© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 017/21 Regulierung von Car-Pooling-Angeboten Gesetzentwurf zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Anwendbarkeit des Bundesverfassungsbeschlusses von 1964 zu Mitfahrzentralen 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 017/21 Seite 4 1. Einleitung und Fragestellung Mit dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD für ein Gesetz zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts (BT-Drs. 19/26175 vom 26. Januar 20211, im Folgenden PBefG-E) sollen „die Rahmenbedingungen für den öffentlichen Verkehr und neue Bedienformen im Bereich geteilter Nutzungen (Ride Pooling) an die sich ändernden Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und an neue technische Entwicklungen“ angepasst werden.2 Dieser Arbeit liegen Fragen im Zusammenhang mit der Einführung eines neuen § 1 Abs. 1a PBefG zugrunde. Dieser lautet im PBefG-E: „(1a) Eine Beförderung von Personen im Sinne von Absatz 1 Satz 1 liegt auch vor, wenn die Vermittlung und Durchführung der Beförderung organisatorisch und vertraglich verantwortlich kontrolliert wird.“ In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es hierzu: „Mit der Ergänzung in § 1 Absatz 1a wird unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung zum PBefG entwickelten Grundsätze klargestellt, dass auch die (digitale) Vermittlung von Fahrten, die selbst als Beförderungsleistung einzustufen ist, genehmigungspflichtig gemäß PBefG ist. Hintergrund sind Geschäftsmodelle neuer Mobilitätsanbieter, die mittels einer Software-Applikation (App) Kunden die Möglichkeit bieten, einen entgeltlichen Fahrdienst mit konzessionierten Mietwagen- oder Taxiunternehmer zu bestellen . Hierbei handelt es sich um digitale Vermittlungsdienste, die Fahrgäste und gewerbliche Personenbeförderungen durchführende Unternehmer mittels App zusammenbringen. Die Personenbeförderung führt nach gefestigter Rechtsprechung derjenige verantwortlich durch, der nach außen, also gegenüber den Fahrgästen als Vertragspartner auftritt, auch wenn er mit der faktischen Durchführung der Fahrt einen anderen konzessionierten Unternehmer beauftragt. Wer sowohl von der vertraglichen als auch von der organisatorischen Seite betrachtet die Personenbeförderung der Nutzer einer von ihm zur Verfügung gestellten App, angefangen von der Kunden-Werbung und deren Registrierung über die Vermittlung und Durchführung der Beförderung bis hin zu deren Bezahlung allein verantwortlich organisiert und kontrolliert, erfüllt alle Voraussetzungen, die einen selbst Personenbeförderungen durchführenden Unternehmer kennzeichnen (BVerwG, Urteil vom 27.08.2015 – 3 C 14.14; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.04.2015 – 1 S 96.14). Dies gilt vor dem Hintergrund des Umgehungsverbotes in § 6 auch für denjenigen, der sich nur als Vermittler bezeichnet.“3 Hier wird der Frage nachgegangen, ob die neuen Mobilitätsformen mangels hinreichend konkreter Genehmigungsvoraussetzungen unzulässig wären. Der terminliche Bearbeitungshorizont für 1 http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/261/1926175.pdf. 2 Vgl. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/261/1926175.pdf, S. 1 (Buchstabe A.). 3 Vgl. http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/261/1926175.pdf, S. 34 (Fettungen – auch in den nachfolgenden Zitaten – durch Verfasser dieser Ausarbeitung). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 017/21 Seite 5 diese Frage war vergleichsweise kurzfristig, weshalb hier nur eine überblicksartige Darstellung im Rahmen einer kursorischen Prüfung erfolgen kann. 2. Überblick über Transportangebote im Hinblick auf Plattformnutzungen Zum Verständnis wird auf folgende Übersicht der vorhandenen Transportangebote von Viergutz u. a. verwiesen4: 4 Tabelle 2 aus der Publikation von Kathrin Viergutz, Sven Maertens, Benedikt Scheier, Klaus Lütjens, Mirko Goletz , Wolfgang Grimme, Gernot Liedtke, Plattformbasiertes Sharing und Pooling im Verkehrssektor – ein Systematisierungsansatz , in: Wirtschaftsdienst, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 2020, S. 117-123 (im elektronischen Angebot der Bundestagsbibliothek). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 017/21 Seite 6 3. Wesentliche Regelungen des Gesetzentwurfs Nach dem fiktiven Inkrafttreten des PBefG-E würde sich der sachliche Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 1 S. 1 PBefG wie folgt darstellen: „(1) Den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegt die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, mit Oberleitungsomnibussen (Obussen) und mit Kraftfahrzeugen oder die Vermittlung dieser Beförderung ohne selbst Beförderer zu sein(5). Als Entgelt sind auch wirtschaftliche Vorteile anzusehen, die mittelbar für die Wirtschaftlichkeit einer auf diese Weise geförderten Erwerbstätigkeit erstrebt werden.“ Ergänzt würde die Regelung durch den neuen § 1 Absatz 1a: „(1a) Eine Beförderung von Personen im Sinne von Absatz 1 Satz 1 liegt auch vor, wenn die Vermittlung und Durchführung der Beförderung organisatorisch und vertraglich verantwortlich kontrolliert wird.“6 Die Begründung des PBefG-E führt aus, der neue § 1 Absatz 1 unterwerfe Taxizentralen künftig dem Geltungsbereich des PBefG. Diese seien reine Vermittlungsdienste, ohne zugleich Unternehmer i. S. d. PBefG zu sein. Eine Genehmigungspflicht sei hiermit aber nicht verbunden, denn wer Verkehrsdienstleistungen lediglich vermittle, befördere keine Personen.7 Im Gegensatz dazu sehe der PBefG-E digitale Vermittlungsdienste, die mittels einer Software-Applikation Fahrgäste und gewerbliche Personenbeförderung durchführende Unternehmer zusammenbringen, als genehmigungspflichtig an. Die Personenbeförderung führe nach gefestigter Rechtsprechung derjenige verantwortlich durch, der nach außen hin – also den Fahrgästen gegenüber – als Vertragspartner auftrete , auch wenn er mit der faktischen Durchführung der Fahrt konzessionierte Unternehmen beauftrage (s. hierzu auch Ausführungen in der Einleitung).8 Der PBefG-E will zwei neue Mobilitätsformen einführen: den Linienbedarfsverkehr (§ 44 PBefG- E) und den gebündelten Bedarfsverkehr (§ 50 PBefG-E), deren Genehmigungsvoraussetzungen im Gesetzentwurf beschrieben werden. Die neuen Mobilitätsformen werden in das vorhandene Gerüst des PBefG eingeordnet. Unter Linienbedarfsverkehr9 wird dabei die Beförderung von Fahrgästen auf vorherige Bestellung ohne festen Linienweg zwischen bestimmten Einstiegs- und Ausstiegspunkten innerhalb eines festgelegten Gebietes und festgelegter Bedienzeiten verstanden 5 Die Hervorhebung weist in diesem Fall die Ergänzung im Falle der Annahme des PBefG-E aus. 6 Hervorhebung durch Verfasser des Sachstands. 7 http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/261/1926175.pdf, S. 34, Art. 1 Nr. 1 Buchstabe a. 8 http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/261/1926175.pdf, S. 34, Art. 1 Nr. 1 Buchstabe b. 9 Vgl. dazu http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/261/1926175.pdf, S. 44 (Begründung zu § 44 PBefG-E). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 017/21 Seite 7 (§ 44 S. 1 PBefG-E). Dieser gilt als neue Form des Linienverkehrs. Der gebündelte Bedarfsverkehr 10 gilt als neue Form des Gelegenheitsverkehrs außerhalb des ÖPNV11 und wird als die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, bei der mehrere Beförderungsaufträge entlang ähnlicher Wegstrecken ausgeführt werden, verstanden. 4. Rezeption des Gesetzentwurfs im Hinblick auf Car-Pooling in der juristischen Fachliteratur In der juristischen Fachliteratur ist der sehr neue Gesetzentwurf soweit ersichtlich bislang nur von Kochschmieder und Uwer12 besprochen worden. Sie begrüßen die Liberalisierung insbesondere im Hinblick auf die Car-Pooling-Angebote. Im Folgenden werden entlang der zentralen Aussagen der Autoren die nach derzeitiger Rechtslage bestehenden Hürden für die neuen Mobilitätsangebote 13 (4.1.) sowie die durch den PBefG-E geplante Flexibilisierung14 (4.2.) erörtert. 