© 2018 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 019/18 Erfasste Gefahren der bergrechtlichen Schadenshaftung und Voraussetzungen für die obligatorische Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 019/18 Seite 2 Erfasste Gefahren der bergrechtlichen Schadenshaftung und Voraussetzungen für die obligatorische Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 019/18 Abschluss der Arbeit: 23. Februar 2018 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 019/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Bergschadenshaftung nach §§ 114 ff. BBergG 4 2.1. Rechtliche Grundzüge der Bergschadenshaftung 4 2.2. Bergschadenshaftung bei Grubenwasseranstieg nach Beendigung des bergbaulichen Gewinnungsbetriebs 6 3. Strategische Umweltprüfung nach §§ 33 ff. UVP-G 7 3.1. Rechtliche Vorgaben für die Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung 7 3.1.1. Pflicht zur Durchführung einer SUP nach § 35 UVPG 8 3.1.1.1. Bereichsabhängige obligatorische SUP bei Plänen und Programmen der Anlage 5 Nr. 1 UVPG 9 3.1.1.2. Bereichsabhängige konditionale SUP bei Plänen und Programmen der Anlage 5 Nr. 2 UVPG 11 3.1.1.3. Vorprüfungsabhängige konditionale SUP 12 3.1.2. Pflicht zur Durchführung einer gebietsbezogenen SUP nach § 36 UVPG 12 3.2. SUP-Pflicht bei bergrechtlichen Grubenflutungen 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 019/18 Seite 4 1. Einleitung Der vorliegende Sachstand setzt sich mit zwei Detailfragen auseinander, die im Zusammenhang mit bestimmten bergbaulichen Aktivitäten auftreten können. So ist zum einen zu klären, inwieweit die rechtlichen Vorgaben der §§ 114 ff. Bundesberggesetz (BBergG)1 zur Bergschadenshaftung auch Gefahren durch das Ansteigen von Grubenwasser insbesondere nach Beendigung des Bergbaubetriebs erfassen. Zum anderen wird der Frage nachgegangen, ob eine großflächige, komplexe Grubenflutung die vorherige Durchführung einer strategischen Umweltprüfung nach den §§ 33 ff. Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG)2 in Verbindung mit Anlage 5 UVPG grundsätzlich notwendig macht. Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich dabei im Wesentlichen auf die Erläuterung der grundsätzlichen Rechtslage, da die Entscheidung konkreter Einzelfälle ganz wesentlich von den jeweiligen Umständen und Tatsachen abhängt. Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages nicht für die Erteilung von Rechtsauskünften im Einzelfall zuständig sind.3 2. Bergschadenshaftung nach §§ 114 ff. BBergG Nachfolgend wird der Frage nachgegangen, ob die Bergschadenshaftung nach den §§ 114 ff. BBergG auch Gefahren durch das Ansteigen von Grubenwasser insbesondere nach Beendigung des Bergbaubetriebs erfasst. 2.1. Rechtliche Grundzüge der Bergschadenshaftung Der Bergschadenshaftung greift nach § 114 Abs. 1 BBergG ein, wenn „infolge der Ausübung einer der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Tätigkeiten oder durch eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Einrichtungen (Bergbaubetrieb) ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt (Bergschaden)“ wird. In diesen Fällen ist nach den §§ 115 bis 120 BBergG Ersatz zu leisten. Dabei regelt § 114 Abs. 2 BBergG die Fälle, in denen kein Bergschaden im Sinne der Norm vorliegt. Danach ist „Bergschaden im Sinne des Absatzes 1 […] nicht 1. ein Schaden, der an im Bergbaubetrieb beschäftigten Personen oder an im Bergbaubetrieb verwendeten Sachen entsteht, 1 Bundesberggesetz vom 13.08.1980, BGBl. I S. 1310; zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.07.2017, BGBl. I S. 2808. 