© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 015/21 Stationärer Handel und Online-Handel: Auswirkung auf den Verkehr Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 015/21 Seite 2 Stationärer Handel und Online-Handel: Auswirkung auf den Verkehr Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 015/21 Abschluss der Arbeit: 04.03.2021 Fachbereich: WD 5 Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 015/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Medienbeiträge und Studien 4 2.1. Überblick 4 2.2. Studie zu Umwelt- und Ressourcenwirkungen 6 2.3. Studie zur Gesamtverkehrsleistung 10 3. Ergänzende statistische Quellen 11 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 015/21 Seite 4 1. Einleitung Einer Umfrage von 2020 zufolge1 hat die „Bedeutung des Online-Handels […] im Einzelhandel in den vergangenen Jahren zugenommen . Dennoch gibt es Eigenschaften, für die insbesondere der stationäre Einzelhandel geschätzt wird. So sahen die Befragten in Deutschland im Jahr 2020 den Vorzug des stationären Einzelhandels gegenüber dem Online-Handel darin, dass sie im Geschäft die Möglichkeit hätten , Waren vor Ort anzufassen und auszuprobieren. Etwa 86 Prozent der Befragten waren dieser Ansicht. Der Online-Handel wird hingegen insbesondere für eine bequeme Art des Einkaufs geschätzt.“ Vereinfacht ausgedrückt fährt beim Erwerb im stationären Handel der Kunde zur Ware, und beim Versandhandel (Online-Handel) die Ware zum Kunden. Insoweit können unterschiedliche Verkehrsleistungen anfallen. Die vorliegende Arbeit stellt Medienbeiträge und Studien dar, die untersuchen, wie sich beide Konsumalternativen auf den Verkehr auswirken. Die zitierten Quellen stellen dieses Thema zumeist in den Kontext der Auswirkung auf die Umwelt. 2. Medienbeiträge und Studien 2.1. Überblick 1 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1169469/umfrage/motivatoren-fuer-den-einkauf-stationaer-vs-online /; alle Hervorhebungen in dieser Dokumentation durch Verfasser. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 015/21 Seite 5 Die vorstehende Grafik veranschaulicht die Bedeutung zweier wesentlicher Faktoren: Anzahl der Retouren und Wahl des Verkehrsmittels. Hierzu analysiert der dazugehörige Presseartikel unter Berufung auf das Umweltbundesamt:2 „‘Onlinehandel wird besser, wenn man die Retourensendungen reduziert. Offlinehandel wird besser, wenn die Geschäfte in Energieeffizienz wie Heizung oder Beleuchtung investieren und die Konsumenten zu Fuß oder mit dem Fahrrad einkaufen.‘ […] Zahlen des Handelsverband HDE […] zeigen, wie sehr vor allem der stationäre Handel, für den der Verband im Wesentlichen steht, an Energieeffizienz gewonnen hat und dadurch für den Verbraucher zumindest aus ökologischen Gründen attraktiver wird. Andererseits ist auch klar, dass nur die wenigsten ihre Einkäufe mit dem Fahrrad oder zu Fuß machen wollen und können. Nur wenn man aber alle Kriterien berücksichtigt, kann man halbwegs seriös feststellen, ob es im Einzelfall umweltschonender ist, offline oder online einzukaufen. Allgemeine Aussagen lassen sich jedenfalls kaum treffen. Das zeigt auch eine beispielhafte Untersuchung des Öko-Instituts, in der die durchschnittlichen Emissionen beim Schuhkauf berechnet werden (siehe Grafik). Welches Verkehrsmittel dabei verwendet wird, ist dabei von entscheidender Bedeutung. Grundsätzlich gilt dem Öko-Institut zufolge: Je weniger Wege zurückgelegt werden, desto besser die Klimabilanz.