© 2018 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 010/18 Rechtlicher Rahmen für Inlandsroaming in Deutschland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 2 Rechtlicher Rahmen für Inlandsroaming in Deutschland Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 010/18 Abschluss der Arbeit: 13. Februar 2018 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Mobilfunknetze in Deutschland 5 3. Inlandsroaming 5 3.1. Begriff, technische Grundlagen und Funktion des Inlandsroaming 5 3.2. Wettbewerbsrechtliche Implikationen des Inlandsroaming 7 4. Regulierungsrechtliche Vorgaben des TKG 8 5. Europa- und verfassungsrechtliche Grundlagen der Telekommunikationsregulierung 10 5.1. Europarechtliche Vorgaben im Telekommunikationsbereich 10 5.2. Verfassungsrechtliche Grundlagen für Regulierungsmaßnahmen im Telekommunikationsbereich 13 5.2.1. Zuständigkeit des Bundes für die Telekommunikationsregulierung 13 5.2.2. Grundrechtsrelevanz eventueller Gesetzesvorschläge zum Inlandsroaming 14 5.2.2.1. Berufsfreiheit nach Art. 12 GG 14 5.2.2.2. Eigentumsfreiheit nach Art. 14 GG 15 5.2.2.3. Allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 GG sowie Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 4 1. Einleitung In Deutschland betreiben derzeit drei Mobilfunk-Netzbetreiberinnen (Netzbetreiberinnen) Mobilfunknetze : T-Mobile Deutschland GmbH (T-Mobile), Vodafone GmbH (Vodafone) sowie die Telefónica O2 GmbH & Co. KG (O2).1 Dabei variiert die Flächenabdeckung der Netze von Netzbetreiberin zu Netzbetreiberin. In allen drei Netzen existieren jedoch sogenannte „Funklöcher“, also Gebiete, in denen keine Verbindung zwischen einem Sender und einem Empfänger möglich ist.2 Größere Lücken bestehen bei allen Netzen hinsichtlich der Mobilverbindung mit schnellem Internet nach dem 3G- und 4G-Standard.3 Sowohl die Funklöcher als auch die Lücken in Bezug auf das schnelle Internet liegen in der Regel außerhalb der Ballungsräume.4 Indes sind die betroffenen Gebiete der jeweiligen Netzbetreiber nicht immer deckungsgleich.5 Zur Verbesserung der Versorgung mit Mobilfunk insbesondere im ländlichen Raum, ist es insofern grundsätzlich denkbar, die Netzbetreiber zu verpflichten, ihre Netze auch für die Kunden anderer Netzbetreiber zu öffnen (National Roaming oder Inlandsroaming). Vor diesem Hintergrund stellt die vorliegende Ausarbeitung zunächst überblicksartig die technischen Standards der Mobilfunknetze und die entsprechende Flächenabdeckung in Deutschland (2.) dar. Im Anschluss werden der Begriff des Inlandsroaming näher erläutert (3.) und die derzeit bestehenden regulierungsrechtlichen Möglichkeiten skizziert, die das Telekommunikationsgesetz (TKG)6 in Deutschland vorsieht (4.). Den Abschluss bildet die Darstellung der europa- und verfassungsrechtlichen Grundlagen, die für die Beantwortung der Frage von Bedeutung sein können , ob überhaupt und wenn ja, wie eine Verpflichtung der in Deutschland tätigen Netzbetreiberinnen , Inlandsroaming zu ermöglichen, gesetzlich geregelt werden kann (5.).7 1 Informationen zum deutschen Mobilfunkmarkt finden sich auf der Internetseite der Bundesnetzagentur. Link: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen_Institutionen/Marktbeobachtung /Deutschland/deutschland-node.html (letzter Abruf: 09.02.2018). 2 Vgl. etwa für das Bundesland Thüringen https://www.cdu-landtag.de/funklochmelder/karte (letzter Abruf: 09.02.2018). 3 Vgl. etwa für das Bundesland Thüringen https://www.cdu-landtag.de/funklochmelder/karte (letzter Abruf: 09.02.2018). 