2 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.02.2010, BGBl. I S. 94; zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.09.2017, BGBl. I S. 3370. 3 Deutscher Bundestag (2016). Leitfaden für die Unterabteilung der Wissenschaftlichen Dienste (WD). Stand: 18.02.2016. S. 5. Link (Intranet des Deutschen Bundestages): https://www.bundestag.btg/ButagVerw/W/Fachbereiche /Leitfaden_Fachbereiche.pdf (letzter Abruf: 23.02.2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 019/18 Seite 5 2. ein Schaden, der an einem anderen Bergbaubetrieb oder an den dem Aufsuchungs- oder Gewinnungsrecht eines anderen unterliegenden Bodenschätzen entsteht, 3. ein Schaden, der durch Einwirkungen entsteht, die nach § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht verboten werden können, 4. ein Nachteil, der durch Planungsentscheidungen entsteht, die mit Rücksicht auf die Lagerstätte oder den Bergbaubetrieb getroffen werden und 5. ein unerheblicher Nachteil oder eine unerhebliche Aufwendung im Zusammenhang mit Maßnahmen der Anpassung nach § 110.“ Liegt ein Bergschaden vor, so haftet nach § 115 Abs. 1 BBergG grundsätzlich der Unternehmer, „der den Bergbaubetrieb zur Zeit der Verursachung des Bergschadens betrieben hat oder für eigene Rechnung hat betreiben lassen.“ Gemeinsam mit diesem Unternehmer haftet nach § 116 Abs. 1 BBergG „auch der Inhaber der dem Bergbaubetrieb zugrundeliegenden Berechtigung zur Aufsuchung oder Gewinnung (Bergbauberechtigung)“. Diese Regelung deckt den Fall ab, in dem der Unternehmer nach § 115 BBergG mit dem Inhaber der Bergbauberechtigung nicht identisch ist.4 Nach § 117 Abs. 1 BBergG richtet sich der Umfang des Schadensersatzes nach den §§ 249 bis 252 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)5. Im Fall von Personenschäden bestimmt sich der Umfang ergänzend nach den §§ 842 ff. BGB.6 Die Schadenssummen werden jedoch durch § 117 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BBergG folgendermaßen begrenzt: „1. Im Falle der Tötung oder Verletzung eines Menschen haftet der Ersatzpflichtige für jede Person bis zu einem Kapitalbetrag von 600.000 Euro oder bis zu einem Rentenbetrag von jährlich 36.000 Euro. 2. Im Falle einer Sachbeschädigung haftet der Ersatzpflichtige nur bis zur Höhe des gemeinen Wertes der beschädigten Sache; dies gilt nicht für die Beschädigung von Grundstücken, deren Bestandteilen und Zubehör.“ Regelungen über ein mitwirkendes Verschulden des Geschädigten und die mitwirkende Verursachung eines Dritten am Schadensereignis sind Gegenstand der §§ 118, 119 BBergG. 4 Zu den verschiedenen Bergbauberechtigungen des BBergG vgl. §§ 6 ff. BBergG. Für die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen ist ein Betriebsplan aufzustellen, der bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen durch die zuständige Behörde zuzulassen ist (vgl. § 51 ff. BBergG). Eine Identität zwischen dem Inhaber der erforderlichen Bergbauberechtigung und dem Bergbauunternehmer im Sinne des § 4 Abs. 5 BBergG ist nicht Voraussetzung dieser Zulassung. 5 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002, BGBl. I S. 42, 2909 (2003 I S. 738); zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.07.2017, BGBl. I S. 2787. 6 So Schulte, Hans-Wolfgang (2013). In: Piens, Reinhart/Schulte, Hans-Wolfgang/Graf Vitzthum, Stephan. Bundesberggesetz (BBergG). Kommentar. 2. Auflage 2013. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer. § 114 Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 019/18 Seite 6 Und schließlich begründet § 120 BBergG für den Fall eines Rechtsstreits über den Ersatz von Schäden aus Maßnahmen der untertägigen Aufsuchung und Gewinnung zugunsten des Geschädigten durch Einführung einer Vermutung eine Beweiserleichterung (Bergschadensvermutung).7 In Abweichung vom zivilprozessualen Grundsatz, dass ein Kläger sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen und damit auch die Kausalität zwischen schädigender Handlung und schädigendem Ereignis (haftungsbegründende Kausalität) darlegen und im Falle des Bestreitens durch den Beklagten auch beweisen muss, um mit seiner Klage Erfolg zu haben, ermöglicht § 120 BBergG dem Kläger eine erleichterte Darlegungs- und Beweisführung.8 Er muss nur noch die Tatsachen darlegen und beweisen, die § 120 BBergG für das Eingreifen der Vermutung aufstellt, dass der Schaden durch den Bergbaubetrieb verursacht worden ist.9 Diese Vermutung kann durch den Unternehmer erschüttert werden, wenn er das Vorliegen der Voraussetzungen des § 120 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 oder 2 BBergG darlegt und beweist.10 Daneben steht ihm die Möglichkeit des Vollbeweises einer anderweitigen Schadensursache selbstverständlich auch offen.11 Damit die Bergschadensvermutung aber überhaupt greift, müssen die in der Norm genannten drei Voraussetzungen erfüllt sein: - Vorliegen eines Schadens im Einwirkungsbereich der untertägigen Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen, - Vorliegen von Bodenverformungen, die auf die bauliche Anlage eingewirkt und den Schaden verursacht haben, - Schaden muss seiner Art nach ein Bergschaden sein können.12 2.2. Bergschadenshaftung bei Grubenwasseranstieg nach Beendigung des bergbaulichen Gewinnungsbetriebs Wie gezeigt, ist eine der Voraussetzungen für das Eingreifen der Bergschadensvermutung des § 120 BBergG, dass der Schaden im Einwirkungsbereich eines untertägigen Bergbaubetriebs entstanden sein muss. Zur Feststellung des Einwirkungsbereichs bergbaulicher Vorhaben auf der 7 So Schulte, Hans-Wolfgang (2013). A. a. O. (Fn. 6). § 120 Rn. 1. 8 Dazu Schulte, Hans-Wolfgang (2013). A. a. O. (Fn. 6). § 120 Rn. 8 ff.; Schubert, Wolfgang (2016). In: Boldt, Gerhardt/Weller, Herbert/Kühne, Gunther/von Mäßenhausen, Hans-Ulrich. Bundesberggesetz (BBergG). Kommentar . 2. Auflage 2016. Berlin: De Gruyter. § 120 Rn. 1 ff. 9 So Schulte, Hans-Wolfgang (2013). A. a. O. (Fn. 6). § 120 Rn. 10. 10 Schulte, Hans-Wolfgang (2013). A. a. O. (Fn. 6). § 120 Rn. 17 ff.; Schubert, Wolfgang (2016). A. a. O. (Fn. 8). § 120 Rn. 28 ff. 11 So Schubert, Wolfgang (2016). A. a. O. (Fn. 8). § 120 Rn. 28. 12 Schulte, Hans-Wolfgang (2013). A. a. O. (Fn. 6). § 120 Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 019/18 Seite 7 Oberfläche wird auf die in der Bergverordnung über Einwirkungsbereiche (EinwirkungsBerV)13 normierten Kriterien und Methoden zurückgegriffen.14 Allerdings lässt sich das Problem des Wiederanstiegs von Grubenwasser in untertägigen Bergwerken als Folge der Beendigung von Pumpmaßnahmen nicht ohne Weiteres in die Systematik der Bergschadenshaftung einordnen, da in diesem Fall eine für die Fortführung des Bergbaubetriebs bisher notwendige Tätigkeit gerade nicht mehr ausgeübt, sondern beendet wird.15 Allerdings wird das Abstellen der Pumpen als Teil der betriebsbegleitenden Wasserhaltung angesehen und damit unmittelbar dem Bergbaubetrieb zugerechnet.16 Darüber hinaus treffen die im Grubengebäude befindlichen Grubenwässer nach der Einstellung der Wasserhaltung auf eine durch den Bergbau geschaffene veränderte Situation und lösen damit ein durch die vorangegangene Gewinnung begründetes Risiko aus.17 Insofern besteht eine vergleichbare Situation wie