“ Zur Bedeutung der Retouren positioniert sich ein weiterer Pressebericht wie folgt:3 „Die Kunden selbst machen mit einem Schlag alle theoretischen Umweltvorteile des Online -Einkaufs zunichte: Sie schicken nämlich ihre Pakete in Massen wieder zurück. Geschätzt dürften in Deutschland mittlerweile mehr als 300 Millionen Päckchen und Pakete jährlich zurückgeschickt werden. […] Natürlich haben auch zahlreiche Internet-Plattformen mittlerweile ihr ‚grünes Herz‘ entdeckt . Der weltgrößte Onlinehändler Amazon rüstet beispielsweise seine Lieferflotte in Europa mit 1.800 Elektro-Transportern von Daimler auf und hat sich verpflichtet, bis 2040 CO2-neutral zu sein. Kaum ein Händler weist aber für seine Kunden die mittleren Treibhausgas -Emissionen einer Sendung oder gar Rücksendung aus. Besonders absurd wird es, wenn die retournierten Waren durch halb Europa gekarrt werden, um sie beispielsweise in Polen oder in Tschechien wiederaufzubereiten, wie es das Textilunternehmen H&M macht (immerhin ganz offen auf der Adresse der Retourenlabel). Dass diese Retouren- Transporte nach Osteuropa noch zunehmen, dafür sorgt auch die Schließung des Hermes Fulfilment in Hamburg bis Herbst 2021, eines der größten Retouren-Auffanglager des Online -Handels in Europa. Dann werden etwa 200.000 Artikel, die dort täglich für den Wiederverkauf eintrudeln, künftig an den Standorten in Polen und Tschechien wieder aufgehübscht . Auch Amazon oder Zalando lassen ihre zurückgeschickte Ware dort dann bearbeiten . 2 Süddeutsche Zeitung, 04.05.2019, Einkaufen: Wie klimaschädlich ist der Onlinehandel?, https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/online-shopping-co2-klima-laden-1.4429396. 3 Radio Bayern 1, 07.12.2020, Ökobilanz Online Shopping: Wann Onlineshopping wirklich nachhaltig ist, https://www.br.de/radio/bayern1/inhalt/experten-tipps/umweltkommissar/umwelt-einkaufen-online-laden- 100.html. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 015/21 Seite 6 Die Rücksendequote hängt natürlich stark vom bestellten Artikel ab. Im Frischebereich, bei Lebensmitteln, geht relativ wenig zurück. Auch Möbel, Heimtextilien oder auch Bücher werden nicht sehr häufig zurückgeschickt. Hier liegt die Quote im unteren zweistelligen Bereich. Die Zahl der Rücksendungen explodiert geradezu im Modebereich – bei Kleidung und Schuhen. Je nach Händler und Artikel kann hier die Retourenquote auch bei über 50 Prozent liegen. Die Kosten für eine mögliche Rücksendung sind zwar in den Waren eingepreist , allerdings beziffert das wissenschaftliche Institut des Handels EHI in Köln den ‚wirtschaftlichen Schaden‘ im Schnitt für einen zurückgesendeten Artikel auf etwa zehn Euro. Besonders hohe Retouren-Kosten fallen zum Beispiel bei Händlern aus dem Bereich Einrichten und Wohnen an.“ 2.2. Studie zu Umwelt- und Ressourcenwirkungen Im Detail analysiert eine Studie im Auftrag des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes auf Grundlage bereits vorliegender Studien die Umwelt- und Ressourcenwirkungen von E-Commerce vs. stationärer Handel. Insgesamt ist im Hinblick auf den Verkehr „[k]eine allgemeine Aussage zu treffen, Tendenz […] Umweltwirkung des E-Commerce negativer als stationärer Handel“.4 Die Studie analysiert beide Alternativen aus ganzheitlicher Sicht, also nicht nur im Hinblick auf den Verkehrsaspekt, sondern auch im Hinblick auf Verpackung, Emissionen, etc. Hierbei ergeben sich folgende Erkenntnisse:5 „Insgesamt zeigt sich, dass die Umweltwirkungen des E-Commerce gegenüber dem stationären Handel nicht notwendig größer sind. In den