© 2018 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 020/18 Energetische Gebäudesanierung und Warmmietenneutralität Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 2 Energetische Gebäudesanierung und Warmmietenneutralität Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 020/18 Abschluss der Arbeit: 22.03.2018 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Studien 4 Deutsche Energie-Agentur (dena) 4 Andreas Pfnür/Nikolas Müller (Technische Universität Darmstadt) 6 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) 10 Deutsche Umwelthilfe e.V. 12 Berliner Mieterverein e.V. 13 Exkurs: Schweiz 14 3. Weitere Quellen 15 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Dokumentation verweist auf Studien zur energetischen Gebäudesanierung und stellt weitere, zu den folgenden Fragen recherchierte Materialien zusammen: a) Welche Studien der letzten zehn Jahre haben sich eingehend mit der Frage der Warmmietenneutralität energetischer Sanierungen beschäftigt und was waren deren wichtigsten Ergebnisse? b) Welche Hinweise gibt es auf bestimmte Gebäudeeigenschaften / Gebäudealtersstrukturen / Sanierungstechniken / Sanierungsreihenfolgen, die besonders dafür geeignet erscheinen , eine Warmmietenneutralität der energetischen Sanierungen zu gewährleisten bzw. umgekehrt diese zu verfehlen? c) Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Rebound- bzw. Prebound-Effekte? d) Finden sich in den Studien Hinweise auf mögliche kostensenkende Vorgehensweisen (z.B. zunächst Teilsanierungen besonders klimarelevanter Gebäudeteile, Qualitätsmanagement , unabhängige Beratung etc.)? Lauern infolge solcher Teilsanierungen bzw. bestimmter Abfolgen ggf. neue Risiken für Kosten oder jeweiligen Klimaschutzeffekt? 2. Studien Deutsche Energie-Agentur (dena) Die dena hat Sanierungsstudien zu unterschiedlichen Aspekten erstellt. Eine Übersicht ist dem folgenden Link zu entnehmen. https://www.zukunft-haus.info/gesetze-studien-verordnungen/studien/dena-sanierungsstudien .html (letzter Abruf: 21.03.2018) Die dena verweist in ihren Ausführungen auf die Förderprogramme des Bundes zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudebereich (Effizienzhausvarianten der KfW-Förderung), die den folgenden Links entnommen werden können: BMWi, 2016, Förderprogramme des Bundes zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudebereich https://www.saarland.de/dokumente/thema_energie/Energieeffizienz-Kommunen-Gebaeude _BMWi-Schuering_MWAEV-Saarland.pdf (letzter Abruf: 21.03.2018) KfW, Förderprodukte für Bestandsimmobilien, energieeffizient Sanieren. https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Privatpersonen/Bestandsimmobilie /F%C3%B6rderprodukte/F%C3%B6rderprodukte-f%C3%BCr-Bestandsimmobilien .html (letzter Abruf: 21.03.2018) Die im Jahr 2010 erschienene, dena-Sanierungsstudie „Wirtschaftlichkeit energetischer Modernisierung im Mietwohnungsbestand1“ bemerkt einführend wie folgt (S. 38): 1 https://www.zukunft-haus.info/fileadmin/media/05_gesetze_verordnungen_studien/01_fachwissen_kompakt /02_studien/dena-Sanierungsstudie_Teil_1_MFH_01.pdf (letzter Abruf: 21.03.2018) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 5 „In der Studie wird die Frage der Wirtschaftlichkeit somit aus zwei Sichtweisen heraus diskutiert: aus der Sicht der Investoren als Vermieter über den Break-even und aus Sicht der Mieter als Kunden der Investoren über die warmmietenneutrale Mieterhöhung (siehe unten). Die Frage der Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen wird jedoch letztlich bewusst