bei durch den untertägigen Abbau geschaffenen Hohlräumen, die sich Jahre nach Beendigung des Abbaus durch den Druck des Deckgebirges schließen oder aufgrund anderer Ursachen plötzlich einbrechen und dadurch Bodenbewegungen an der Oberfläche auslösen.18 3. Strategische Umweltprüfung nach §§ 33 ff. UVP-G Nachfolgend wird der Frage nachgegangen, ob für eine großflächige, komplexe Grubenflutung stets eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen ist. 3.1. Rechtliche Vorgaben für die Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung Die Strategische Umweltprüfung (SUP) lässt sich als ein Verfahrensinstrument charakterisieren, durch das eine Berücksichtigung positiver und negativer Umweltauswirkungen bei der Aufstellung , Änderung und Annahme von bestimmten Plänen und Programmen gewährleistet werden soll.19 Die §§ 33 bis 46 UVPG beinhalten die maßgeblichen Regelungen. Dabei normieren die 13 Einwirkungsbereichs-Bergverordnung vom 11.11.1982, BGBl. I S. 1553, 1558; zuletzt geändert durch Verordnung vom 18.10.2017, BGBl. I S. 3584. 14 Schubert, Wolfgang (2016). A. a. O. (Fn. 8). § 120 Rn. 14 ff.; Schulte, Hans-Wolfgang (2013). A. a. O. (Fn. 6). § 120 Rn. 13 f. 15 So Schulte, Hans-Wolfgang (2013). A. a. O. (Fn. 6). § 114 Rn. 17. 16 Schubert, Wolfgang (2016). A. a. O. (Fn. 8). § 114 Rn. 38 mit weiteren Nachweisen. 17 So Schulte, Hans-Wolfgang (2013). A. a. O. (Fn. 6). § 114 Rn. 17. 18 So Schulte, Hans-Wolfgang (2013). A. a. O. (Fn. 6). § 114 Rn. 17. 19 So Leidinger, Tobias (2012). In: Hoppe, Werner/Beckmann, Martin. Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Kommentar. 4. Auflage 2012. Köln: Carl Heymanns. § 14a Rn. 1. Vgl. auch § 33 UVPG. Hinweis: Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.07.2017 (BGBl. I S. 2808) war die SUP Regelungsgegenstand der §§ 14a bis 14n UVPG. Die rechtlichen Vorgaben für die Durchführung der SUP wurden durch dieses Gesetz jedoch nicht substantiell geändert. Vgl. BGBl. I (2017) S. 2819 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 019/18 Seite 8 §§ 33 bis 37 UVPG die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen eine SUP durchzuführen ist. Die §§ 38 bis 46 UVPG regeln die einzelnen Verfahrensschritte einer SUP. Nach § 33 UVPG ist die SUP ein „unselbständiger Teil behördlicher Verfahren zur Aufstellung oder Änderung von Plänen und Programmen.“ Nach § 2 Abs. 7 UVPG sind Pläne und Programme im Sinne des UVPG „nur solche bundesrechtlich oder durch Rechtsakte der Europäischen Union vorgesehenen Pläne und Programme, die 1. von einer Behörde ausgearbeitet und angenommen werden, 2. von einer Behörde zur Annahme durch eine Regierung oder im Wege des Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet werden oder 3. von einem Dritten zur Annahme durch eine Behörde ausgearbeitet werden.“ Nach § 34 Abs. 1 UVPG stellt die zuständige Behörde frühzeitig fest, „ob nach den §§ 35 bis 37 eine Verpflichtung zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung (SUP-Pflicht) besteht.“ 3.1.1. Pflicht zur Durchführung einer SUP nach § 35 UVPG Dabei lautet § 35 UVPG auszugsweise: „§ 35 SUP-Pflicht in bestimmten Plan- oder Programmbereichen und im Einzelfall (1) Eine Strategische Umweltprüfung ist durchzuführen bei Plänen und Programmen, die 1. in der Anlage 5 Nr. 1 aufgeführt sind oder 2. in der Anlage 5 Nr. 2 aufgeführt sind und für Entscheidungen über die Zulässigkeit von in der Anlage 1 aufgeführten Vorhaben oder von Vorhaben, die nach Landesrecht einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorprüfung des Einzelfalls bedürfen, einen Rahmen setzen. (2) Bei