meisten Fällen werden in der Literatur die verkehrsbedingten Umweltwirkungen mit unterschiedlichen Zuschnitten betrachtet. Dabei wird häufig der Einfluss von Verpackung und Logistikzentren bzw. Ladengeschäften außer Acht gelassen, welcher aus ressourcenpolitischer Sicht jedoch von besonderem Interesse ist, hinsichtlich der Verbräuche an Material, Fläche und grauer Energie. Diese ressourcenseitigen Aspekte der Liegenschaften werden jedoch in keiner Studie berücksichtigt, lediglich die Energieeffizienz von Ladengeschäften bzw. Logistik wird vereinzelt mit betrachtet. Aufgrund nachvollziehbarer methodischer Hindernisse unternehmen nur wenige Studien eine gesamtheitliche Betrachtung des Handelszyklus vom Verlassen der Produktion bis zu den Konsumierenden nach Hause. Studien, die dennoch diesen Versuch wagen, zeigen, dass die ökologischen Auswirkungen des E-Commerce in der Mehrheit der Szenarien negativ sind. In einigen Szenarien können die Umweltwirkungen jedoch auch positiv ausfallen im Vergleich mit 4 Rafael Postpischil, Klaus Jacob, Freie Universität Berlin, Forschungszentrum für Umweltpolitik, 2019, E-Commerce vs. stationärer Handel: Die Umwelt- und Ressourcenwirkungen im Vergleich, PolRess 2 – Kurzanalyse, Ein Projekt im Auftrag des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamtes (FKZ: 3715 11 110 0) Laufzeit 04/2015-4/2019, S. 23, https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/24797/Postpischil%20Jacob%202019%20KA%20E- Commerce.pdf?sequence=1&isAllowed=y (Unterstreichungen des Originals ausgelassen). 5 Ebenda, S. 22 ff. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 015/21 Seite 7 dem stationären Handel. Dafür ausschlaggebend sind insbesondere die üblichen Warenkorbgrößen (stationär wird oftmals mehr auf einmal gekauft und nach Hause transportiert, jedoch gibt es auch E-Commerce Arten und Produktgruppen, bei denen die Warenkorbgrößen ähnlich ausfallen). Die durchschnittliche Warenkorbgröße beeinflusst alle folgenden Parameter maßgeblich. Außerdem einflussreich für die Umweltbilanz sind die gewählte Fortbewegungsart im stationären Handel (bspw. Auto oder zu Fuß) bzw. die Lieferungsart (bspw. Diesel oder E-Laster) sowie die Verpackungsmenge und Art (bspw. dünnes Plastik besser als Pappkarton). Außerdem relevant ist die Energieeffizienz der Ladengeschäfte bzw. Logistikzentren . Weiterhin nachgelagerte Effekte, wie bspw. durch E-Commerce gewonnene freie Zeit, werden noch seltener in Studien betrachtet. Tabelle 1 gibt eine Übersicht der direkten und indirekten Wirkungen des stationären Handels mit dem E-Commerce im Vergleich. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 015/21 Seite 8 “ Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 015/21 Seite 9 Der Studie zufolge lassen sich „jedoch Empfehlungen für Konsumierende, Handelsunternehmen sowie die Politik ableiten, welche komplementär zu verstehen sind. Konsumierende können die Wahl ihrer Fortbewegungsmittel beim Einkauf ändern, z.B. ÖVP oder Rad anstelle des privaten PKW. Außerdem können sie in größeren Mengen gesammelt einkaufen/bestellen, was maßgeblich die Umweltbilanz beeinflusst und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass tatsächliche Einkaufstrecken durch E-Commerce Bestellungen substituiert werden. Insgesamt legen Studien mit umfassendem Blick auch auf Wachstums- bzw. Rebound-Effekte nahe, dass in diesem breiteren Vergleich die direkten Umweltwirkungen (Transport, Verpackung etc.) des E-Commerce gering ausfallen gegenüber den indirekten