AUSARBEITUNG Thema: GVO in Futtermitteln, Futterzusatzstoffen, Veterinär-Medikamenten und Impfstoffen Fachbereich V Wirtschaft und Technologie; Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Angelegenheiten der neuen Länder; Tourismus Tel.: Bearbeiter: Abschluss der Arbeit: 13. Februar 2006 Reg.-Nr.: WF V - 019/06 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. 2 1. Vorbemerkung In den nachfolgenden Ausführungen werden die Begriffsdefinitionen des europäischen Lebens- und Futtermittelrechts verwendet. Futtermittel sind demnach „Stoffe oder Erzeugnisse, auch Zusatzstoffe, verarbeitet, teilweise verarbeitet oder unverarbeitet, die zur oralen Tierfütterung bestimmt sind“. Die Ausführungen beziehen sich folglich – wie auch die Zulassungsbescheide der European Food Safety Authority (EFSA) - größtenteils auf Rohstoffe, die als Einzelfuttermittel oder in Futtermischungen in Verkehr gebracht werden. Eine Auflistung der auf dem Markt befindlichen Fertigfuttermittel mit GVO-Anteilen über 0,9 % und deren Hersteller ist nicht möglich, da sich Zulassung und Kennzeichnungspflichten nicht auf das fertige Produkt, sondern auf die Einzelbestandteile beziehen. Auch wird die Herstellungsweise von Zusatzstoffen zwar im Zulassungsverfahren, nicht aber bei der Kennzeichnung berücksichtigt. Dem entsprechend ist die Frage, in wieweit eine Bewerbung von Lebensmitteln aus tierischer Produktion mit der Bezeichnung „gentechnikfrei“ entsprechend der Vorgaben von Abschnitt 3 der Novel Food – Verordnung (NLV) vom 29. Februar 20001 möglich ist, detailliert nach Maßgabe der Verfügbarkeit von gentechnikfreien Futtermitteln, Zusatzstoffen, Medikamenten und Impfstoffen zu beantworten. Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf eigenen Recherchen zur Markt- Verfügbarkeit gentechnikfreier Futterinhaltsstoffe und auf den Ergebnissen der von der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) im November 2005 veröffentlichten „Machbarkeitsstudie zur Auslobung „gentechnikfrei“ und Vermeidung von GVO bei Lebensmitteln aus tierischer Erzeugung. In dieser Studie wird - nach Maßgabe von Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit – untersucht, ob die mit der deutschen NLV weitgehend identischen Vorgaben des Österreichischen Lebensmittelbuches zur Definition der Gentechnikfreiheit von Erzeugern realistisch eingehalten werden können. Nicht enthalten in dieser Betrachtung sind gentechnisch hergestellte Medikamente und Impfstoffe, da der österreichische Lebensmittelcodex deren Verwendung - im Gegensatz zur NLV – ausdrücklich erlaubt. 1 Verordnung zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten und über die Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Mais sowie über die Kennzeichnung ohne Anwendung gentechnischer Verfahren hergestellter Lebensmittel, BGBL. I S. 124 3 2. Ergebnis Eine Bewerbung von Lebensmitteln mit dem Label „gentechnikfrei“ ist aufgrund der Bestimmungen der NLV zurzeit nur sehr eingeschränkt möglich2. Während gentechnikfreie Futtermittel hinreichend verfügbar sind, werden eine Reihe von Zusatzstoffen, die insbesondere in der Schweine- und Geflügelhaltung unabdingbar sind, nur mehr unter Verwendung von Gentechnik hergestellt. Zwar sind die technischen Alternativen zur gentechnikfreien Herstellung dieser Stoffe vorhanden. Die in Frage kommenden Hersteller sind in der weit überwiegenden Mehrheit wegen der anfallenden Infrastruktur- und Kontrollkosten, der wenig gebündelten und diskontinuierlichen