© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 012/21 Zur möglichen Aufhebung des Verfütterungsverbots von verarbeiteten tierischen Proteinen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 2 Zur möglichen Aufhebung des Verfütterungsverbots von verarbeiteten tierischen Proteinen Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 012/21 Abschluss der Arbeit: 11. März 2021 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einführung 5 2.1. Drei Risikokategorien tierischer Nebenprodukte 5 2.2. Übertragung von BSE 8 2.3. Derzeit erlaubte bzw. verbotene tierische Stoffe in Futtermitteln 10 3. Aktuelle Position der EU-Kommission zu verarbeiteten tierischen Proteinen 11 4. Wissenschaftliche Einschätzung zur Verfütterung von verarbeitetem tierischem Protein der Kategorie 3 15 4.1. European Food Safety Authority 15 4.1.1. European Food Safety Authority 2007 15 4.1.2. European Food Safety Authority 2018 17 4.2. Bundesinstitut für Risikobewertung 17 5. Einsparpotential von pflanzlichem Eiweiß in Deutschland bei Verfütterung von Tiermehl 18 6. Gesellschaftliche Akzeptanz zur Verfütterung von Tiermehl 20 7. Möglichkeiten des Verbots der Verfütterung von Tiermehl oder verarbeiteten tierischen Proteinen auf nationaler Ebenen 21 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 4 1. Fragestellung Im Zuge der BSE-Krise wurde das Verfüttern von Tiermehl und verarbeitetem tierischem Protein an Nutztiere verboten (TSE-Verordnung (EG) Nr. 999/20011). Auf EU-Ebene wird zurzeit eine Wiederzulassung der Verfütterung von verarbeitetem tierischem Protein der Kategorie 3 an Schweine und Geflügel geprüft.2 In diesem Zusammenhang sind dem Wissenschaftlichen Dienst folgende Fragen gestellt worden: − Als wie sicher wird die Verfütterung von Tiermehl hinsichtlich der Übertragung von Krankheitserregern (BSE) wissenschaftlich eingeschätzt? − Wie groß ist das Einsparpotential von pflanzlichem Eiweiß in Deutschland bei Verfütterung von Tiermehl (aus der in Deutschland anfallenden Menge tierischer Nebenprodukten der Kategorie 3)? Wieviel Importsoja könnte damit eingespart werden? − Gibt es Erhebungen zur gesellschaftlichen Akzeptanz zur Verfütterung von Tiermehl? − Welche rechtlichen Möglichkeiten hätte Deutschland, die Verfütterung von Tiermehl auf nationaler Ebenen zu verbieten, falls in der TSE-Verordnung eine Verfütterung wieder zugelassen würde? Hervorzuheben ist, dass sich die Diskussion derzeit nicht um Tiermehl (Fleisch- und Knochenmehl i. S .d. Verordnung (EU) Nr. 142/2011 Anhang I Nr. 273) bewegt. Vielmehr geht es in der aktuellen Diskussion ausschließlich um die Lockerung des Verfütterungsverbots im Hinblick auf verarbeitetes tierisches Eiweiß für einmägige Tiere (Schweine und Geflügel).4 Hierauf fokussiert sich daher diese Ausarbeitung. 1 Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien, https://eurlex .europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32001R0999&qid=1613045025262&from=DE. 2 Bereits im Jahr 2011 bat das Europäische Parlament um die Vorlage eines Legislativvorschlags, um „die Verwendung von aus Schlachtabfällen kommenden verarbeiteten tierischen Proteinen für die Herstellung von Futtermitteln für einmägige Tiere (Schweine und Geflügel)“ zu erlauben, „wenn diese Bestandteile von Fleisch stammen , das für den menschlichen Verzehr zugelassen worden ist, […].“ Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. März 2011 „Das Proteindefizit in der EU: Wie lässt sich das seit langem bestehende Problem lösen ?“, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52011IP0084&from=DE. 3 Verordnung (EU) Nr. 142/2011 der Kommission vom 25. Februar 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte […], https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011R0142&qid=1614259672377&from=DE. 4 https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/PETI-CM-657342_DE.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 5 2. Einführung 2.1. Drei Risikokategorien tierischer Nebenprodukte Einleitend werden die Risikokategorien für tierische Nebenprodukte und ihre Folgeprodukte, die in der Verordnung (EG) Nr. 1069/20095 definiert sind und deren Einstufung der Lebensmittelund Futtermittelsicherheit dienen soll, kurz vorgestellt. Tierische Nebenprodukte werden nach dem Grad der von ihnen ausgehenden Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier in drei Risikokategorien eingeteilt, „die demzufolge unterschiedlich zu verarbeiten bzw. zu entsorgen sind.“6 Die Kategorien 1 und 2 sollen weiterhin für die Verfütterung an Nutztiere verboten bleiben . Sie werden in der Regel als Tiermehl bezeichnet. Tierische Nebenprodukte der Kategorie 1 sind Materialien mit einem hohen Risiko (siehe im Einzelnen hierzu Art. 8 Verordnung (EG) Nr. 1069/2009). Dabei handelt es sich um Materialien „mit dem höchsten Risiko“, wie z. B. Tierkörper oder Teile von TSE-verdächtigen oder betroffenen Tieren. 7 Zu den tierischen Nebenprodukten der Kategorie 2 zählen Materialien mit einem mittleren Risiko (siehe im Detail hierzu Art. 9 Verordnung (EG) Nr. 1069/2009), wie z. B. Tiere, „die auf anderem Wege zu Tode kamen als durch Schlachtung oder Tötung zum menschlichen Verzehr, einschließlich Tieren, die zum Zweck der Seuchenbekämpfung getötet werden, Föten, Eizellen, Embryonen und Samen, die nicht für Zuchtzwecke vorgesehen sind und tot in der Eischale liegendes Geflügel (Küken).“8 Die tierischen Nebenprodukte der Kategorie 3 (verarbeitetes tierisches Protein (VTP) bzw. processed animal protein (PAP)) sind die hier zur Diskussion stehenden Produkte. Es sind Materialien mit einem geringen Risiko (siehe im Einzelnen hierzu Art. 10 Verordnung (EG) Nr. 1069/2009). Hierzu zählen nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) u. a.: „Schlachtkörperteile und Teile von genusstauglichen Tieren, wenn sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zum menschlichen Verzehr verwendet werden, sowie nach den Gemeinschaftsvorschriften als untauglich zurückgewiesen wurden, jedoch keine Anzeichen 5 Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte). ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 1–33, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009R1069&from=DE. 6 https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tiergesundheit/tierische-nebenprodukte/tierische-nebenprodukte-kategorie .html. 7 https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tiergesundheit/tierische-nebenprodukte/tierische-nebenprodukte-kategorie .html#doc4022728bodyText1. 