4 Vgl. etwa für das Bundesland Thüringen https://www.cdu-landtag.de/funklochmelder/karte (letzter Abruf: 09.02.2018). 5 Vgl. etwa für das Bundesland Thüringen https://www.cdu-landtag.de/funklochmelder/karte (letzter Abruf: 09.02.2018). 6 Telekommunikationsgesetz vom 22.06.2004, BGBl. I S. 1190; zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.10.2017, BGBl. I S. 3618. 7 Im Hinblick auf die Frage, inwieweit primärrechtliche Bestimmungen des Unionsrechts einer denkbaren nationalen Verpflichtung der Mobilfunknetzbetreiberinnen, Inlandsroaming zuzulassen, entgegenstehen könnten, sei auf die Ausarbeitung des Fachbereichs Europa „Inlandsroaming und primäres Unionsrecht, PE 6 – 3000 – 10/18“ hingewiesen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 5 Da bisher kein entsprechender Gesetzentwurf bekannt ist, erschöpfen sich die nachfolgenden Ausführungen insbesondere zum Rechtsrahmen einer eventuellen Verpflichtung der Netzbetreiberinnen zum Inlandsroaming in allgemeinen Erwägungen und dienen damit der Einordnung der Thematik. Insofern erhebt die vorliegende Ausarbeitung nicht den Anspruch, sämtliche Aspekte der Problematik abzubilden. 2. Mobilfunknetze in Deutschland Mobilfunknetze bezeichnen die technische Infrastruktur mittels der die Übertragung von Signalen des Mobilfunks stattfindet. Hierbei kommen unterschiedliche Standards in Bezug auf die Übertragungstechnik zur Anwendung. Der G2-Standard (GPRS/EDGE) ermöglicht hauptsächlich mobile Telefonie, aber auch Kurzmitteilungen und vergleichsweise langsame Datenübertragung. Der 3G-Standard (UMTS) ermöglicht im Vergleich zum 2G-Standard deutliche schnellere Geschwindigkeiten in Bezug auf die Datenübertragung. Der momentan in Bezug auf die Datenübertragung schnellste Mobilfunkstandard ist 4G (LTE).8 In Deutschland besteht nach eigenen Angaben der Netzbetreiberinnen bei allen drei Netzen eine nahezu flächendeckende Netzabdeckung hinsichtlich des 2G-Standards.9 In Bezug auf die 3Gund 4G-Standards ist die jeweilige Netzabdeckung teils deutlich geringer. Hier bestehen zudem wesentliche Unterschiede zwischen den drei Netzbetreiberinnen.10 3. Inlandsroaming Nachfolgend wird der Begriff des Inlands- bzw. National Roaming näher erläutert. Dabei wird auch auf wettbewerbsrechtliche Fragestellungen eingegangen. 3.1. Begriff, technische Grundlagen und Funktion des Inlandsroaming Unter Roaming versteht man die Fähigkeit eines Mobilfunkteilnehmers in einem anderen Mobilfunknetz als dem Mobilfunknetz seines eigenen Mobilfunkanbieters, dem sog. „Gastnetz“ oder 8 Vgl. dazu die Informationen auf der Internetseite des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur . Link: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Dossier/Breitbandausbau/topthema05-mobilfunkstandard-5- generation.html (letzter Abruf: 09.02.2018). 9 Vgl. die Informationen auf der Internetseite der jeweiligen Netzbetreiberin: T-Mobile (Link: https://www.telekom .de/start/netzausbau; letzter Abruf: 09.02.2018), Vodafone (Link: https://www.vodafone.de/hilfe/netzabdeckung .html; letzter Abruf: 09.02.2018), O2 (Link: https://www.o2online.de/service/netz-verfuegbarkeit/netzabdeckung /?partnerId=O2_AFF_CTE_EXA_15016&mediacode=AFF_la_113850_-GN0MUCO- TYX&vo_nr=WB.31.1002&type=o2_AF; letzter Abruf: 09.02.2018). 