Wirkungen (zusätzliche Freizeit für ggf. umweltschädlichere Aktivitäten). Dem entsprechend ist es eine zentrale Stellschraube der Konsumierenden, ihre gewonnene Zeit umweltfreundlich zu nutzen. Der Handel insgesamt kann bei der Standortwahl von Ladengeschäften/Paketabholstationen Erreichbarkeiten per ÖPNV, Rad und Fuß berücksichtigen sowie weitere Anreize erwägen, wie die Streckenroutinen ihrer Kundinnen und Kunden hin zu umweltfreundlicherer Fortbewegung verändert werden können (bspw. Radstellplätze, Luftpumpen, entsprechende Rabattaktionen etc.). Die E-Commerce Anbieter in Kooperation mit den Konzernen der Distributionslogistik können höhere Transparenzstandards über bspw. umweltfreundlichen Versand, Verpackungsmaterial und deren Recycling sowie Retourenvernichtungsquoten etablieren. Außerdem kann der E-Commerce Retourenquoten (weiter) reduzieren über aussagekräftige Visualisierungen und Beschreibungen der Produkte vor dem Kauf, über genauere Größenangaben, Videos, Käuferbewertungen, Telefon- /Chatberatungen etc. Lieferfehlschläge und entsprechende Mehrfachfahrten können reduziert werden über exaktere Lieferfenster und Wunschlieferorte (bspw. Nachbarn, Garage, Paketkästen , Paketstationen, ggf. auch Kofferräume oder direkt in die Privatwohnungen). Ggf. könnten Kunden mit geringer Retourenquote belohnt werden. Logistikketten können anhand von Streckenplanung und Fahrzeugsubstitution (bspw. Bahn statt Lkw, Elektrotransporter statt Benziner ) umweltfreundlicher gestaltet werden. Außerdem kann die Menge und Art der Verpackung ökologisch optimiert werden, so wäre Sammelversand, passgenaue Verpackungen sowie Versandverpackungen aus dünnem Plastik gegenüber Pappkartons zu bevorzugen (lieber dünnes Plastik als Pappkartons). Auch Mehrwegversandverpackungen könnten vermehrt genutzt werden, wie sie bereits einige Start-ups anbieten, bspw. ‚RePack‘ (Reset 2018). Zusätzlich könnten Logistikanbieter z.B. über anbieteroffene Paketstationen erfolglose Zustellversuche und Fahrleistung der Lieferdienste reduzieren. Von Seiten der Politik kann umweltfreundlicher Wirtschaftsverkehr gegenüber konventionellen Varianten gefördert werden (bspw. über Umweltzonen in Städten). Bei der Förderung ist zu beachten, dass in dicht besiedelten Gebieten mit niedrigem Pkw-Anteil im Einkaufsverkehr die Umweltwirkungen des E-Commerce ggü. dem stationären Handel tendenziell negativ sind. Hingegen in weniger dicht besiedelten Regionen mit hohem Pkw- Anteil können die Umweltauswirkungen aber durchaus positiv sein. Insgesamt sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die Auslastung und Effizienz des Lieferverkehrs verbessern. So ermöglichen für städtische Gebiete bspw. Micro- bzw. City-Hubs eine Reduktion der Fahrleistung je Lieferung. Hier könnte vermehrte Rechtssicherheit und geeignete Standorte für Mikrodepots im öffentlichen Straßenraum (ähnlich Carsharing Parkflächen ) geschaffen werden. Auf der letzten Meile können außerdem (E-)Lastenräder oder Sack- Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 015/21 Seite 10 karren eingesetzt werden. Auf diesem Weg kann zumindest auf der letzten Meile eine weitgehend emissionsfreie Auslieferung ermöglicht werden. Als weitere konkrete Maßnahme könnte die zulässige Höchstgeschwindigkeit für Pedelec-Lastenfahrräder von 25 auf 32 km/h angehoben werden, wie es in den USA Standard ist. Dadurch würden sie als Transportalternative weiterhin attraktiver. Außerdem sollte die Vernichtung gebrauchsfähigen Waren im Handel näher untersucht