offengelassen , da dies auch von Marktfaktoren abhängig ist, die regional ermittelt werden müssen. Die Frage ist: Können die erforderlichen Mieterhöhungen tatsächlich dauerhaft am Markt erzielt werden? Die zur Beantwortung dieser Frage erforderlichen Daten und (Markt-) Einschätzungen obliegen in hohem Maße der individuellen Bewertung und somit der individuellen Verantwortung der Investoren. Dieser Aspekt wird abschließend in Kapitel 7 diskutiert. Dennoch vermitteln die berechneten Mieterhöhungen einen Eindruck von den zusätzlichen finanziellen Belastungen oder Entlastungen der Mieter infolge der energetischen Modernisierung.“ Zum Thema Warmmietenneutralität führt die Studie wie folgt aus (S.51 f.): „Zum Vergleich sind in Abbildung 15 auch die Barwerte der warmmietenneutralen Mieterhöhung für die jeweiligen energetischen Standards aufgetragen. Dies sind definitionsgemäß die Mieterhöhungen, die erzielbar wären, wenn eine Warmmietenneutralität der Maßnahmen bei heutigen Energiepreisen angenommen wird. Diskussion der Ergebnisse Auffällig ist, dass die verbleibende Refinanzierungslücke mit verbessertem energetischen Standard deutlich kleiner wird. Dies hat vor allem zwei Gründe: Der Barwert der Förderung bei der Effizienzhaus-100-Variante beträgt lediglich 82 €/m²Wohnfläche. Aufgrund der Förderkonditionen der KfW, die darauf angelegt sind, höhere energetische Standards auch höher zu fördern, beträgt der Barwert der Förderung für den Effizienzhaus-55-Standard 146 €/m²Wohnfläche und ist somit gegenüber dem Effizienzhaus -100-Standard um 64 €/m²Wohnfläche höher. Der Barwert der Break-even-Mieterhöhung steigt von der Effizienzhaus-100-Variante mit 83 €/m²Wohnfläche aufgrund der überproportional steigenden energiebedingten Mehrkosten deutlich um 144 €/m²Wohnfläche auf 227 €/m²Wohnfläche für den hochwertigen Effizienzhaus-55-Standard. Beide Effekte führen dazu, dass die Refinanzierungslücke von 112 €/m²Wohnfläche bei der Effizienzhaus-100-Variante auf lediglich 49 €/m²Wohnfläche beim hochwertigen Effizienzhaus -55-Standard reduziert wird. Damit ergibt sich ein deutlicher Anreiz für den Investor , den hochwertigen Effizienzhaus-55-Standard zu realisieren. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die erforderliche Break-even-Mieterhöhung zur Refinanzierung der energiebedingten Mehrkosten für den Effizienzhaus-55-Standard (d. h. immerhin 1,17 €/(m²Wohnfläche·Mon)) nicht durchgesetzt werden kann, sondern lediglich eine bei heutigen Energiepreisen warmmietenneutrale Mieterhöhung (d. h. 0,99 €/(m²Wohnfläche·Mon)), verbleibt eine Refinanzierungslücke von 86 €/m²Wohnfläche. Diese Refinanzierungslücke ist immer noch 26 €/m²Wohnfläche kleiner als beim Effizienzhaus -100-Standard.“ Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 6 Andreas Pfnür/Nikolas Müller (Technische Universität Darmstadt) Andreas Pfnür/Nikolas Müller (Technische Universität Darmstadt) kommen in ihrer Studie „Energetische Gebäudesanierung in Deutschland2“ (Studie Teil II: Prognose der Kosten alternativer Sanierungsfahrpläne und Analyse der finanziellen Belastung für Eigentümer und Mieter bis 2050, Arbeitspapiere zur immobilienwirtschaftlichen Forschung und Praxis, Band Nr. 28, August 2013) zu folgenden Ergebnissen (S.1 ff.): „Technologiegebundene Sanierungsfahrpläne verteuern die Sanierung von Gebäuden maßgeblich. Jede energetische Gebäudesanierung enthält in der Realität auch Maßnahmen der Instandhaltung und der nicht-energetischen Sanierung. In dieser Studie werden die Gesamtkosten der Sanierung betrachtet (Kopplungsgebot), um