© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 014/21 Regelungen zu zertifiziertem und zu freiem Saatgut Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 014/21 Seite 2 Regelungen zu zertifiziertem und zu freiem Saatgut Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 014/21 Abschluss der Arbeit: 15. März 2021 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 014/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Erzeugung von Saatgut für den Eigenbedarf (Landwirteund Züchterprivileg) 4 3. Saatgutverarbeitung 9 4. Saatgut von Landwirten 11 5. Austausch nicht zertifizierten Saatguts 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 014/21 Seite 4 1. Einleitung Dieser Sachstand beantwortet einzelne Fragen zu Saatgutregelungen. Die Fragen werden dabei den einzelnen Kapiteln jeweils vorangestellt. 2. Erzeugung von Saatgut für den Eigenbedarf (Landwirte- und Züchterprivileg) Frage: Können Landwirte Saatgut für ihren eigenen Gebrauch aus dem Saatgut produzieren, das sie geerbt oder durch Austausch mit anderen Erzeugern erhalten haben, oder müssen Landwirte nur zertifiziertes Saatgut verwenden, das im Gemeinsamen Sortenkatalog der Europäischen Union eingetragen ist, wenn sie Saatgut für ihren eigenen Bedarf produzieren ? Gibt es auch Einschränkungen oder Ausnahmen, die für große, kleine und mittlere landwirtschaftliche Erzeuger bei der Regulierung dieses Problems gelten würden? Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. macht deutlich, Landwirte dürften Saatgut für ihren eigenen Gebrauch aus zertifiziertem Saatgut für die Aussaat im folgenden Jahr produzieren (Nachbau), das sie zuvor von einem Sortenschutzinhaber erworben haben (sog. Landwirteprivileg ): „Demnach darf im eigenen Betrieb zum Zweck der Vermehrung gewonnenes Erntegut der geschützten Sorte innerhalb angemessener Grenzen sowie unter der Bedingung, dass der nachbauende Landwirt dem Züchter eine Nachbaugebühr[1] zahlt und Auskunft über den getätigten Nachbau erteilt, verwendet werden.“2 Für Kleinlandwirte gelten Ausnahmen, die weiter unten näher erläutert werden. Die Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV)3 konstatiert, das im eigenen Betrieb erzeugte Erntegut dürfe zu Saatzwecken nur im eigenen Betrieb verwendet werden. Sog. „Nachbausaatgut“ an Dritte abzugeben, sei verboten; auch der Tausch von eigenerzeugtem Saatgut unter Landwirten sei nicht erlaubt.4 Die STV stellt klar, die Abgabe von nicht zertifiziertem Erntegut (Konsumware) zu Saatzwecken stelle Schwarzhandel dar und verstoße zudem gegen das Saatgutverkehrsrecht.5 Weitere „Grenzen des Nachbaurechts“ beschreibt die STV unter dem nächsten Link: 1 Zur Entrichtung der Nachbaugebühren siehe den Flyer der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) zur Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofes zu Nachbauregelung, https://www.stv-bonn.de/sites /default/files/downloads/2018-12/flyer_eugh_2018.pdf. 2 S. 49, https://www.bdp-online.de/de/Service/Download-Center/BDP_Geschaeftsbericht19- 20_WEB__002__1.pdf. 3 https://www.stv-bonn.de/inhalt/diestv/aufgaben-der-stv. 4 https://www.stv-bonn.de/sites/default/files/downloads/2018-10/flyer_handel-richtiger_umgang_mit_saat- _und_pflanzgut_2018.pdf. 5 Was ist bei der Verwendung von Nachbausaatgut zu beachten, https://www.stv-bonn.de/inhalt/nachbauerklaerung /faq. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 014/21 Seite 5 https://www.stv-bonn.de/sites/default/files/downloads/2018-10/flyer_handel-richtiger_umgang _mit_saat-_und_pflanzgut_2018.pdf. Hierzu sind die folgenden gesetzlichen Grundlagen zu nennen: Gem. Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz6 können Landwirte in Abweichung des Art. 13 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 von geschützten Sorten: „zur Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung zu Vermehrungszwecken im Feldanbau in ihrem eigenen Betrieb das Ernteerzeugnis verwenden, das sie in ihrem eigenen Betrieb durch Anbau von Vermehrungsgut einer unter den gemeinschaftlichen Sortenschutz fallenden Sorte gewonnen haben, wobei es sich nicht um eine Hybride oder eine synthetische Sorte handeln darf.“7 Das Saatgut muss im eigenen Betrieb geerntet und dort wiederverwendet werden. Art. 14 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 2100/94 benennt die Sorten, für die der Nachbau möglich ist.8 National regelt § 10 a des Sortenschutzgesetzes (SortSchG 1985)9 das sog. Landwirteprivileg10 (den Nachbau von geschützten Sorten) sowie das Züchterprivileg. Letzteres besagt, dass eine geschützte Sorte zur Züchtung verwendet werden darf, ohne die Zustimmung des Sortenschutzinhabers einzuholen. § 10 a SortSchG 1985 lautet wie folgt: „(1) Die Wirkung des Sortenschutzes erstreckt sich nicht auf Handlungen nach § 10 Abs. 1 1. im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken, 6 Sog. EU-Sortenschutzverordnung, https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31994R2100&qid=1614252126229&from=DE. 7 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31994R2100&qid=1614252126229&from=DE. Hervorhebung durch Verfasser des Sachstands. 8 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31994R2100&qid=1614252126229&from=DE. 9 https://www.gesetze-im-internet.de/sortschg_1985/BJNR021700985.html. 10 Siehe hierzu auch § 9c Abs. 1 Patentgesetz: „(1) Wird pflanzliches Vermehrungsmaterial durch den Patentinhaber oder mit dessen Zustimmung durch einen Dritten an einen Landwirt zum Zweck des landwirtschaftlichen Anbaus in Verkehr gebracht, so darf dieser entgegen den §§ 9, 9a und 9b Satz 2 sein Erntegut für die generative oder vegetative Vermehrung durch ihn selbst im eigenen Betrieb verwenden. Für Bedingungen und Ausmaß dieser Befugnis gelten Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 in seiner jeweils geltenden Fassung sowie die auf dessen Grundlage erlassenen Durchführungsbestimmungen entsprechend. Soweit sich daraus Ansprüche des Patentinhabers ergeben, sind diese entsprechend den auf Grund Artikel 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 erlassenen Durchführungsbestimmungen geltend zu machen.“ https://www.gesetze-im-internet .de/patg/__9c.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 014/21 Seite 6 2. zu Versuchszwecken, die sich auf die geschützte Sorte beziehen, 3. zur Züchtung neuer Sorten sowie in § 10 Abs. 1 genannte Handlungen mit diesen Sorten mit Ausnahme der Sorten nach § 10 Abs. 2. (2) Die Wirkung des Sortenschutzes erstreckt sich ferner nicht auf Erntegut, das ein Landwirt durch Anbau von Vermehrungsmaterial einer geschützten Sorte der in dem Verzeichnis der Anlage aufgeführten Arten mit Ausnahme von Hybriden und synthetischen Sorten im eigenen Betrieb gewonnen hat und dort als Vermehrungsmaterial verwendet (Nachbau), soweit der Landwirt seinen in den Absätzen 3 und 6 festgelegten Verpflichtungen nachkommt. Zum Zwecke des Nachbaus kann das Erntegut durch den Landwirt oder ein von ihm hiermit beauftragtes Unternehmen (Aufbereiter) aufbereitet werden. (3) Ein Landwirt, der von der Möglichkeit des Nachbaus Gebrauch macht, ist dem Inhaber des Sortenschutzes zur Zahlung eines angemessenen Entgelts verpflichtet. Ein Entgelt gilt als angemessen , wenn es deutlich niedriger ist als der Betrag, der im selben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial derselben Sorte auf Grund eines Nutzungsrechtes nach § 11 vereinbart ist. (4) Den Vereinbarungen zwischen Inhabern des Sortenschutzes und Landwirten über die Angemessenheit des Entgelts können entsprechende Vereinbarungen zwischen deren berufsständischen Vereinigungen zugrunde gelegt werden. Sie dürfen den Wettbewerb auf dem Saatgutsektor nicht ausschließen. (5) Die Zahlungsverpflichtung nach Absatz 3 gilt nicht für Kleinlandwirte im Sinne des Artikels 14 Abs. 3 dritter Anstrich der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. EG Nr. L 227 S. 1). (6) Landwirte, die von der Möglichkeit des Nachbaus Gebrauch machen, sowie von ihnen beauftragte Aufbereiter sind gegenüber den Inhabern des Sortenschutzes zur Auskunft über den Umfang des Nachbaus verpflichtet.“11 Nach der Definition in Art. 14 Abs. 3 dritter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 handelt es sich bei Kleinlandwirten um Landwirte, die Pflanzen der Listung in Art. 14 Abs. 2 der Verordnung auf einer Fläche anbauen, die nicht größer ist als die Fläche, die für die Produktion von 92 Tonnen Getreide benötigt würde.12 Im Falle anderer Pflanzenarten sind Kleinlandwirte solche, die vergleichbaren angemessenen Kriterien entsprechen. Kleinlandwirte sind von den 11 https://www.gesetze-im-internet.de/sortschg_1985/BJNR021700985.html. Hervorhebung durch Verfasser des Sachstands. 12 „Landwirte, die Pflanzen nicht auf einer Fläche anbauen, die größer ist als die Fläche, die für die Produktion von 92 Tonnen Getreide benötigt würde“; Art. 14 Abs. 3 dritter Anstrich der Verordnung (EG) Nr. 2100/94, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31994R2100&qid=1614333543930&from=DE. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 014/21 Seite 7 Nachbaugebühren befreit13, „nicht aber von der Verpflichtung zur Auskunftserteilung“14. Der Status als Kleinlandwirt ist nachzuweisen und es gelten unterschiedliche Kriterien für die einzelnen Fruchtarten. So gilt beim Kartoffelanbau als Kleinlandwirt, „der bis 5 ha Kartoffeln anbaut .“15 Bei Getreide und Grobleguminosen gilt der als Kleinlandwirt, „der eine gesamtbetriebliche Ackerfläche bewirtschaftet, die kleiner ist als der für das jeweilige Bundesland bzw. die jeweilige Erzeugungsregion im Rahmen der GAP-Reform festgelegte Schwellenwert.“16 Die Kleinerzeugerschwelle ausgedrückt in Hektar je Bundesland bzw. Region findet sich unter dem folgenden Link Rechte und Pflichten von Kleinlandwirten: https://www.stv-bonn.de/inhalt/nachbauerklaerung /rechtlicher-rahmen. Arten und Sorten bei denen nach Angaben der STV der Nachbau gänzlich untersagt ist, sind z. B. die Blaue Lupine17, Senf, Sojabohne, Hybridsorten und synthetischen Sorten.18 Arten, von denen Vermehrungsmaterial nachgebaut werden kann, finden sich in der Anlage zum SortSch 1985.19 Die Nachbauregelung ist auch im Internationalen Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV-Übereinkommen)20 verankert, dem „neben Deutschland und der EU weitere 74 Staaten21 angehören.“22 13 https://www.stv-bonn.de/inhalt/wissenswertes/rechtsprechung_nachbau; https://www.agrarraum.info/lexikonl .html#landwirteprivileg. 14 https://www.stv-bonn.de/inhalt/nachbauerklaerung/rechtlicher-rahmen. 15 https://www.stv-bonn.de/inhalt/nachbauerklaerung/rechtlicher-rahmen. 16 https://www.stv-bonn.de/inhalt/nachbauerklaerung/rechtlicher-rahmen. 17 „Lupinen sind für die Fütterung landwirtschaftlicher Nutztiere gut geeignet. [..]