Nachfrage und wegen Haftungsproblemen nicht zur Einrichtung entsprechender Produktlinien bereit. Somit ist die Möglichkeit zur Einführung eines Lebensmittel-Labels „gentechnikfrei“ noch am ehesten in der Milch- und Rindfleischproduktion sowie bei Schafen und Ziegen möglich. Hingegen wird es Einzelbetrieben in der Geflügel- und Schweinehaltung kaum möglich sein, die Vorgaben der NLV einzuhalten. Sofern eine Aufweichung der rechtlichen Vorschriften als Lösung nicht in Betracht kommt, erscheinen die Bedingungen eines Labels „gentechnikfrei“ bei Produkten von Monogastriden allenfalls im Rahmen von Großbetrieben mit vertikal integrierten Produktionspfaden oder Zusammenschlüssen einhaltbar. 3. Zulassungen von gentechnisch veränderten Erzeugnissen in Futtermitteln Laut Liste der European Food Safety Authority (EFSA) haben derzeit insgesamt 11 europäische – zur Verwendung als Futtermittel angemeldete - Produktlinien (davon 4 Baumwollsorten, 3 Maissorten, je 1 Soja-, Zuckerrüben-, Kartoffel- und Rapssorte) eine Zulassung nach Verordnung EG 1829/2003.3 Im Prüfungs- und Zulassungsverfahren als Nahrungs- und Futtermittel befinden sich z. Zt. 16 Maissorten und 1 Reissorte. Hinzu kommen 5 Maislinien, 2 Rapssorten und 1 Sojabohne mit alten, d.h. nach den Richtlinien 90/220/EWG und 2001/18/EG erteilten Zulassungen4. 2Die österreichische Studie arbeitet mit der Annahme einer 20% - igen Marktdurchdringung eines entsprechenden Labels. Zwischen konventionellem und biologischem Anbau wird hierbei nicht unterschieden. 3 Amtsblatt der Europäischen Union L 268/1 vom 18.10.2003 4 Liste der zugelassenen Futtermittel in Anlagen 1 und 2, im Verfahren befindliche Futtermittel s. Anl. 3 4 Die alten wie die neuen Zulassungen beziehen sich größtenteils auf die Zwecke „Verwendung als Lebens- und /oder Futtermittel“, zum kleineren Teil auf „Import als Saatgut“ und „Anbau in Europa“. Die vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geführte Liste der für Futtermittel zugelassenen Zusatzstoffe umfasst ca. 750 Positionen. Im Gemeinschaftsregister der EU sind ca. 2500 Stoffe eingetragen. Ob es sich im Einzelfall um gentechnisch hergestellte Stoffe handelt, ist aus den Listen nicht erkennbar. Das Zulassungsverfahren beschränkt sich in diesen Fällen auf Freisetzungsrisiken. Gesundheitliche Risiken für Tiere bzw. Verbraucher gelten als ausgeschlossen. Damit entfällt die Kennzeichnungspflicht. Veterinärmedizinische, unter Verwendung von Gentechnik hergestellte Medikamente sind generell nicht zugelassen. Die zugelassenen, mit Hilfe gentechnischer Verfahren hergestellten Impfstoffen finden sich in den Verordnungen 2309/93/EWG und 726/2004/EG. 4. Verfügbarkeit Während das Hauptmotiv für den rasch expandierenden Anbau von GVO-Soja oder Raps in der Einsparung von Pflanzenschutzmitteln liegt5, ist der wichtigste Grund für die hohen Importvolumina in dem aus der Produktion der EU nicht zu deckenden Eiweißbedarf in der Tierfütterung zu suchen. Aus der Grafik ist zu entnehmen , dass - ausgedrückt in ver- Quelle: DVT-Deutscher Verband Tiernahrung, 2005 daulichem Rohprotein (vRp) - der Importanteil von Eiweißfutter seit Jahren stabil um 25 % (entsprechend 2,5 Mio. to) liegt. Diese Menge entspricht 38,5 % der Inlandsproduktion. Ausgedrückt in Stärke- Einheiten, ist die Inlandsnachfrage zu 87 % aus der heimischen Futterproduktion gedeckt. Die im langjährigen Mittel importierten 7,5 Mio. to entsprechen hierbei 15 % der Inlandsproduktion. Folglich liegt der Schwerpunkt der Importe bei den Eiweißfuttermitteln aus Ölsaaten und Maiskleber. Allein Soja wird im Umfang von ca. 9 Mio. to eingeführt. Hierbei ist im Jahr 2000 ein sprunghafter Anstieg zu verzeichnen. 