© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 018/20 Fahrgastrechte im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr Nationales Recht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 018/20 Seite 2 Fahrgastrechte im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr Nationales Recht Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 018/20 Abschluss der Arbeit: 27.02.2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 018/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Fahrgastrechte auf europarechtlicher Ebene 4 3. Nationale Regelungen 4 3.1. Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr 4 3.1.1. Fahrgastrechte bei Verspätung oder Ausfall 5 3.1.2. Informationspflichten 6 3.1.3. Verfahren zur Kostenerstattung 7 3.1.4. Evaluation 7 3.2. Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr 8 3.3. Fahrgastrechte für sonstige Verkehrsmittel 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 018/20 Seite 4 1. Fragestellung Der Sachstand befasst sich mit Fahrgastrechten im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr. Gefragt wurde danach, ob es in Deutschland Regelungen auf nationaler Ebene gibt, die weitere Fahrgastrechte begründen, die über die Bestimmungen auf europäischer Ebene hinausgehen. Der Fokus liegt dabei auf den Verkehrsmitteln Eisenbahn, Straßenbahn, Untergrundbahn und Bus. Die zitierten Links wurden zuletzt am 27. Februar 2020 aufgerufen. 2. Fahrgastrechte auf europarechtlicher Ebene Auf europäischer Ebene wurden mit der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 20071 („Rail Passenger Regulation“) die Rechte von Reisenden im Eisenbahnverkehr geregelt. Für den Kraftomnibusverkehr bestimmt die Verordnung (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 20112 („Bus Passenger Regulation“) Fahrgastrechte. Als Verordnung gelten die Bestimmungen unmittelbar und müssen nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Betroffene Fahrgäste können sich im Falle einer Verspätung oder eines Ausfalls direkt auf die Vorschriften aus den Verordnungen berufen. Zuständige Behörde für die Überwachung der Einhaltung der Fahrgastrechte ist in Deutschland das Eisenbahn-Bundesamt (EBA). 3. Nationale Regelungen 3.1. Fahrgastrechte im Eisenbahnverkehr Im Bereich des Eisenbahnverkehrs3 wurde in Deutschland von der Möglichkeit des Artikels 2 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 Gebrauch gemacht, wonach ein Mitgliedsstaat Schienenpersonenverkehrsdienste des Stadtverkehrs, Vorortverkehrs und Regionalverkehrs von der Anwendung der Verordnung ausnehmen kann. Erst recht kann ein Mitgliedsstaat dann auch ab- 1 Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, Link: https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/?qid=1582542748433&uri=CELEX:32007R1371. 2 Verordnung (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 Text von Bedeutung für den EWR, Link: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1582542857105&uri=CELEX:32011R0181. 3 Dieser umfasst auch die S-Bahn, nicht aber andere schienengebundene Verkehrsträger, wie z. B. Straßenbahnen und Untergrundbahnen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 018/20 Seite 5 weichende und weitergehende Regelungen für diesen Bereich treffen. Für Reisende des Schienenpersonennahverkehrs 4 wurden so durch Rechtsverordnung weitere Fahrgastrechte bei Verspätung oder Ausfall auf nationaler Ebene normiert. Gleichzeitig wurden die Informationspflichten der Eisenbahnverkehrsunternehmen im Schienenpersonennahverkehr abgeschwächt. Die nationalen Bestimmungen wurden im Mai 2009 erlassen und sind am 29. Juli 2009 in Kraft getreten .5 3.1.1. Fahrgastrechte bei Verspätung oder Ausfall In § 8 Abs. 1 Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO)6 heißt es: „Besitzt der Reisende einen Fahrausweis, der ausschließlich für den öffentlichen Personennahverkehr gilt, so hat er, sofern vernünftigerweise davon ausgegangen werden muss, dass er wegen eines Ausfalls oder einer Unpünktlichkeit des von ihm gemäß dem Beförderungsvertrag gewählten Zuges eines Eisenbahnverkehrsunternehmens verspätet am Zielort ankommen wird, neben den in der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 genannten Rechten und Ansprüchen die folgenden Rechte: 1. Der Reisende kann die Fahrt zum vertragsgemäßen Zielort mit einem anderen Zug durchführen , sofern vernünftigerweise davon ausgegangen werden muss, dass der Reisende mindestens 20 Minuten verspätet am Zielort ankommen wird. Der Reisende kann die Benutzung des anderen Zuges jedoch nicht verlangen, wenn für diesen eine Reservierungspflicht besteht oder der Zug eine Sonderfahrt durchführt. 