© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 015/20 Export nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel Rechtliche Regelungen in Frankreich und Deutschland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Fragestellung Mit Hinweis auf eine Veröffentlichung von PAN1-Germany (2019)2 und auf das Ende 2018 in Frankreich verabschiedete Gesetz LOI n° 2018-938 du 30 octobre 20183, wonach Exporte nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel aus der EU in Drittstaaten ab dem 1. Januar 2022 in Frankreich verboten sein sollen, wurde nach der Rechtslage in Deutschland gefragt. 2. Vorgaben der EU zu Exporten nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel in Drittstaaten Pflanzenschutzmittel (PSM) enthalten in der Regel mindestens einen Wirkstoff, eine aktive Substanz („active substance“). Die Genehmigung der einzelnen Wirkstoffe für PSM erfolgt auf EU- Ebene durch die European Food Safety Authority (EFSA). PSM selbst werden national zugelassen . Wichtig für die Zulassung eines PSM in der EU ist, dass die im PSM enthaltenen Wirkstoffe genehmigt sind.4 Bevor ein Pflanzenschutzmittel in der EU in den Verkehr gebracht wird, sollte nachgewiesen werden, dass es keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen , einschließlich der besonders gefährdeten Personengruppen, oder von Tieren sowie keine unzulässigen Folgen für die Umwelt hat.5 Für den Export nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel aus der EU in Drittstaaten sind im Wesentlichen die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (EU-Pflanzenschutzmittelverordnung)6 und 1 PAN=Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. 2 Giftige Exporte: Die Ausfuhr hochgefährlicher Pestizide aus Deutschland in die Welt. https://pan-germany .org/download/giftige-exporte-ausfuhr-hochgefaehrlicher-pestizide-von-deutschland-in-die-welt/ 3 LOI n° 2018-938 du 30 octobre 2018 pour l'équilibre des relations commerciales dans le secteur agricole et alimentaire et une alimentation saine, durable et accessible à tous. https://www.legifrance.gouv.fr/affich- Texte.do?cidTexte=JORFTEXT000037547946&categorieLien=id 4 Umweltgutachten 2016 des Sachverständigenrates für Umweltfragen. BT-Drs. 18/8500. S. 234. http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/18/085/1808500.pdf; siehe auch https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Pflanzenbau /Pflanzenschutz/_Texte/Zulassung.html 5 Erwägungsgrund 24 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates. ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1–50. https://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R1107&qid=1580292984643&from=DE 6 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates. ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1–50. https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R1107&qid=1580292984643&from=DE Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 015/20 Seite 5 die Verordnung (EU) Nr. 649/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien7, die sog. PIC-Verordnung, relevant. Die EU-Pflanzenschutzmittelverordnung soll ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt gewährleisten und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft in der Gemeinschaft sicherstellen (Erwägungsgrund 8 der VO (EG) Nr. 1107/2009). Sie enthält harmonisierte Regelungen für die Genehmigung von Wirkstoffen und für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, einschließlich der Regelungen über die gegenseitige Anerkennung der Zulassungen sowie über den Parallelhandel8 (Erwägungsgrund 9 der VO (EG) Nr. 1107/2009). In § 28 der EU-Pflanzenschutzmittelverordnung finden sich die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen und das Verwenden eines PSM. Laut Art. 28 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1107/2009 darf ein PSM nur in Verkehr gebracht oder verwendet werden, wenn es in dem betreffenden Mitgliedstaat gemäß der vorliegenden Verordnung zugelassen wurde. Art. 28 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1107/2009 