8 https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tiergesundheit/tierische-nebenprodukte/tierische-nebenprodukte-kategorie .html#doc8304bodyText2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 6 auf Mensch oder Tier übertragbare Krankheiten aufwiesen. Dazu gehören Geflügelköpfe, Häute und Felle, Hörner und Füße, Schweineborsten, Federn und Blut, Materialen von Wasser-, Weich- und Krebstieren, wirbellosen Tieren, Brüterei- und Ei- Nebenprodukten, Eier, getötete Eintagsküken, sofern keine Anzeichen von auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheiten vorliegen, Teile von lebenden Tieren wie zum Beispiel Blut, Wolle, Federn, Haare und Rohmilch ehemalige tierische Lebensmittel, sowie tierische Nebenprodukte, die bei der Gewinnung von für den menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen anfallen und Küchen- und Speiseabfälle, mit Ausnahme derer von international eingesetzten Verkehrsmitteln.“9 Die folgende Grafik aus einem Gutachten der European Food Safety Authority (EFSA) aus dem Jahr 201810 zeigt den Weg der Verwertung (rendering) der im Schlachthof anfallenden tierischen Nebenprodukte (animal by-products - ABP) der unterschiedlichen Risikokategorien. Werden im Schlachthof mehrere Tierarten geschlachtet (multiple species) statt nur einer Tierart, und die Schlachtlinien werden nicht separiert, besteht die Gefahr einer Kreuzkontamination. Potenzielle Bereiche, in denen es zu Kreuzkontaminationen kommen könnte, sind in der Abbildung rot umrandet . Tierische Nebenprodukte der Kategorie 111 und 2 (MBM12) finden Verwendung als Biodiesel oder werden verbrannt. Material der Kategorie 2 wird zudem als organischer Dünger genutzt bzw. zur Bodenverbesserung eingesetzt. Da auch in der Tierkörperbeseitigungsanlage Kontaminationen möglich sind, wird K 1- und K 2-Material mit dem ungiftigen Glyceroltriheptanoat (GTH) markiert . Material der Kategorie 3 (PAP13) ist seit 2013 für Tiere der Aquakultur erlaubt. Dabei handelt es sich um PAP vom Schwein und Geflügel. Diskutiert wird, die Verfütterung von Geflügel-PAP an Schweine und von Schweine-PAP an Geflügel zu erlauben. Wiederkäuer-PAP bleibt verboten und dient als Dünger bzw. als Bodenverbesserer. Für Heim-14 und Pelztiere sind alle PAPs zur Verfütterung erlaubt:15 9 https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tiergesundheit/tierische-nebenprodukte/tierische-nebenprodukte-kategorie .html#doc8304bodyText3. 10 Siehe hierzu ausführlich unter Punkt 4.1.2. 11 Unter die Kategorie 1 fällt zudem spezifiziertes Risikomaterial (SRM=specified risk material), jenes Gewebe, von dem bekannt ist, dass es die größte BSE-Infektionslast trägt, wie z.B. Rückenmark, Tonsillen und Gehirn. 12 Meat-and-bone meal (MBM), dt. Fleisch-und-Knochenmehl bzw. sog. Tiermehl. 13 Processed animal protein (PAP), dt. verarbeitetes tierisches Protein (VTP). 14 „‘Heimtier‘: ein Tier einer Art, die normalerweise von Menschen zu anderen als zu landwirtschaftlichen Nutzzwecken gefüttert und gehalten, jedoch nicht verzehrt wird“, (Art. 3 Nr. 8 VO (EG) Nr. 1069/2009). 15 S. 23, https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2018.5314. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 7 16 16 EFSA-Gutachten (2018), S. 16, https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2018.5314. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 8 2.2. Übertragung von BSE Bei den Transmissiblen Spongiformen Enzephalopathien (TSEs) handelt es sich nach Angaben der EFSA um eine Gruppe neurodegenerativer Krankheiten, die sowohl Menschen als auch Tiere betreffen können, und deren Verlauf stets tödlich endet.17 Laut Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) zählen zu diesen Erkrankungen u. a. die Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) bei Rindern, Scrapie bei Schafen und Ziegen, das Chronic Wasting Disease (CWD), das bei Hirschen in Nordamerika auftritt, die Transmissible Mink Encephalopathy (TME) bei Nerzen und die Feline Spongiforme Enzephalopathie (FSE) bei Katzen.18 Nach der sog. Prion-Hypothese19 werden TSEs durch Prionen – pathologisch veränderte Proteine 20 – verursacht.21 Die EFSA konstatiert, mit Ausnahme des BSE-Erregers, der durch den Verzehr von kontaminiertem Fleisch auf den Menschen übertragen werden könne und die variante Form der Creutzfeldt Jakob-Krankheit (vCJK) verursache, lägen für andere TSE-Erreger von Tieren keine wissenschaftlichen Hinweise vor, dass sie auf den Menschen übertragbar seien.22 Hauptursache für das Auftreten von BSE war nach dem derzeitigen Erkenntnisstand das Verfüttern ungenügend erhitzten Tiermehls von mit dem Scrapie-Erreger infizierten Schafskadavern an Wiederkäuer (Pflanzenfresser).23 Daraufhin wurde zunächst das Verfüttern von Tiermehl an Wiederkäuer verboten und später das Verbot auf alle Nutztiere erweitert. Das schweizerische Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen erklärt: „Weil beim Futter für Schweine und Hühner weiterhin Tiermehl eingesetzt werden durfte und dieses Futter in den gleichen Futtermühlen hergestellt wurde wie dasjenige für Rinder, kam es zu sogenannten Kreuzkontaminationen . Auf diesem Weg gelangte der Erreger in den Folgejahren trotz des Tiermehlfütterungsverbots 17 Vgl. Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (TSE), https://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/transmissible -spongiform-encephalopathies-tses. 18 https://www.fli.de/de/institute/institut-fuer-neue-und-neuartige-tierseuchenerreger-innt/referenzlabore/nrlfuer -tses/. 19 https://www.bfr.bund.de/de/gesundheitliche_bewertung_von_bse-675.html. 20 „Prionen sind Proteine (Eiweiße), die im menschlichen/tierischen Organismus sowohl in normaler Form als auch in einer gesundheitsschädigenden (pathologischen) Formen vorliegen können. Dabei können pathologische Strukturveränderungen auf andere Proteine „übertragen“ werden. Die Konfirmationsveränderungen können jedoch auch sporadisch auftreten oder durch einen genetischen Defekt verursacht werden.“ https://www.zoonosen.net/zoonosenforschung/was-sind-zoonosen. 21 Vgl. Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (TSE), https://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/transmissible -spongiform-encephalopathies-tses. 22 Ebd. 23 https://www.fli.de/fileadmin/FLI/Publikationen/FLI-Informationen/FAQs/FLI-Information_FAQ_Atypische _BSE20140303.pdf; https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tiergesundheit/tierseuchen/bse.html; https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2020-06-25_trendanalyse _fleisch-der-zukunft_web_bf.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 9 für Wiederkäuer weiterhin in kleinsten Spuren in das Rinderfutter. Erst das 2001 verfügte Fütterungsverbot von Tiermehl für alle Nutztiere[24] machte es möglich, dass sich Rinder nicht mehr anstecken konnten.“25 Im aktuellen Bericht der EFSA (Stand: November 2020), der regelmäßig über das Vorkommen von TSE in der EU informiert, wurden im Jahr 2019 in den EU-Staaten sowie in Island, Montenegro , Nordmazedonien, Norwegen, der Schweiz und Serbien – abgesehen von sieben Fälle von atypischer BSE26 – keine Fälle von klassischer BSE bei Rindern gemeldet.27 Da in der EU ein Proteindefizit28 besteht, gibt es seitens der EU, aber auch von Landesregierungen 29 die Überlegung, verarbeitete tierische Proteine für Allesfresser wie Schweine, Hühner oder Puten wieder zur Verfütterung zu erlauben. Auch in den Niederlanden gibt es Erwägungen - ins- 24 Für die EU siehe Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien , https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32001R0999&qid=1613045025262&from=DE. 25 Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (2015), Medieninformationen , Hintergrund-Informationen BSE, 29. Mai 2015, https://www.newsd.admin.ch/newsd/message /attachments/39586.pdf. Hervorhebung durch Verfasser dieser Ausarbeitung. 26 Zur Atypischen Bovinen Spongiformen Enzephalopathie siehe: FLI (2014), FAQ Atypische Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE), Stand 03.03.2014, https://www.fli.de/fileadmin/FLI/Publikationen/FLI-Informationen /FAQs/FLI-Information_FAQ_Atypische_BSE20140303.pdf. 27 EFSA (2020), The European Union summary report on surveillance for the presence of transmissible spongiform encephalopathies (TSE) in 2019, first published: 17. November 2020, approved: 16. Obtober 2020, https://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/6303; https://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/transmissible -spongiform-encephalopathies-tses. 28 Das Proteindefizit in der EU P7_TA(2011)0084, Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. März 2011 zu dem Thema „Das Proteindefizit in der EU: Wie lässt sich das seit langem bestehende Problem lösen?“ (2010/2111(INI)) (2012/C 199 E/07), https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52011IP0084&from=DE. Häusling, Martin (2017), Wege aus der Eiweißlücke, Stand und Perspektiven der Eiweißversorgung in der EU, In: Kritischer Agrarbericht 2018. https://www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB- 2018/KAB_2018_45_51_Haeusling.pdf. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP, Import und heimischer Anbau von Eiweißpflanzen: Strategien gegen die Eiweißlücke, BT-Drs. 19/14521, 25.10.2019, http://dip21.bundestag .btg/dip21/btd/19/145/1914521.pdf. 29 Wertvolle Rohstoffe nutzen - Kannibalismus verhindern - Landesregierung muss sich bei der EU für die Zulassung von tierischen Proteinen in der Fütterung einsetzen, 06.04.2017, https://www.landtag-niedersachsen .de/drucksachen/drucksachen_17_10000/7501-8000/17-7788.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 10 besondere zur Verringerung von Sojaimporten - neben der Erforschung innovativer Eiweißquellen auch „im Sinne einer Kreislaufwirtschaft zunehmend Eiweiß aus Biomasseresten wie Küchenabfällen und Tiermehl“ wiederzugewinnen.30 2.3. Derzeit erlaubte bzw. verbotene tierische Stoffe in Futtermitteln Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) konstatiert, zwar sei in der EU das Verfüttern von verarbeitetem tierischem Protein an Nutztiere verboten, neben strikten Verboten bestünden jedoch auch Ausnahmen, so z. B. für Milch oder Ei und daraus gewonnenen Produkten. Die folgende Übersicht zu den erlaubten und verbotenen Stoffen verdeutliche die Komplexität der gesetzlichen Regelungen.31 Sie zeigt zur Verfütterung erlaubte (grün) und verbotene (orange) Stoffe für Wiederkäuer, Nichtwiederkäuer und für Tiere in Aquakultur. Mit Einschränkung erlaubt (gelb) bedeutet bei den Wiederkäuern, dass Fischmehl für die Fütterung z. B. von Kälbern (von noch nicht abgesetzten Nutzwiederkäuern) in Milchaustauschfuttermitteln erlaubt ist.32 30 https://www.fleischwirtschaft.de/politik/nachrichten/Eiweissimporte-Niederlaender-suchen-nach-Alternativen- 43680?crefresh=1. 31 https://www.bfr.bund.de/de/nationales_referenzlabor_fuer_tierische_proteine_in_futtermitteln-8863.html. 32 Vgl. auch European Commission, Directorate-General for Health & Consumers (2010), Communication from the Commission to the European Parliament and the Council, The TSE Roadmap 2, A Strategy paper on Transmissible Spongiform Encephalopathies for 2010-2015, 16.7.2010, COM (2010) 384 final, https://ec.europa .eu/food/sites/food/files/safety/docs/biosafety_food-borne-disease_tse_road-map2.pdf; S. 23, https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2018.5314. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 11 Quelle: BfR.33 3. Aktuelle Position der EU-Kommission zu verarbeiteten tierischen Proteinen Eine an das Europäische Parlament gerichtete Petition für die Beibehaltung des EU-weiten Verfütterungsverbots von Tiermehl an Schweine und Geflügel34 wurde im September 2020 von der EU-Kommission wie folgt beantwortet: „Die Zusammenfassung der Petition bezieht sich auf „Tiermehl“. Es ist wichtig, „Tiermehl“ von „verarbeitetem tierischem Eiweiß“ zu unterscheiden. 33 https://www.bfr.bund.de/de/nationales_referenzlabor_fuer_tierische_proteine_in_futtermitteln-8863.html. 34 Europäisches Parlament, Mitteilung an die Mitglieder, 14.9.2020, Petition Nr. 0154/2020, https://www.europarl .europa.eu/doceo/document/PETI-CM-657342_DE.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 12 Tiermehl entsteht gemäß der Definition in Anhang I Nummer 27 der Verordnung (EU) Nr. 142/2011 der Kommission vom 25. Februar 201135 aus der Verarbeitung von Materialien der Kategorie 1 und 2.