2. Der Reisende kann die Fahrt zum vertragsgemäßen Zielort mit einem anderen Verkehrsmittel durchführen, sofern die vertragsgemäße Ankunftszeit in den Zeitraum zwischen 0.00 Uhr und 5.00 Uhr fällt und vernünftigerweise davon ausgegangen werden muss, dass der Reisende mindestens 60 Minuten verspätet am Zielort ankommen wird, oder sofern es sich bei dem vom Reisenden gewählten Zug um die letzte fahrplanmäßige Verbindung des Tages handelt und der Reisende wegen des Ausfalls dieses Zuges den vertragsgemäßen Zielort ohne die Nutzung des anderen Verkehrsmittels nicht mehr bis um 24.00 Uhr erreichen kann.“ Damit sieht die EVO eine Entschädigung bei Verspätungen im Schienenpersonennahverkehr bereits ab 20 Minuten vor, nicht erst ab 60 Minuten7. Die Entschädigung richtet sich dann jedoch 4 „Um Nahverkehr handelt es sich, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Zuges die Reiseweite nicht mehr als 50 Kilometer oder die Reisezeit nicht mehr als eine Stunde beträgt.“, Eisenbahnbundesamt, Fahrgastrechte Eisenbahn, Unpünktlichkeit und Ausfall von Zügen im Nahverkehr, Link: https://www.eba.bund.de/DE/Themen/Fahrgastrechte/Bahn/Beispiele_Ausnahmen/beispiele_ausnahmen _node.html. 5 BGBl. Teil I 2009 S. 1146. 6 Eisenbahn-Verkehrsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. April 1999 (BGBl. I S. 782), die zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 30. November 2019 (BGBl. I S. 1942) geändert worden ist, Link: https://www.gesetze-im-internet.de/evo/BJNR206630938.html. 7 So die die Regelung in Art. 17 Abs. 1 Verordnung (EG) 1371/2007. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 018/20 Seite 6 nicht auf eine (anteilige) Fahrpreiserstattung, sondern dem Fahrgast wird ein Selbstvornahmerecht zugebilligt, so dass er auf anderem Wege schnellstmöglich sein Ziel erreichen kann. Das bedeutet jedoch, dass er zunächst die Kosten für ein alternatives Verkehrsmittel auszulegen hat und diese sich hinterher erstatten lassen kann. „Anderes Verkehrsmittel“ im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 EVO ist auch das Taxi. Da den Reisenden jedoch eine Schadensminderungspflicht obliegt, hat er die Kosten gering zu halten und darf auf das Taxi nur zurückgreifen, wenn seitens des Beförderers kein alternatives Verkehrsmittel zur Verfügung gestellt wird und wenn er sein Ziel auch sonst mit keinem anderen Verkehrsmittel günstiger erreichen kann. Erstattungsfähig sind dabei stets nur Kosten bis 80,00 EUR. So bestimmt Absatz 2 den Aufwendungsersatzanspruch: „Macht der Reisende von seinem Recht nach Absatz 1 Gebrauch, so kann er von demjenigen, mit dem er den Beförderungsvertrag geschlossen hat, Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, für eine Beförderung nach Absatz 1 Nr. 2 jedoch nur die erforderlichen Aufwendungen bis zu einem Höchstbetrag von 80 Euro.“ Weitere Ausschlussgründe finden sich in § 8 Abs. 3 S. 1 EVO: „Dem Reisenden steht der Anspruch nach Absatz 2 nicht zu, wenn der Ausfall oder die Unpünktlichkeit des Zuges auf eine der folgenden Ursachen zurückzuführen ist: 1. betriebsfremde Umstände, die das Eisenbahnverkehrsunternehmen, das den Zug betreibt, trotz Anwendung der nach Lage des Falles gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen es nicht abwenden konnte; 2. Verschulden des Reisenden; 3. Verhalten eines Dritten, das das Eisenbahnverkehrsunternehmen, das den Zug betreibt, trotz Anwendung der nach Lage des Falles gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden und dessen Folgen es nicht abwenden konnte.“ Auf die Ausschlussgründe nach Nr. 1 und Nr. 2 kann sich das Eisenbahnunternehmen jedoch nur dann berufen, wenn der Reisende über die Ursache rechtzeitig unterrichtet wurde oder wenn die Ursache offensichtlich war (§ 8 Abs. 3 S. 3 EVO). Außerdem können Beförderer den Anspruch aus § 8 Abs. 1 EVO für solche Fahrscheine in ihren Beförderungsbedingungen ausschließen , für die ein „erheblich ermäßigtes Beförderungsentgelt zu zahlen ist“ (§ 2 EVO). 