nicht unter Absatz 1 fallenden Plänen und Programmen ist eine Strategische Umweltprüfung nur dann durchzuführen, wenn sie für die Entscheidung über die Zulässigkeit von in der Anlage 1 aufgeführten oder anderen Vorhaben einen Rahmen setzen und nach einer Vorprüfung im Einzelfall im Sinne von Absatz 4 voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. […] (3) Pläne und Programme setzen einen Rahmen für die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben, wenn sie Festlegungen mit Bedeutung für spätere Zulassungsentscheidungen insbesondere zum Bedarf, zur Größe, zum Standort, zur Beschaffenheit, zu Betriebsbedingungen von Vorhaben oder zur Inanspruchnahme von Ressourcen, enthalten. […]“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 019/18 Seite 9 3.1.1.1. Bereichsabhängige obligatorische SUP bei Plänen und Programmen der Anlage 5 Nr. 1 UVPG Wie sich aus § 35 Abs. 1 Nr. 1 UVPG ergibt, ist die Durchführung einer SUP grundsätzlich20 in jedem Fall erforderlich, wenn es sich um Pläne oder Programme handelt, die in der Anlage 5 Nr. 1 UVPG aufgeführt sind (bereichsabhängige obligatorische SUP).21 Dies gilt für „1.1 Verkehrswegeplanungen auf Bundesebene einschließlich Bedarfspläne nach einem Verkehrswegeausbaugesetz des Bundes, 1.2 Ausbaupläne nach § 12 Absatz 1 des Luftverkehrsgesetzes, wenn diese bei ihrer Aufstellung oder Änderung über den Umfang der Entscheidung nach § 8 Absatz 1 und 2 des Luftverkehrsgesetzes wesentlich hinausreichen 1.3 Risikomanagementpläne nach § 75 des Wasserhaushaltsgesetzes und die Aktualisierung der vergleichbaren Pläne nach § 75 Absatz 6 des Wasserhaushaltsgesetzes 1.4 Maßnahmenprogramme nach § 82 des Wasserhaushaltsgesetzes 1.5 Raumordnungsplanungen nach § 13 des Raumordnungsgesetzes 1.6 Raumordnungsplanungen des Bundes nach § 17 Absatz 1 und 2 des Raumordnungsgesetzes 1.7 (weggefallen) 1.8 Bauleitplanungen nach den §§ 6 und 10 des Baugesetzbuchs 1.9 Maßnahmenprogramme nach § 45h des Wasserhaushaltsgesetzes 1.10 Bundesbedarfspläne nach § 12e des Energiewirtschaftsgesetzes 1.11 Bundesfachplanungen nach den §§ 4 und 5 des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz 1.12 Nationale Aktionsprogramme nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (ABl. L 375 vom 31.12.1991, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 1137/2008 (ABl. L 311 vom 21.11.2008, S. 1) geändert worden ist 1.13 Das Nationale Entsorgungsprogramm nach § 2c des Atomgesetzes 20 Für Ausnahmen von der SUP-Pflicht vgl. § 37 UVPG. Danach entfällt die SUP-Pflicht etwa dann, wenn Pläne und Programme nach § 35 Abs. 1 UVPG nur geringfügig geändert werden. 21 Vgl. Leidinger, Tobias (2012). A. a. O. (Fn. 19). § 14b Rn. 4 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 019/18 Seite 10 1.14 Bundesfachpläne Offshore nach § 17a des Energiewirtschaftsgesetzes 1.15 Festlegung der Standortregionen für die übertägige Erkundung nach § 15 Absatz 3 des Standortauswahlgesetzes 1.16 Festlegung der Standorte für die untertägige Erkundung nach § 17 Absatz 2 des Standortauswahlgesetzes 1.17 Flächenentwicklungspläne nach § 5 des Windenergie-auf-See-Gesetzes 1.18 Feststellung der Eignung einer Fläche und der installierten Leistung auf der Fläche nach § 12 Absatz 5 des Windenergie-auf-See-Gesetzes“ Dabei dienen Risikomanagementpläne nach § 75 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)22 dazu, die nachteiligen Folgen, die an oberirdischen Gewässern mindestens von einem Hochwasser mit mittlerer Wahrscheinlichkeit und beim Schutz von Küstengebieten mindestens von einem Extremereignis ausgehen, zu