der Witterung grundsätzlich standortgemäß zu erfolgen. Dieser Grundsatz besitzt übergreifende Wirkung , denn er gebietet nicht nur die Berücksichtigung der Standortfaktoren, vor allem des Bodentyps und seiner Eigenschaften, des Klimas und Reliefs sowie der Eignung des Bodens für bestimmte Nutzungen, sondern auch, dass Bodenabträge, Bodenverdichtungen und eine Verminderung des Humusgehalts vermieden und die biologische Aktivität des Bodens sowie eine günstige Bodenstruktur erhalten oder gefördert werden. Damit fasst er die weiteren Grundsätze von der Seite der landwirtschaftlichen Befassung her zusammen und gebietet ein Anpassen der Bodenbearbeitung an die spezifischen Schutzbedürfnisse des jeweiligen Bodentyps und des Standorts. Der Grundsatz der Erhaltung und Verbesserung der Bodenstruktur nach Nr. 2 stellt die direkt bodenschutzbezogene Bündelung der in den folgenden Ziffern genannten Bemühungen um die Verhinderung bzw. Vermeidung von Bodenerosion und -verdichtungen und die Erhaltung 33 BGBl I 1998, 502; zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 3 der Verordnung vom. 27.9.2017. BGBl I 2017, 3465. 34 BBodSchG § 17. Schwartmann, Rolf. Nomos - Erläuterungen zum Deutschen Bundesrecht. 35 Ginzky, Harald (2018). In: BeckOK Umweltrecht, Giesberts/Reinhardt. 53. Edition. Stand: 01.04.2018. Rn. 8-19. Siehe hierzu auch Möckel, Stefan (2017). Landesrechtliche Regelungsspielräume für ordnungs- und planungsrechtliche Anforderungen an die landwirtschaftliche Bodennutzung. DÖV 2017, S. 192. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 13 der biologischen Bodenaktivität und des Humusgehalts des Bodens dar. Neben dem Schutz vor Boden- und Landschaftsverbrauch und den eigentlichen Flächeneinwirkungen, welche sich ebenfalls auf die Bodenstruktur auswirken, bildet der Erhalt der Bodenstruktur das primäre Schutzziel des physikalisch-biologischen Bodenschutzrechts. Als konkreter Einzelgrundsatz wird in Nr. 3 die – so weit wie mögliche – Vermeidung von Bodenverdichtungen genannt. Bei seiner Verwirklichung sind insbesondere die Bodenart, die Bodenfeuchtigkeit und der durch die Verwendung landwirtschaftlicher Geräte verursachte Bodendruck zu berücksichtigen. Diese Konkretisierung, vor allem die Bezugnahme auf den jeweiligen Bodentyp, seine bevorzugte Nutzung und sein Schutzbedürfnis sollte auch bei der Anwendung der anderen Grundsätze einbezogen werden. Nach Nr. 4 sollen Bodenabträge durch eine standortangepasste Nutzung, insbesondere unter Berücksichtigung der Hangneigung, der Wasser- und Windverhältnisse sowie der Bodenbedeckung soweit wie möglich vermieden werden. Bei einem Verlust von Bodenmaterial nehmen Nährstoffvorrat und Wasserhaltefähigkeit ab; dies führt zu einer Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit (…). Die Einschränkung („soweit wie möglich“) erfolgte wohl im Hinblick darauf , dass der Vorgang der Bodenerosion grundsätzlich natürliche Vorgänge erfasst. Aus fachlicher Sicht verlangt etwa das Kriterium der standortangepassten Nutzung, dass in erosions - oder überschwemmungsgefährdeten Lagen Grünland nach Möglichkeit zu erhalten ist. Zudem sind die naturbetonten Strukturelemente der Feldflur, insbesondere Hecken, Feldgehölze , Feldraine und Ackerterrassen, die zum Schutz des Bodens notwendig sind, gem. Nr. 5 zu erhalten. Die biologische Aktivität des Bodens ist durch entsprechende Fruchtfolgegestaltung zu erhalten oder zu fördern (Nr. 6). Als letzten Grundsatz der guten fachlichen Praxis nennt § 17 Abs. 2 S. 2 Nr. 7 die Erhaltung des standorttypischen Humusgehalts des Bodens, insbesondere durch eine ausreichende Zufuhr an organischer Substanz oder durch Reduzierung der Bearbeitungsintensität. Die Bedeutung der organischen Substanz ist erst in den letzten Jahren (auch auf europäischer Ebene) erkannt worden (…). Insbesondere für den Klimaschutz ist die Erhaltung des standorttypischen Humusgehalts von herausragender Bedeutung (…). Die Verminderung der Bearbeitungsintensität dient auch der Verhinderung von Bodenerosion und von Bodenverdichtungen. Die Grundsätze der guten fachlichen Praxis nach § 17 Abs. 2 sind zu abstrakt formuliert, als dass sie aus sich heraus eine große Steuerungswirkung entfalten könnten. Es handelt sich tatsächlich um sehr allgemeine und grundsätzliche Handlungsanweisungen. Ferner sind auch viele einschränkende Formulierungen bei den einzelnen Grundsätzen wie „grundsätzlich“ (Nr. 1), „so weit wie möglich“ (Nr. 2) oder „möglichst“ (Nr. 3) zu finden.“36 Zudem konstatiert Ginzky (2019): 36 Ginzky, Harald (2018). In: BeckOK Umweltrecht, Giesberts/Reinhardt. 