3.1.2. Informationspflichten Im Hinblick auf die Informationspflichten der Beförderer wurden in der EVO ebenfalls spezielle Regelungen für den Schienenpersonennahverkehr bestimmt. So regelt § 7 EVO: „(1) Beim Verkauf eines Fahrausweises für eine Zugfahrt, die ausschließlich im Schienenpersonennahverkehr durchgeführt wird, müssen der Beförderer sowie ein Fahrkartenverkäufer, der Fahrausweise ausstellt, den Reisenden über seine aus dieser Verordnung sowie der Verordnung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 018/20 Seite 7 (EG) Nr. 1371/2007 erwachsenden Rechte und Pflichten informieren. Hierbei kann der Informationspflichtige eine Zusammenfassung verwenden. Die Information kann durch Aushang oder Auslage an geeigneter Stelle oder den Einsatz eines rechnergestützten Informations- und Buchungssystems erfolgen. (2) Während der Fahrt eines Zuges im Schienenpersonennahverkehr muss das Eisenbahnverkehrsunternehmen den Reisenden über den nächsten Haltebahnhof, über Verspätungen, über Sicherheit und über Dienstleistungen im Zug informieren.“ § 7 Abs. 2 EVO schwächt damit die Informationspflichten der Eisenbahnverkehrsunternehmen dahingehend ab, dass abweichend von der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 keine Informationen zu den wichtigsten Anschlussverbindungen erteilt werden müssen. Die übrigen Informationspflichten (vgl. dazu Anhang II der Verordnung Teil II) bleiben bestehen. 3.1.3. Verfahren zur Kostenerstattung Hat ein Reisender einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 8 Abs. 2 EVO, so muss er einen Antrag auf Erstattung der ausgelegten Kosten stellen. Dafür haben der Tarifverband der Bundeseigenen und Nichtbundeseigenen Eisenbahnen in Deutschland und die Deutsche Bahn ein einheitliches Verfahren eingeführt. Die Bearbeitung der Anträge wird vom „Servicecenter Fahrgastrechte “ im Auftrag der Eisenbahnverkehrsunternehmen durchgeführt. Allerding haben sich bislang noch nicht alle Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland diesem zentralen Verfahren angeschlossen. Bei Ansprüchen diesen gegenüber muss sich der Fahrgast also direkt an das jeweilige Unternehmen wenden.8 Bei Problemen der Durchsetzung seiner Ansprüche kann sich der Fahrgast an die bundesweite Schlichtungsstelle oder an mehrere regionale Schlichtungsstellen wenden. Nationale Durchsetzungsstelle ist das Eisenbahn-Bundesamt.9 3.1.4. Evaluation Eine Evaluation der Fahrgastrechte aus nationalem Recht gab es bislang nicht und wird von der EVO auch nicht vorgesehen. 8 Vgl. TBNE – Tarifverbund der Bundeseigenen und Nichtbundeseigenen Eisenbahnen in Deutschland, Das Servicecenter Fahrgastrechte, Link: https://www.fahrgastrechte.info/Das-Servicecenter-Fahrgastrechte.21.0.html. 9 Vgl. TBNE - Tarifverband der Bundeseigenen und Nichtbundeseigenen Eisenbahnen in Deutschland, Wenn ich nicht zufrieden bin…, Link: https://www.fahrgastrechte.info/Wenn-ich-nicht-zufrieden-bin.74.0.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 018/20 Seite 8 3.2. Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr Zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 hat der deutsche Gesetzgeber das EU-Fahrgastrechte-Kraftomnibus-Gesetz (EU-FahrgRBusG)10 verabschiedet. Das zuständige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (heute: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) hat dazu die Verordnung zur Durchsetzung von Fahrgastrechten der Europäischen Union im Kraftomnibusverkehr (EU-Fahrgastrechte-Kraftomnibus-Verordnung - EU-FahrgRBusV)11 erlassen. Letztere enthält u.a. Bußgeldtatbestände, die nach dem EU-FahrgRBusG mit Bußgeldern von bis zu 30.000,00 EUR geahndet werden können. Gemäß Artikel 2 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 gelten die darin verankerten Fahrgastrechte für Busfahrten mit einer planmäßigen Wegstrecke von 250 km oder mehr. Für Fahrten mit weniger als 250 km Wegstrecke sind keine Fahrgastrechte vorgesehen. Auch das EU-FahrgRBusG bestimmt keine zusätzlichen Rechte. Entsprechende Vorschriften wie in der EVO für den Schienenpersonennahverkehr gibt es nicht. 3.3. Fahrgastrechte für sonstige Verkehrsmittel Für die Verkehrsmittel Straßenbahn und Untergrundbahn gibt es ebenfalls keine nationalen Regelungen der Fahrgastrechte, die bei Verspätung oder Ausfall Entschädigungsansprüche für die Reisenden begründen. *** 10 EU-Fahrgastrechte-Kraftomnibus-Gesetz vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2547), das durch Artikel 8 des Gesetzes vom 30. November 2019 (BGBl. I S. 1942) geändert worden ist, Link: http://www.gesetze-im-internet.de/eu-fahrgrbusg /BJNR254710013.html. 11 EU-Fahrgastrechte-Kraftomnibus-Verordnung vom 11. Dezember 2013 (BGBl. I S. 4098), Link: https://www.gesetze -im-internet.de/eu-fahrgrbusv/BJNR409800013.html.