. Da Lupinen teilweise Fremdbestäuber sind, kann es durch Einkreuzung, Mutation oder Rekombination immer wieder vereinzelt zu bitterstoffreichen Pflanzen kommen. […]. Bitterlupinen sind in der Fütterung nicht verwendbar, da die enthaltenen Alkaloide giftig sind und Vergiftungssymptome auslösen, die das Nerven-, Kreislauf-und Verdauungssystem betreffen .“ Warum ist beim Nachbau von Lupinen besondere Vorsicht geboten, https://www.stv-bonn.de/inhalt/nachbauerklaerung /faq. 18 Was genau ist Nachbau eigentlich, https://www.stv-bonn.de/inhalt/nachbauerklaerung/faq. Hervorhebung durch Verfasser des Sachstands. 19 https://www.gesetze-im-internet.de/sortschg_1985/SortSchG_1985.pdf. 20 Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen vom 2. Dezember 1961, revidiert in Genf am 10. November 1972, am 23. Oktober 1978 und am 19. März 1991, https://www.upov.int/edocs /pubdocs/de/upov_pub_221.pdf. 21 https://wipolex.wipo.int/en/treaties/parties/27. 22 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage, Saatgutvielfalt in Klein- und Hobbygärten, 28.07.2020, https://dserver.bundestag.de/btd/19/213/1921313.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 014/21 Seite 8 Auch zu nicht geschützten Sorten äußert sich die STV: „Sogenannte „freie Sorten“ unterliegen zwar nicht dem Sortenschutzgesetz, gleichwohl darf solches Material zu Saatzwecken nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn es einem Zertifizierungsverfahren unterzogen und amtlich anerkannt worden ist. Der Bundesgerichtshof hat in seiner „Konsumgetreide23“-Entscheidung (Urt. v. 02.03.2017, Az. I ZR 194/15) entschieden , dass der Verstoß gegen diese Bestimmung aus dem Saatgutverkehrsgesetz neben einer Ordnungswidrigkeit auch eine Wettbewerbsrechtsverletzung nach dem UWG[24] darstellt, die von jedem Mitbewerber abgemahnt werden kann. Hier gilt ebenfalls: Kann der Verkäufer von saat- bzw. pflanzfähiger Konsumware den Saat bzw. Pflanzzweck des Käufers erkennen, ist der Verkäufer in der Verantwortung, wenn es zur Aussaat kommt – auch dann, wenn er offiziell Futterware oder Konsumware verkauft hat.“25 In Deutschland regelt § 3 Saatgutverkehrsgesetz (SaatG)26 das Inverkehrbringen von Saatgut. Ein Inverkehrbringen liegt bereits dann vor, wenn das Saatgut den Betrieb verlässt. Das Bundessortenamt (BSA) erläutert: „Der Begriff Inverkehrbringen (zu gewerblichen Zwecken) ist definiert als „Anbieten, Vorrätighalten zur Abgabe, Feilhalten sowie jedes Abgeben an andere im Rahmen eines Gewerbes oder sonst zu Erwerbszwecken“27 (§ 2 Abs. 1 Nr. 12 SaatG28). Darüber hinaus erklärt das BSA: „Unter landwirtschaftlichen Erzeugern verstehen wir Landwirte, die gewerblich tätig sind. Ein Austausch von Saatgut fände hier also zu Erwerbszwecken (Hinweis : Landwirtschaft ist kein Gewerbe) statt und würde somit schon einem Inverkehrbringen entsprechen . Saatgut darf nur in Verkehr gebracht werden, wenn es anerkannt ist. Somit ist der Austausch von nicht anerkanntem aus eigenem Nachbau stammenden Saatgut zwischen Landwirten gemäß SaatG nicht erlaubt. Handelt es sich dabei auch noch um Saatgut von geschützten Sorten, so ist es auch nach SortG nicht gestattet.“29 23 Klärung der Zweckbestimmung des Getreides: als Konsumgetreide oder als Vermehrungsgetreide. Gekorenes Saatgut eignet sich sowohl zum Konsum als auch zur Vermehrung. Vgl. S. 15, http://juris.bundesgerichtshof .de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=77898&pos=0&anz=1. 24 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). 25 https://www.stv-bonn.de/sites/default/files/downloads/2018-10/flyer_handel-richtiger_umgang_mit_saat- _und_pflanzgut_2018.pdf. Hervorhebung durch Verfasser des Sachstands. 26 https://www.gesetze-im-internet.de/saatverkg_1985/SaatG.pdf. 27 E-Mail-Hinweis des BSA vom 08.03.2021 an Verfasser des Sachstands. 