beschreibt jedoch Ausnahmen von dem Erfordernis einer Zulassung. Abweichend von Art. 28 Abs. 1 ist gemäß Art. 28 Abs. 2 lit. d) der VO (EG) Nr. 1107/2009 keine Zulassung erforderlich , sofern der Mitgliedstaat, in dem das PSM hergestellt, gelagert oder transportiert wird, mittels Inspektionen sicherstellt, dass das Pflanzenschutzmittel aus seinem Hoheitsgebiet in ein Drittland ausgeführt wird. Art. 28 der VO (EG) Nr. 1107/2009 lautet wie folgt: „Artikel 28 Zulassung zum Inverkehrbringen und zur Verwendung (1) Ein Pflanzenschutzmittel darf nur in Verkehr gebracht oder verwendet werden, wenn es in dem betreffenden Mitgliedstaat gemäß der vorliegenden Verordnung zugelassen wurde. (2) Abweichend von Absatz 1 ist in folgenden Fällen keine Zulassung erforderlich: o (…) o d) Herstellung, Lagerung und Verbringung eines Pflanzenschutzmittels, das zur Verwendung in einem Drittland bestimmt ist, sofern der Mitgliedstaat, in dem es hergestellt, gelagert oder transportiert wird, Inspektionsanforderungen festgelegt 7 ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 60–106. Letzte konsolidierte Fassung: 01/05/2019. https://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32012R0649&qid=1580291676579&from=DE 8 Parallelhandel: „Ein Pflanzenschutzmittel, das in einem Mitgliedstaat (Ursprungsmitgliedstaat) zugelassen ist, kann, sofern eine Genehmigung für den Parallelhandel erteilt wurde, in einem anderen Mitgliedstaat eingeführt, in Verkehr gebracht oder verwendet werden (Einfuhrmitgliedstaat), wenn dieser Mitgliedstaat feststellt, dass das Pflanzenschutzmittel in seiner Zusammensetzung mit einem Pflanzenschutzmittel identisch ist, das in seinem Gebiet bereits zugelassen ist (Referenzmittel).“ (Art. 52 Abs. 1 S.1 VO (EG) Nr. 1107/2009). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 015/20 Seite 6 hat, um sicherzustellen, dass das Pflanzenschutzmittel aus seinem Hoheitsgebiet ausgeführt wird; o (…).“ 9 Die PIC-Verordnung10, die am 1. März 2014 in Kraft trat, setzt das Rotterdamer Übereinkommen11 über Ein- und Ausfuhrverfahren für bestimmte gefährliche Industriechemikalien sowie Pflanzenschutz - und Schädlingsbekämpfungsmittel um. Nach „Prior Informed Consent“(PIC), somit nach vorherigem Einverständnis wird sichergestellt, „dass Länder, die bestimmte Chemikalien aus der EU einführen: über die Ausfuhr informiert sind; gefragt werden, ob sie der Ausfuhr zustimmen; über den sicheren Umfang mit Chemikalien in Kenntnis gesetzt werden, um die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor möglichen Schäden zu bewahren.“12 Die Regelungen der PIC-Verordnung gelten für Pflanzenschutzmittel, die in der EU verboten sind.13 3. Frankreich In Frankreich sind ab dem 1. Januar 2022 die Herstellung, Lagerung und Verbringung von PSM („produits phytopharma ceutiques“), die nicht in der EU zugelassene Wirkstoffe enthalten, aus 9 ABl. L 309 vom 24.11.2009, S. 1–50. https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R1107&qid=1580292984643&from=DE; letzte konsolidierte Fassung: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02009R1107- 20190715&qid=1581073119480&from=DE 10 Verordnung (EU) Nr. 649/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien. ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 60–106. Letzte konsolidierte Fassung: 01/05/2019. https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32012R0649&qid=1580291676579&from=DE 11 ROTTERDAM CONVENTION ON THE PRIOR INFORMED CONSENT PROCEDURE FOR CERTAIN HA- ZARDOUS CHEMICALS AND PESTICIDES IN INTERNATIONAL TRADE. http://www.pic.int/TheConvention /Overview/TextoftheConvention/RotterdamConventionText/tabid/1160/language/en-US/Default.aspx 12 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=LEGISSUM:4298969&qid=1580291676579 13 Vgl. Erwägungsgrund 8 der Verordnung (EU) Nr. 649/2012. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 015/20 Seite 7 Gesundheits- und Umweltschutzgründen verboten (Code rural, Art. L. 253-8 IV14). Dies geht zurück auf Art. 83 Abs. 4 LOI n° 2018-93815, der den Code rural (L'article L. 253-8 du code rural et de la pêche maritime) novelliert. Der genaue Wortlaut des Artikel 83 Abs. 4 LOI n° 2018-938 findet sich nachfolgend: « IV.