[36] Es handelt sich hierbei um hoch riskante tierische Nebenprodukte wie u. a. spezifizierte Risikomaterialien, Falltiere und Tiere, die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind und ein Risiko für Tiere oder Menschen darstellen. Verarbeitetes tierisches Eiweiß entsteht gemäß der Definition in Anhang I Nummer 5 der Verordnung (EU) Nr. 142/2011 der Kommission vom 25. Februar 201137 aus der Verarbeitung von Materialien der Kategorie 3.[38] Es handelt sich hierbei um gering riskante tierische Nebenprodukte , die zumeist von Tieren, die am Ort der Schlachtung für den menschlichen Verzehr geeignet waren, oder von Tieren stammen, die keine Anzeichen einer auf Mensch und Tier übertragbaren Krankheit zeigten. Tiermehl ist komplett aus der Lebens- und Futtermittelkette ausgeschlossen. Die Diskussionen beziehen sich, wenn es um mögliche Weiterentwicklungen des Verfütterungsverbots geht, ausschließlich auf verarbeitetes tierisches Eiweiß und zu keiner Zeit auf Tiermehl, das weiterhin verboten bleibt. Anmerkungen der Kommission Beim Verfütterungsverbot geht es ausschließlich um die Bekämpfung transmissibler spongiformer Enzephalopathien (TSE) einschließlich der bovinen spongiformen Enzephalophatie (BSE). Aus einem Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aus 35 Fleisch- und Knochenmehl (sog. Tiermehl): „tierisches Protein aus der Verarbeitung von Material der Kategorie 1 oder 2 gemäß einer der in Anhang IV Kapitel III genannten Verarbeitungsmethoden;“.(Anhang 1, Begriffsbestimmungen gemäß Artikel 2, Nr. 27 der Verordnung (EU) Nr. 142/2011 der Kommission vom 25. Februar 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte […], (ABl. L 54 vom 26.2.2011, S. 1), https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011R0142&qid=1612168237988&from=DE; konsolidierte Fassung https://eurlex .europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02011R0142-20201208&qid=1612955554756&from=DE). 36 Siehe hierzu unter Punkt 2.1. der Ausarbeitung. 37 „Verarbeitetes tierisches Protein“: „ausschließlich aus Material der Kategorie 3 gewonnenes tierisches Protein, das gemäß Anhang X Kapitel II Abschnitt 1 (einschließlich Blutmehl und Fischmehl) so verarbeitet wurde, dass es direkt als Futtermittel-Ausgangserzeugnis oder auf andere Weise in Futtermitteln, einschließlich Heimtierfutter , oder in organischen Düngemitteln oder Bodenverbesserungsmitteln verwendet werden kann; nicht dazu gehören Blutprodukte, Milch, Erzeugnisse auf Milchbasis, aus Milch gewonnene Erzeugnisse, Kolostrum, Kolostrumerzeugnisse , Zentrifugen- oder Separatorenschlamm, Gelatine, hydrolysierte Proteine und Dicalciumphosphat , Eier und Ei-Erzeugnisse, einschließlich Eierschalen, Tricalciumphosphat und Kollagen;“ ANHANG I, Verordnung (EU) Nr. 142/2011, https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011R0142&qid=1612168237988&from=DE. 38 Siehe hierzu unter Punkt 2.1. der Ausarbeitung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 13 2007 ergibt sich39 , dass keinerlei TSE in Schweinen oder Geflügel unter natürlichen Bedingungen ermittelt wurden. Der Zweck des Verfütterungsverbots ist daher, zu verhindern, dass Wiederkäuer mit Futtermitteln gefüttert werden, die möglicherweise mit dem BSE-Erreger kontaminiert sind. Tatsächlich empfiehlt der von der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) festgelegte internationale Standard lediglich ein Verfütterungsverbot, das die Verfütterung von aus Wiederkäuern gewonnenem Tiermehl und verarbeitetem tierischem Eiweiß an Wiederkäuer verbietet (siehe Abschnitt 11.4 des Gesundheitskodex für Landtiere der Weltorganisation für Tiergesundheit [OIE])[40]. Mit dem Standard wird keinerlei Beschränkung für die Verwendung von Tiermehl und verarbeitetem tierischem Eiweiß jeglicher Art zur Fütterung von Nichtwiederkäuern landwirtschaftlicher Nutztierarten einschließlich Schweine und Geflügel festgelegt. Das Verfütterungsverbot startete in der Europäischen Union im Jahr 1994 mit einem Verbot der Verfütterung von Tiermehl und verarbeitetem tierischem Eiweiß von Säugetieren an Rinder , Schafe und Ziegen. Dieses anfängliche Teilverbot wurde im Jahr 2001 mit einigen Ausnahmen auf eine EU-weite Aussetzung der Verwendung von Tiermehl und verarbeitetem tierischem Eiweiß in Futtermitteln für alle für die Nahrungsmittelproduktion gehaltenen Tiere ausgeweitet. Zweck dieser Erweiterung war es, zu einem Zeitpunkt, als es mittels der Laborverfahren nicht möglich war, Materialien von Wiederkäuern oder von anderen Tierarten zu differenzieren, das Risiko zu bewerkstelligen, dass sich mittels Kreuzkontamination mit Futtermitteln, die für andere Tierarten (hauptsächlich Schweine und Geflügel) bestimmt waren , verbotene Materialien in Futtermitteln für Wiederkäuer befinden. Das auf BSE bezogene Verfütterungsverbot wurde im Jahr 2009 schließlich um Bedingungen ergänzt, die die Verwertung innerhalb einer Tierart, das sogenannte Kannibalismusprinzip, verbieten. Dieses Prinzip gilt generell für sämtliche der Lebensmittelgewinnung dienenden Tiere einschließlich Schweine und Geflügel. Die Kommission ebnete im im Jahr 2010 veröffentlichten zweiten Fahrplan für die TSE-Bekämpfung 41 den Weg für eine mögliche stufenweise Aufhebung der Bedingungen zum Verfütterungsverbot für Nichtwiederkäuer (Schweine, Geflügel, Fisch). In einer am 6. Juli 201142 verabschiedeten Entschließung des Europäischen Parlaments wird der zweite Fahrplan für 39 Gutachten des Wissenschaftlichen Gremiums für biologische Gefahren auf Ersuchen des Europäischen Parlaments zu bestimmten Aspekten im Zusammenhang mit der Verfütterung von Tierprotein an Nutztiere. Das EFSA-Journal (2007), Journal-Nummer 576, 1-41. Opinion of the Scientific Panel on Biological Hazards on a request from the European Parliament on Certain Aspects related to the Feeding of Animal Proteins to Farm Animals, The EFSA Journal (2007) Journal number 576, 1-41, Adopted on 17 October 2007, https://efsa.onlinelibrary .wiley.com/doi/pdfdirect/10.2903/j.efsa.2007.576. 40 Terrestrial Animal Health Code (2019), https://www.oie.int/en/standard-setting/terrestrial-code/access-online/; chapter 11.4, https://www.oie.int/index.php?id=169&L=0&htmfile=chapitre_bse.htm. 41 https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/safety/docs/biosafety_food-borne-disease_tse_road-map2.pdf. 42 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Juli 2011 zu den EU-Rechtsvorschriften zu transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (TSE) und zu zugehörigen Kontrollen von Futter- und Lebensmitteln – Umsetzung und Ausblick, https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-7-2011-0328_DE.html?redirect. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 14 die TSE-Bekämpfung bestätigt. Zum spezifischen Punkt des Verfütterungsverbots lautet Ziffer 7 der Entschließung wie folgt: ‘7. [Das Europäisches Parlament] unterstützt – vor allem angesichts des in der EU bestehenden Proteindefizits – den Vorschlag der Kommission, die Bestimmungen zum Verbot der Verfütterung von verarbeiteten tierischen Proteinen an Nichtwiederkäuer aufzuheben, sofern dies nur auf Nicht-Pflanzenfresser angewendet wird‘. Zu den ergänzenden in dieser Ziffer 7 angegebenen Bedingungen zählen die Beibehaltung des Verbots der Verwertung innerhalb derselben Tierart und die Entwicklung entsprechender Prüfverfahren . Das Handeln der Kommission in Bezug auf das Verfütterungsverbot wird aktuell noch vom zweiten Fahrplan für die TSE-Bekämpfung und von der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Juli 2011 umrahmt. In diesem Rahmen wurden im Jahr 2013[43] verarbeitetes tierisches Eiweiß aus Schweinen und Geflügel und im Jahr 2017[44] verarbeitetes tierisches Eiweiß aus Insekten (eine neue Quelle für tierisches Eiweiß) in Futtermitteln für Tiere der Aquakultur wieder zugelassen. Der wichtigste einschränkende Faktor für eine weitere Aufhebung der Bedingungen des Verfütterungsverbots für Nichtwiederkäuer war, dass es keine entsprechenden Laborverfahren zur Überprüfung der Art des verarbeiteten tierischen Eiweißes gab, wenn dieses in Futtermitteln vorhanden ist, die insbesondere für Schweine und Geflügel gedacht sind. Die Kommission konnte jedoch dank der Fortschritte in den letzten Jahren im Bereich Laborverfahren im Jahr 2019 tatsächlich eine Besprechung mit den Fachleuten der Mitgliedstaaten über eine neue Änderung des Verfütterungsverbots lancieren. Es wird vorgeschlagen, die Fütterung von Nichtwiederkäuern mit verarbeitetem tierischem Eiweiß aus Insekten zu bewilligen und die Fütterung von Geflügel mit verarbeitetem tierischem Eiweiß aus Schweinen sowie die Fütterung von Schweinen mit verarbeitetem tierischem Eiweiß aus Geflügel erneut zu bewilligen. Die Kommission ist der Ansicht, dass dieser Vorschlag vollumfänglich im Einklang mit dem zweiten Fahrplan für die TSE-Bekämpfung aus dem Jahr 2010 und den vom Europäischen Parlament zum Ausdruck gebrachten Bedingungen ist. Darüber hinaus wird dieser Vorschlag als ein Beitrag zum Grünen Deal und zur Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ für nachhaltige Nahrungsmittel betrachtet. Er würde insbesondere den Boden dafür ebnen, die Proteinversorgung des EU-Viehbestands nachhaltiger zu gestalten , indem die Industrie dadurch die Möglichkeit erhält, importiertes Soja- und Fischmehl 43 Verordnung (EU) Nr. 56/2013 der Kommission vom 16. Januar 2013 zur Änderung der Anhänge I und IV der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien, https://eur-lex.europa.eu/legal -content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013R0056&qid=1612961438271&from=DE. 44 Verordnung (EU) 2017/893 der Kommission vom 24. Mai 2017 zur Änderung der Anhänge I und IV der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Anhänge X, XIV und XV der Verordnung (EU) Nr. 142/2011 der Kommission in Bezug auf die Bestimmungen über verarbeitetes tierisches Protein , ABl. L 138 vom 25.5.2017, S. 92–116, https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017R0893&qid=1613115896596&from=DE. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 15 durch hochwertiges Eiweiß aus lokalen tierischen Nebenprodukten oder Insekten zu ersetzen , um so den Bedarf an Eiweiß in der Futterration von Nutztieren zu decken. Fazit Die Kommission ist verpflichtet, die Diskussion mit den Fachleuten der Mitgliedstaaten im Hinblick darauf fortzusetzen, schließlich die Fütterung von nichtwiederkäuenden Nutztieren mit verarbeitetem tierischem Eiweiß aus Insekten zu bewilligen und die Fütterung von Geflügel mit verarbeitetem tierischem Eiweiß aus Schweinen sowie die Fütterung von Schweinen mit verarbeitetem tierischem Eiweiß aus Geflügel, ohne die Gesundheit von Mensch und Tier im Hinblick auf BSE zu gefährden, gemäß dem in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. Juli 2011 festgelegten Rahmen erneut zu bewilligen.“45 4. Wissenschaftliche Einschätzung zur Verfütterung von verarbeitetem tierischem Protein der Kategorie 3 Als wie sicher wird die Verfütterung von verarbeitetem tierischem Protein der Kategorie 3 hinsichtlich der Übertragung von Krankheitserregern (BSE) wissenschaftlich eingeschätzt? Die Vorgaben zum EU-Futtermittelverbot werden regelmäßig auf der Grundlage der Stellungnahmen der EFSA und der Entwicklung neuer Analysemethoden für die behördlichen Kontrollen überprüft.46 Das Europäische Referenzlabor in Gembloux, Belgien47, unterstützt die EU-Kommission mit wissenschaftlicher Expertise und konzentriert sich auf den Nachweis und die Identifizierung verbotener tierischer Proteine in Futtermitteln.48 Das Nationale Referenzlabor für tierische Proteine in Futtermitteln ist im BfR ansässig.49 4.1. European Food Safety Authority 4.1.1. European Food Safety Authority 2007 Das Gutachten des Wissenschaftlichen Gremiums für biologische Gefahren (Scientific Panel on Biological Hazards – BIOHAZ) der EFSA aus dem Jahr 200750 sollte die Sicherheit der Verwendung von Fleisch- und Knochenmehl (Tiermehl) von Nichtwiederkäuern („non-ruminant Meat 45 https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/PETI-CM-657342_DE.pdf. (Hervorhebungen im Zitat durch Verfasser dieser Ausarbeitung). 46 https://ec.europa.eu/food/safety/biosafety/food_borne_diseases/tse_bse_en. 47 European Reference Laboratory for Animal proteins in feedingstuffs, http://www.eurl.craw.eu/. 48 https://www.eurl.craw.eu/missions/. 49 https://www.bfr.bund.de/de/nationales_referenzlabor_fuer_tierische_proteine_in_futtermitteln-8863.html. 50 Opinion of the Scientific Panel on Biological Hazards on a request from the European Parliament on Certain Aspects related to the Feeding of Animal Proteins to Farm Animals, The EFSA Journal (2007) Journal number 576, 1-41, https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdfdirect/10.2903/j.efsa.2007.576. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 16 and Bone Meal“) hinsichtlich des BSE-Risikos für die menschliche Gesundheit bewerten. Insbesondere sollte das Risiko der Verwendung dieser Materialien in Schweine- und Geflügelfutter bewertet werden. Dies sollte unter der Annahme erfolgen, dass es einmal möglich sein sollte, die Proteine der einzelnen Tierarten unterscheiden zu können. Bei der Beantwortung berücksichtigte die EFSA allerdings nur die Verwendung von verarbeiteten Tierproteinen von Schweinen der Kategorie 3 (PAPs) in Geflügelfutter und die Verwendung von Geflügel-PAPs der Kategorie 3 in Schweinefutter, („this assessment only considers the use of pig Processed Animal Proteins (PAPs)51 in poultry feed and the use of poultry PAPs in pig feed.“). Die EFSA kam zu dem Ergebnis, dass das Risiko der Übertragung von BSE auf Schweine, die mit verarbeitetem tierischen Geflügelprotein (PAP) gefüttert wurden und umgekehrt, vernachlässigbar sei: „To date, no Transmissible Spongiform Encephalopathies (TSEs) have been identified as occurring in pigs or poultry under natural conditions. Taking account of the epidemiological situation of BSE in cattle in the EU, which indicates a decreasing trend, together with the current control measures in place to avoid exposure of pigs and poultry to BSE contaminated material, the EFSA Scientific Panel on Biological Hazards (BIOHAZ) concluded that the risk of transmitting BSE to pigs utilizing poultry PAPs and vice versa is negligible. Consequently in this scenario any increase in the exposure risk of BSE to humans would be negligible. If TSE in birds or pigs is identified in the future as occurring under natural conditions, the assessment presented here will no longer be valid.“52 Nach telefonischen Angaben des BfR ist es mittlerweile möglich, mit den PCR-Testverfahren Nachweise von spezies-spezifischer DNA in Futtermitteln zu erbringen, i. e. Wiederkäuer-DNA sowie Geflügel- und Schweine-DNA in Futtermitteln zu unterscheiden. Es seien allerdings noch keine Standardverfahren.53 Auf der Internetseite des Nationalen Referenzlabors wird darauf hingewiesen , mittels PCR sei zwar der hoch empfindliche Nachweis von Tierarten möglich, das Verfahren liefere aber keine Aussage darüber, ob die aufgespürte DNA z. B. aus erlaubtem Milchpulver vom Rind oder unerlaubten Tiermehlen stamme.54 51 „[…] animal protein derived entirely from Category 3 material, […]”, https://efsa.onlinelibrary .wiley.com/doi/pdfdirect/10.2903/j.efsa.2007.576. 52 Opinion of the Scientific Panel on Biological Hazards on a request from the European Parliament on Certain Aspects related to the Feeding of Animal Proteins to Farm Animals, The EFSA Journal (2007) Journal number 576, 1-41, https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdfdirect/10.2903/j.efsa.2007.576. 53 Telefonat des Verfassers dieser Ausarbeitung mit dem BfR am 23. Februar 2021. 54 https://www.bfr.bund.de/de/nationales_referenzlabor_fuer_tierische_proteine_in_futtermitteln-8863.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 17 4.1.2. European Food Safety Authority 2018 Im Jahr 2018 veröffentlichte die EFSA ein überarbeitetes wissenschaftliches Gutachten55 über das BSE-Risiko, das durch verarbeitetes tierisches Protein im Futter verursacht werden kann. Hierzu wurden hypothetische Szenarien entworfen. Sie führten zu der Einschätzung, dass bei Einhaltung aller gesetzlich vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen ein geringes BSE-Risiko bei einer Kontamination von Futtermitteln mit BSE-infiziertem verarbeitetem tierischem Rindereiweiß vorhanden sei, sollte Schweine-PAP in Geflügelfutter wieder zugelassen werden und umgekehrt. Das derzeitige PCR-Verfahren könne nicht zwischen rechtmäßig hinzugefügtem und nicht autorisiertem Rindermaterial unterscheiden oder feststellen, ob nachgewiesenes Wiederkäuermaterial infektiös sei: „EFSA was requested: to assess the impact of a proposed quantitative real-time polymerase chain reaction (qPCR) ‘technical zero’ on the limit of detection of official controls for constituents of ruminant origin in feed, to review and update the 2011 QRA, and to estimate the cattle bovine spongiform encephalopathy (BSE) risk posed by the contamination of feed with BSE-infected bovine-derived processed animal protein (PAP), should pig PAP be re-authorised in poultry feed and vice versa, using both light microscopy and ruminant qPCR methods, and action limits of 100, 150, 200, 250 and 300 DNA copies. The current qPCR cannot discriminate between legitimately added bovine material and unauthorised contamination, or determine if any detected ruminant material is associated with BSE infectivity. The sensitivity of the surveillance for the detection of material of ruminant origin in feed is currently limited due to the heterogeneous distribution of the material, practicalities of sampling and test performance . A ‘technical zero’ will further reduce it. The updated model estimated a total BSE infectivity four times lower than that estimated in 2011, with less than one new case of BSE expected to arise each year. In the hypothetical scenario of a whole carcass of an infected cow entering the feed chain without any removal of specified risk material (SRM) or reduction of BSE infectivity via rendering, up to four new cases of BSE could be expected at the upper 95th percentile. A second model estimated that at least half of the feed containing material of ruminant origin will not be detected or removed from the feed chain, if an interpretation cutoff point of 100 DNA copies or more is applied. If the probability of a contaminated feed sample increased to 5%, with an interpretation cut-off point of 300 DNA copies, there would be a fourfold increase in the proportion of all produced feed that is contaminated but not detected .“56 4.2. Bundesinstitut für Risikobewertung Das BfR wurde im Jahr 2002 u. a. als Folge der BSE-Krise errichtet, um den gesundheitlichen Verbraucherschutz zu stärken. 55 Überarbeitet wurde das Gutachten aus dem Jahr 2011: Opinion of the Scientific Panel on Biological Hazards on a revision of the quantitative risk assessment (QRA) of the BSE risk posed by processed animal protein (PAPs), EFSA Journal 2011;9(1):1947. 56 EFSA Panel on Biological Hazards (BIOHAZ), Ricci, Antonia et al. (Adopted: 7 June 2018, last updated: 16. August 2019), Updated quantitative risk assessment (QRA) of the BSE risk posed by processed animal protein (PAP), https://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/5314. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 18 Auf die Frage des Fachbereichs WD 5, ob es eine aktuelle gesundheitliche Risikobewertung für verarbeitetes tierisches Protein der Kategorie 3 durch das BfR gebe bzw. ob aktuelle Studien hierzu bekannt seien, antwortete das BfR, es gebe keine aktuelle Stellungnahme des Bundesinstituts zum angefragten Thema. Ferner verwies das BfR auf die EFSA Stellungnahme aus dem Jahr 2018 (siehe oben).57 Nach telefonischen Angaben des BfR vom 26. Februar 2021 bestehe seitens der deutschen Futtermittelindustrie zurzeit kein Bedarf, verarbeitetes tierisches Protein der Kategorie 3 in Nutztierfuttermitteln zu verwenden.58 5. Einsparpotential von pflanzlichem Eiweiß in Deutschland bei Verfütterung von Tiermehl Nach Angaben des Deutschen Verbands Tiernahrung e.V. (DVT) vom März 2020 könnten in Deutschland „mit Kategorie-3-Material (also aus genusstauglichen Schlachtkörperteilen) etwa 8 Prozent des Sojaschrotverbrauchs ersetzt werden“.59 Ferner äußerte der DVT, für die Eiweißversorgung der Nutztiere in Deutschland seien pro Jahr 8,38 Millionen Tonnen verdauliches Rohprotein erforderlich, davon stammten 6,13 Millionen Tonnen (73 Prozent) verdauliches Rohprotein aus heimischer Produktion. Der Importbedarf in Höhe von 2,25 Millionen Tonnen (27 Prozent) verdaulichem Rohprotein werde zu mehr als 75 Prozent über den Import von Sojabohnen und Sojaextraktionsschrot gedeckt.60 Zudem führte der DVT aus, eine Wiedereinführung tierischer Proteine sei aus seiner Sicht nur unter der Voraussetzung machbar, wenn eine eindeutig positive wissenschaftliche Sicherheitsbewertung vorliege. Außerdem müsse die Akzeptanz im Markt gegeben sein – nicht nur in der Landwirtschaft, sondern bei allen Stufen der Lebensmittelkette, der Politik und der Verbraucherschaft. Hinzu komme, dass validierte Analysemethoden notwendig seien, die eine sichere Unterscheidung nach Tierarten in der Verarbeitung und Verwendung solcher Erzeugnisse gewährleisten. Auch Toleranzschwellen bzw. Regeln zum Umgang mit unvermeidlichen Verschleppungen und Spuren tierischer Proteine seien festzulegen.61 57 E-Mail an Verfasser der Ausarbeitung vom 10.03.2021. 58 Telefonat mit dem BfR und dem Verfasser dieser Ausarbeitung vom 26. Februar 2021. 59 DVT (2020), Eiweißversorgung bei Nutztieren, Stand: März 2020, https://www.dvtiernahrung.de/aktuell/futterfakten /eiweissversorgung-bei-nutztieren.html. 60 DVT (2020), Eiweißversorgung bei Nutztieren, Stand: März 2020, https://www.dvtiernahrung.de/fileadmin/Dokumente _ab_07_2013/Presse/2020_03_06_DVT-FuFakt_EW_bei_NT.pdf. 61 DVT (2020), Eiweißversorgung bei Nutztieren, Stand: März 2020, https://www.dvtiernahrung.de/aktuell/futterfakten /eiweissversorgung-bei-nutztieren.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 19 Der aktuelle im April 2020 von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) erstellte Bericht zur Markt- und Versorgungslage für Futtermittel weist 1.272 000 Tonnen an importiertem Soja aus.62 In den Wirtschaftsjahren 2014/15 bis 2018/19 machte der Auslandsanteil am Futteraufkommen in verdaulichem Eiweiß nach Angaben der BLE in Deutschland zwischen 24 und 33 Prozent aus.63 Die BLE erklärt, sowohl Deutschland als auch alle anderen europäischen Staaten seien nach wie vor auf Eiweißimporte angewiesen. Sojaextraktionsschrot sei weiterhin der wichtigste Lieferant von Rohprotein. Hier zeichne sich aktuell auf dem Weltmarkt aufgrund der Corona-Krise eine Verknappung ab.64 Die sogenannte „Eiweißlücke“[65] sei deutlich angestiegen .66 Braungart et al. (2002) ermittelten zum damaligen Zeitpunkt folgende Menge an tierischen Nebenprodukten der Kategorie 3, die aufgrund des Verfütterungsverbots nicht zur Verfügung stünden : „Die durch das Verfütterungsverbot zur Verbrennung gelangte Proteinmenge, die allein aus lebensmitteltauglichen Schlachtnebenprodukten gewonnen werden könnte, entspricht für die EU 1,125 Mio. Tonnen Rohprotein und in Deutschland 262.500 Tonnen Rohprotein.“67 Stockinger/Schätzl (2012) gingen für Deutschland von jährlich schätzungsweise 192.000 Tonnen Rohprotein der Kategorie 3 aus.68 62 Tabelle zu „verdaulichem Eiweiß“ S. 41, https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/BZL/Daten-Berichte /Futter/2020BerichtFuttermittel.pdf?__blob=publicationFile&v=3. „Die Umrechnung in verdauliches Eiweiß dient dazu, auszuweisen wieviel verdauliches Eiweiß verfüttert wird. Das ist vor allem wichtig um festzustellen, wieviel verdauliches Eiweiß aus ausländischen Futtermitteln stammt.“ S. 43, https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/BZL/Daten-Berichte/Futter/2020BerichtFuttermittel .pdf?__blob=publicationFile&v=3. 63 Abb. 5, S. 10, https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/BZL/Daten-Berichte/Futter/2020BerichtFuttermittel .pdf?__blob=publicationFile&v=3. 64 Bericht zur Markt- und Versorgungslage Futtermittel 2020, https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads /DE/BZL/Daten-Berichte/Futter/2020BerichtFuttermittel.pdf?__blob=publicationFile&v=3. 65 Siehe hierzu auch: Das Proteindefizit in der EU P7_TA(2011)0084, Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. März 2011 zu dem Thema „Das Proteindefizit in der EU: Wie lässt sich das seit langem bestehende Problem lösen?“ (2010/2111(INI)) (2012/C 199 E/07), https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52011IP0084&from=DE. 66 S. 10, https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/BZL/Daten-Berichte/Futter/2020BerichtFuttermittel .pdf?__blob=publicationFile&v=3. 67 Braungart, Michael et al. (2002), Umwelt- und Sozialfolgen des Verfütterungsverbotes für tierische Proteinmehle , EPEA Internationale Umweltforschung GmbH, November 2002. Hervorhebung durch Verfasser dieser Ausarbeitung. 68 Potentiale des Einsatzes von verarbeiteten tierischen Proteinen als Futtermittel, https://oega.boku.ac.at/fileadmin /user_upload/Tagung/2012/Short_Paper_2012/63_Stockinger-TB_2012.