28 https://www.gesetze-im-internet.de/saatverkg_1985/SaatG.pdf. 29 E-Mail-Hinweis des BSA vom 08.03.2021 an Verfasser des Sachstands. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 014/21 Seite 9 3. Saatgutverarbeitung Frage: Ist es obligatorisch, dass Saatgut von einem für die Saatgutverarbeitung registrierten Saatgutlieferanten verarbeitet (getrocknet, gereinigt, kalibriert, mit Pflanzenschutzmitteln behandelt , verpackt, versiegelt und gekennzeichnet) wird, oder dürfen Landwirte Saatgut in ihren Betrieben verarbeiten? Gibt es auch Beschränkungen oder Ausnahmen in Bezug auf große, kleine und mittlere landwirtschaftliche Erzeuger, die für die Größe des Betriebes oder die Art der landwirtschaftlichen Produktion relevant sind (z. B. Ausnahmen im Zusammenhang mit dem ökologischen Landbau unter Verwendung von Erhaltungssorten oder Samen, die in der nationalen Sortenliste eingetragen sind)? Der Landwirt kann das nachgebaute Saatgut selbst aufbereiten oder ein Saatgutaufbereitungsunternehmen damit beauftragen, § 10 a Abs. 2 Satz 2 SortSchG: „Zum Zwecke des Nachbaus kann das Erntegut durch den Landwirt oder ein von ihm hiermit beauftragtes Unternehmen (Aufbereiter) aufbereitet werden.“30 Es müssen allerdings Aufzeichnungspflichten beachtet werden: Übernimmt ein Saatgutbearbeiter Saatgut zur Aufbereitung und bearbeitet Saatgut zu gewerblichen Zwecken für andere, ist er gesetzlich verpflichtet, alle Ein- und Ausgänge von Saatgut aufzuzeichnen, § 27 Abs. 1 Nr. 2 SaatG und § 1 Saatgutaufzeichnungsverordnung (SaatAufzV)31. Die Aufzeichnungspflicht gilt grundsätzlich sowohl für die Aufbereitung von Saatgut, das anschließend in den Verkehr gebracht wird, als auch für Nachbausaatgut, das im eigenen Betrieb verwendet wird. 32 Demnach sind Aufbereiter von Nachbausaatgut „nach einer Auskunftsaufforderung durch den Sortenschutzinhaber unter Nennung von Anhaltspunkten für die Aufbereitung von Nachbausaatgut geschützter Sorten gesetzlich verpflichtet, Auskunft zu erteilen, für wen und in welchem Umfang sie Nachbausaatgut geschützter Sorten aufbereitet haben.“33 Siehe hierzu auch ausführlich den Flyer der STV: Nachbauaufbereitung – Wichtige Regeln für Landwirte, https://www.stv-bonn.de/sites /default/files/downloads/2018-12/flyer_nachbauaufbereitung_landwirte_2018_0.pdf. 30 https://www.gesetze-im-internet.de/sortschg_1985/BJNR021700985.html. Hervorhebung durch Verfasser des Sachstands. 31 http://www.gesetze-im-internet.de/saataufzv/SaatAufzV.pdf. 32 https://www.stv-bonn.de/inhalt/aufbereitung/aufzeichnungspflicht/faq. 33 https://www.stv-bonn.de/inhalt/aufbereitung/aufwandsentschaedigung-fuer-aufbereiter. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 014/21 Seite 10 Der gesetzliche Rahmen für die Aufbereitung von zertifiziertem Saatgut und für die Erhebung von Nachbaugebühren ist ausgesprochen umfangreich.34 Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen fasst diesen kursorisch wie folgt zusammen: „Nur vom Sortenschutzinhaber lizensierte Unternehmen sind berechtigt, Vermehrungsmaterial der geschützten Sorte zu erzeugen, für Vermehrungszwecke aufzubereiten, in den Verkehr zu bringen, ein- oder auszuführen oder zu einem dieser Zwecke aufzubewahren. Ausgenommen von diesem Schutz sind nur der rechtmäßige Nachbau geschützter Sorten (Landwirteprivileg) unter Entrichtung der fälligen Nachbaugebühr sowie die Nutzung einer Sorte als Basis für weitere Züchtung (Züchtervorbehalt).