-Sont interdits à compter du 1er janvier 2022 la production, le stockage et la circulation de produits phytopharmaceutiques contenant des substances actives non approuvées pour des raisons liées à la protection de la santé humaine ou animale ou de l'environnement conformément au règlement (CE) n° 1107/2009 du Parlement européen et du Conseil du 21 octobre 2009 précitée, sous réserve du respect des règles de l'Organisation mondiale du commerce .» 16 Demnach sind ab dem 1. Januar 2022 die Herstellung, Lagerung und Verbringung von PSM, die Wirkstoffe enthalten, die aus Gründen des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier oder der Umwelt nicht gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zugelassen sind - vorbehaltlich der Einhaltung der Regeln der Welthandelsorganisation - verboten. Die Union der Pflanzenschutzmittelindustrie (Union des industries de la protection des plantes - UIPP) und die ihr beigetretene französische Saatgutunion (Union française des semenciers) machten geltend, dass Absatz IV gegen die unternehmerische Freiheit der Unternehmen verstoße, die diese Mittel herstellen oder ausführen. Sie begründeten dies damit, dass ein solches Verbot insofern nicht mit dem Ziel des Umwelt- und Gesundheitsschutzes in Zusammenhang stehe, als dass die Drittländer, diese Produkte weiterhin nutzten, da sie die Lieferungen nunmehr von Konkurrenten der in Frankreich ansässigen Unternehmen erhielten. Zu den fraglichen Produkten gehören u.a. Herbizide, Fungizide, Insektizide oder Akarizide.17 14 https://www.legifrance.gouv.fr/affichCodeArticle.do?idArticle=LEGIARTI000037562348&cidTexte=LE- GITEXT000006071367&dateTexte=20200101 15 LOI n° 2018-938 du 30 octobre 2018 pour l'équilibre des relations commerciales dans le secteur agricole et alimentaire et une alimentation saine, durable et accessible à tous. https://www.legifrance.gouv.fr/affich- Texte.do?cidTexte=JORFTEXT000037547946&categorieLien=id 16 LOI n° 2018-938 du 30 octobre 2018 pour l'équilibre des relations commerciales dans le secteur agricole et alimentaire et une alimentation saine, durable et accessible à tous. https://www.legifrance.gouv.fr/affich- Texte.do?cidTexte=JORFTEXT000037547946&categorieLien=id, auch kurz als EGALIM-Gesetz bezeichnet (EGalim : “États généraux de l’alimentation”). 17 https://www.conseil-constitutionnel.fr/actualites/communique/decision-n-2019-823-qpc-du-31-janvier-2020- communique-de-presse Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 015/20 Seite 8 Am 7. November 2019 bat der französische Staatsrat (Conseil d'Etat) den Verfassungsrat (Conseil Constitutionnel)18 um eine Entscheidung in dieser vorrangigen Verfassungsfrage („question prioritaire de constitutionnalité“). Es sollte entschieden werden, ob die durch die Verfassung garantierten Rechte und Freiheiten durch die Novellierung des Artikels L. 253-8 Absatz IV des code rural et de la pêche maritime durch das Gesetz loi n° 2018-938 vom 30. Oktober 201819 eingeschränkt würden. Die Entscheidung des Conseil Constitutionnel fiel am 31. Januar 2020. Der Conseil Constitutionnel erklärte hierin die angefochtenen Bestimmungen für verfassungskonform („est conforme à la Constitution“): „Le paragraphe IV de l’article L. 253-8 du code rural et de la pêche maritime, dans sa rédaction résultant de la loi n° 2018-938 du 30 octobre 2018 pour l’équilibre des relations commerciales dans le secteur agricole et alimentaire et une alimentation saine, durable et accessible à tous, est conforme à la Constitution.