verringern, soweit dies möglich und verhältnismäßig ist.23 In den Maßnahmenprogrammen nach § 82 WHG sind grundlegende sowie ergänzende Maßnahmen zur Erreichung der wasserrechtlichen Bewirtschaftungsziele nach Maßgabe der §§ 27 bis 31, 44 und 47 WHG aufzunehmen. Danach sind insbesondere nachteilige Veränderungen des ökologischen und chemischen Zustands zu vermeiden und ein guter ökologischer und chemischer Zustand der oberirdischen Gewässer zu erhalten oder zu erreichen.24 Diese Ziele sollen u. a. mittels Maßnahmen zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Wasserschutzvorschriften sowie Maßnahmen , die die effiziente und nachhaltige Wassernutzung fördern bzw. die Entnahme von Oberflächensüßwasser und Grundwasser begrenzen, erreicht werden.25 Maßnahmenprogramme nach § 45h WHG stellen schließlich ein Mittel zur Bewirtschaftung von Meeresgewässern dar.26 22 Wasserhaushaltsgesetz vom 31.07.2009, BGBl. I S. 2585; zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.07.2017, BGBl. I S. 2771. 23 So Leidinger, Tobias (2012). In: Hoppe, Werner/Beckmann, Martin. Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Kommentar. 4. Auflage 2012. Köln: Carl Heymanns. Anlage 3 UVPG Rn. 16. 24 So Leidinger, Tobias (2012). A. a. O. (Fn. 23). Anlage 3 UVPG Rn. 18. 25 So Leidinger, Tobias (2012). A. a. O. (Fn. 23). Anlage 3 UVPG Rn. 18. 26 So Leidinger, Tobias (2012). A. a. O. (Fn. 23). Anlage 3 UVPG Rn. 27. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 019/18 Seite 11 3.1.1.2. Bereichsabhängige konditionale SUP bei Plänen und Programmen der Anlage 5 Nr. 2 UVPG Nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 UVPG ist darüber hinaus eine SUP bei Plänen und Programmen durchzuführen , die in der Anlage 5 Nr. 2 aufgeführt sind und für nachfolgende konkrete Zulassungsentscheidungen einen Rahmen setzen (bereichsabhängige konditionale SUP).27 Die Anlage 5 Nr. 2 UVPG führt die nachfolgenden Pläne und Programme auf: „2.1 Lärmaktionspläne nach § 47d des Bundes-Immissionsschutzgesetzes 2.2 Luftreinhaltepläne nach § 47 Absatz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes 2.3 Abfallwirtschaftskonzepte nach § 21 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes 2.4 Fortschreibung der Abfallwirtschaftskonzepte nach § 16 Absatz 3 Satz 4, 2. Alternative des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2705), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 6. Oktober 2011 (BGBl. I S. 1986) geändert worden ist, 2.5 Abfallwirtschaftspläne nach § 30 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, einschließlich von besonderen Kapiteln oder gesonderten Teilplänen über die Entsorgung von gefährlichen Abfällen, Altbatterien und Akkumulatoren oder Verpackungen und Verpackungsabfällen 2.6 Abfallvermeidungsprogramme nach § 33 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes 2.7 Operationelle Programme aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung, dem Europäischen Sozialfonds, dem Kohäsionsfonds und dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes 2.8 [bis] 2.11 (zukünftig in Kraft) 2.12 Aktionspläne nach § 40d des Bundesnaturschutzgesetzes“ Liegen derartige Pläne oder Programme im Einzelfall vor, ist nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 UVPG nur dann eine SUP durchzuführen, wenn diese Pläne oder Programme einen Rahmen für Vorhaben setzen, die ihrerseits einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) oder einer Vorprüfungspflicht unterliegen. Ob diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall vorliegen, ist im Rahmen einer komplexen rechtlichen