die aus der Sanierung resultierenden Kosten für die Akteure entscheidungsgerecht abzubilden. Die technologiegebundene Sanierung eines durchschnittlichen Einfamilienhauses nach den Zielen des Energiekonzepts 2050 kostet 140 bis 148 TEURO. Für ein durchschnittliches Mehrfamilienhaus sind 303 TEURO aufzuwenden. Durch einen technologieoffenen Sanierungsfahrplan lassen sich in Abhängigkeit vom Gebäudetyp zwischen 16 % und 33 % der Sanierungsinvestitionen des technologiegebundenen Sanierungsfahrplans einsparen. Volkswirtschaftliche Kosten der energetischen Gebäudesanierung belaufen sich auf mindestens 1,7 Billionen Euro. Die Umsetzung eines technologiegebundenen Sanierungsfahrplans im Gebäudebestand der Bundesrepublik erfordert inflationsbereinigt Investitionen in Höhe von rund 2,1 Billionen Euro. 2 http://www.real-estate.bwl.tu-darmstadt.de/media/bwl9/dateien/arbeitspapiere/Energetische_Gebauudesanierung _in_Deutschland_Teil_2_2.pdf (letzter Abruf: 21.03.2018) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 7 Die Umsetzung eines technologieoffenen Sanierungsfahrplans erfordert rund 1,7 Billionen Euro Investitionen und ist damit gegenüber der technologiegebundenen Variante rund 22 % günstiger! Der technologiegebundene Sanierungsfahrplan ist teurer, weil unter Umständen unverbrauchter Abnutzungsvorrat an Gebäudeteilen nicht ausgeschöpft wird, der Zwang zu spezifischen technischen Maßnahmen unter Umständen ineffizient ist, Investitionen unter Umständen zeitlich früher anfallen und es zu zeitlichen Ballungen von Sanierungsaktivitäten mit entsprechenden preistreibenden Markteffekten kommt. Energetische Gebäudesanierung erfordert erweiterte Kapazitäten in der Bauwirtschaft . Es stellt sich bei beiden Sanierungsfahrplänen angesichts der vorhandenen Kapazitäten konkret die Frage, wie, insbesondere in den Gewerken der Gebäudetechnik, der aus den Sanierungsfahrplänen resultierende Nachfragebedarf in der Zeitspanne 2021-2030 vor dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel gedeckt werden soll. Durchschnittliche Kosten des Wohnens werden durch die energetische Gebäudesanierung deutlich steigen. Exemplarische Berechnungen für mögliche Vollsanierungen zeigen, dass die Kosten des Wohnens (Summe aus den Mieten und Energiekosten) in einer technologiegebundenen Variante zwischen circa 2,10 und 2,90 Euro pro Quadratmeter und Monat und einer technologieoffenen Variante um rund 1,70 – 2,30 Euro pro Quadratmeter und Monat steigen. In dem Untersuchungsbericht werden die alternativen Sanierungsfahrpläne jedoch nicht über Vollsanierungen sondern über Teilsanierungen, die sukzessive bis 2050 stattfinden, analysiert. Auf diese Weise werden die Sanierungszyklen der Bauteile berücksichtigt und die Realität damit exakter abgebildet. Wenn die Sanierungen sukzessive durchgeführt werden , dann modifizieren sich die finanziellen Effekte auf die Kosten des Wohnens. Für zeitlich versetzt anfallende Teilsanierungen zeigen die investitionsrechnerischen Analysen, dass die Umsetzung eines technologiegebundenen Sanierungsfahrplans je nach Gebäudetyp im Zeitverlauf durchschnittlich zu zusätzlichen Kosten des Wohnens in Höhe von circa 2,10 Euro und 2,60 Euro pro Quadratmeter und Monat führt. Im Durchschnitt verteuert sich damit das Wohnen in einem Einfamilienhaus um rund 260 Euro pro Monat und in einem Mehrfamilienhaus um rund 140 Euro pro Wohneinheit. Die Umsetzung des technologieoffenen Sanierungsfahrplans verursacht je nach Gebäudetyp im Zeitverlauf eine durchschnittliche Steigerung der Kosten des Wohnens zwischen