© 2020 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 012/20 Fragen zur Entwicklung der Netzentgelte im Stromsektor Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 2 Fragen zur Entwicklung der Netzentgelte im Stromsektor Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 012/20 Abschluss der Arbeit: 19.02.2020 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung und Vorbemerkung 4 2. Entwicklung der Netzentgelte im Verteilnetz 4 2.1. Bundesweite Entwicklung seit 2006 5 2.2. Regionale Verteilung der Netzentgelte 7 3. Studien und Berichte zu den Gründen der Erhöhung sowie Ursachen für regional starke Unterschiede 10 3.1. Gründe für die Erhöhung 10 3.2. Ursachen für regionale Unterschiede 10 4. Studien zur Prognose bei Vereinheitlichung bzw. Angleichung 12 5. Politische Initiativen zur Vereinheitlichung der Netzentgelte 14 5.1. Netzentgeltmodernisierungsgesetz 14 5.2. Leitfaden der Bundesnetzagentur 16 5.3. Geplante Subventionierung von Netzentgelten 16 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 4 1. Fragestellung und Vorbemerkung Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages wurden mit der Beantwortung von Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Netzentgelte von Stromnetzen in Deutschland , insbesondere der Netzentgelte auf Verteilnetzebene, beauftragt. Gefragt wurde insbesondere nach der Entwicklung seit dem Jahr 2000, den Ursachen für regionale Unterschiede sowie nach Prognosen zur Vereinheitlichung der Entgelte. Netznutzungsentgelte, kurz Netzentgelt, sind Gebühren für die Nutzung des Stromnetzes zum Transport des Stroms. Die Netzbetreiber erheben das Netzentgelt gegenüber den Netznutzern, i.d.R. den Stromanbietern, die das Netz dafür gebrauchen, den Strom an ihre Kunden weiterzuleiten . Die Kosten für Netzentgelte geben sie wiederum an ihre Kunden weiter. Damit sind Netzentgelte Bestandteil des Strompreises, den die Verbraucher zahlen.1 In Deutschland gibt es vier Übertragungsnetze (betrieben von den Übertragungsnetzbetreibern 50Hertz Transmission GmbH, Amprion GmbH, TenneT TSO GmbH und TransnetBW GmbH), die den Strom in Höchstspannung und über weite Distanzen transportieren, sowie etwa 900 Verteilnetze , die den Strom bei Hoch-, Mittel- oder Niederspannung zu den Endkunden leiten. Sowohl für die Nutzung der Übertragungsnetze als auch der Verteilnetze fallen Netznutzungsgebühren an. In dem vom Endkunden zu zahlendem Netzentgelt werden auch die Gebühren von vorgelagerten Netzebenen umgelegt. Die zitierten Links wurden zuletzt am 19. Februar 2020 aufgerufen. 2. Entwicklung der Netzentgelte im Verteilnetz Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt: Monitoringberichte Die Bundesnetzagentur veröffentlicht gemeinsam mit dem Bundeskartellamt seit 20062 einen jährlichen Monitoringbericht, der über die Entwicklungen auf den deutschen Elektrizitäts- und Gasmärkten berichtet. Darin sind u.a. auch Angaben zu den Netzentgelten und deren Entwicklung seit 2006 enthalten. Zahlen für den Zeitraum von 2000 bis 2005 konnten nicht recherchiert werden. Gleiches gilt für Daten der Netzentgelte, die den Anteil der Übertragungsnetzentgelte ausweisen. 1 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Newsletter Energiewende direkt, Was ist eigentlich „Netzentgelt “?, Link: https://www.bmwi-energiewende.de/EWD/Redaktion/Newsletter/2017/13/Meldung/direkt-erklaert .html. 2 Bis 2011 war die Bundesnetzagentur alleiniger Herausgeber des Monitoringberichts. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 5 Die Monitoringberichte differenzieren auf Verteilnetzebene zwischen Nettonetzentgelten für Haushaltskunden (jährlicher Strombedarf von 2500 bis 5000 kWh3 und Versorgung in der Niederspannung ), Gewerbekunden (50 MWh und Versorgung in der Niederspannung) und Industriekunden (24 GWh und Versorgung in der Mittelspannung). 2.1. Bundesweite Entwicklung seit 2006 Der Monitoringbericht für das Jahr 2019 (Stand 13. Januar 2020)4 enthält für alle drei Kundengruppen eine Aufstellung der bundesweiten Nettonetzentgelte (inklusive Messstellenbetrieb) für den Zeitraum von 2006 bis 2019. Bei den Angaben für die Haushaltskunden handelt es sich um die durchschnittlichen, mengengewichteten Nettonetzentgelte, für die Angaben der Gewerbe- und Industriekunden sind die arithmetischen Nettonetzentgelte ausgewiesen. (Angaben in ct/kWh) 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Haushaltskunden 5 7,30 6,34 5,92 5,80 5,81 5,75 6,04 6,52 6,54 6,59 6,79 7,31 7,19 7,22 Gewerbekunden6 6,37 5,49 5,08 4,99 4,89 4,89 5,11 5,61 5,65 5,77 5,85 6,19 6,27 6,31 Industriekunden7 1,65 1,51 1,46 1,43 1,54 1,46 1,68 1,79 1,90 2,12 2,06 2,26 2,36 2,33 Quelle: BNetzA, Tabelle vom Verfasser der Dokumentation erstellt. Zur Entwicklung der Netzentgelte heißt es im Bericht: „In den Jahren bis 2011 schlugen sich die ersten Kostenprüfungen nach Einführung der Regulierung in sinkenden Netzentgelten nieder. Der Anstieg der Netzentgelte seit 2012 und das Verbleiben der Netzentgelte auf hohem Niveau wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst: So stieg 3 Dieser Wert wird erst seit dem Jahr 2016 zu Grunde gelegt. Davor wurde ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3500 kWh/Jahr betrachtet. 