10 Vgl. dazu exemplarisch den Onlineartikel der RP Digital GmbH. Link: http://www.rp-online.de/digitales/smartphones /netzabdeckung/gsm-umts-und-lte-netzabdeckung-wohin-geht-die-zukunft-aid-1.6148287 (letzter Abruf: 09.02.2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 6 „visited network“, automatisch Anrufe zu tätigen bzw. zu empfangen sowie Daten verschicken oder empfangen zu können.11 Es wird differenziert zwischen dem sogenannten International Roaming (Auslandsroaming) und dem National Roaming (Inlandsroaming).12 International Roaming liegt immer dann vor, wenn der Verbindungsaufbau aus einem Mobilfunknetz im Ausland erfolgt.13 Diese Variante des Roaming ist, soweit sich das Gastnetz innerhalb eines anderen EU-Mitgliedstaates befindet, durch die EU-Roamingverordnung geregelt.14 Von National Roaming spricht man dort, wo der Verbindungsaufbau aus dem Mobilfunknetz eines anderen inländischen Netzbetreibers erfolgt.15 Die technischen Abläufe sind beim Inlands- und Auslandsroaming im Wesentlichen gleich.16 Das Mobilfunkvermittlungssystem des besuchten Netzwerkes greift in der Regel auf die Heimnetzbenutzerdatenbank (Home Location Register) zu, um den jeweiligen Teilnehmer zu authentisieren und die Autorisierung zur Benutzung der Netzwerkdienste zu überprüfen. Der für das Gastnetzwerk fremde Teilnehmer erhält einen Eintrag in das sogenannte „Visitor Location Register“ der Benutzerdatenbank des Gastnetzwerks und die autorisierten Netzwerkdienste werden freigegeben .17 Im Vergleich zum Auslandsroaming ist das Inlandsraoming insofern technisch anspruchsvoller , als dass es dort wegen der Parallelität von Heim- und Gastnetzwerk regelmäßig zu komplizierten Zellwechseln zwischen dem Heim- und dem Gastnetzwerk kommen kann.18 Ursache hiervon ist die Heimnetzpriorisierung der Endgeräte, welche einen Wechsel in ein Gastnetz erst bei Unterschreiten einer bestimmten Netzstärke des Heimnetzes zulassen und einen Rückwechsel in das Heimnetz einleiten, sobald dieses die vorgegebene Netzstärke wieder erreicht.19 Besonders 11 Bundeskartellamt (2008). Beschluss vom 09.12.2008 – B 7-73/08. BeckRS 2009, 71386. Rn. 7 (zitiert nach beckonline.de). 12 Bundeskartellamt (2008). A. a. O. (Fn. 11). Rn. 7 (zitiert nach beckonline.de). 13 Bundeskartellamt (2008). A. a. O. (Fn. 11). Rn. 7 (zitiert nach beckonline.de). 14 Verordnung (EU) Nr. 531/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.06.2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union. ABl. EU Nr. L 172 vom 30.06.2012. S. 10. Diese Verordnung wurde geändert durch die Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und –diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union. ABl. EU Nr. L 310 vom 26.11.2015. S. 1. Weitere Informationen zum EU-Roaming finden sich auf der Internetseite der Bundesnetzagentur . Link: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Verbraucher/Weitere Themen/InternRoaming/RLAH/RLAH_faq-node.html (letzter Abruf: 09.02.2018). 15 Bundeskartellamt (2008). A. a. O. (Fn. 11). Rn. 7 (zitiert nach beckonline.de). 16 Dazu von Hammerstein, Christian (2001). National Roaming im UMTS-Markt. Multimedia und Recht (MMR). 4. Jahrgang (2001). München: C. H. Beck. S. 214. 17 Bundeskartellamt (2008). A. a. O. (Fn. 11). Rn. 9 (zitiert nach beckonline.de). 18 Bundeskartellamt (2008). A. a. O. (Fn. 11). Rn. 9 (zitiert nach beckonline.de). 19 Bundeskartellamt (2008). A. a. O. (Fn. 11). Rn. 10 (zitiert nach beckonline.de). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 7 komplex sind dabei die Fälle des sogenannten „Handover“, in denen ein Zellwechsel während einer bestehenden Verbindung erfolgt.20 Durch das Inlandsroaming kann somit ein flächendeckendes Angebot an Mobilfunkleistungen trotz fehlender Netzabdeckung durch den eigenen Mobilfunkanbieter gewährleistet werden.21 Kommerziell umgesetzt wurde dies in Deutschland in der Vergangenheit insbesondere durch sogenannte Roaming-Agreements zwischen einzelnen Netzbereiberinnen.22 So schlossen etwa O2 und T-Mobile Roaming-Agreements sowohl in Bezug auf das 2G- als auch auf das 3G-Netz.23 Auch im Rahmen der Fusion von O2 mit der Netzbetreiberin E-Plus Mobilfunk GmbH wurde für die Zusammenlegung der Netze auf Inlandsroaming zurückgegriffen.24 3.2. Wettbewerbsrechtliche Implikationen des Inlandsroaming Unter bestimmten Umständen ist das Inlandsroaming ein geeignetes Instrument zur Förderung des Wettbewerbs. Dies betrifft insbesondere Konstellationen, in denen sich ein neu in den Markt eingetretener Netzbetreiber noch in der Phase des Aufbaus eines flächendeckenden Netzes befindet .25 Kann der neue Netzbetreiber in dieser Phase in den noch nicht von seinem Netz abgedeckten Gebieten auf das Netz eines etablierten Netzbetreibers zurückgreifen, kann er damit seine Marktdurchdringung beschleunigen. Vor diesem Hintergrund wurden auch in einigen EU-Mitgliedstaaten gesetzliche Regelungen über die Verpflichtung zum Inlandsroaming erlassen, beispielsweise in Österreich, Belgien, Finnland, Italien, Portugal, Spanien und dem Vereinigten Königreich .26 Hierbei wurde die Möglichkeit, auf Inlandsraoming zurückzugreifen, in der Regel sowohl in Bezug auf den Kreis der Berechtigten auf neue Marktteilnehmer als auch in zeitlicher Hinsicht beschränkt.27 20 Bundeskartellamt (2008). A. a. O. (Fn. 11). Rn. 12 (zitiert nach beckonline.de). 21 Bundeskartellamt (2008). A. a. O. (Fn. 11). Rn. 8 (zitiert nach beckonline.de). 22 Bundeskartellamt (2008). A. a. O. (Fn. 11). Rn. 8 (zitiert nach beckonline.de). 23 Bundeskartellamt (2008). A. a. O. (Fn. 11). Rn. 8 (zitiert nach beckonline.de). 24 Dazu Knothe, Felix (2015). Mobilfunk-Fusion O2 und E-Plus – Plötzlich Ärger mit dem Handy-Netz. Onlineartikel vom 11.04.2015. Link: https://www.mz-web.de/wirtschaft/mobilfunk-fusion-o2-und-e-plus-ploetzlich-aerger -mit-dem-handy-netz-1302304 (letzter Abruf: 09.02.2018). 25 Vgl. Gericht der Europäischen Union (2006). Urteil vom 02.05.2006 - Rs. T-328/03. Multimedia und Recht (MMR). 9. Jahrgang (2006). München: C. H. Beck. S. 446. 26 Europäische Kommission (2001). The Introduction of Third Generation Mobile Communications in the European Union: State of Play and the Way Forward. COM(2001) 141 final. S. 14. Link: http://ec.europa.eu/transparency /regdoc/rep/1/2001/EN/1-2001-141-EN-F1-1.Pdf (letzter Abruf: 09.02.2018). 27 Vgl. dazu Analysys Mason (2016). International examples of national roaming and their relevance to the ACCC’s inquiry in Australia. Präsentation vom 20.07.2016. S. 7. Link: https://www.accc.gov.au/system/files /Optus%20submission%20Annex%201%20of%201_0.pdf (letzter Abruf: 09.02.2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 8 Wenn das Inlandsroaming allerdings langfristig genutzt wird, können sich daraus aus Sicht des Wettbewerbs Bedenken ergeben.28 Ist es den Netzanbietern möglich, dauerhaft auf die Infrastruktur ihrer Konkurrenz zurückgreifen, um etwaige Lücken im eigenen Netz zu schließen, kann dies zu einem geringeren Anreiz zum Ausbau des eigenen Netzes führen.29 Dies betrifft insbesondere Gebiete, in denen ein eigenes Netz nicht wirtschaftlich betrieben werden kann, wozu der hier in Rede stehende ländliche Raum gehören dürfte.30 Die Netzabdeckung ist eines der zentralen Parameter für die Entscheidung der Endkunden für einen Netzbetreiber, woraus sich grundsätzlich ein Anreiz für den Netzbetreiber zum flächendeckenden Ausbau des eigenen Netzes ergibt, der mit der dauerhaften Möglichkeit