Deutscher Bundestag Nahrungsergänzungsmittel Definitionen und Marktübersicht Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 5 – 3000 - 015/11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 - 015/11 Seite 2 Nahrungsergänzungsmittel Definitionen und Marktübersicht Verfasser: Aktenzeichen: WD 5 – 3000 – 15/11 Abschluss der Arbeit: 1. Februar 2011 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie, Ernährung, Landwirtschaft und . Verbraucherschutz, Tourismus Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 - 015/11 Seite 3 1. Begriffsbestimmung und Abgrenzung Analog zur Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie der EU1 von 2002 sind Nahrungsergänzungsmittel in § 1, Abs. 1 und 2 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) von 20042, mit der die EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wurde, wie folgt definiert: „ (1) Nahrungsergänzungsmittel im Sinne dieser Verordnung ist ein Lebensmittel, das 1. dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen, 2. ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellt und 3. in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen, in den Verkehr gebracht wird. Abs. 2 klammert mit der Formulierung „Nährstoffe im Sinne dieser Verordnung sind Vitamine und Mineralstoffe, einschließlich Spurenelemente“ alle Stoffe aus dem Wirkungsbereich der Verordnung aus, die keine Vitamine oder Mineralien sind, aber dennoch unter der Bezeichnung Nahrungsergänzungsmittel in Verkehr gebracht werden. Sie werden damit automatisch den Lebensmitteln gleichgestellt und unterliegen als solche den Bestimmungen des Lebens- und Futtermittel -Gesetzbuches (LFGB) http://www.cgdev.org/section/initiatives/_active/codaid3. Die verschiedenen Vitamine und Mineralstoffe und ihre Verbindungen, die für die Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln i.e. S. verwendet werden dürfen, sind in den Positivlisten der Anhänge I und II der EU-Richtlinie bzw. Anlagen 1 und 2 der NemV erfasst. Verbindliche Höchstmengen für Inhaltsstoffe von Nahrungsergänzungsmitteln (allgemein und i.e.S.) existieren derzeit weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene. Dies gilt für Vitamine und Mineralien ebenso wie für die nicht von der NEM V erfassten Substanzen. Bei letzteren handelt es sich um eine kaum überschaubare Anzahl von Präparaten aus den Gruppen von Aminosäuren , Enzymen, Pro- und Präbiotika, essentiellen Fettsäuren, Pflanzen und Pflanzen-Extrakten und diversen bioaktiven Substanzen. Sie werden überwiegend nicht in dosierter Form gehandelt, sondern von der einschlägigen Industrie Lebensmitteln im Verarbeitungsprozess zugesetzt. Da es sich nicht um gemeinschaftrechtlich regulierte Vitamine und Mineralien handelt, unterliegen sie den Regularien des Lebens-und Futtermittel-Gesetzbuchs (LFGB), sind dort den Lebensmitteln gleichgestellt, und bedürfen keiner eigenen Zulassung. In der Branche und im allgemeinen Sprachgebrauch der mit Verbraucherthemen befassten Literatur werden sie jedoch ebenfalls als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet, da ihr Zweck – die Anreicherung von natürlichen Lebensmittel um Stoffe, die für „gesund“ erachtet werden bzw. tatsächlich oder vermeintlich in der 1 RICHTLINIE 2002/46/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel. 2 Nahrungsergänzungsmittelverordnung vom 24. Mai 2004 (BGBl. I S. 1011). 3 zum besseren Verständnis werden im weiteren Text, die in Richtlinie und Verordnung erfassten, also aus Vitaminen und Mineralstoffen hergestellten Nahrungsgsergänzungsmittel mit dem Zusatz i.e.S. gekennzeichnet. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 - 015/11 Seite 4 normalen Ernährung defizitär vorhanden sind, derselbe ist, wie der von zugesetzten Vitaminen und Materialien. Im Gegensatz zu Arzneimitteln dürfen Nahrungsergänzungsmittel weder pharmakologische Wirkungen noch Nebenwirkungen haben und müssen wie alle Lebensmittel sicher sein. Anders als Arzneimittel unterliegen sie nur einer Registrierungspflicht beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Die Überwachung der in den Geschäften angebotenen Nahrungsergänzungsmittel und der Herstellerbetriebe ist Aufgabe der Lebensmittelüberwachungsbehörden der Länder4. Zum Problem der Abgrenzung stellt die EU-Kommission stellt zu diesem Thema fest: „Da es sich um Nahrungsergänzungsmittel handelt, insbesondere um solche, die andere Stoffe als Vitamine oder Mineralstoffe enthalten, konnte oder kann es in gewissen Grenzfällen zu Situationen kommen , in denen die Vermarktung eines gegebenen Erzeugnisses in manchen Mitgliedstaaten nach dem Lebensmittelrecht zulässig ist, während dasselbe Erzeugnis in anderen Mitgliedstaaten als Arzneimittel eingestuft wird.“ Während sie jedoch derzeit darauf verzichtet, die Verwendung anderer Nahrungsergänzungsmittel als Vitamine und Mineralien zu regulieren und dies mit der Heterogenität des Marktes, Zweifeln an der Durchführbarkeit und an der kurzfristigen Notwendigkeit begründet (EU, 2008), hat das BMELV am 16.07.2010 eine Gesetzentwurf vorgelegt, der vorsieht diese Stoffe im LFGB nicht mehr Lebensmitteln bzw. charakteristischen Zutaten gleichzustellen , sondern den Lebensmittelzusatzstoffen womit sie zwangsläufig der Zulassungspflicht unterliegen würden5. Dieses Vorhaben wird von der Branche heftig angegriffen, u.a. mit Verweis auf die Bedeutung des „innovativen und wachstumsträchtigen Marktes“ und die mit ihm verbundenen Beschäftigungseffekte . 