circa 1,10 und 1,60 Euro pro Quadratmeter und Monat. Im Durchschnitt verteuert sich damit das Wohnen in einem Einfamilienhaus um rund 140 Euro pro Monat und in einem Mehrfamilienhaus um rund 100 Euro pro Wohneinheit. Aus Sicht von Selbstnutzern und Mietern stellt sich daher der technologieoffene Sanierungsfahrplan deutlich vorteilhafter dar. Die Annahmen zur Energiekostenersparnis sind vergleichsweise optimistisch, da Erfahrungen gegenwärtig zeigen, dass sich die in der Planung kalkulierten Einspareffekte in der Praxis regelmäßig nicht realisieren lassen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 8 Investitionen in energetische Gebäudesanierung bringen für Vermieter unterdurchschnittliche Renditen Die durchschnittlichen Eigenkapitalrenditen von Investitionen nach dem technologiegebundenen Sanierungsfahrplan liegen bei allen analysierten Beispiel-Gebäuden im positiven Bereich (zwischen 3,52 % und 4,75 %). Die für die Wohnungswirtschaft durchschnittlichen Mindestanforderungen an Eigenkapitalrenditen werden damit aber nicht erreicht. Investitionen in den technologieoffenen Sanierungsfahrplan führen für die Vermieter zu Renditen zwischen 3,35 % und 4,43 %. Damit ist aus Sicht von Immobilieninvestoren eine technologiegebundene Sanierungsvariante vorteilhaft. Sollten sich die Mietumlagen nicht in rechtlich vorgesehener Höhe gegenüber den Mietern durchsetzen lassen, wird die Eigenkapitalrendite geringer ausfallen. Auch ein Vermögensverlust ist in diesen Fällen nicht ausgeschlossen. Energetische Gebäudesanierung erfordert Bereitstellung zusätzlichen Eigenkapitals in erheblichem Umfang durch die Immobilieneigentümer. Die Umsetzung des technologiegebundenen Sanierungsfahrplans erfordert durchschnittlich Eigenkapital in Höhe von rund 14,6 Mrd. Euro pro Jahr durch die Immobilieneigentümer . Der technologieoffene Sanierungsfahrplan erfordert rund 12,0 Mrd. Euro pro Jahr und ist damit rund ein Fünftel weniger kapitalintensiv als die technologiegebundene Variante. Auch in dieser günstigeren Variante ist davon auszugehen, dass nicht alle Eigentümer aufgrund ihrer individuellen Vermögenssituation die nötigen finanziellen Mittel zur Durchführung der Sanierung aufbringen können. Energetische Gebäudesanierung verstärkt soziale Ungleichgewichte. Die Analyse der sozialen Lastenverteilung der energetischen Gebäudesanierung zeigt, dass die aus den alternativen Sanierungsfahrplänen resultierende Steigerung der Wohnkosten mit abnehmendem Haushaltsnettoeinkommen zunimmt. Beispielhaft wird dies in folgender Tabelle für Haushalte, die in Mehrfamilienhäusern zur Miete leben, dargestellt. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 9 Haushalte mit unterdurchschnittlichen Einkommen werden überproportional von energetischen Gebäudesanierungen und von den klimapolitischen Zielen aus dem Klimaschutzkonzept belastet. Betroffen sind dabei vor allem Alleinstehende, insbesondere alleinstehende Frauen, Alleinerziehende und Rentner. Energetische Sanierung von Wohnraum der sozial Schwachen ist größte Herausforderung der immobilienwirtschaftlichen Energiewende. Der technologieoffene Sanierungsfahrplan führt über den gesamten Gebäudebestand (Einfamilien -und Mehrfamilienhäuser) dazu, dass die Kosten des Wohnens für Haushalte in Mietwohnungen mit einem Haushaltseinkommen unter 2.000 Euro monatlich durchschnittlich um rund 19,6 % steigen. Demgegenüber führt der technologiegebundene Sanierungsfahrplan in derselben Einkommenskohorte zu einer durchschnittlichen Steigerung in Höhe von rund 26,4 %. Aus sozialpolitischen