des Inlandsroaming entfallen würde. In der Folge könnte es zu einem geringeren Wettbewerb zwischen den Netzbetreibern hinsichtlich der Erfassung, Qualität, Übertragungsgeschwindigkeit und Preisgestaltung kommen.31 4. Regulierungsrechtliche Vorgaben des TKG Die Regulierung im Bereich der Telekommunikation erfolgt in Deutschland durch die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) auf Grundlage des Telekommunikationsgesetz (TKG). Zu den Zielen der Regulierung durch die BNetzA gehört nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG „die Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs und die Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte der Telekommunikation im Bereich der Telekommunikations […]netze“ sowie nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 TKG „die Sicherstellung einer flächendeckenden gleichartigen Grundversorgung in städtischen und ländlichen Räumen mit Telekommunikationsdiensten (Universaldienstleistungen) zu erschwinglichen Preisen.“ Eine Verpflichtung zum Inlandsroaming würde das Verhältnis der Netzbetreiberinnen zueinander betreffen.32 In Bezug auf die Rechte und Pflichten der Netzbetreiberinnen zueinander sind im 28 Vgl. dazu International Telecommunication Society (2011). The regulation of national roaming. Onlinepublikation vom September 2011. Link: https://www.econstor.eu/obitstream/10419/52213/1/672585162.pdf (letzter Abruf: 09.02.2018). 29 Vgl. Gericht der Europäischen Union (2006). A. a. O. (Fn. 25). S. 446 ff. 30 Riehmer, Klaus W. (1998). In: von Haarmann, Hemmelrath & Partner (Hrsg.). Gestaltung und Analyse in der Rechts-, Wirtschafts- und Steuerberatung von Unternehmen. 1998. Köln: Otto-Schmidt-Verlag. S. 463. 31 Vgl. Gericht der Europäischen Union (2006). A. a. O. (Fn. 25). S. 446 ff. 32 Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (2000). Entscheidung vom 18.02.2000 - BK-1b-98/005-1. Amtsblatt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 4/2000. S. 531. Link: https://www.bundesnetzagentur .de/DE/Service-Funktionen/Beschlusskammern/1BK-Geschaeftszeichen-Datenbank/BK1- GZ/2000/2000_0001bis0999/2000_001bis099/BK1-00-0004/BK1-00-0004-Vfg_13-2000_Download .pdf?__blob=publicationFile&v=2 (letzter Abruf: 09.02.2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 9 2. Abschnitt, Teil 2 des TKG (§§ 16 – 26) TKG Regelungen enthalten, die den Netzzugang betreffen . Nach § 21 TKG kann die Bundesnetzagentur „Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze, die über beträchtliche Marktmacht verfügen , verpflichten, anderen Unternehmen Zugang zu gewähren.“ Nach § 18 Abs. 1 TKG kann die Bundesnetzagentur zudem „Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze, die den Zugang zu Endnutzern kontrollieren , in begründeten Fällen verpflichten, auf entsprechende Nachfrage ihre Netze mit denen von Betreibern anderer öffentlicher Telekommunikationsnetze zusammenzuschalten , soweit dies erforderlich ist, um die Kommunikation der Nutzer und die Bereitstellung von Diensten sowie deren Interoperabilität zu gewährleisten.“ Eine Anordnungsbefugnis für Inlandsraoming ergibt sich aus diesen Vorschriften indes nicht.33 Indem Inlandsroaming dem Teilnehmer ermöglichte, das Gastnetz unmittelbar wie sein Heimnetz nutzen zu können, geht es weit über Netzzugänge hinaus und stellt etwas qualitativ anderes dar.34 Die Verpflichtung zum Inlandsroaming auf Grundlage einer Verpflichtung zur Zugangsgewährung nach § 21 TKG kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil beim Inlandsroaming der Zugang zum Gastnetzwerk nicht dem anderen Netzbetreiber als Unternehmen, sondern dem Endkunden gewährt wird.35 Auch muss der Netzbetreiber des Heimatnetzes nicht zwingend auf das Gastnetz zugreifen können, um Inlandsroaming zu ermöglichen. Notwendig ist insoweit lediglich , dass sein Kunde auch in dem Gastnetz als berechtigter Nutzer akzeptiert wird.36 Der für die Zugangsberechtigung erforderliche Datenaustausch kann, genau wie derjenige für die Abrechnung , aber auch auf anderem Wege erfolgen. 