werden und bspw. die Steuerlast für Vernichtung der Steuerlast für Lagerung und Sachspenden angeglichen werden. Des Weiteren könnten verpflichtende Pfandsysteme für Versandmaterial erwogen werden, worauf auch in Form von freiwilligen Selbstverpflichtungen gemeinsam mit den großen Versandhändlern hingewirkt werden kann. Studien, die über den üblichen Fokus auf transportbedingte Umweltwirkungen hinaus auch indirekte Effekte betrachten, zeigen, dass erhebliche Umweltwirkungen auch aus der gewonnen Zeit durch ECommerce Bestellungen entstehen dürften. Aus dieser Sicht ist es wesentlich bspw. die Energieeffizienz privater Haushalte über Förderprogramme zu erhöhen, aber auch Anreize zu umweltfreundlicherem Freizeitverhalten in Erwägung zu ziehen. Um positive Umweltwirkungen des E-Commerce zu erzielen, wäre auch ein Abbau nicht mehr genutzter Infrastruktur des stationären Handels wirksam, was allerdings einen Interessenkonflikt zwischen ökologischen Zielen einerseits und den Zielen Erhalt von Arbeitsplätzen und attraktiven Innenstädten andererseits mit sich bringt. Übergreifend empfiehlt sich, das Thema Umweltwirkungen des E-Commerce im Rahmen des Abfallvermeidungsplans, des Ressourceneffizienzprogramms (ProgRess) sowie dem Programm zum Nachhaltigen Konsum der Bunderegierung weiter aufzugreifen.“ 2.3. Studie zur Gesamtverkehrsleistung Eine vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit in Auftrag gegebene Studie von 2018 hat im Wesentlichen den Verkehrsaspekt zum Gegenstand und geht nicht auf andere Aspekte ein, wie z. B. Verpackung. Sie kommt zum Ergebnis, dass „die Gesamtverkehrsleistung durch den wachsenden Online-Handel eher ansteigen“6 dürfte: „Unstrittig ist, dass bei wachsendem Online-Handel Teile des Einkaufsverkehrs vom Personen - hin zum Güterverkehr verlagert werden und eine räumliche Verschiebung der Güterströme von den Stadtzentren hinein in die Wohnlagen entsteht. Sowohl der Umfang des neu entstehenden Güterverkehrs als auch die Menge des potentiell eingesparten Personenverkehrs hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, die miteinander in Kontext gebracht werden müssen. Dem wachsenden innerstädtischen Güterverkehr stehen aktuell kaum nachweisbare Einsparungen im Personenverkehr gegenüber. Offenbar werden Einkaufswege nicht in nennenswertem Umfang substituiert. Einerseits dürfte dies an der noch kaum vorhandenen Verfügbarkeit periodischer Güter im Online-Handel liegen. Zum anderen scheint der Substitutionseffekt 6 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Verkehrlich-Städtebauliche Auswirkungen des Online -Handels Endbericht, Stand 16.08.2018, S. 8 f., https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/exwost/Studien/2015/SmartCities/SmartCities-Verkehr Online/endbericht.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 015/21 Seite 11 von Einkaufswegen nur gering zu sein, da u.a. ihre Einbindung in Wegeketten und die Freizeitfunktion von Einkäufen diesem entgegenstehen. Deutlich zunehmende Cross-Channel- Strategien im Einzelhandel (z.B. ‚Showrooms‘) stellen den Substitutionseffekt auch bei der Informationsbeschaffung in Frage und deuten in Kombination mit neu entstehenden Abholund Retourenwegen sogar auf eher zunehmende Wegehäufigkeiten hin. Daher dürfte die Gesamtverkehrsleistung durch den wachsenden Online-Handel eher ansteigen . Von negativen Umwelteffekten allein auf Basis einer steigenden Gesamtverkehrsleistung auszugehen, greift jedoch zu kurz. Entscheidend ist dabei, mit welchen Verkehrsmitteln