4.1. Hürden nach derzeitiger Rechtslage Laut Rechtsprechung können Anbieter von Car-Pooling-Angeboten, die Fahrgäste und Fahrer eines privaten Mietwagenunternehmens mit Hilfe einer App zusammenbringen, als „Beförderer“ nach § 2 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 PBefG15 angesehen werden. Entsprechende Tätigkeiten dieser Unternehmen sind damit nach § 2 Abs. 2 PBefG genehmigungspflichtig. Entscheidend sind die konkreten Einzelumstände der Vermittlungstätigkeit. Es kommt insbesondere darauf an, ob der Vermittler gegenüber den Fahrgästen als Vertragspartner auftritt. Des Weiteren spielt der Einfluss auf die vermittelten Beförderungsleistungen eine Rolle. So kann der „Vermittler“ etwa die Fahrentgelte gestalten, Zahlungen abwickeln, die Fahrer auswählen oder deren Fahrzeuge als eigene Flotte bewerben.16 Insoweit nimmt der Gesetzentwurf diese Rechtsprechung zum Teil mit auf, indem er in § 1 Abs. 1a PBefG-E für die Eigenschaft als „Beförderer“ und die Genehmigungs- 10 Vgl. dazu ausführlich http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/261/1926175.pdf, S. 46ff. (Begründung zu § 50 PBefG-E). 11 http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/19/261/1926175.pdf, S. 1 (Buchstabe B.). 12 Koschmieder, Norman und Uwer, Dirk, PBefG auf den Stand der Zeit bringen! Plädoyer für eine zeitgemäße Regulierung von Car-Pooling-Angeboten, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2021, S. 15 (aus Beck Online). 13 Vgl. dazu Koschmieder/Uwer, a. a. O. (Fn. 12), S. 16f. (Abschnitt II. „Aktuell größte Entwicklungshemmnisse für Car-Pooling-Angebote“). 14 Vgl. dazu Koschmieder/Uwer, a. a. O. (Fn. 12), S. 17ff. (Abschnitt III. „Reformvorschläge unter kritischer Analyse des Gesetzentwurfs“). 15 Personenbeförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1990 (BGBl. I S. 1690), das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 3. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2694) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet.de/pbefg/PBefG.pdf. 16 Vgl. Koschmieder/Uwer, a. a. O. (Fn. 12), S. 16f. mit Nachweis einschlägiger Rechtsprechung und Literatur. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 017/21 Seite 8 pflichtigkeit der Dienstleistung darauf abstellt, ob „die Vermittlung und Durchführung der Beförderung organisatorisch und vertraglich verantwortlich kontrolliert wird“.17 Genehmigungsfähig sind nur die Beförderungstypen, die im PBefG abschließend genannt sind (sogenannter Typenzwang ). Dazu gehören der „Linienverkehr“ und der „Gelegenheitsverkehr“. „Linienverkehr“ meint eine zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige Verkehrsverbindung , auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und aussteigen können (§ 42 S. 1 PBefG). „Gelegenheitsverkehr“ bezeichnet die Beförderung von Personen in Kraftfahrzeugen, die nicht Linienverkehr ist (§ 46 Abs. 1 PBefG). Dazu gehören (abschließend) der Verkehr mit Taxen , mit Mietomnibussen, mit privaten Mietwagen sowie Ausflugfahrten und Ferienziel-Reisen (§ 46 Abs. 2 PBefG).18 Bei einer Anwendung der Vorschriften für den Gelegenheitsverkehr auf Car-Pooling-Angebote könnte § 49 PBefG über die Beförderung mit Mietwagen greifen (§ 46 Abs. 2 PBefG).19 Nach § 49 Abs. 4 S. 1 PBefG darf der Mietwagen jedoch nur im Ganzen vermietet werden (Verbot des Poolings ). Zweck, Ziel und Ablauf der Fahrt werden durch den Mieter bestimmt. Bei der Beförderung mehrere Fahrgäste müssen sich daher alle Fahrgäste darüber einig sein. Die Vermietung einzelner Sitze für Streckenabschnitte ist unzulässig. Bei den Car-Pooling-Angeboten werden aber gerade unterschiedliche Streckenabschnitte für unterschiedliche Personen mit demselben Kraftfahrzeug bedient, was nach § 49 Abs. 4 S. 1 PBefG gerade untersagt ist. Des Weiteren gilt nach § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG eine so genannte Rückkehrpflicht: „Nach Ausführung des Beförderungsauftrags hat der Mietwagen unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren , es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich durch einen weiteren Mitarbeiter am Betriebssitz einen neuen Beförderungsauftrag erhalten.