37 Die Verpflichtung zum Inlandsroaming stellt zudem keine Zusammenschaltung im Sinne des § 18 in Verbindung mit § 3 Nr. 34 TKG dar. Denn der Zusammenschaltung liegt der Gedanke des „any-to-any-Prinzips“ zugrunde, nach dem den Teilnehmern eines Mobilfunknetzes die Möglichkeit zur Kommunikation mit Teilnehmern eines anderen Mobilfunknetzes eröffnet werden soll.38 Eine derartige Zusammenschaltung existiert hinsichtlich des Mobilfunks in Deutschland bereits, auch ohne dass die Möglichkeit zum Inlandsroaming gegeben ist.39 Inlandsroaming dient insofern 33 Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (2000). A. a. O. (Fn. 32). S. 532. 34 Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (2000). A. a. O. (Fn. 32). S. 532. 35 Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (2000). A. a. O. (Fn. 32). S. 532. 36 Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (2000). A. a. O. (Fn. 32). S. 532. 37 Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (2000). A. a. O. (Fn. 32). S. 532. 38 Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (2000). A. a. O. (Fn. 32). S. 532. 39 Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (2000). A. a. O. (Fn. 32). S. 532. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 10 nicht der Erreichbarkeit von Teilnehmern in anderen Netzen, sondern beinhaltet eine erweitere Erreichbarkeit des Kunden unter der Rufnummer seines Netzes über das eigene Netz hinaus.40 Auch ist technisch gesehen eine Zusammenschaltung der beiden Netze für die Verwirklichung des Inlandsraoming nicht zwingend erforderlich, da der Endnutzer hier nicht notwendiger Weise auf sein Heimnetz zugreifen muss.41 Man denke etwa an den Fall, in dem der Endnutzer unter Rückgriff auf das Gastnetz einen anderen Teilnehmer im Gastnetz anruft. 5. Europa- und verfassungsrechtliche Grundlagen der Telekommunikationsregulierung Nachfolgend werden die europa- und verfassungsrechtlichen Vorgaben überblicksartig dargestellt , die für die Beantwortung der Frage von Bedeutung sein können, ob überhaupt und wenn ja, wie eine Verpflichtung der in Deutschland tätigen Netzbetreiberinnen, Inlandsroaming zu ermöglichen , gesetzlich geregelt werden kann. 5.1. Europarechtliche Vorgaben im Telekommunikationsbereich Die Telekommunikationsregulierung ist europarechtlich so stark determiniert, dass teilweise davon ausgegangen wird, dass den Mitgliedstaaten kaum mehr Spielräume für substantielle eigenständige Politiken gelassen werden.42 Dabei zielt das Europarecht im Wesentlichen auf die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes und die Einführung einer wettbewerblichen Ordnung ab.43 Begonnen hat die EG-Telekommunikationsliberalisierung im Jahre 1987 mit dem Grünbuch über die Entwicklung des gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienste und Telekommunikationsgeräte .44 In den folgenden Jahren wurde durch Liberalisierungsrichtlinien sukzessive der Telekommunikationsmarkt geöffnet. Im Jahre 2002 wurde dann ein im Wesentlichen aus sechs Richtlinien bestehendes Paket erlassen, das auch heute noch den Rechtsrahmen für Telekommunikationsdienstleistungen absteckt.45 Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um die folgenden Rechtsakte: 40 Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (2000). A. a. O. (Fn. 32). S. 532. 