4 Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt, Monitoringbericht 2019, abrufbar unter folgendem Link: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Datenaustauschund Monitoring/Monitoring/monitoring-node.html. 5 Vgl. Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt, Monitoringbericht 2019, Stand 13. Januar 2020, Entwicklung der durchschnittlichen Netzentgelte, Grafik: Elektrizität: Entwicklung des durchschnittlichen, mengengewichteten Nettonetzentgeltes (inkl. Messstellenbetrieb) für Haushaltskunden, S. 172, Abb. 64. 6 Vgl. Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt, Monitoringbericht 2019, Stand 13. Januar 2020, Entwicklung der durchschnittlichen Netzentgelte, Grafik: Elektrizität: Entwicklung der arithmetischen Nettonetzentgelte (inkl. Messstellenbetrieb) für „Gewerbekunden“ 50 MWh und „Industriekunden“ 24 GWh, S. 173, Abb. 65. 7 Ebd. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 6 die Menge der dezentralen Einspeisung an, was höhere Kosten für vermiedene Netzentgelte zur Folge hatte. Gleichzeitig stieg der Bedarf an Redispatch- und Einspeisemanagementmaßnahmen . Schließlich machte der Zubau von EE-Anlagen weiteren Netzausbau erforderlich. Alle diese Punkte wirkten netzkostenerhöhend. Im Jahr 2018 wurde dieser Trend erstmals durchbrochen und die Netzentgelte im mengengewichteten Durchschnitt sind von 2017 auf 2018 um rund zwei Prozent gesunken. Dies ist insbesondere auf die Kostendämpfung bei den vermiedenen Netzentgelten infolge des NEMoG zurückzuführen. Trotz des Herauslösens der Offshore- Anbindungskosten aus den Netzentgelten und der weiteren Abschmelzung der vermiedenen Netzentgelte nach dem NEMoG konnte dieser Trend u. a. auf Grund steigender Kosten für den Ausbau des Stromnetzes und der hohen veranschlagten Kosten für Maßnahmen zur Systemsicherheit nicht beibehalten werden. Somit sind die Netzentgelte von 2018 auf 2019 im Bereich der Haushaltskunden im Bundesdurchschnitt von 7,19 ct/kWh auf 7,22 ct/kWh (+0,4 Prozent) angestiegen.8 Betrachtet man die Summe der Netzentgelte und der Offshore-Netzumlage ist die Kostenbelastung für die Netznutzer bundesweit von 7,23 ct/kWh (7,19 ct/kWh zzgl. 0,037 ct/kWh Offshore- Haftungsumlage) in 2018 auf 7,64 ct/kWh (7,22 ct/kWh zzgl. 0,416 ct/kWh Offshore-Netzumlage ) in 2019 – also um knapp 6 Prozent gestiegen. Nach Angaben der Netzbetreiber zu den vorläufigen Netzentgelten für 2020 werden sich auch im kommenden Jahr die Netzentgelte u. a. auf Grund steigender Ausgaben für Maßnahmen zur Systemsicherheit sowie steigender Investitionen weiter erhöhen. Im Bereich der Nicht-Haushaltskunden liegen die Werte im arithmetischen Mittel leicht über bzw. unter dem Niveau des Vorjahres: Im Bereich der Gewerbekunden sind die Netzentgelte um ein Prozent (+0,04 ct/kWh) auf 6,31 ct/kWh gestiegen. Bei Kunden, die einen Energieverbrauch von 24 GWh pro Jahr (Industriekunden) aufweisen, sind die Netzentgelte im arithmetischen Mittel um rund ein Prozent (-0,03 ct/kWh) auf 2,33 ct/kWh zurückgegangen .“9 8 Vgl. Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt, Monitoringbericht 2019, Stand 13. Januar 2020, Netzentgelte, Entwicklung der durchschnittlichen Netzentgelte, S. 171. 9 Vgl. ebd., S. 172. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 7 2.2. Regionale Verteilung der Netzentgelte Die Monitoringberichte10 zeigen die Nettonetzentgelte für die drei Kundengruppen ab dem Berichtsjahr 2017 zudem differenziert nach Bundesländern auf. Dabei wird der jeweilige mengengewichtete Mittelwert sowie das Minimum und Maximum angegeben.11 Zusätzlich wird die regionale Verteilung der Netzentgelte anhand einer Deutschlandkarte veranschaulicht. Die Daten sind wie folgt zu finden: Monitoringbericht 2019, Stand 13. Januar 2020: Haushaltskunden: S. 176, Tab. 57 und S. 177. Abb. 67. Gewerbekunden: S. 178, Tab. 58 und S. 179, Abb, 68. Industriekunden: S. 180, Tab. 59 und S. 181, Abb. 69. Monitoringbericht 2018, Stand 29. Mai 2019: Haushaltskunden: S. 156, Tab. 45 und S. 157, Abb. 53. Gewerbekunden: S. 158, Tab. 46 und S.159, Abb. 54. Industriekunden: S. 160, Tab. 47 und S.161, Abb. 55. Monitoringbericht 2017, Stand 13. Dezember 2017: Haushaltskunden: S. 129, Tab. 32 und S. 130, Abb. 45. Gewerbekunden: S. 131, Tab. 33 und S. 132, Abb. 46. Industriekunden: S. 133, tab. 34 und S. 132, Abb. 47. 