“ Es dürfen nur Aufträge durchgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind (§ 49 Abs. 4 S. 2 PBefG). Da eine Weiterleitung des Auftrags nur „fernmündlich“ (§ 49 Abs. 4 S. 3 PBefG), d. h. telefonisch, erfolgen darf, ist eine elektronische Weiterleitung über eine Handy-App ausgeschlossen. In der Praxis muss daher stets ein Mitarbeiter am Betriebssitz vor Ort sein.20 Nach § 2 Abs. 6 PBefG kann anstelle der Ablehnung einer Genehmigung im Fall einer Beförderung , die nicht alle Merkmale einer Verkehrsart oder Verkehrsform erfüllt, eine Genehmigung nach denjenigen Vorschriften des PBefG erteilt werden, denen diese Beförderung am meisten entspricht (Genehmigung als atypischer Verkehr). Und gemäß § 2 Abs. 7 PBefG kann für eine Experimentierphase eine Genehmigung für höchstens vier Jahre erteilt werden. Die Erteilung solcher 17 Koschmieder/Uwer, a. a. O. (Fn. 12), S. 18, fordern eine noch genauere Präzisierung anhand der Kriterien der Rechtsprechung. 18 Koschmieder/Uwer, a. a. O. (Fn. 12), S. 16. 19 Nach Koschmieder/Uwer ließen sich die Angebote nicht exakt in eine der Kategorien einordnen. Anders aber beispielsweise Linke, Benjamin/Jürschik, Corina, Analog trifft digital – Neuigkeiten bei den rechtlichen Rahmenbedingungen zum Ride- und Carsharing, Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV) 2018, 496 (499) (aus Beck Online) („nur ausnahmsweise als Linienverkehr“). 20 Koschmieder/Uwer, a. a. O. (Fn. 12), S. 16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 017/21 Seite 9 Genehmigung steht im Ermessen der Landesbehörden und ist nur möglich, wenn öffentliche Verkehrsinteressen nicht entgegenstehen.21 4.2. Geplante Flexibilisierung Durch die vorgeschlagenen Bestimmungen würden die oben unter 4.1. aufgezeigten Einschränkungen für Car-Pooling-Angebote gelockert. Das Gebot, den Wagen als Ganzes zu vermieten, würde für diese Angebote nicht mehr eingreifen. So können beim gebündelten Bedarfsverkehr nach § 50 Abs. 1 S. 1 PBefG-E gerade „mehrere Beförderungsaufträge entlang ähnlicher Wegstrecken gebündelt ausgeführt werden“. Eine Rückkehrpflicht besteht nach § 50 Abs. 1 S. 3 PBefG-E nur, wenn die Genehmigungsbehörde dies anordnet. Wie bei § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG für den privaten Mietwagenverkehr gilt eine solche Rückkehrpflicht dann lediglich für „auftragslose“ Car-Pooling-Fahrten, d. h. wenn die Fahrer nicht vor oder während der Fahrt neue Beförderungsaufträge erhalten haben.22 Für die Konkretisierung einer solchen behördlich angeordneten Rückkehrpflicht dürfte § 49 Abs. 4 S. 4 PBefG-E entsprechend gelten.23 So würde es im Hinblick auf die Ausnahme von der Rückkehrpflicht („nicht auftragslos“) in Zukunft ausreichen, dass der am Betriebssitz eingegangene Auftrag dort digital erfasst und per Handy-App elektronisch an den Fahrer weitergeleitet wird.24 Der Entwurf sieht neben der Anordnung einer Rückkehrpflicht weitere Möglichkeiten für die Kommunen vor, das Car-Pooling zu steuern bzw. Einschränkungen zu unterwerfen. Sie können Pooling-Angebote zum Schutze der öffentlichen Verkehrsinteressen kontingentieren (§ 13 Abs. 5a PBefG-E). Nach § 50 Abs. 3 PBefG-E sind sie verpflichtet, eine Bündelungsquote festzulegen, um die Verkehrseffizienz der Dienste für den städtischen Verkehrsraum sicherzustellen. Wenn öffentliche Verkehrsinteressen dies erfordern, sind zeitliche und räumliche Einschränkungen möglich (§ 50 Abs. 2 S. 3 PBefG-E). Eine kommunenübergreifende Erbringung von Pooling-Diensten ist nur mit Genehmigung der angrenzenden Gemeinde erlaubt (§ 50 Abs. 2 S. 3 PBefG-E).25 § 51a Abs. 2 PBefG-E sieht Mindestentgelte vor und ermöglicht die Festsetzung von Tarifkorridoren .26 21 Koschmieder/Uwer, a. a. O. (Fn. 12), S. 16. 22 Koschmieder/Uwer, a. a. O. (Fn. 12), S. 19. 23 Implizit Koschmieder/Uwer, a. a. O. (Fn. 12), S. 18. 