41 Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (2000). A. a. O. (Fn. 32). S. 532. 42 So Möstl, Markus (2010). In: Maunz, Theodor/Dürig, Günter (Begr.). Grundgesetz. Kommentar. Loseblatt. 81. Ergänzungslieferung. September 2017. München: C. H. Beck. Art. 87f Rn. 20. 43 Möstl, Markus (2010). A. a. O. (Fn. 42). Art. 87f Rn. 20. 44 Europäische Kommission (1987). Grünbuch über die Entwicklung des gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen und Telekommunikationsgeräte. Grünbuch vom 30.06.1987. KOM (87) 290 endg. 45 Möstl, Markus (2010). A. a. O. (Fn. 42). Art. 87f Rn. 20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 11 Die Rahmenrichtlinie46 gibt einen harmonisierten Rahmen für die Regulierung elektronischer Kommunikationsdienste und Kommunikationsnetze sowie zugehöriger Einrichtungen und zugehöriger Dienste vor. Sie legt die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden sowie eine Reihe von Verfahren fest, die die gemeinschaftsweit harmonisierte Anwendung des Rechtsrahmens gewährleisten . Das Ziel der Genehmigungsrichtlinie47 ist es, durch die Harmonisierung und Vereinfachung der Genehmigungsvorschriften und -bedingungen einen Binnenmarkt für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste zu errichten, damit deren Bereitstellung der ganzen Gemeinschaft erleichtert wird. Die Zugangsrichtlinie48 harmonisiert die Regulierung des Zugangs zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung durch die Mitgliedstaaten . Ihr Ziel ist es, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Binnenmarkts einen Rechtsrahmen für die Beziehungen zwischen Netzbetreibern und Diensteanbietern zu schaffen, der einen nachhaltigen Wettbewerb und die Interoperabilität der elektronischen Kommunikationsdienste gewährleistet und die Interessen der Verbraucher fördert. Mit der Zugangsrichtlinie werden für Betreiber und für Unternehmen, die eine Zusammenschaltung ihrer Netze und zugehörigen Einrichtungen und/oder den Zugang hierzu wünschen, Rechte und Pflichten festgelegt. Ferner werden Ziele für nationale Regulierungsbehörden in Bezug auf den Zugang und die Zusammenschaltung vorgegeben und Verfahren festgelegt, die gewährleisten sollen, dass die von den nationalen Regulierungsbehörden auferlegten Verpflichtungen überprüft und nach Erreichen der angestrebten Ziele gegebenenfalls aufgehoben werden. Die Universaldienstrichtlinie49 regelt die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste für Endnutzer. Sie zielt darauf ab, die Verfügbarkeit gemeinschaftsweiter hochwertiger , öffentlich zugänglicher Dienste durch wirksamen Wettbewerb und Angebotsvielfalt zu gewährleisten und regelt gleichzeitig die Fälle, in denen die Bedürfnisse der Endnutzer durch den Markt nicht ausreichend befriedigt werden können. Die Universaldienstrichtlinie begründet die Rechte der Endnutzer und die entsprechenden Pflichten von Unternehmen, die öffentlich zugängliche elektronische Kommunikationsnetze und -dienste bereitstellen. 46 Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste. ABl. EG Nr. L 108 vom 24.04.2002. S. 33. 47 Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und –dienste. ABl. EG Nr. L 108 vom 24.04.2002. S. 21. 48 Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung. ABl. EG Nr. L 108 vom 24.04.2002. S. 7. 