10 Die Monitoringberichte der Jahre 2006 bis 2018 können unter „frühere Monitoringberichte“ hier aufgerufen werden : https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Datenaustauschund Monitoring/Monitoring/Monitoringberichte/Monitoring_Berichte_node.html. 11 Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt, Monitoringbericht 2019, Stand 13. Januar 2020, Netzentgelte, Entwicklung der durchschnittlichen Netzentgelte, S. 172. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 8 Für die Bundesländer sahen die Nettonetzentgelte der drei Kundengruppen in den vergangenen drei Jahren wie folgt aus (Angaben der mengengewichteten Mittelwerte in ct/kWh): Haushaltskunden Gewerbekunden Industriekunden 2017 2018 2019 2017 2018 2019 2017 2018 2019 Baden-Württemberg12 6,49 6,75 6,84 6,11 5,92 5,99 2,16 2,20 2,38 Bayern 7,16 6,74 7,00 5,91 5,49 5,61 2,50 2,28 2,50 Berlin 6,30 5,64 5,58 5,42 4,76 4,78 2,75 2,44 2,49 Brandenburg 7,25 8,62 8,35 6,62 6,46 6,71 2,89 3,08 2,98 Bremen 5,39 4,56 5,44 3,86 3,23 4,04 2,53 2,10 2,41 Hamburg 6,76 6,63 7,53 5,80 5,36 5,93 2,41 2,25 2,43 Hessen 6,78 6,59 6,78 5,56 5,15 5,52 2,22 2,50 2,86 Mecklenburg-Vorpommern 7,82 7,09 8,25 6,60 6,24 6,58 3,19 2,82 3,01 Niedersachsen 7,19 6,98 6,87 5,89 5,50 5,08 2,69 2,52 2,48 Nordrhein-Westphalen 6,20 6,32 6,51 5,12 4,95 5,02 1,99 2,27 2,09 Rheinland-Pfalz 6,41 6,55 6,52 5,84 5,64 5,30 2,07 2,09 2,14 Saarland 6,63 6,67 6,84 5,51 5,51 5,29 2,18 2,42 2,53 Sachsen 7,54 6,94 7,06 6,78 5,85 5,73 3,01 2,65 2,60 Sachsen-Anhalt 8,23 7,48 7,17 6,62 6,12 5,41 3,25 2,75 2,66 Thüringen 7,70 6,75 7,12 6,79 5,75 5,54 2,82 2,47 2,50 Quelle: BNetzA, Tabelle von Verfasser erstellt. 12 Für Haushalts- und Gewerbekunden inklusive des Versorgungsgebietes der deutschen Enklave Büsingen innerhalb der Schweiz für die Jahre 2018 und 2019. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 9 Zur regionalen Verteilung der Netzentgelte heißt es im Bericht: Die Höhe der Netzentgelte ist regional sehr unterschiedlich. Für einen Vergleich der Netzentgelte in Deutschland werden im Monitoring anhand der veröffentlichten Preisblätter aller Verteilernetzbetreiber die relevanten Informationen zu den drei betrachteten Abnahmefällen (Haushalts-, Gewerbe- und Industriekunde, siehe I.C.6.2 Entwicklung der durchschnittlichen Netzentgelte in Deutschland) zusammengetragen. Gemäß § 27 Abs. 1 StromNEV sind alle Netzbetreiber verpflichtet, die für ihr Netz geltenden Netzentgelte auf ihren Internetseiten zu veröffentlichen . Aus den Angaben zu den jeweiligen Arbeits- und Leistungspreisen je VNB werden anschließend die für das Jahr 2019 gültigen Netzentgelte in ct/kWh bestimmt. Die Angaben verstehen sich ohne die Entgelte für den Messstellenbetrieb und ohne Umsatzsteuer. Zwecks Übersichtlichkeit in der Darstellung werden die Netzentgelte in sieben verschiedenen Klassen von kleiner 5 ct/kWh bis größer 10 ct/kWh eingeteilt. Bei der Recherche wurden im Strombereich die Netzentgelte bei Verteilernetzbetreibern ermittelt, unabhängig davon ob tatsächlich Kunden in dieser Kundengruppe vorliegen. Dies ist insbesondere relevant für Industriekunden. Zusätzlich wurden die Netzentgelte in eine Betrachtung nach Bundesländern überführt. Hierbei werden die einzelnen Netzentgelte mit der jeweiligen Entnahmemenge gewichtet, um Aussagen über das durchschnittliche Netzentgeltniveau je Bundesland abzuleiten. Für Haushaltskunden liegen die niedrigsten Netzentgelte bei 1,78 ct/kWh und die höchsten bei 25,38 ct/kWh, wobei letzterer Fall nur sehr wenige Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG mit einem sehr geringen Verbrauch betrifft. Somit differieren die Entgelte im Extremfall um den Faktor 10. Bei der Verteilung fällt auf, dass die Netzentgelte vor allem in Schleswig-Holstein , Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern relativ hoch sind. Daneben gibt es Unterschiede zwischen den großen Städten/ Ballungszentren und den ländlich geprägten Gebieten. Die untenstehende Karte zeigt, dass viele Großstädte (Berlin, München, Frankfurt am Main, Dortmund, Bremen, Stuttgart und Düsseldorf) in den niedrigsten drei Kategorien der Netzentgelte von unter 5 ct/kWh bis maximal 7 ct/kWh liegen. Bei den genannten Städten ist ersichtlich , dass die dort anfallenden Netzentgelte in der Regel niedriger als im direkten Umland sind. Bei einer Durchschnittsbetrachtung nach Bundesländern entfallen die niedrigsten Netzentgelte auf Bremen. Die Verteilung der Netzentgelte des Abnahmefalls 50 MWh/Jahr (hier: „Gewerbekunden“) ähnelt denen der Haushaltskunden. Die Spreizung der höchsten und niedrigsten Entgelte bewegt sich zwischen 0,19 ct/kWh und 24,63 ct/kWh. Insgesamt ist das Netzentgeltniveau aber niedriger als das der Haushaltskunden. Im Durchschnitt nach Bundesländern liegen die höchsten Entgelte in Schleswig-Holstein und Brandenburg, die niedrigsten in Bremen. Bei den Netzentgelten für den Abnahmefall 24 GWh/Jahr (hier: „Industriekunden“) fällt die Verteilung anders aus. Die Netzentgelte sind insbesondere in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg höher als im Rest des Landes, allerdings treten höhere Entgelte auch in einzelnen kleineren Netzgebieten auf. In Nordrhein-Westphalen fallen im Durchschnitt die niedrigsten Netzentgelte an. Die Netzentgelte für den betrachteten Abnahmefall des Industriekunden bewegen sich zwischen etwa 1,16 ct/kWh und 7,77 ct/kWh. Hierbei ist zu beachten, dass mögliche Vergünstigungen durch individuelle Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 StromNEV nicht berücksichtigt wurden. Im Einzelfall kann das individuelle Netzentgelt eines anspruchsbe- Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 10 rechtigten Industriekunden also niedriger ausfallen. Wie auch bei den anderen Kundenkategorien ist anhand der Karte ersichtlich, dass die in Großstädten anfallenden Netzentgelte in der Regel niedriger als im direkten Umland sind.13 Für die regionalen Netzentgelte im Zeitraum im Jahr 2020 gibt eine Deutschlandkarte einen Überblick : ene't GmbH, Preisniveau der endgültigen Stromnetzentgelte 2020 in ct/kWh Abnahmefall: Familien-Haushalt, 3.500 kWh/Jahr, SLP, Niederspannung Link: https://www.enet.eu/media/aktuelles/newsletter/109-preisniveau-nns-2020-endg.jpg Zur Veranschaulichung der Veränderung der Netzentgelte zwischen 2019 und 2020: ene't GmbH, Prozentuale Veränderung der endgültigen Stromnetzentgelte 2020 gegenüber 2019 Abnahmefall: Familien-Haushalt, 3.500 kWh/Jahr, SLP, Niederspannung, Link: https://www.enet.eu/media/aktuelles/newsletter/109-veraenderung-nns-2019-2020- endg.jpg. 3. Studien und Berichte zu den Gründen der Erhöhung der Netzentgelte sowie Ursachen für regional starke Unterschiede 3.1. Gründe für die Erhöhung Als Grund für die anhaltende Steigung der Netzentgelte werden neben den steigenden Investitionskosten für den Netzausbau, den der Anstieg der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien erforderlich mache, vor allem strukturelle Ursachen aufgeführt. Der folgende Artikel von Mitarbeitern des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) der Universität zu Köln befasst sich mit der derzeitigen Netzentgeltsystematik in Deutschland, Prognosen der weiteren Entwicklung und welche Alternativen bzgl. der Ausgestaltung der Netzentgeltsystematik , auch im Hinblick auf Modelle in anderen EU-Mitgliedsstaaten, in Frage kommen. Jeddi, S., Sitzmann, A. Netzentgeltsystematik in Deutschland – Status-Quo, Alternativen und europäische Erfahrungen. Zeitschrift für Energiewirtschaft 43, 245–267 (2019), Link. https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs12398-019-00265-6#Abs1. 3.2. Ursachen für regionale Unterschiede Die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt führen im Monitoringbericht 2019 als Ursachen für die regional unterschiedlichen Netzentgelte die Auslastung der Netze, die Besiedlungsdichte , die unterschiedlich hohen Kosten für Einspeisemanagementmaßnahmen sowie das Alter und die Qualität der Netze an. Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt, Monitoringbericht 2019, Stand 13. Januar 2020, Netzentgelte, S. 164, kann unter folgendem Link aufgerufen werden: https://www.bundesnetzagentur .de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Datenaustauschund Monitoring/Monitoring/Monitoringberichte/Monitoring_Berichte_node.html. 13 Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt, Monitoringbericht 2019, Stand 13. Januar 2020, Regionale Verteilung der Netzentgelte, S. 175ff. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 11 Eine Studie der Consentec GmbH in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für System und Innovations-forschung ISI im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie untersucht die regionale Spreizung der Netzentgelte anhand 19 ausgewählter Verteilnetze für das Jahr 2017. Dabei kommt sie zu einem Spreizungsfaktor zwischen dem niedrigsten (vor allem im Westen und Südwesten Deutschlands) und dem höchsten Entgelt (Norden und Nordosten Deutschlands ) von 2,4 (für Haushaltskunden). Eine hohe Spreizung der Netzentgelte habe jedoch bereits 2009 vorgelegen, so dass weniger der Zubau von erneuerbaren Energien für regionale Entgeltunterschiede verantwortlich sei, sondern vielmehr beruhten diese auf strukturellen Eigenschaften in den Versorgungsgebieten. Conentec GmbH und Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung, BMWi-Vorhaben „Netzentgelte“: Auswertung von Referenzstudien und Szenarioanalysen zur zukünftigen Entwicklung, 4. Oktober 2018, S. 36 ff., Link: https://www.bmwi.de/Redaktion /DE/Publikationen/Studien/netzentgelte-auswertung-von-referenzstudien .pdf?