53. Edition. Stand: 01.04.2018. Rn. 8-19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 14 „Für die Landwirtschaft verlangt § 17 BBodSchG zwar die Einhaltung der guten fachlichen Praxis. Diese ist aber bis heute nicht mit konkreten Vorgaben hinterlegt. Es gibt weder eine entsprechende Ermächtigung zur Konkretisierung nach BBodSchG noch dürfen die Bodenschutzbehörden Anordnungen zur Durchsetzung von § 17 BBodSchG treffen.“37 So äußert auch Möckel (2017), die Bezeichnung als „Grundsätze“ sowie die sehr abstrakte, leitlinienhafte Formulierung der Anforderungen spreche gegen eine erschöpfende Bundesregelung. Landesrechtliche Konkretisierungen und Ergänzungen zur gfP im Bereich des Bodenschutzes seien allerdings in den Landesbodenschutzgesetzen möglich.38 Garske (2018) stellt fest, die gfP des BBodSchG benenne bereits wichtige Aspekte für den Bodenschutz und auch für ein verbessertes Phosphor-Management, wie standort- und witterungsangepasste Bodenbearbeitung, Fruchtfolgengestaltung, Humuserhalt, ausreichende Zufuhr an organischer Substanz, Vermeidung von Bodenverdichtungen und Erhalt von Strukturelementen. Allerdings seien die Grundsätze durchsetzt mit zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen oder relativierenden Begriffen wie „grundsätzlich“, „so weit wie möglich“ oder „möglichst“ und blieben allgemein abstrakt.39 Auch die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (2018) weist auf die „mangelnde Konkretisierung “ der gfP bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung hin. 40 6. Bundesnaturschutzgesetz Spezifische Anforderungen an die gfP nach § 5 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) sind neben einer standortangepassten Bewirtschaftung, der Schonung der natürlichen Ausstattung der Nutzfläche, die für die Erhaltung zur Vernetzung von Biotopen erforderlichen Landschaftselemente , das ausgewogene Verhältnis von Tierhaltung und Pflanzenbau, das Unterlassen des Grünlandumbruchs in bestimmten Gebieten sowie die Einhaltung des Dünge- und Pflanzenschutzmittelrechts . § 5 Abs. 2 BNatSchG lautet im Einzelnen wie folgt: „(2) Bei der landwirtschaftlichen Nutzung sind neben den Anforderungen, die sich aus den für die Landwirtschaft geltenden Vorschriften und aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes ergeben, insbesondere die folgenden Grundsätze der guten fachlichen Praxis zu beachten: 37 Ginzky, Harald (2019). 20 Jahre Bundes-Bodenschutzgesetz – hinreichend vorsorgend? ZUR 2019,1. 38 Möckel, Stefan (2017). Landesrechtliche Regelungsspielräume für ordnungs- und planungsrechtliche Anforderungen an die landwirtschaftliche Bodennutzung. DÖV 2017, S. 192. 39 Garske, Beatrice; Douhaire, Caroline; Ekardt, Felix (2018). Ordnungsrechtliche Instrumente der Phosphor-Governance . NuR (2018) 40: 73–81. https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs10357-018-3290-9.pdf 40 Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (2018). Bodenschutz in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020. „Eckpunkte des Bodenschutzes für die Gemeinsame Agrarpolitik der EU nach 2020“. 15.10.2018. Ständige Ausschüsse „Vorsorgender Bodenschutz“ (BOVA) und „Recht“ (BORA). https://www.labo-deutschland .de/documents/Eckpunkte_des_Bodenschutzes_fuer_die_GAP_nach_2020.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 15 1. die Bewirtschaftung muss standortangepasst erfolgen und die nachhaltige Bodenfruchtbarkeit und langfristige Nutzbarkeit der Flächen muss gewährleistet werden; 2. die natürliche Ausstattung der Nutzfläche (Boden, Wasser, Flora, Fauna) darf nicht über das zur Erzielung eines nachhaltigen Ertrages erforderliche Maß hinaus beeinträchtigt werden ; 3. die zur Vernetzung von Biotopen erforderlichen Landschaftselemente sind zu erhalten und nach Möglichkeit zu vermehren; 4. die Tierhaltung hat in einem ausgewogenen Verhältnis zum Pflanzenbau zu stehen und schädliche Umweltauswirkungen sind zu vermeiden; 5. auf erosionsgefährdeten Hängen, in Überschwemmungsgebieten, auf Standorten mit hohem Grundwasserstand sowie auf Moorstandorten ist ein Grünlandumbruch zu unterlassen ; 6. die Anwendung von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln hat nach Maßgabe des landwirtschaftlichen Fachrechtes zu erfolgen; es sind eine Dokumentation über die Anwendung von Düngemitteln nach Maßgabe des § 10 der Düngeverordnung vom 26. Mai 2017 (BGBl. I S. 1305) in der jeweils geltenden Fassung sowie eine Dokumentation über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln nach Maßgabe des Artikels 67 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1) zu führen .