“35 Zum Saatgut von Erhaltungssorten und zu Amateursorten finden sich folgende Vorgaben: Laut BSA ermöglicht die Erhaltungssortenverordnung36 die Zulassung von sogenannten Erhaltungssorten landwirtschaftlicher Arten sowie von Erhaltungs- und Amateursorten von Gemüsearten . Damit sollten Landsorten, Hofsorten und andere traditionell an besonderen Orten oder in besonderen Regionen angebaute Sorten, deren Erhalt als genetische Ressource bedeutsam erscheine , als Erhaltungssorte zugelassen werden können. Gemüsesorten könnten als Amateursorten zugelassen werden, wenn sie „an sich ohne Wert für den Anbau zu kommerziellen Zwecken“ seien, jedoch geeignet erschienen, die genetische Vielfalt im Hobby- und Kleingartenbau zu erweitern . Ferner brauche Saatgut solcher Sorten keine amtliche Anerkennung, müsse jedoch beim Inverkehrbringen den Anforderungen für Zertifiziertes Saatgut (landwirtschaftliche Arten) bzw. Standardsaatgut (Gemüse) genügen. Die in Verkehr gebrachten Saatgutmengen seien dabei grundsätzlich nach oben begrenzt.37 Für das Inverkehrbringen setzt das Bundessortenamt die Höchstmenge des zum Inverkehrbringen zugelassenen Saatgutes fest.38 Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist ermächtigt für Saatgut, das zur Nutzung im ökologischen Landbau bestimmt ist, abweichende Anforderungen an das Inverkehrbringen vorzuschreiben, SaatG § 3 Abs. 3 Nr. 1 c.39 34 Vgl. https://www.stv-bonn.de/inhalt/aufbereitung/aufbereitung-von-nachbausaatgut. 35 https://www.lwk-niedersachsen.de/index.cfm/portal/2/nav/1660/article/23359.html. 36 Verordnung über die Zulassung von Erhaltungssorten und das Inverkehrbringen von Saat- und Pflanzgut von Erhaltungssorten (Erhaltungssortenverordnung), https://www.gesetze-im-internet.de/erhaltungsv /BJNR210710009.html. 37 Bundessortenamt (2016), Das Bundessortenamt, Schutz und Zulassung neuer Pflanzensorten, Dez. 2016, S. 28, https://www.bundessortenamt.de/bsa/media/Files/BroschuereBSA.pdf. 38 § 6 Abs. 1 Erhaltungssortenverordnung. 39 https://www.gesetze-im-internet.de/saatverkg_1985/__3.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 014/21 Seite 11 Das BMEL sieht allerdings bezüglich des Inverkehrbringens der speziell für den ökologischen Anbau gefragten Sorten weiteren Handlungsbedarf.40 Nach Angaben von Kellermann strebe der ökologische Landbau die verbreitete Verfügbarkeit von samenfesten Sorten an.41 Derzeit gebe es jedoch für viele Sorten noch kein ökologisch gezüchtetes Saatgut, sodass häufig auf konventionelles Saatgut zurückgegriffen werden müsse. Zudem basiere der weitaus größte Teil des ökologischen Saatgutes auf konventionellen Züchtungen, die dann über die Vermehrung unter ökologischen Bedingungen zu ökologischem Saatgut würden.42 4. Saatgut von Landwirten Frage: Was kann als „farmer‘s seed“ bezeichnet werden? Gibt es Regelungen für die Verwendung von Saatgut, das in einem landwirtschaftlichen Betrieb erzeugt und dann vom landwirtschaftlichen Betrieb für seine eigenen Bedürfnisse verwendet wird? Nach Angaben des BSA wird international von „farm saved seed“ gesprochen, wenn es sich unter Ausübung des Landwirteprivilegs um Nachbausaatgut handelt. Siehe hierzu die Ausführungen unter Punkt 1. 5. Austausch nicht zertifizierten Saatguts Frage: Ist ein Austausch von Saatgut, das nicht zertifiziert ist und noch nicht zum Inverkehrbringen bestimmt ist, zwischen landwirtschaftlichen Erzeugern erlaubt? Siehe hierzu die Ausführungen unter Punkt 1. *** 40 https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/pflanzenbau/saatgut-und-biopatente/saatgut-und-biopatente _node.html. 41 Kellermann, J. (2020), Ökologischer Landbau, S. 129, https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3- 658-30359-4_5.pdf. 42 Kellermann, J. (2020), Ökologischer Landbau, S. 131, https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3- 658-30359-4_5.pdf.