Gründen ist daher einem technologieoffenen Sanierungsfahrplan der Vorzug zu geben. Die Öffentliche Hand unterstützt aktuell mit Wohngeld und Kosten der Unterkunft rund 5 Millionen Haushalte mit jährlich circa 17 Mrd. Euro. Durch die energetische Gebäudesanierung ist im Falle eines technologiegebundenen Sanierungsfahrplans mit Mehrausgaben in Höhe von ca. 7,4 Mrd. Euro p.a. zu rechnen. Im Falle eines technologieoffenen Sanierungsfahrplans reduzieren sich die Mehrausgaben zwar, sind mit rund 5,6 Mrd. Euro p.a. aber immer noch erheblich. Einfluss von möglichen Energiepreissteigerungen auf Kosten des Wohnens geringer als angenommen. Sensitivitätsanalysen aus der Nutzerperspektive zeigen, dass die Energiepreissteigerungsrate einen weitaus geringeren Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit von energetischen Sanierungen hat als in der öffentlichen Debatte häufig angenommen. Selbst bei einer Verdoppelung der angenommenen Energiepreissteigerungsrate steigen die Wohnkosten im betrachteten Beispielfall nur um durchschnittlich 0,20 Euro/m2 Wfl./Monat auf 1,76 Euro/m2 Wfl./Monat an. Demgegenüber würde ein Anstieg der Sanierungskosten in Höhe von nur 20 % zu darüberhinausgehenden Mietkostensteigerungen in Höhe von 0,29 Euro/m2 Wfl./Monat auf 2,05 Euro/m2 Wfl./ Monat führen. Regional unterschiedliche Voraussetzung für erfolgreiche Gebäudesanierungen als Herausforderungen an die Bundespolitik. Insbesondere in Bezug auf die demographische Entwicklung sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Haushalte gibt es regional starke Differenzen im Bundesgebiet. Diese wirken sich direkt auf die Investitionsbereitschaft und die Möglichkeit zur Durchsetzung beziehungsweise Übernahme zusätzlicher Kosten des Wohnens aufgrund energetischer Sanierungen nach den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung aus. Die folgende Tabelle fasst die Rahmenbedingungen der energetischen Gebäudesanierung in den einzelnen Bundesländern zusammen: Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 10 Die Ausprägungen sämtlicher Bewertungskriterien finden kleinräumlich sehr differenziert nebeneinander in unterschiedlichsten Konstellationen statt, so dass sich die genannten Kriterien nicht nur im Ländervergleich sondern insbesondere von Immobilie zu Immobilie stark unterscheiden.“ Die dena widerspricht den Ergebnissen der Studie der TU Darmstadt, der zufolge die Gebäudesanierung „sozialer Sprengstoff“ und für weite Teile der Bevölkerung unbezahlbar sei. Energetische Gebäudesanierungen sind nach Aussage der dena das einzige Mittel gegen hohe Kostenbelastungen und können vielfach warmmietenneutral durchgeführt werden: dena, Kosten der Gebäudesanierung: dena weist Studie der TU Darmstadt zurück. Energetische Sanierung sorgt für bezahlbares Wohnen www.ivh.de/Kosten_der_Gebaeudesanierung_I1725.whtml?lcr=ru (letzter Abruf: 21.03.2018) Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) hat in seiner Online-Publikation 06/2015 „Energetische Sanierung von Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 11 Großwohnsiedlungen“ 3 anhand von 8 vertiefenden Modellprojekten die Umsetzung integrierter Stadtteilentwicklungskonzepte im Bundesgebiet analysiert und bemerkt hierzu (S. 6): „Im Spannungsfeld zwischen Aufwertung und Sozialverträglichkeit Die Aufwertung und „soziale Durchmischung“ ist ein zentraler Strategiebaustein, um die Zukunftsfähigkeit der Quartiere zu sichern. Mit Maßnahmen der energetischen Sanierung und Modernisierung wird auf der einen Seite qualitativ hochwertiger Wohnraum für neue