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 20 Vom Statistischen Bundesamt wird die in Deutschland anfallende Menge tierischer Nebenprodukte der Kategorie 3 nicht erfasst.69 6. Gesellschaftliche Akzeptanz zur Verfütterung von Tiermehl Spezielle Erhebungen zur gesellschaftlichen Akzeptanz zur Verfütterung von Tiermehl konnten nicht ermittelt werden, es wird auf die zuvor erwähnte Petition Nr. 0154/2020 an das Europäische Parlament70 hingewiesen. Bei einer Verbraucherbefragung, die sich an Veganer richtete, sollten Probleme benannt werden, die in der landwirtschaftlichen Tierhaltung am dringendsten geändert werden müssten: „[…] in der Fütterung sollte mehr auf Artgerechtigkeit geachtet werden. Unter den Problemen , die sich Kategorie „Futter“ zuordnen lassen, wurden am häufigsten eine „natürlichere“ Fütterung, der Verzicht auf Kraftfutter für Herbivoren oder auf Tiermehl gefordert.“71 Berk et al. (2000) beschrieben die Tiermehlverfütterung im Widerstreit gesellschaftlicher Ziele in der folgenden Grafik: 69 E-Mail vom 11. Februar 2021 an Verfasser dieser Ausarbeitung. 70 Europäisches Parlament, Mitteilung an die Mitglieder, 14.9.2020, Petition Nr. 0154/2020, https://www.europarl .europa.eu/doceo/document/PETI-CM-657342_DE.pdf. 71 Busch, Claudia; Hamm, Ulrich (2015), Trägt das Image der Landwirtschaft zu einer steigenden Zahl von Veganern bei? S. 51, Fachgebiet Agrar- und Lebensmittelmarketing, Universität Kassel, In: Die Landwirtschaft im Spiegel von Verbrauchern und Gesellschaft, https://www.rentenbank.de/dokumente/Schriftenreihe _Band31.pdf; Zur Notwendigkeit der Akzeptanz s. auch Zagon/Schafft (2014) „Tierische Nebenprodukte als Rohstoffe: Rückverfolgbarkeit, Warenketten sowie Verwendungsmöglichkeiten in der Tierernährung“ Seite 18 bis 20, https://www.bfr.bund.de/cm/343/tierische-nebenprodukte-als-rohstoffe-rueckverfolgbarkeit-warenketten -sowie-verwendungsmoeglichkeiten-in-der-tierernaehrung.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 21 Quelle: Berk et al. (2000).72 7. Möglichkeiten des Verbots der Verfütterung von Tiermehl oder verarbeiteten tierischen Proteinen auf nationaler Ebenen Die Verfütterung von Tiermehl (Kategorie 1 und 2) bleibt in der EU verboten. Die rechtlichen Möglichkeiten, die Verfütterung von verarbeiteten tierischen Proteinen der Kategorie 3 auf nationaler Ebenen verbieten zu können, hängen von der genauen Ausgestaltung einer etwaigen europaweiten Lockerung dieses Verfütterungsverbotes ab. Würden die EFSA einerseits und das BfR und das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) andererseits unterschiedliche wissenschaftliche Auffassungen hinsichtlich der Risikobewertung vertreten, käme es möglicherweise wie im Jahr 2006 zu einem Verfahren nach Art. 30 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 178/200273 (Divergenzverfahren) zur Klärung unterschiedlicher wissenschaftlicher Auffassungen. So wurden im Jahr 2006 zunächst unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Verfütterung tierischer Fette an Wiederkäuer vertreten. Als Ergebnis des Divergenzverfahrens verfasste das BfR am 20. Juni 2012 eine Stellungnahme zur Neubewertung der Verfütterung von tierischem Fett an Wiederkäuer. Dort heißt es wie folgt: „In Deutschland reichen bislang die BSE-Schutzmaßnahmen weiter als die EU-Vorgaben: Verboten ist in der Europäischen Union seit 2001 die Verfütterung von proteinhaltigen Futtermit- 72 Berk, A. et al. (2000), Auswirkungen von Fütterungsverboten für Tiermehl auf Futterkosten und Futtermittelversorgung , Institut für Tierernährung, Institut für Betriebswirtschaft, Agrarstruktur und ländliche Räume, Institut für Marktanalyse und Agrarhandelspolitik der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), https://www.stn-vvtn.de/archiv/berk_a.pdf. Siehe auch Verband der Verarbeitungsbetriebe tierischer Nebenprodukte e. V. (VVTN), Memorandum: Nachhaltigere Wertschöpfung aus tierischen Nebenprodukten fördern, 2. November 2020, https://www.stn-vvtn.de/archiv /memorandum_201102.pdf. 73 Artikel 30 VO (EG) Nr. 178/2002, Divergierende wissenschaftliche Gutachten, https://eur-lex.europa.eu/legalcontent /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32002R0178&qid=1614078706592&from=DE. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 012/21 Seite 22 teln, die aus Tieren gewonnen werden, an alle Nutztiere, die Lebensmittel liefern. Deutschland ist das einzige EU-Land, in dem zusätzlich die Verfütterung von tierischen Fetten an Wiederkäuer verboten ist. Die BSE-Schutzmaßnahmen waren in ihrer Gesamtheit gerechtfertigt und geeignet, um das größtmögliche Schutzniveau für den Verbraucher zu gewährleisten. EU-weit sind die BSE-Fälle mittlerweile deutlich zurückgegangen. Es ist daher unwahrscheinlich , dass tierische Fette bei ihrer Gewinnung mit infektiösem Nervengewebe verunreinigt werden. Darüber hinaus wurde das Bewertungsmodell der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) angepasst und weiterentwickelt, so dass es nun aus Sicht des BfR für die Risikobewertung, auch im Hinblick auf die Situation in Deutschland, geeignet ist. Das BfR hatte in einer früheren Risikobewertung Mängel am Bewertungsmodell der EFSA benannt . Aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes kommt das BfR in seiner wissenschaftlichen Risikobewertung zu dem Ergebnis, dass mit der Verfütterung von tierischen Fetten an Wiederkäuer kein erhöhtes BSE-Risiko für Verbraucher zu erwarten ist.“74 Dem gesundheitlichen Verbraucherschutz liegen EU-rechtliche Vorgaben zugrunde, die auf nationaler Ebene durch das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) präzisiert werden. Da aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes mit der Verfütterung von tierischen Fetten an Wiederkäuer kein erhöhtes BSE-Risiko mehr für den Verbraucher erwartet wurde, erfolgte die Aufhebung des § 18 LFGB im Jahr 2017.75 Seitdem ist auch in Deutschland das Verfüttern von tierischem Fett an Wiederkäuer wieder zulässig. In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Aufhebung des § 18 LFGB wird argumentiert: „Vor diesem Hintergrund wird das nationale Fettverfütterungsverbot nicht länger von einer wissenschaftlich fundierten Risikobewertung getragen. Das Verbot ist daher aufzuheben.“76 *** 74 https://www.bfr.bund.de/cm/343/neubewertung-der-verfuetterung-von-tierischem-fett-an-wiederkaeuer.pdf. 75 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung futtermittelrechtlicher und tierschutzrechtlicher Vorschriften, http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/120/1812085.pdf; Gesetz zur Änderung futtermittelrechtlicher und tierschutzrechtlicher Vorschriften, BGBl. I 2017, S. 2147. 76 S. 12, http://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/120/1812085.pdf. Hervorhebung durch Verfasser dieser Ausarbeitung .