“20 Seine Entscheidung21 begründete er wie folgt: Zunächst erinnerte er daran, dass sich die unternehmerische Freiheit aus Artikel 4 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 ableite. Aber er vertrat dann die Auffassung, dass aus der Präambel der nationalen Umweltcharta22 hervorgehe , dass der Schutz der Umwelt, des gemeinsamen Erbes der Menschen, ein Ziel von verfassungsmäßigem Wert darstelle. Seine diesbezügliche Entscheidung stützt sich ausdrücklich auf die Bestimmungen der Präambel der Charta, in der es heißt, dass "die Zukunft und die Existenz 18 "Der Verfassungsrat prüft auf Verlangen die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen vor ihrem Erlass, d. h. er prüft ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung. Der Verfassungsrat kann vom Präsidenten der Republik, dem Premierminister , den Präsidenten der Nationalversammlung und des Senats oder von sechzig Abgeordneten bzw. sechzig Senatoren angerufen werden. Dem Verfassungsrat können ferner nach Prüfung durch den Staatsrat oder den Kassationsgerichtshof Anträge auf Änderung geltender Rechtsvorschriften von Prozessbeteiligten vorgelegt werden , die in einem laufenden Verfahren, auf das sie Anwendung finden, die Konformität der rechtlichen Bestimmungen mit den verfassungsgemäß garantierten Rechten und Freiheiten in Frage stellen." https://e-justice.europa .eu/content_member_state_law-6-fr-de.do?member=1 19 LOI n° 2018-938 du 30 octobre 2018 pour l'équilibre des relations commerciales dans le secteur agricole et alimentaire et une alimentation saine, durable et accessible à tous. https://www.legifrance.gouv.fr/affich- Texte.do?cidTexte=JORFTEXT000037547946&categorieLien=id 20 https://www.conseil-constitutionnel.fr/sites/default/files/as/root/bank_mm/decisions /2019823qpc/2019823qpc.pdf 21 https://www.conseil-constitutionnel.fr/sites/default/files/as/root/bank_mm/decisions /2019823qpc/2019823qpc.pdf; https://www.conseil-constitutionnel.fr/actualites/communique/decision-n- 2019-823-qpc-du-31-janvier-2020-communique-de-presse 22 Zweisprachige Fassung: Article 2, LOI constitutionnelle n° 2005-205 du 1er mars 2005 relative à la Charte de l'environnement. Charte de l'environnement de 2004 du 1er mars 2005/ Artikel 2 des Verfassungsgesetzes Nr. 2005-205 vom 1. März 2005. Umweltcharta von 2004 von beiden Kammern des Parlaments angenommen am 1. Juni 2004 bzw. 24. Juni 2004, vom Kongress des Parlaments angenommen am 28. Februar 2005, verkündet als Verfassungsgesetz am 1. März 2005. http://www.verfassungen.eu/f/umweltcharta2004.htm Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 015/20 Seite 9 der Menschheit untrennbar mit ihrer natürlichen Umwelt verbunden sind ... die Umwelt das gemeinsame Erbe der Menschen ist ... die Erhaltung der Umwelt gleichberechtigt mit den anderen Grundinteressen der Nation verfolgt werden muss... um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten , dürfen Entscheidungen, die auf die Erfüllung der Bedürfnisse der Gegenwart ausgerichtet sind, nicht die Fähigkeit künftiger Generationen und anderer Völker gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen" („l'avenir et l'existence même de l'humanité sont indissociables de son milieu naturel … l'environnement est le patrimoine commun des êtres humains… la préservation de l'environnement doit être recherchée au même titre que les autres intérêts fondamentaux de la Nation … afin d'assurer un développement durable, les choix destinés à répondre aux besoins du présent ne doivent pas compromettre la capacité des générations futures et des autres peuples à satisfaire leurs propres besoins“23). Des Weiteren erinnerte der Conseil Constitutionnel auch an das verfassungsrechtlich gültige Ziel des Gesundheitsschutzes, das sich aus dem elften präambularen Absatz der Verfassung von 194624 ergebe. Aus der Gesamtheit dieser Verfassungsbestimmungen leitete der Conseil Constitutionnel erstmals ab, dass es dem Gesetzgeber obliege, dafür zu sorgen, dass die verfassungsrechtlich zulässigen Ziele des Umwelt- und Gesundheitsschutzes mit der Ausübung der unternehmerischen Freiheit in Einklang gebracht werden. Der Gesetzgeber sei somit berechtigt, die Auswirkungen zu berücksichtigen , die in Frankreich ausgeübte Tätigkeiten auf die Umwelt im Ausland haben könnten. („À ce titre, le législateur est fondé à tenir compte des effets que les activités exercées en France peuvent porter à l'environnement à l'étranger.