Zielgruppen geschaffen, damit wird auf der anderen Seite allerdings auch das Angebot an preiswertem Wohnraum reduziert. Nur in einem Modellprojekt wird die Modernisierung weitgehend warmmietenneutral umgesetzt. Staffelmietkonzepte, günstigere Konditionen für Bestandsmieter und Alternativangebote im Unternehmensbestand sind Ansätze, mit denen sich die Wohnungsunternehmen um eine sozialverträgliche Gestaltung der Modernisierung bemühen. Die Zielsetzung, neue (einkommensstärkere) Zielgruppen für das Gebiet zu gewinnen, stellt die Frage nach dem Verbleib der einkommensschwächeren Haushalte. In diesem Kontext erscheint eine Einbindung des Stadtteilentwicklungskonzeptes in ein kommunales Wohnraumversorgungskonzept als ein zukunftweisender Weg.“ Außerdem heißt es dort (S. 44): „Warmmietenneutralität ist zwar das angestrebte Ziel, ist aber bei Vollmodernisierungen nur in Ausnahmefällen erreichbar.“ Weiter wird zur Entwicklung der Mieten ausgeführt (S. 50 f.): „Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen gehen in den Modellvorhaben mit einer Erhöhung der Kaltmiete einher. Die Mieterhöhungen in den Modellvorhaben liegen in den meisten Fällen unter den mietrechtlich umlagefähigen Beträgen – teilweise mehr als 50 % darunter. Entweder sind Mieterhöhungen entsprechend der vollen Modernisierungsumlage am Markt nicht durchzusetzen oder die Unternehmen verzichten auf Rendite, um ihrem Auftrag, preisgünstigen Wohnraum bereitzustellen, gerecht zu werden. Um den heutigen Bewohnern entgegen zu kommen, bieten außerdem nahezu alle Wohnungsunternehmen im Forschungsprojekt Bestandsmietern eine günstigere Miete nach der Modernisierung an als bei Neuvermietungen. Die Differenzen liegen zwischen 0,55 und 1,30 Euro/m2/Monat . Trotzdem erhöht sich die Kaltmiete überall dort, wo Vollmodernisierungen durchgeführt werden, erheblich. Die Spanne liegt zwischen 0,60 und 2,90 Euro/m2/Monat, da die Modernisierungskosten unterschiedlich hoch sind und der Spielraum der Umlegung von Modernisierungskosten von den Wohnungsunternehmen sehr unterschiedlich in Anspruch genommen wird. Weitgehende Warmmietenneutralität der Modernisierung (Warmmietenerhöhung unter 5 %) wird bei Vollmodernisierung nur in Berlin erreicht. Die Einzelmaßnahmen in Bochum werden ebenfalls nahezu warmmietenneutral umgesetzt. In den anderen Projekten ergeben sich Erhöhungen der Warmmiete zwischen 0,34 und 2,98 Euro/m2/Monat bzw. zwischen 6 und 48 % für Bestandsmieter – in der Neuvermietung verteuern sich die Wohnungen erheblich mehr. Die Mieterhöhungen resultieren allerdings nicht allein aus der energetischen Sanierung. Da eine energetische Sanie- 3 https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/BBSROnline/2015/DL_ON062015.pdf?__blob=publication File&v=4 (letzter Abruf: 21.03.2018) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 12 rung aus Sicht eines vollständigen Finanzplans oftmals nur im Zusammenhang mit einer umfassenden Modernisierung des Bestandes Sinn macht und bei der Wahl der Modernisierungsmaßnahmen Aspekte der zukünftigen Nachfrageentwicklung berücksichtigt werden müssen, ergibt sich ein hoher Investitionsbedarf. Nur in einem Konzeptgebiet – dem Märkischen Viertel – gelingt eine warmmietenneutrale Modernisierung . Dies ist den besonderen Rahmenbedingungen geschuldet (Nutzung von Mengeneffekten und damit Reduzierung der Baukosten, hohe Betriebskosten vor Sanierung). Eine andere Möglichkeit, Mietsteigerungen gering zu halten, ist der Einsatz besonderer Fördermittel, die im Rahmen der Wohnraumförderung der Länder bereitgestellt werden. Dies geschieht z.B. in Potsdam -Drewitz, wo es beim ersten Modernisierungsprojekt gelingt, trotz umfassender Maßnahmen für Bestandsmieter eine ALG II-fähige Miete zu halten. Nach Aussagen des Unternehmens wird dieser Mietpreis explizit zur Sicherung der Sozialverträglichkeit umgesetzt. Die Preisbildung ist allerdings auch in Potsdam mit einem Renditeverzicht verbunden. Eine weitere Strategie sind Staffelmieten bzw. temporäre Mietverzichte, durch die die Miete für Bestandsmieter zunächst nur moderat erhöht wird.