Prüfung zu ermitteln und entzieht sich damit einer generellen Beantwortung .28 27 Leidinger, Tobias (2012). A. a. O. (Fn. 19). § 14b Rn. 12 ff. 28 Vgl. dazu Leidinger, Tobias (2012). A. a. O. (Fn. 19). § 14b Rn. 16 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 019/18 Seite 12 3.1.1.3. Vorprüfungsabhängige konditionale SUP Liegen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 UVPG nicht vor, ist nach § 35 Abs. 2 UVPG dennoch eine SUP bei Plänen und Programmen durchzuführen, die einen Rahmen für die Zulässigkeit bestimmter Vorhaben setzen, und eine Vorprüfung des Einzelfalls nach den maßgeblichen rechtlichen Vorgaben der §§ 4 ff. UVPG (Screening) ergibt, dass der Plan oder das Programm erhebliche Umweltauswirkungen haben kann. Die SUP-Pflicht ist hier folglich zum einen von der Bejahung der Rahmensetzung und zum anderen vom Ergebnis der Vorprüfung des Einzelfalls hinsichtlich voraussichtlich eintretender, erheblicher Umweltauswirkungen abhängig (vorprüfungsabhängige konditionale SUP).29 Ob diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall vorliegen, ist im Rahmen einer komplexen rechtlichen Prüfung bei Kenntnis sämtlicher Umstände zu ermitteln und entzieht sich der pauschalen Beantwortung. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber in Bezug auf den Anwendungsbereich des § 35 Abs. 2 UVPG davon ausgegangen ist, dass keine bundesrechtlich vorgesehenen Pläne oder Programme bestehen, die dieser Norm unterfallen würden.30 3.1.2. Pflicht zur Durchführung einer gebietsbezogenen SUP nach § 36 UVPG Nach § 36 UVPG ist darüber hinaus eine SUP durchzuführen „bei Plänen und Programmen, die einer Verträglichkeitsprüfung nach § 36 Satz 1 Nummer 2 des Bundesnaturschutzgesetzes unterliegen .“ Die Norm ordnet eine gebietsbezogene obligatorische SUP für die Fälle an, in denen Pläne oder Programme im Sinne des § 2 Abs. 7 UVPG in Rede stehen, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf Gebiete mit gemeinschaftlicher Bedeutung (Natura 2000-Gebiete) oder europäische Vogelschutzgebiete haben.31 Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist im Rahmen einer komplexen Einzelfallprüfung zu ermitteln und entzieht sich daher der generellen Beantwortung. 3.2. SUP-Pflicht bei bergrechtlichen Grubenflutungen Auf Grundlage der dargestellten rechtlichen Vorgaben zur SUP-Pflicht lässt sich die Frage, ob bei großflächigen, komplexen Grubenflutungen stets eine SUP durchzuführen ist, folgendermaßen beantworten: Eine SUP-Pflicht im Falle einer Grubenflutung bestünde nur dann, wenn diese Grubenflutung Bestandteil eines Plans oder Programms im Sinne des § 2 Abs. 7 UVPG und die SUP-Pflicht nicht nach § 37 UVPG ausgeschlossen wäre. Des Weiteren müsste es sich um einen Plan oder ein Programm im Sinne der Anlage 5 UVPG handeln und die oben dargestellten weiteren Voraussetzungen müssten vorliegen. Sollte die Grubenflutung Bestandteil eines nicht von Anlage 5 UVPG erfassten Plans oder Programms sein, wäre die Durchführung einer SUP nur bei Vorliegen der oben dargestellten Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 UVPG obligatorisch. Wären auch diese Voraussetzungen nicht erfüllt, käme eine SUP-Pflicht für eine Grubenflutung nur in Betracht, wenn der 29 Leidinger, Tobias (2012). A. a. O. (Fn. 19). § 14b Rn. 20 ff. 30 So Leidinger, Tobias (2012). A. a. O. (Fn. 19). § 14b Rn. 22. 31 Dazu Leidinger, Tobias (2012). A. a. O. (Fn. 19). § 14c Rn. 1 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 019/18 Seite 13 diese Maßnahme beinhaltende Plan oder das Programm die Voraussetzungen des § 36 UVPG erfüllte . * * *