__blob=publicationFile&v=9. Eine weitere Studie14 der Consentec GmbH in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung ISI ebenfalls im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie untersucht die aktuelle Netzentgeltsystematik damit zusammenhängende Problemfelder . Dort geht sie auf die regionale Spreizung der Netzentgelte ein. Dabei kommt sie u.a. zu dem Schluss, dass die zweifelslos bestehende regionale Spreizung der Netzentgelte auch schon bereits vor dem starken Zubau erneuerbarer Energien bestanden habe und daher insbesondere Unterschiede in den Gebietsstrukturen für die ungleichen Netzentgelte ursächlich sein müssten. Vor allem die Aufteilung der Netzregionen in städtische und ländliche Gebiete sowie Altersstrukturen der Netze seien demnach verantwortlich. Nach der Studie würden die Maßnahmen des NEMoG jedoch durchaus bereits einige der Treiber eliminieren und so eine noch stärker voranschreitende Spreizung verhindern. Des Weiteren werden in der Studie Optionen zur Weiterentwicklung der Netzentgeltsystematik dargestellt. Dabei wird der Fokus auf eine kostenreflexive Entgeltsystematik gelegt, damit Netznutzer ihr Verhalten entsprechend einer tatsächlichen Anreizwirkung der Netzentgelte bestimmten . Auch die Möglichkeit von Netzentgelten auf Erzeugerseite wird betrachtet. Consentec GmbH und Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung ISI, Studie, Optionen zur Weiterentwicklung der Netzentgeltsystematik für eine sichere, umweltgerechte und kosteneffiziente Energiewende, Regionale Spreizung der Netzentgeltniveaus, 11. Juni 2018, S. 55 ff., Link: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/optionen -zur-weiterentwicklung-der-netzentgeltsystematik.pdf?__blob=publicationFile&v=9. Folgender Artikel führt die regionalen Unterschieden zum Teil ebenfalls auf den wachsenden Anteil erneuerbarer Energien zurück. Die Kosten dafür würden nur regional verteilt, der erzeugte Strom werde jedoch überregional verbraucht. Das Problem sei die vertikale Kostenwälzung. Als generelle Einflussfaktoren werden daneben aber vor allem strukturelle Parameter aufgezählt, wie etwa die Netzstruktur, die Besiedlungsdichte oder das Netzalter. Auch geht der Artikel auf alternative Instrumente zur besseren und gerechteren Verteilung der Netzentgelte ein, wie z.B. ein lastflussbasiertes Wälzungssystem oder Baukostenzuschüsse. 14 Zu dieser Studie: Fritz/Klobasa, Weiterentwicklung der Stromnetzentgelte: Fixere oder flexible Entgelte oder beides?, in Energiewirtschaftliche Tagesfragen 68. Jg. (2018) Heft 12. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 12 Boche, S., Elsenbast, W. & Nikogosian, V., Verteilung energiewendebedingter Netzkosten — allein eine Frage der Fairness?, Wirtschaftsdienst 97, 871–875 (2017). (Anlage 1) In dem bereits oben verlinkten Fachbeitrag von Jeddi und Sitzmann, Energiewirtschaftlichen Institut (EWI) der Universität zu Köln, führen diese ebenfalls den regional unterschiedlich starken Ausbau der erneuerbaren Energien sowie den mit Erneuerbaren-Energien-Anlagen im Zusammenhang stehenden höheren Bedarf an Maßnahmen des Einspeisemanagements als Ursache für die teilweise große Spreizung unter den Netzentgelten auf. Die Kosten dafür trügen nur die Netznutzer im jeweiligen Netzgebiet. Jeddi, S., Sitzmann, A. Netzentgeltsystematik in Deutschland – Status-Quo, Alternativen und europäische Erfahrungen. Zeitung für Energiewirtschaft 43, 245–267 (2019), Link: https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs12398-019-00265-6#Abs1. Ein Artikel des ifo Dresden weist auf die verstärkten Netzinvestitionen in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung hin, deren Kosten sich aufgrund einer Abschreibungsdauer von etwa 40 Jahren noch in den von den Netznutzern in diesen Gebieten zu zahlenden Netzentgelten wiederspiegeln; etwas Anderes gelte für die Netze in alten Bundesländern, die bereits vollständig abgeschrieben seien. Auch die weniger ausgeprägte Industrie sowie die dünnere Bevölkerungsdichte in den östlichen Regionen spielten eine Rolle bei der Höhe der Netzentgelte. Fabian Hinz und Dominik Möst, Regionale Unterschiede der Netzentgelte, in ifo Dresden berichtet 5/2017, Link: https://www.ifo.de/DocDL/ifoDD_17-05_24-30_Hinz.pdf. 4. Studien zur Prognose bei Vereinheitlichung bzw. Angleichung Die Agora Energiewende hat im Jahr 2019 einen Bericht zu den Netzentgelten veröffentlicht. Darin geht sie auf die Entwicklung der Netzentgelte der letzten Jahre ein und betrachtet insbesondere die Auswirkungen von Reformen auf die Netzentgelte. Dem Bericht nach habe das Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) bisher nichts an den regional heterogenen Netzentgelten verändert. Außerdem böte die derzeitige Netzentgeltsystematik keine oder falsche Investitionsanreize für neue Erzeuger und neue Verbraucher. Diese würden sich vermehrt den Standort mit geringen Netzentgelten aussuchen, was dazu führte, dass dort die Infrastruktur ausgebaut werden müsse, dessen Kosten die Netzentgelte steigen lasse. Auch weist der Bericht darauf hin, dass das System derzeit keine Anreize, weder für Stromerzeuger noch für Stromverbraucher