WD 5 - 3000 - 018/17 (16. Februar 2017) © 2017 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Bislang ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln im Falle einer Versorgungskrise durch das Ernährungssicherstellungsgesetz (ESG) und das Ernährungsvorsorgegesetz (EVG) und weiterer konkretisierender Rechtsverordnungen (Ernährungswirtschaftsmeldeverordnung , Ernährungsbewirtschaftungsverordnung, Landwirtschafts-Veranlagungsverordnung) geregelt .1 Das ESG betrifft die Versorgungsnotlage im Spannungs- und Verteidigungsfall, während das EVG die zivile Krisenlage aufgrund von Umwelt- und Naturkatastrophen oder wirtschaftspolitische Störungen im Blick hat. Nach bisheriger Sachlage existiert eine öffentliche Bevorratung; die Bundesregierung hält für den Krisenfall Nahrungsmittel in Gestalt von zwei Ernährungsreserven des Bundes vor, die Zivile Notfallreserve (ZNR) und die Bundesreserve Getreide (BRG oder Bundesreserve).2 Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts zur Sicherstellung der Ernährung in einer Versorgungskrise (BT-Drs. 18/109433 – nachfolgend GE) vorgelegt, der die bisherigen Regelungsbereiche des ESG und EVG in einem Gesetz zusammenfasst und die staatliche Ernährungsvorsorge rechtlich neu ordnet. Hiermit sollen u.a. auch die vom Bundes- 1 Siehe hierzu auch die Informationen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE): http://www.ble.de/DE/01_Markt/11_Ernaehrungsvorsorge/02_GesetzlicheRegelungen/gesetzlicheregelungen _node.html;jsessionid=1A75A881C5ADE137C649E431D2B73713.1_cid335 2 Zu den Einzelheiten siehe auch die als Anlage 1 beigefügte Darstellung: Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Zivile Notfallreserve und Bundesreserve Getreide, Sachstand WD 5 – 3000-040/2012. 3 Abzurufen unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/109/1810943.pdf Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Öffentliche Bevorratung von Nahrungsmitteln im Krisenfall Kurzinformation Öffentliche Bevorratung von Nahrungsmitteln im Krisenfall Fachbereich WD 5 (Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 rechnungshof in seinem Bericht an das Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz vom 15. September 2011 (Gz. – 2011 – 0651)4 festgestellten Schwächen des bisherigen rechtlichen Rahmens behoben werden.5 Vor diesem Hintergrund wird gefragt, ob die öffentliche Bevorratung von Nahrungsmitteln durch die geplante Neuregelung abgeschafft werden soll. Eine angesichts der Kürze der Bearbeitungszeit nur kursorische Prüfung des in Rede stehenden Gesetzentwurfs ergibt Folgendes: Eine explizite Regelung zur staatlichen Vorratsbildung enthält dieser nicht. In den Verordnungsermächtigungen betreffend die Sicherstellung der Grundversorgung in einer Versorgungskrise (§ 4 GE) ist lediglich die Rede von Vorschriften über die „Bevorratung von Erzeugnissen durch Ernährungsunternehmen“ (Abs. 1 Nr. 7) und in der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Vorsorge für eine Versorgungskrise (§ 11 GE) heißt es in Abs. 2 Nr. 1 „die Vorratshaltung durch Ernährungsunternehmen“. In Bezug auf die Regelungen des Abschnitts 3 (Maßnahmen zur Vorsorge für die Versorgungskrise ), in dem die Maßnahmen, die Behörden zur Vorbereitung auf eine mögliche Versorgungskrise treffen können, geregelt sind, heißt es in der Gesetzesbegründung u.a. wie folgt: „Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass die tatsächlichen Umstände einer möglichen Versorgungskrise nicht vorhersehbar sind und damit im Zweifel auch erst bei oder kurz vor deren Eintritt absehbar ist, welche Maßnahmen zu deren Bewältigung möglich und erforderlich sind. Andererseits ist eine Versorgungskrise ein Szenario, bei dem bis zu 82 Millionen Menschen nicht mehr über den freien Markt mit Lebensmitteln versorgt werden. Zwar sind Vorsorgemaßnahmen, die in einer derartigen Situation wirksam Abhilfe leisten könnten, theoretisch denkbar, sie dürften jedoch in den meisten Fällen einen personellen, materiellen und finanziellen Aufwand bedeuten , der zu der geringen Eintrittswahrscheinlichkeit einer Versorgungskrise außer Verhältnis stände. Zu den Maßnahmen, die zur Vorsorge für eine Versorgungskrise geeignet und gleichzeitig mit verhältnismäßigem Aufwand leistbar sind zählen in erster Linie die notwendigen Maßnahmen , um behördlicherseits in organisatorischer, personeller und materieller Hinsicht auf eine mögliche Versorgungskrise vorbereitet zu sein (§ 12).“ Eine Anfrage des Fachbereichs an das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zur Zukunft der staatlichen Bevorratung wurde mit E-Mail vom 15. Februar 2017 wie folgt beantwortet: „Im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf ist nicht vorgesehen, die staatliche Bevorratung von Nahrungsmitteln aufzugeben. Die Bevorratung des Bundes im Rahmen der Bundesreserve Getreide (BuRe) und der zivilen Notfallreserve (ZNR) erfolgt unabhängig von dem Gesetzentwurf. Sie wird durch die jährliche Bereitstellung von Haushaltsmitteln durch das Parlament legitimiert. 4 Siehe auch den Bericht des Bundesrechnungshofs an den Haushaltsauschuss des Deutschen Bundestages unter: https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/beratungsberichte/langfassungen/langfassungen- 2012/2012-bericht-pruefung-der-ernaehrungsnotfallvorsorge 5 Siehe BT-Drs. 18/10943, A. Problem und Ziel, S. 1. Kurzinformation Öffentliche Bevorratung von Nahrungsmitteln im Krisenfall Fachbereich WD 5 (Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Auf die Fortführung und Modernisierung der Bevorratung wird auch im Vorblatt des Gesetzentwurfs hingewiesen: „Darüber hinaus wird die Bundesregierung die staatliche Bevorratung von Lebensmitteln einer grundlegenden Überprüfung unterziehen und konzeptionelle Modelle zur Neuordnung und Fortsetzung der Bevorratung entwickeln." Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die öffentliche Bevorratung von Nahrungsmitteln, wie sie in der ZNR und BRG erfolgt, unabhängig von den Rechtsgrundlagen des bisherigen ESG und EVG betrieben wurde und diese auch von einer gesetzlichen Neuregelung der Ernährungsnotfallvorsorge , wie sie der hier in Rede stehende Gesetzentwurf vorsieht, unberührt bleibt. Unabhängig davon steht die staatliche Bevorratung auf dem Prüfstand. ***