“ Zur Kopplung mit einer allgemeinen Modernisierung heißt es (S. 55): „Die energetischen Sanierungsmaßnahmen werden zumeist mit weiteren Modernisierungsmaßnahmen und Anpassungen des Wohnungsbestandes kombiniert, was zu hohen Investitionskosten und damit Erhöhungen der Kaltmiete führt. Auch wenn die warmen Betriebskosten in der Regel reduziert und im Grundsatz warmmietenneutrale Modernisierungen angestrebt, ist die Warmmietenneutralität nur in Ausnahmesituationen zu erreichen. Einsparungen durch Verbrauchsreduktion werden nicht selten durch Preisbildung im Energiemarkt neutralisiert. Teilweise entstehen durch die Modernisierung neue Nebenkostenpositionen, wie z.B. die Wartung eines neuen Fahrstuhls .“ Deutsche Umwelthilfe e.V. Deutsche Umwelthilfe e.V. führt in ihrem 2017 erschienen Hintergrundpapier „Energetische Gebäudesanierung , Fragen und Antworten zur Wirtschaftlichkeit“ 4 wie folgt aus (S. 5): „Insgesamt wirken energetische Sanierungen dämpfend auf die Energiekosten und Energiepreissteigerungen . Sie schützen so auch vor dem Risiko steigender Mietnebenkosten fürs Heizen. Steigende Mieten, gerade in Städten und Ballungsräumen, sind vor allem auf die dort angespannte Lage im Mietwohnungsmarkt und das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage zurückzuführen und weniger auf die energetische Sanierung.“ 4 http://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Projektinformation/Energieeffizienz/Gebaeude/Hintergrundpapier _Wirtschaftlichkeit-Gebaeudesanierung_171004.pdf (letzter Abruf: 21.03.2018) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 13 Berliner Mieterverein e.V. Der Berliner Mieterverein e.V. kommt in seiner im Jahr 2017 erschienenen Studie „Mieterhöhungen nach Modernisierung und Energieeinsparung“ 5, in der über 200 Sanierungsmaßnahmen im Berliner Gebäudebestand analysiert wurden, zu folgendem Fazit (S. 15 f.): 5 https://www.berliner-mieterverein.de/downloads/pm-1725-modernisierung-bmv-kurzstudie.pdf (letzter Abruf: 21.03.2018) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 14 Exkurs: Schweiz Die B.S.S. Volkswirtschaftliche Beratung AG sowie die Basler & Hofmann AG haben im Jahr 2015 den Schlussbericht „Energetische Sanierung: Auswirkungen auf Mietzinsen“ 6, der im Auftrag der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Bundesamt für Energie BFE/Bundesamt für Wohnungswesen , BWO) erfolgte, vorgelegt. Der Schlussbericht analysiert 10 größere Liegenschaften (Fallbeispiele), die in jüngerer Zeit auch unter Berücksichtigung von energetischen Gesichtspunkten saniert wurden und kommt dabei zu folgenden Ergebnissen (S. 44): 6 https://static.nzz.ch/files/7/5/7/Sanierungen_1.18518757.pdf (letzter Abruf: 21.03.2018) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 15 „Aus Eigentümersicht sind die Sanierungskosten generell und auch die energetischen Sanierungsmaßnahmen meist rentabel. Energetische Sanierungsmaßnahmen werden meist im Rahmen einer Totalsanierung durchgeführt. Eine energetische Verbesserung führt zu etwas höheren