schaffe, das eigene Verhalten so anzupassen, dass das Netz effizient genutzt werden könne. Zu berücksichtigen sei zudem, dass Stromerzeugung und –verbrauch sowohl örtlich als auch zeitlich nicht mehr so planbar seien wie früher. Eine baldige Reform der Netzentgeltsystematik sei daher unerlässlich. Agora Energiewende, Netzentgelte 2019: Zeit für Reformen, April 2019, Link: https://www.agora-energiewende.de/fileadmin2/Projekte/2014/transparente-energiewirtschaft /Agora_Netzentgelte_2019.pdf Die bereits unter Punkt 3.2. aufgeführte Studie der Consentec GmbH in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung ISI zum Thema „Netzentgelte: Auswertung von Referenzstudien und Szenarioanalysen zur zukünftigen Entwicklung“ enthält eine Analyse der Netzentgelte und deren Entwicklung bis zum Jahr 2030. Dabei werden sowohl die Netzentgelte im Übertragungsnetz als auch im Verteilnetz betrachtet. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 13 Conentec GmbH und Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung, BMWi-Vorhaben „Netzentgelte“: Auswertung von Referenzstudien und Szenarioanalysen zur zukünftigen Entwicklung, 4. Oktober 2018, S. 36 ff., Link: https://www.bmwi.de/Redaktion /DE/Publikationen/Studien/netzentgelte-auswertung-von-referenzstudien .pdf?__blob=publicationFile&v=9. Die ebenso unter Punkt 3.2. bereits angeführte Studie der Consentec GmbH in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung ISI mit dem Titel „Optionen zur Weiterentwicklung der Netzentgeltsystematik für eine sichere, umweltgerechte und kosteneffiziente Energiewende“ prognostiziert, dass die regionale Spreizung der Netzentgelte ohne das NE- MoG stärker wachsen würde. So hat sie für Haushaltskunden im Jahr 2017 bei den 19 von der Studie betrachteten Verteilnetzen einen Spreizungsfaktor von 2,4 festgestellt und geht davon aus, dass dieser ohne die Maßnahmen des NEMoG auf 2,9 steigen würde. Für Kunden, die an dasHochspannungsnetz angeschlossen seien, würde der Faktor zwar ein wenig sinken (für das Jahr 2017 habe er 4,3 betrogen), jedoch immer noch bei hohen 3,5 liegen. Consentec GmbH und Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung ISI, Studie , Optionen zur Weiterentwicklung der Netzentgeltsystematik für eine sichere, um-weltgerechte und kosteneffiziente Energiewende, Regionale Spreizung der Netzentgelt-niveaus , 11. Juni 2018, S. 55 ff., Link: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen /Studien/optionen-zur-weiterentwicklung-der-netzentgeltsystematik .pdf?__blob=publicationFile&v=9. Im folgenden Bericht wird die regionale Entwicklung der Netzentgelte für Haushaltskunden in den Jahren 2015 und (prognostiziert) für 2025 betrachtet. Dabei werden mehrere Szenarien bzgl. der Netzentgeltsystematik betrachtet. Bei Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte blieben spürbare Veränderungen der regionalen Verteilung im Jahr 2025 für Haushaltskunden aus. Eine Spreizung bleibe der Studie nach bestehen. Einheitliche Netzentgelte auch auf Verteilnetzebene würden zu gleichen Netzentgeltbelastungen je Spannungsebene führen. Dabei profitierten den Berechnungen nach die Kunden in den nördlichen und östlichen Netzregionen, wohingegen die Kunden in den Stadtstaaten eine Steigung der zu zahlenden Netzentgelte erführen. Hinz/Schmidt/Möst, Regional distribution effects of different electricity network tariffdesignswith a distributed generation structure: The case of Germany, Energy policy. - 113 (2018), February, Seite 97-111, Link: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0301421517307309?via%3Dihub. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages haben 2016 eine Arbeit zum Thema „Regionale Auswirkungen einer Vereinheitlichung der Netzentgelte für Übertragungsnetze“ (WD 5 – 3000 – 117/16) veröffentlicht, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/494452/29f6a6424b8d97b6aad95ff22cfa6577/wd-5-117-16-pdf-data.pdf. Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) hat im Auftrag des Übertragungsnetzbetreibers Amprion GmBH eine Kurzstudie „Bundesweite Vereinheitlichung von Netzentgelten auf Übertragungsnetzebene“ veröffentlicht. Darin quantifiziert sie die Effekte einer bundesweiten Vereinheitlichung der Übertragungsnetze auf Netzentgelte und Letztverbraucher. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass eine Vereinheitlichung der Netzentgelte zu teils erheblichen Veränderungen der Entgeltbelastung für die Verbraucher führte. Dabei würden Kunden, die an höheren Spannungsebenen angeschlossen wären, die größte Entlastung erfahren. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 14 Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI), Kurzstudie: Bundesweite Vereinheitlichung von Netzentgelten auf Übertragungsnetzebene, November 2016, Studie kann unter „2016“ unter folgendem Link heruntergeladen werden: https://www.ewi.unikoeln .de/de/publikationen/#studie-2016-6. Ein Gutachten der Technischen Universität Dresden im Auftrag des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz Transmission GmbH vergleicht die Entwicklung der Netzentgelte im Jahr 2014 und (prognostiziert) 2024. Dabei werden sowohl Szenarien mit Maßnahmen des NEMoG als auch ohne dargestellt. Technische Universität Dresden, Kurzgutachten zur regionalen Ungleichverteilung der Netznutzungsentgelte, Oktober 2015, Link: https://tu-dresden.de/bu/wirtschaft /bwl/ee2/ressourcen/dateien/dateien/ordner_aktuelles/gutachten_nne_2015?lang=de. Ein Präsentationspapier der Agora Energiewende benennt die Netzausbaukosten durch den Anschluss der Erneuerbaren Energien in bestimmten Verteilnetzen als zentralen Treiber der steigenden Netzentgelte. Hinzukämen die stark divergierenden Übertragungsnetzentgelte, in denen sich die unterschiedlichen Redispatch- und Einspeisemanagement-Kosten widerspiegelten. Genannt werden fünf Handlungsoptionen, die u.a. zu einer größeren Verteilungsgerechtigkeit führen sollen . Agora Energiewende, Neue Preismodelle für die Energiewirtschaft: Optionen für eine Reform der Entgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen, Link: https://www.strommarkttreffen .org/2017-05-05_1_Thorsten_Lenck-Grundlagen_einer_Reform_der_Entgelte_Steuern _Abgaben_und_Umlagen_auf_Strom_und_fossile_Energietr%C3%A4ger_Strommarktgruppe .pdf. Der Übertragungsnetzbetreiber Amprion hat in einem Positionspapier zur Netzentgeltsystematik vom 5. Dezember 2016 darauf hingewiesen, dass eine Vereinheitlichung der Netzentgelte für Haushaltskunden in den derzeit teuersten Gebieten zu einer Kostenersparnis von etwa 10,00€ pro Jahr führte, für Industriekunden seien die Auswirkungen allerdings deutlich größer. So könne es zu einer Steigerung der Netzentgelte von bis zu 68% kommen. Amprion GmbH, Positionspapier zur Netzentgeltsystematik, 5. Dezember 2016,Link: https://www.amprion.net/Dokumente/Dialog/Downloads/Stellungnahmen/Positionspapier- Amprion-Netzentgeltsystematik.pdf 5. Politische Initiativen zur Vereinheitlichung der Netzentgelte 5.1. Netzentgeltmodernisierungsgesetz Am 30. Juni 2017 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur (Netzentgeltmodernisierungsgesetz - NEMoG)15 ausgehend von einem Gesetzentwurf der Bundesregierung verabschiedet. Dadurch soll vor allem eine Angleichung der Netzentgelte 15 Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur vom 17. Juli 2017BGBl. I S. 2503, Link: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger _BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl117s2503.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl117s 2503.pdf%27%5D__1581435665075. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 15 erreicht werden. Kerninstrumente sind dafür die schrittweise bundesweite Anpassung der Übertragungsnetzentgelte bis 2023. Nach dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sollen dadurch die Entgelte in nördlichen und östlichen Netzgebieten um mehr als 20% sinken. Des Weiteren sollen die Zahlungen für vermiedene Netzentgelte gesenkt werden und so zur einheitlichen und damit gerechteren Verteilung der Netzentgelte beitragen.16 Zum NEMoG heißt es in einer Pressemitteilung der damaligen Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Brigitte Zypries: „Das NEMOG-Gesetz beinhaltet zwei wichtige Punkte: Erstens die schrittweise Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte sowie zweitens die Abschmelzung des Privilegs, der vermiedenen Netzentgelte. Die Übertragungsnetzentgelte sollen bundesweit stufenweise angeglichen werden. Zur Umsetzung enthält das Gesetz eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates. Die soll in fünf Stufen erfolgen, beginnend am 1. Januar 2019. Ab 1. Januar 2023 sind die Entgelte für die Übertragungsnetze überall in Deutschland dann gleich hoch. Derzeit machen die Übertragungsnetzkosten etwa 25 % der Gesamtkosten der Stromnetze aus. Die im Gesetz vorgesehene Abschmelzung der Zahlungen an Stromerzeuger für sog. vermiedene Netzentgelte ist sachgerecht. Denn die frühere Annahme, lokal erzeugter und verbrauchter Strom würde Kosten für das übergeordnete Netz einsparen, stimmt immer weniger: Windstrom muss vielmehr von Norden in die Verbrauchszentren nach Süden und Westen transportiert werden, wofür Netze gebraucht werden. Vor diesem Hintergrund werden die Berechnungsgrundlagen für vermiedene Netzentgelte bei allen Bestandsanlagen an die aktuelle Situation angepasst und ab 2018 auf dem Niveau des Jahres 2016 eingefroren. Bei der weiteren Abschmelzung wird unterschieden zwischen den volatilen (Sonne, Wind) und den steuerbaren Erzeugungsanlagen (z. B. KWK). Bei volatilen Anlagen werden die vermiedenen Netzentgelte für Neuanlagen ab 2018 komplett abgeschafft und für Bestandsanlagen ab 2018 in drei Schritten vollständig abgeschmolzen. Das kann im Norden und Osten zu einer spürbaren Dämpfung des Anstiegs der Netzkosten führen und kommt den Stromkunden in diesen Netzgebieten zugute. Bei steuerbaren Anlagen erhalten Neuanlagen ab 2023 keine Zahlungen aus vermiedenen Netzentgelten mehr.