2. Marktentwicklung Die Gruppe der „Anderen Substanzen“ erreicht in Europa annähernd die gleichen Umsätze, wie die durch EU-Recht regulierten Vitamine und Materialien. Neben- und untenstehende Grafiken sind einer Studie der European Advisory Services entnommen, die in Vorbereitung des – bis auf weiteres zurückgestellten - Regelungsvorhabens erarbeitet und am 28. März 2007 vorgelegt wurde. Als Grunddaten werden dort Angaben von Euromonitor 2005 verwendet (EAS, 2007)6. 4 zur inhaltlichen Abgrenzung Lebensmittel – Nahrungsergänzungsmittel – Arzneimittel s.a. : Fragen und Antworten zu Nah- rungsergänzungsmitteln, FAQ des BfR vom 1.02.2008, http://www.bfr.bund.de/cd/10885#a10895. 5 Zweites Gesetz zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften . http://www.bmelv.de/cln_181/SharedDocs/Standardartikel/Ernaehrung/SpezielleLebensmittel und . Zusaetze/LFGB_Novelle.html. 6 Der Datenservice von Euromonitor ist kostenpflichtig, die Marktdaten konnten somit nicht aktualisiert werden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 - 015/11 Seite 5 Lt. IMS Health Deutschland entwickelt sich das Marktsegment Nahrungsergänzungsmittel – entgegen der EU- Prognose und analog zu apothekenpflichtigen Schmerz- und Stärkungsmitteln – nach starkem Wachstum seit 2008 rückläufig. IMS Health (2009) lässt in der Analyse offen, ob hierfür eine, durch Finanz- und Wirtschaftskrise bedingte Kaufzurückhaltung der Zielgruppen verantwortlich ist, oder ob sich der Einfluss von Expertenaussagen zum Nutzen dieser Produkte bemerkbar macht7. Für 2009 wurde der mit Nahrungsergänzungsmitteln (incl. Vitamine und Mineralien) erzielte Umsatz von Euromonitor europaweit auf über 4 Mrd. EURO beziffert. Davon entfallen auf die fünf wichtigsten Länder (Italien, Deutschland, Vereinigtes Königsreich, Norwegen) bereits 79%. In Deutschland liegt der Umsatz inzwischen knapp über 1 Mrd. EURO, stagniert jedoch seit 2008 (IFI 2010). Während die Zusammensetzung der in Nahrungsergänzungsmitteln i.e.S. verwendeten Vitaminen und Mineralien laut EU-Kommission (2008) innerhalb Europas einigermaßen homogen ist, variiert das Bild bei den „anderen Stoffen“ extrem. Die aus EAS (2007) entnommenen Kreisdiagramme auf Seite 6 geben Auskunft über die Präferenzen für bestimmte Substanzen in einigen EU-Mitgliedsländern. Eine solide Erklärung für die erratisch wirkenden Unterschiede in den Verbrauchsgewohnheiten in den hier beispielhaft dargestellten Ländern findet sich in der Literatur nicht. Auch die Erläuterungen von Euromonitor (IFI, 2010) sprechen von z.T. konfusen Marktmechanismen. 7 z.B. stellt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)fest: „Eine kaum noch überschaubare Anzahl an Nahrungsergänzungsmitteln , die im Handel angeboten werden, vermittelt dem Verbraucher zu Unrecht den Eindruck, dass eine ausreichende Nährstoffzufuhr allein über die Ernährung mit traditionellen Lebensmitteln nicht möglich wäre. Grundsätzlich versorgt eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung den gesunden Körper mit allen lebensnotwendigen Stoffen. In den meisten Fällen sind Nahrungsergänzungsmittel deshalb überflüssig. (http://www.bfr.bund.de/cd/10885#a10895). Marktvolumina „Andere Substanzen“ Marktwachstum 1997-2005 Wachstumsprognose 2005 - 2010 aus: IMS Marktreport, OTC-Markt 2008 RPS = Recommended Selling Price Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 - 015/11 Seite 6 Ein konfuses Ergebnis erzeugt auch der Vergleich des rechtlichen Status der Substanzen in den nationalen Regelwerken in diesem, nicht von EU-Recht erfassten Bereich. Die stark von einander abweichende rechtliche Behandlung eröffnet überdies im Wege der Allgemeinverfügung nach § 54 LFGB jederzeit die Möglichkeit, einen Stoff trotz fehlender Zulassung in Verkehr zu bringen, wenn die Verkehrsfähigkeit in anderen Mitgliedstaaten gegeben ist. Rechtstatus einzelner Substanzen in Nahrungsergänzungsmitteln (Beispiele) in der EU 27 (aus EAS, 2007) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 – 3000 - 015/11 Seite 7 Literatur: EU (2008): Bericht der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament über die Verwendung anderer Stoffe als Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln SEC(2008)2976 EAS (2007): The use of substances with nutritional or physical effect other than vitamins and minerals in food supplements. European Advisory Services, Brüssel, 28.03.2007 IFI (2010): Which supplements are in demand – and why - varies significantly from market to market in Western Europe, IFI Magazine, aufgerufen am 31.01.2010 http://www.ingredientsnetwork.com/ifi-article/full/market-trends-dietary-supplements-in-europe IMS (2009): Marktentwicklung von Nahrungsergänzungsmitteln, IMS Health Marktmonitor, 15.09.2009, http://www.imshealth.de/sixcms/detail.php?id=15017