Investitionskosten , die wie andere wertvermehrende Investitionen zu einer Mietzinserhöhung führen können. Die Rentabilität der energetischen Sanierung entspricht durch diese Betrachtungsweise grundsätzlich der Rentabilität der wertvermehrenden Sanierungsmaßnahmen. Die Internal Rate of Return (IRR)7 der Investitionen liegt bei 8 Objekten zwischen 2 und 8 %. Bei einem Objekt liegt der IRR lediglich bei 1%, bei einem Objekt bei 16%. Aus Mietersicht ist die Frage relevant, ob durch die energetische Sanierung unter Berücksichtigung der Energieeinsparung eine Mehrbelastung entsteht. Tatsächlich sind die auf energetische Sanierungen zurückzuführenden Mietzinserhöhungen in den allermeisten Fällen höher als die Kosteneinsparungen, die aus dem reduzierten Energieverbrauch resultieren. Mieter sind also mit einer Nettomehrbelastung konfrontiert. Gleichzeitig steigt aber auch der Wohnkomfort. Eine Ausnahme ist das Fallbeispiel 8: hier wurde durch den Ersatz der Fenster eine Investition getätigt, die zu einer Mietzinserhöhung führt, die kleiner ist als die Energiekosteneinsparung. Ein Mieterwechsel im Rahmen einer Sanierung führt tendenziell dazu, dass die Mietzinserhöhung höher ausfällt. Nichtdestotrotz wurde die bei bestehenden Mietverhältnissen potentiell mögliche Mietzinserhöhung sowohl bei bestehend bleibendem wie auch bei einem wechselnden Mietverhältnis nicht immer ausgeschöpft. Daraus kann geschlossen werden, dass die erzielbaren Marktpreise in manchen Regionen bzw. für manche Objekte bereits erreicht sind und daher die wertvermehrenden Investitionen nicht voll auf die Miete überwälzt werden können. Dies macht energetische Sanierungen dann für Eigentümer wiederum weniger attraktiv. Wir können also zusammenfassend folgende Ergebnisse festhalten: • Energetische Sanierungen führen in den meisten Fällen zu einer Mehrbelastung für Mieter, auch unter Berücksichtigung der reduzierten Energiekosten. • Aus Eigentümersicht macht der durch die energetische Sanierung induzierte Mietzinsaufschlag die Sanierung meist ökonomisch rentabel. • Ein Mieterwechsel führt dazu, dass die Mieten nach einer Sanierung stärker erhöht werden, sofern der Markt dies zulässt.“ 3. Weitere Quellen Heinrich-Böll-Stiftung, 2014, Energetisch modernisieren bei fairen Mieten? Ein Gutachten von Armin Hentschel und Julian Hopfenmüller, Band 37 der Schriftenreihe Ökologie, Herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung 2014. https://www.boell.de/sites/default/files/endf_energetisch_modernisieren_bei_fairen_mietenweb .pdf (letzter Abruf: 21.03.2018) Nymoen Strategieberatung GmbH & Co. Kg, 2015, STUDIE: Sanierungsfahrpläne für den Wärmemarkt : Welchen Beitrag kann der Mietwohnungsbau sozialverträglich leisten? http://www.nymoen-strategieberatung.de/fileadmin/user_upload/Veroeffentlichungen/NSB_Studie _Inhalt_A4_RZ.pdf (letzter Abruf: 21.03.2018) 7 Interne Verzinsung (Anm. Verfasser) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 020/18 Seite 16 Bastian Kossmann (EnWorKS)/Georg von Wangenheim (EnWorKS)/Bernhard Gill (LoPa), 2016, Wege aus dem Vermieter-Mieter-Dilemma bei der energetischen Modernisierung: Einsparabhängige statt kostenabhängige Refinanzierung. https://www.uni-kassel.de/fb07/fileadmin/datas/fb07/5-Institute/IWR/Deckert/EnWorks_Dateien /Einsparabhaengiger-Mietaufschlag-Langfassung.pdf (letzter Abruf: 21.03.2018) Bund Deutscher Architekten (BDA), 2013, Stadtquartiere sanieren: Sozial Ökologisch Ästhetisch. https://bda-bund.de/wp-content/uploads/2016/06/Stadtquartiere-sanieren.pdf (letzter Abruf: 21.03.2018) ***