“25) In Anbetracht des vorgelegten verfassungsrechtlichen Rahmens weist der Conseil Constitutionnel darauf hin, dass der Gesetzgeber mit dem Erlass der streitigen Rechtsvorschriften Schäden für die menschliche Gesundheit und die Umwelt verhindern wolle, die sich aus der Verbreitung der in den fraglichen Produkten enthaltenen Wirkstoffe ergeben könnten, deren Schädlichkeit im Rahmen des europäischen Zulassungsverfahrens für Wirkstoffe festgestellt worden sei. Die in den PSM enthaltenen Wirkstoffe müssten von den zuständigen Stellen der EU genehmigt worden sein, denn eine solche Genehmigung werde insbesondere für Stoffe verweigert, die schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder unannehmbare Auswirkungen auf 23 https://www.conseil-constitutionnel.fr/sites/default/files/as/root/bank_mm/decisions /2019823qpc/2019823qpc.pdf 24 Siehe nachfolgend Abs. 11 der Präambel der französischen Verfassung von 1946: „11. Elle garantit à tous, notamment à l'enfant, à la mère et aux vieux travailleurs, la protection de la santé, la sécurité matérielle, le repos et les loisirs. Tout être humain qui, en raison de son âge, de son état physique ou mental, de la situation économique, se trouve dans l'incapacité de travailler a le droit d'obtenir de la collectivité des moyens convenables d'existence“. https://www.conseil-constitutionnel.fr/le-bloc-de-constitutionnalite /preambule-de-la-constitution-du-27-octobre-1946 25 https://www.conseil-constitutionnel.fr/sites/default/files/as/root/bank_mm/decisions /2019823qpc/2019823qpc.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 015/20 Seite 10 die Umwelt hätten.26 Zudem weist er darauf hin, dass es nicht Sache des Conseil Constitutionnel sei, der keine allgemeine Beurteilungs- und Entscheidungsbefugnis wie das Parlament habe, die aufgrund des aktuellen Wissensstandes vom Gesetzgeber erlassenen Bestimmungen in Frage zu stellen. Der Conseil Constitutionnel ist der Ansicht, dass der Gesetzgeber mit Abs. IV verhindern wollte, dass in Frankreich niedergelassene Unternehmen sich am weltweiten Verkauf solcher Produkte beteiligen und damit indirekt Schäden für die menschliche Gesundheit und die Umwelt verursachen . Damit stehe die Beschränkung der unternehmerischen Freiheit, auch wenn die Herstellung und Vermarktung solcher Produkte außerhalb der EU zugelassen sei, in Einklang mit den verfassungsrechtlichen Werten des Gesundheits- und Umweltschutzes: „En faisant ainsi obstacle à ce que des entreprises établies en France participent à la vente de tels produits partout dans le monde et donc, indirectement, aux atteintes qui peuvent en résulter pour la santé humaine et l’environnement et quand bien même, en dehors de l’Union européenne, la production et la commercialisation de tels produits seraient susceptibles d’être autorisées, le législateur a porté à la liberté d’entreprendre une atteinte qui est bien en lien avec les objectifs de valeur constitutionnelle de protection de la santé et de l’environnement poursuivis.“27 Der Conseil Constitutionnel stellte ferner fest, dass der Gesetzgeber durch die Verschiebung des Inkrafttretens des Verbots der Herstellung, der Lagerung oder des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln mit nicht zugelassenen Wirkstoffen auf den 1. Januar 2022 den Unternehmen eine Frist von etwas mehr als drei Jahren eingeräumt habe, um ihre Tätigkeit entsprechend anzupassen . Aus all dem Vorstehenden schließt der Conseil Constitutionnel, dass der Gesetzgeber durch die Annahme des Abs. IV eine nicht offensichtlich fehlerhafte Abwägung („n'est pas manifestement déséquilibrée“28) zwischen der verfassungsrechtlich gewährleisteten unternehmerischen Freiheit einerseits und in den ebenfalls in der Verfassung verankerten Zielen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes andererseits vorgenommen habe. 4. Deutschland § 25 des Pflanzenschutzgesetzes (PflSchG)29 regelt im nationalen Recht die Ausfuhr von PSM in Drittstaaten. Die Vorschrift lautet: 26 https://www.conseil-constitutionnel.fr/sites/default/files/as/root/bank_mm/decisions /2019823qpc/2019823qpc.pdf 27 https://www.conseil-constitutionnel.fr/sites/default/files/as/root/bank_mm/decisions /2019823qpc/2019823qpc.pdf 28 https://www.conseil-constitutionnel.fr/sites/default/files/as/root/bank_mm/decisions /2019823qpc/2019823qpc.pdf 29 BGBl I 2012, 148, 1281; zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 84 des Gesetzes vom 18.7.2016, BGBl I 2016, 1666. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 015/20 Seite 11 „(1) Soweit nicht Regelungen in anderen Rechtsvorschriften getroffen worden sind, dürfen Pflanzenschutzmittel zu gewerblichen Zwecken oder im Rahmen sonstiger wirtschaftlicher Unternehmungen in andere als Mitgliedstaaten nur ausgeführt werden, wenn 1. auf den Behältnissen und abgabefertigen Packungen in deutlich sichtbarer, leicht lesbarer Schrift unverwischbar die Bezeichnung des Pflanzenschutzmittels, die Wirkstoffe nach Art und Menge und das Verfallsdatum bei Pflanzenschutzmitteln mit längstens zweijähriger Haltbarkeit angegeben sind und 2. den Behältnissen und abgabefertigen Packungen eine Gebrauchsanleitung mit Angaben beigefügt ist über a) die bestimmungsgemäße und sachgerechte Anwendung, b) mögliche schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier sowie auf den Naturhaushalt, c) Vorsichtsmaßnahmen sowie Sofortmaßnahmen bei Unfällen, d) die sachgerechte Entsorgung oder Neutralisierung. Im Übrigen sind bei der Ausfuhr internationale Vereinbarungen, insbesondere der Verhaltenskodex für das Inverkehrbringen und die Anwendung von Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, zu berücksichtigen. (2) Verfügungsberechtigte und Besitzer von für die Ausfuhr bestimmten Pflanzenschutzmitteln , die 1. nicht nach den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zugelassen sind oder 2. nicht nach § 31 Absatz 2 gekennzeichnet sind, sind verpflichtet, diese von den für die Anwendung innerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes bestimmten Pflanzenschutzmitteln getrennt zu halten und entsprechend kenntlich zu machen. Satz 1 Nummer 2 gilt entsprechend für Kultursubstrate, für die die Kennzeichnung in einer Rechtsverordnung nach § 31 Absatz 6 Nummer 5 vorgeschrieben worden ist. (3) Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wird ermächtigt, soweit dies 1. zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union oder 2. zur Abwehr erheblicher, auf andere Weise nicht zu behebender Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder sonstiger Gefahren, insbesondere für den Naturhaushalt , erforderlich ist, im Einvernehmen mit den Bundesministerien für Wirtschaft und Energie, für Arbeit und Soziales, für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 015/20 Seite 12 für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Ausfuhr bestimmter Pflanzenschutzmittel oder von Pflanzenschutzmitteln mit bestimmten Stoffen in Staaten außerhalb der Europäischen Union zu verbieten oder zu beschränken oder von einer Genehmigung oder Anzeige abhängig zu machen.“30 § 25 Abs. 3 Nr. 2 PflSchG ermächtigt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Einvernehmen mit weiteren Bundesministerien, zur Abwehr erheblicher Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder sonstiger Gefahren, insbesondere für den Naturhaushalt , durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, die Ausfuhr bestimmter Pflanzenschutzmittel oder von Pflanzenschutzmitteln mit bestimmten Stoffen in Staaten außerhalb der EU zu verbieten. Somit gibt es nach deutscher Rechtslage bereits die Möglichkeit, unter den in § 25 Abs. 3 Nr. 2 PflSchG genannten Voraussetzungen, Regelungen, die denen der französischen Regelung ähneln, durch Rechtsverordnung zu erlassen. Von dieser Verordnungsermächtigung ist bislang kein Gebrauch gemacht worden. *** 30 Hervorhebung durch Verfasser der Ausarbeitung. BGBl I 2012, 148, 1281; zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 84 des Gesetzes vom 18.7.2016, BGBl I 2016, 1666.