“17 16 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Newsletter Energiewende, Zypries: "Reform der Netzentgelte verringert regionale Unterschiede", Link: https://www.bmwi-energiewende.de/EWD/Redaktion/Newsletter /2017/13/Meldung/topthema.html. 17 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Pressemitteilung, Zypries: „Reform der Netzentgelte verringert regionale Unterschiede und schafft mehr Verteilungsgerechtigkeit“, Link: https://www.bmwi.de/Redaktion /DE/Pressemitteilungen/2017/20170630-zypries-reform-der-netzentgelte.html. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 16 Das NEMoG ist, nachdem es der Bundesrat am 7. Juli 2017 gebilligt hatte, am 22. Juli 2017 in Kraft getreten. Die entsprechende Verordnung zur schrittweisen Einführung bundeseinheitlicher Übertragungsnetzentgelte hat das Bundeskabinett im April 2018 erlassen.18 Zur Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte und insbesondere zu deren Berechnung: Mohr/Bourazeri, Ermittlung und bundesweite Verteilung der Übertragungsnetzentgelte nach der Novelle der Stromnetzentgeltverordnung 2018, EnWZ 8-9/2018. (Anlage 2) Zur Thematik der vermiedenen Netzentgelte im Rahmen des NEMoG: Bourwieg/Brockmeier, Kalkulation vermiedener Netzentgelte ab dem Jahr 2018 – Aktuelle Umsetzungsfragen als Folge des Netzentgeltmodernisierungsgesetzes, ER 06/17, 234. (Anlage 3) 5.2. Leitfaden der Bundesnetzagentur Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat 2017 einen Leitfaden veröffentlicht, in dem sie den Verteilnetzbetreibern Vorgaben und Fristen für die Veröffentlichung ihrer Netzentgelte auferlegt. Dadurch müssen sie ihre Netzentgelte bis zum 15. Oktober des Vorjahres für das Folgejahr verbindlich veröffentlich werden. Das soll es den Lieferanten ermöglichen, ausreichend Zeit für die Kalkulation und Information ihrer Kunden zu haben.19 5.3. Geplante Subventionierung von Netzentgelten Nach Medienberichten20 soll sich der Bund gemäß eines Vorschlags der Kohlekommission ab 2023 an der Finanzierung der Netzentgelte für private und gewerbliche Stromverbraucher durch Zuschuss beteiligen. Die Bundesregierung hat dies in ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze (Kohleausstiegsgesetz)21 verankert . Dort heißt es in dem geplanten, neu einzufügenden § 24a Abs. 1 EnWG: (2) Mit Wirkung ab dem Jahr 2023 kann ein angemessener Zuschuss, den der Bund für ein Kalenderjahr zu den Kosten der Übertragungsnetzbetreiber mit Regelverantwortung zahlt, 18 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Pressemitteilung, Verordnung zur schrittweisen Einführung bundeseinheitlicher Übertragungsnetzentgelte im Bundeskabinett beschlossen. Link: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2018/20180425-verordnung-zur-schrittweisen-einfuehrung -bundeseinheitlicher-uebertragungsnetzentgelte-im-bundeskabinett-beschlossen.html. 19 Vgl. pv magazine.de, Neue Vorgaben für Veröffentlichung der Verteilnetzentgelte, 21. September 2017, Link: https://www.pv-magazine.de/2017/09/21/neue-vorgaben-fuer-veroeffentlichung-der-verteilnetzentgelte/. 20 Vgl. Next Kraftwerke GmbH, Was ist das Netznutzungsentgelt?, Link: https://www.next-kraftwerke.de/wissen /netzentgelte. 21 Vgl. Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze (Kohleausstiegsgesetz), S. 65, Link: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads /G/gesetzentwurf-kohleausstiegsgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=6. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 5 - 3000 - 012/20 Seite 17 für das jeweilige Kalenderjahr mindernd in die Ermittlung der bundeseinheitlichen Übertragungsnetzentgelte einbezogen werden, die auf Grundlage der Rechtsverordnung nach § 24 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 Buchstabe b erfolgt; die Rechtsverordnung soll bis zum 31. Dezember 2022 entsprechend ergänzt werden. In der Rechtsverordnung nach § 24 Satz 2 Nummer 4 Buchstabe b können nähere Bestimmungen getroffen werden, wie der Zuschuss bei der Ermittlung des bundeseinheitlichen Übertragungsnetzentgelts, das auf Grundlage der Erlösobergrenzen der Übertragungsnetzbetreiber mit Regelzonenverantwortung ermittelt wird, mindernd zu berücksichtigen ist. Dabei kann insbesondere auch geregelt werden, ob der Zuschuss des Bundes 1. rechnerisch von dem Gesamtbetrag der in die Ermittlung der bundeseinheitlichen Übertragungsnetzentgelte einfließenden Erlösobergrenzen oder darin enthaltener Kostenpositionen abgezogen wird, oder 2. vorrangig zur Deckung in der Rechtsverordnung näher bestimmter, tatsächlicher Kostenpositionen der Übertragungsnetzbetreiber anzusetzen ist.“ ***