5 Alle bisher erteilten Zulassungen beziehen sich auf herbizidtolerante und auf schädlingsresistente Pflanzen. Die jährlichen Einsparungen durch Bt-Mais werden allein für die USA auf 25 Mio $ geschätzt. Im Anbau von Bt-Mais in Spanien wurden Nettoertragserhöhungen von 150 €/ha ermittelt 5 Damals mussten in Folge der BSE-Krise ca. 390.000 to Tiermehl durch Soja ersetzt werden. Mit einer Mischfutter-Eigenproduktion von 1,1 Mio. to / 1000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche (LF) liegt Deutschland exakt im Durchschnitt der EU 25. Diese Ziffer ist offenbar eng mit dem Viehbesatz korreliert. Die deutsche Mischfutterproduktion hat in der EU 25 einen Anteil von 14,2 %. Gleichzeitig stehen 16 % der Großvieheinheiten (GVE) in Deutschland (z. Vgl.: Frankreich: 15,7 % / 20,0 %, Italien 9,0 % / 9,2 %). Die vollständige Substitution der importierten Eiweißfuttermittel durch Futtermittel aus heimischem Anbau erscheint – bei gleich bleibender oder steigender Nachfrage – im Hinblick auf diese Zahlen als ausgeschlossen. Wohl aber könnte ein avisiertes Marktsegment von bis zu 20 % GVO-freiem Futter aus Nord- und Südamerikanischen Importen bedient werden. Allerdings sind viele Hersteller in Folge der seit Inkrafttreten der EU-Verordnung 1829/2003 geltenden Kennzeichnungspflicht für GVO-haltige Futtermittel dazu übergegangen, im Zweifelsfall auch gentechnikfreie Futtermittel als GVO-haltig zu deklarieren um sich so gegen Haftungsansprüche bei Verunreinigungen oder versehentlichen Beimischungen zu schützen. Als Reaktion auf die hieraus resultierende Verknappung des Angebots entstand – von Seiten des biologischen Landbaus - eine verstärkte Nachfrage nach „gentechnikfreiem Futter“. Die von Verbänden und Umwelt-Organisationen zusammengestellten Bezugsquellen solchen Futters erwecken auf den ersten Blick den Anschein einer flächendeckend befriedigenden Versorgung6. Bei näherer Betrachtung relativiert sich dieses Bild allerdings erheblich: Das bei der Zusammenstellung verwendete Kriterium des „festen Angebots ungekennzeichneter Futtermittel“ orientiert sich an den Vorgaben der EU- Verordnung 1829/2003, schließt also die nach dieser Verordnung nicht zu kennzeichnenden Zusatzstoffe und Medikamente nicht aus. Somit bezieht sich die entsprechende Zusage der Lieferanten auch ausdrücklich nur auf die enthaltenen Futtermittel. Zudem hat auch ein Teil der „gentechnikfrei“ gelisteten Hersteller aus o.g. Haftungsgründen die Kennzeichnungspraxis inzwischen verändert oder – mangels Nachfrage – das Angebot von gentechnikfreiem Futter gestrichen7. Trotz dieser Einschränkungen kann die Verfügbarkeit von gentechnikfreiem Futter für einzelne Produktionszweige als gegeben betrachtet werden, sofern die Anfragen genügend präzise sind, bzw. die Nachfrage so organisiert ist, dass sich die Lagerhaltung für die Lieferanten lohnt. Speziell bei Soja, aber auch bei Substituten aus heimischer Produktion, ist das Nährstoffangebot der angebotenen Produkte für die Milchvieh- und 6 s.u.a. www.abl-ev.de/gentechnik/aktuell/futtermittel.html. 7 Quelle: mündliche Befragung von 12 Anbietern. 