diese im Personen- wie im Güterverkehr realisiert wird. Auf Seiten des Güterverkehrs begünstigen die globale Aufstellung der Händler und der Kundenwunsch nach möglichst schneller Belieferung im Hauptlauf zwar eher schnelle (insbesondere Luftverkehr) Verkehrsträger, auf der letzten Meile begünstigt die Fragmentierung hingegen eher kleine Verkehrsmittel, die tendenziell bessere Potentiale für emissionsfreie Antriebe bieten. Entscheidend für die Gesamtbewertung ist aber auch, welche Verkehrsmodi auf Seiten des Personenverkehrs potentiell substituiert werden. Gerade in urbanen Umfeldern werden Einkaufsverkehre zu erheblichen Teilen mit besonders emissionsarmen Modi und über kurze Strecken (Fuß und Rad, ÖPNV) abgewickelt. Werden diese durch motorisierte Belieferungen und/oder motorisierte Wege anderer Zwecke substituiert, so können in Summe mehr Emissionen durch den Online-Handel entstehen. Ob und wie sich der Modal Split bei Güter- und Personenverkehr reorganisiert, hängt in erheblichem Maße auch von der Raumstruktur ab. Im Güterverkehr ist die Nähe und Dichte der Belieferungsstationen entscheidend für die Bündelungsfähigkeit der Lieferungen. Im Personenverkehr hängt die Verkehrsmittelwahl mit der modalen Erreichbarkeit des stationären Handels und eventueller Pick-Up-Points ab. Tendenziell besteht dabei ein negativer Zusammenhang zwischen der Erreichbarkeit und Siedlungsdichte und Raumausstattung. Unter der Annahme, dass der Personenverkehr tatsächlich reduziert wird, sind in den ländlichen Räumen aufgrund der längeren Wege und des MIV[7]-lastigeren Modal Splits deutlichere Umweltwirkungen möglich als in den urbanen Räumen. Auch hier wird der Gesamteffekt aber in erheblichem Maße davon abhängen, wie viel Güterverkehr im Gegenzug induziert wird. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass Logistiknetze im ländlichen Raum deutlich weniger effizient betrieben werden können und daher ein größerer Teil der möglichen Verkehrsreduktion im Personenverkehr durch einen energieintensiven Lieferverkehr kompensiert wird. Wie demnach die Gesamtbilanz des Online-Handels zu bewerten ist und wie sich diese bei einer Ausweitung der Online-Angebote auf den periodischen Bedarf gestalten wird, ist nach derzeitigem Wissensstand unklar.“ 3. Ergänzende statistische Quellen Statista, Statista-Dossier zum E-Commerce Markt in Deutschland, https://de.statista.com/statistik/studie/id/6387/dokument/e-commerce-statista-dossier/. 7 Motorisierter Individualverkehr. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 015/21 Seite 12 Statista, Statista-Dossier zum Thema Retouren im Online-Handel, https://de.statista.com/statistik/studie/id/14401/dokument/online-retouren--statista-dossier/. Statista, Statista-Dossier zum deutschen Einzelhandel, https://de.statista.com/statistik/studie/id/6557/dokument/einzelhandel-in-deutschland-statistadossier /. Statista, Statista-Dossier zum E-Commerce-Markt für Bekleidung in Deutschland, https://de.statista.com/statistik/studie/id/31481/dokument/e-commerce-markt-fuer-bekleidungin -deutschland-statista-dmo-statista-dossier/. Statista, Statista-Dossier zu den Auswirkungen des Coronavirus auf den Einzelhandel (inkl. Online -Handel), https://de.statista.com/statistik/studie/id/71877/dokument/auswirkungen-des-coronavirus-aufden -einzelhandel/. Der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd), 14.05.2020, E-Commerce: Online-Handel in Deutschland boomt, https://www.iwd.de/artikel/online-handel-in-deutschland-boomt-467561/. ***