24 Dazu Koschmieder/Uwer, a. a. O. (Fn. 12), S. 18. 25 Koschmieder/Uwer, a. a. O. (Fn. 12), S. 17 und 19. 26 Koschmieder/Uwer, a. a. O. (Fn. 12), S. 17 und 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 017/21 Seite 10 5. Anwendbarkeit des Bundesverfassungsbeschlusses von 1964 zu Mitfahrzentralen Der insbesondere über die Vorschriften in § 50 PBefG-E beabsichtigten Liberalisierung steht der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 1964 zu Mitfahrzentralen27 nicht entgegen . Damaliger Streitgegenstand war eine Rechtsänderung im PBefG. Vor dieser Rechtsänderung unterlagen öffentlich (durch Mitfahrzentralen) vermittelte Mitfahrten gegen Beteiligung an den Fahrtkosten nicht dem PBefG und waren erlaubnisfrei. Durch die geänderten Vorschriften wurden solche Mitfahrten unter bestimmten Bedingungen genehmigungspflichtig. Über Voraussetzungen , Verfahren und Form der Genehmigung war nichts bestimmt. Aus den Bestimmungen war zu schließen, dass Fahrten dieser Art nicht genehmigt werden konnten.28 Das Bundesverfassungsgericht hat darin einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gesehen. Dazu führte es aus: „Ein gesetzliches Verbot muss in seinen Voraussetzungen und in seinem Inhalt so klar formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach bestimmen können. Gewiss können bei einer gesetzlichen Regelung nicht alle Unklarheiten und Zweifel von vornherein vermieden werden. Es muss aber verlangt werden, dass der Gesetzgeber wenigstens seinen Grundgedanken, das Ziel seines gesetzgeberischen Wollens, vollkommen deutlich macht – besonders dann, wenn es sich um die Regelung eines verhältnismäßig einfachen und leicht zu übersehenden Lebenssachverhalts handelt und die Formung des gesetzlichen Tatbestandes deshalb wenig Schwierigkeiten bereitet. Daran fehlt es hier: § 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefG unterwirft die öffentlich vermittelten Mitnahmefahrten dem Gesetz, es macht sie also genehmigungspflichtig. Über Voraussetzungen, Verfahren und Form der Genehmigung ist aber nichts bestimmt. Aus §§ 46, 49 ist umgekehrt zu schließen, dass Fahrten dieser Art überhaupt nicht genehmigt werden können. Angesichts dieser offensichtlichen Widersprüchlichkeit des Gesetzesinhalts mussten Zweifel über die rechtliche Behandlung dieser Beförderungen entstehen. Die Bundesregierung hält sie für genehmigungsfähig , die Gerichte betrachten sie als verboten. Dieser Streit darf nicht auf dem Rücken des Bürgers ausgetragen werden, der sich dem Risiko strafrechtlicher Verfolgung aussetzt , wenn er der Auffassung der Bundesregierung folgt.“29 27 BVerfG, Beschluss vom 7. April 1964, Az.: 1 BvL 12/63, https://openjur.de/u/254232.html. 28 BVerfG, Beschluss vom 7. April 1964, Az.: 1 BvL 12/63, https://openjur.de/u/254232.html, Rn. 2 und 29 (zitiert nach openjur). 29 BVerfG, Beschluss vom 7. April 1964, Az.: 1 BvL 12/63, https://openjur.de/u/254232.html, Rn. 29 (zitiert nach openjur). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 017/21 Seite 11 Des Weiteren führte das Gericht aus: „Jedenfalls verstößt eine solche der Sachlage zuwiderlaufende Gesetzesgestaltung, die die wahren Absichten des Gesetzgebers verschleiert, gegen das Rechtsstaatsprinzip; sie hält sich nicht im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung und ist deshalb nichtig.“30 Anhaltspunkte für eine Übertragbarkeit dieser Aussagen des Beschlusses auf den aktuell vorliegenden PBefG-E sind nicht ersichtlich. So folgt aus § 1 Abs. 1a i. V. m. § 2 Abs. 1 PBefG-E nicht nur die Genehmigungspflichtigkeit bestimmter Vermittlungsdienstleistungen. Die Voraussetzungen für die Genehmigung des gebündelten Bedarfsverkehrs werden im PBefG-E auch näher bestimmt (vgl. oben unter 4.2.). So begrüßen auch Kochschmieder/Uwer, dass mit dem Gesetzentwurf Car-Pooling Angebote (endlich) genehmigungsfähig werden.31 *** 30 BVerfG, Beschluss vom 7. April 1964, Az.: 1 BvL 12/63, https://openjur.de/u/254232.html, Rn. 39 (zitiert nach openjur). 31 Koschmieder/Uwer, a. a. O. (Fn. 12), S. 17.