“41 Köck (2019) konstatiert, zwar verlange das BNatSchG mittlerweile die Einhaltung einer gfP der Landwirtschaft (§ 5Abs. 2 BNatSchG), die gfP sei im Gesetz aber nicht legaldefiniert, so dass der Maßstab, der durch die gfP gesetzt werde, unklar bleibe. Wichtiger aber noch sei, dass die gfP nur grundsatzhaft im BNatSchG verankert und damit nicht ohne weiteres unmittelbar anwendbar sei. Es bedürfe demgemäß weiterer verbindlicher Konkretisierungen, um deutliche Wirkungen entfalten zu können. Daran mangele es bis heute.42 Möckel et al. (2014) schlussfolgern nach einer rechtlichen Untersuchung des Agrarumweltrechts, sowohl das Agrarrecht als auch das Umweltrecht verlangten als ordnungsrechtliche Mindeststandards für die landwirtschaftliche Bodenbewirtschaftung, dass die Landwirte die in verschiedenen Gesetzen normierten Anforderungen zur gfP einhielten. Bei den rechtlichen Anforderungen 41 https://www.gesetze-im-internet.de/bnatschg_2009/__5.html 42 Köck, Wolfgang (2019). Naturschutz und Landwirtschaft – eine Bilanz aus der Perspektive des Rechts. ZUR 2019, 67. Siehe auch Möckel, Stefan (2017). Landesrechtliche Regelungsspielräume für ordnungs- und planungsrechtliche Anforderungen an die landwirtschaftliche Bodennutzung. DÖV 2017, S. 192. https://beck-online .beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fzeits%2Fdoev%2F2017%2Fcont%2Fdoev.2017.192.1.htm&pos=4; siehe auch Möckel, Stefan (2018). Gute fachliche Praxis, Eingriffsregelung und Landwirtschaft. NuR (2018) 40: 742–745. https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs10357-018-3426-y.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 16 an die gfP bestünden deutliche Unterschiede zwischen dem Umwelt- und dem Agrarrecht. BBodSchG und BNatSchG enthielten einen umfassenden Nachhaltigkeitsauftrag an die Landwirtschaft , der allerdings sehr abstrakt und wenig konkret handlungsanleitend ausformuliert sei. Das Agrarrecht normiere konkretere Anforderungen an die Düngung und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln , beschränke sich aber hierauf. Ausdrückliche behördliche Befugnisse, die gfP durch Anordnungen im Einzelfall betriebs- und standortbezogen zu konkretisieren, bestünden nur hinsichtlich des Pflanzenschutzes und des besonderen Artenschutzes .43 Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) beim BMEL ist der Überzeugung, dass dem Politikfeld Agrarumwelt- und Klimaschutz in der zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) eine prominentere Rolle eingeräumt werden solle. Hierzu bedürfe es einer Weiterentwicklung des Ordnungsrechts und dessen konsequenten Vollzugs. Insbesondere die ordnungsrechtlichen Standards der gfP seien vor dem Hintergrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und realisierter technischer Fortschritte zu überprüfen.44 Das BMEL erläutert in der aktuell auf seiner Internetseite angebotenen Broschüre „Gute fachliche Praxis im Pflanzenschutz – Grundsätze für die Durchführung“ aus dem Jahr 2010: „Die gute fachliche Praxis ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamisches System, das sich auf der Grundlage neuer Erkenntnisse und praktikabler Verfahren ständig weiterentwickelt .“45 *** 7. ANHANG: Allgemeine Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes Die allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes finden sich in der jeweils geltenden Fassung des Anhangs III der Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige 43 Möckel, Stefan; Köck, Wolfgang; Rutz, Cordula; Schramek, Jörg (2014). Rechtliche und andere Instrumente für vermehrten Umweltschutz in der Landwirtschaft. Zusammenfassung. https://www.umweltbundesamt.de/sites /default/files/medien/378/publikationen/texte_42_2014_kurzfassung.pdf 44 Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2019). Zur effektiven Gestaltung der Agrarumwelt- und Klimaschutzpolitik im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU nach 2020 Stellungnahme Mai 2019. https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/Stellungnahme-GAP-Effektivierung -AUK.pdf?__blob=publicationFile 45 BMELV (2010). Gute fachliche Praxis im Pflanzenschutz. Grundsätze für die Durchführung. https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/GutePraxisPflanzenschutz.pdf?__blob=publication- File Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 17 Verwendung von Pestiziden46. Die aktuelle Fassung der allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes lautet wie folgt: 46 ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 71–86. https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009L0128&qid=1581578649192&from=DE Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 020/20 Seite 18 47 47 ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 85. https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009L0128&qid=1581578649192&from=DE