6 die Mastrinderhaltung ausreichend. Auch bei zunehmender Verknappung von gentechnikfreier Soja in Folge des stetigen Wachstums des Anteils von GVO-Soja dürfte die Bedarfsdeckung bis zu einem Marktanteil von 20 % gentechnikfreier Erzeugnisse gegeben sein. Bei enger werdender Versorgung mit GVO-freier Soja (für das Jahr 2008 wird ein Rückgang des Anteils auf 31 % der gesamten Soja-Fläche erwartet) stehen mit Raps- und Sonnenblumenextraktionsschrot, Ackerbohnen und Ackererbsen sowie Lupinen , Kartoffeleiweiß und Maiskleber ausreichend Substitute zur Verfügung, deren GVO-Freiheit in heimischer Produktion sichergestellt werden kann. Die Mehrkosten von mit gentechnikfreien Futtermitteln erzeugter Milch und Rindfleisch werden in der österreichischen Studie mit 8 % beziffert. Die Mehrkosten der gentechnikfreien Futter-Rohstoffe lagen in den Jahren 2003 und 2004 bei 16 %, hinzu kommen die Mehrkosten für Infrastruktur zur Trennung von GVO-freien und konventionellen Produktlinien sowie der Kontrollaufwand. Schwieriger gestaltet sich die Situation bei Geflügel und Schweinen, deren ernährungsphysiologische Ansprüche in den gängigen Haltungsformen die Beimischung von Zusatzstoffen unabdingbar machen. Das Gemeinschaftsregister der nach der Futter-Zusatzstoffverordnung (EG) 1831 / 2003 zugelassenen Zusätze umfasst ca. 2500 Positionen. Sie enthält aber keinen Hinweis auf eine Herstellungsweise unter Verwendung von Gentechnik, da solche Zusatzstoffe laut EU-Recht nicht kennzeichnungspflichtig sind. Sie dürfen aber, sofern sie GVO enthalten, nur bis zu Erreichen des Gesamtschwellenwerts von 0,9 % beigemischt werden. Nach Angaben der österreichischen Studie werden die dort verwendeten Futterzusatzstoffe zu annähernd 100 % aus Deutschland importiert. Hierbei werden die meisten Vitamine, Enzyme und Probiotika weiterhin ohne Einsatz von Gentechnik hergestellt. Dagegen stammen Phytase, die Vitamine B2 und B 12 sowie Lysin, Threonin und Tryptophan inzwischen fast ausschließlich aus Produktionen, die sich genetisch veränderter Mikroorganismen (GVM) bedienen. Diese Stoffe müssten somit in eigens (neu) aufzustellenden Produktionslinien hergestellt werden, um ein Label „gentechnikfrei“ nach den Vorgaben der NLV zu legitimieren. Weniger problematisch stellt sich die Situation im Hinblick auf Medikamente und Impfstoffe dar. In erstgenannter Produktgruppe gibt es keine Zulassungen für Erzeugnisse aus gentechnisch gestützten Herstellungsverfahren. Zu den unter Verwendung von GVO oder GVM hergestellten Impfstoffen sind laut Liste der in Deutschland zugelassenen Impfstoffe durchgängig alternative Produkte lieferbar, die unter Ausschluss von Gentechnik erzeugt werden8. Insgesamt sind bisher 15 gentechnisch hergestellte Impfstoffe für Nutztiere zugelassen und am Markt. 8 vgl. : http://www.pei.de/cln_043/nn_431668/DE/arzneimittel/vet-mittel/vet-mittel-node.html. 7 Allerdings befinden sich auch hier mit Hilfe von GVO und GVM hergestellte Präparate auf dem Vormarsch. Insbesondere die BSE-Problematik hat die Hersteller veranlasst, nach Alternativen zu Rinderseren als Ausgangsstoffe zu suchen. Hier bietet sich wiederum in erster Linie Soja an. Die Hersteller von Impfstoffen messen aber der Frage, ob es sich bei diesem Grundstoff um GVO-freie Soja handelt, bislang eher geringe Relevanz zu. Sollte sich eine entsprechende Nachfrage organisieren, so ist eine gentechnikfreie Herstellung aus zertifizierter Soja ohne weiteres zu realisieren. Im Schaubild sind die – auf die deutsche Situation übertragbaren – Schlussfolgerungen der österreichischen Machbarkeitsstudie für die Auslobung „gentechnikfrei“ zusammengefasst. 8