49 Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und –diensten. ABl. EG Nr. L 108 vom 24.04.2002. S. 51. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 12 Die Telekommunikationsdatenschutzrichtlinie50 dient der Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Vorschriften in Bezug auf einen gleichwertigen Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten , insbesondere des Rechts auf Privatsphäre, hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten im Bereich der elektronischen Kommunikation sowie in Bezug auf den freien Verkehr dieser Daten und von elektronischen Kommunikationsgeräten und -diensten in der Gemeinschaft. Die Wettbewerbsrichtlinie51 ersetzt die Richtlinie 90/388/EWG52, um die verwendeten Begriffsbestimmungen an die technologischen Entwicklungen im Bereich der Telekommunikation anzupassen bzw. um neue Vorschriften einzuführen, die der Verschmelzung von Informationstechnologie , Medienbranche und Telekommunikationsindustrie Rechnung tragen. Im Jahre 2009 wurde der Rechtsrahmen durch zwei Änderungsrichtlinien53 fortentwickelt, in deren Mittelpunkt die vollständige Wettbewerbsherstellung, die Präzisierung der Regulierungsinstrumente sowie der Förderung von Investitionen in neue Netze und die Verbesserung der Zusammenarbeit der europäischen Regulierungsbehörden stand.54 Vom europäischen Gesetzgeber wurde das Thema Inlandsroaming - soweit ersichtlich - ausdrücklich lediglich im Kontext der Förderung des Wettbewerbs behandelt. In Erwägungsgrund 19 der Entscheidung Nr. 128/1999/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, welche die koordinierte Einführung des UMTS-Systems in der Gemeinschaft betraf, hieß es diesbezüglich: 50 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation. ABl. EG Nr. L 201 vom 31.07.2002. S. 37. 51 Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom 16. September 2002 über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und –dienste. ABl. EG Nr. L 249 vom 17.09.2002. S. 21. 52 Richtlinie der Kommission vom 28.06.1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste . ABl. EG Nr. L 192 vom 24.07.1990. S. 10. 53 Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und –dienste. ABl. EU Nr. 337 vom 18.12.2009. S. 37 sowie Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten , der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz. ABl. EU Nr. 337 vom 18.12.2009. S. 11. 54 Möstl, Markus (2010). A. a. O. (Fn. 42). Art. 87f Rn. 20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 13 „Diese Entscheidung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, geeignete Formen von nationalem Roaming zwischen zugelassenen Betreibern in ihrem Gebiet vorzuschreiben, soweit dies für einen ausgewogenen und nichtdiskriminierenden Wettbewerb erforderlich ist.“ 55 Zudem haben sich die Europäische Kommission56 und das Gericht der Europäischen Union (EuG)57 mit wettbewerbsrechtlichen Aspekten des Roaming-Agreements zwischen zwei Netzbetreibern beschäftigt. Die Entscheidungen betrafen indes nicht die Regelungskompetenz der nationalen Gesetzgeber sondern privatrechtliche Vereinbarungen zwischen zwei Wettbewerbern. 5.2. Verfassungsrechtliche Grundlagen für Regulierungsmaßnahmen im Telekommunikationsbereich 5.2.1. Zuständigkeit des Bundes für die Telekommunikationsregulierung Nach Art. 87f Grundgesetz (GG)58 ist der Bund für die Telekommunikationsregulierung zuständig .59 Dieser Vorschrift nach trifft den Bund auch eine Gewährleistungsverantwortung für eine flächendeckend angemessene und ausreichende Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen .60 Hierbei kommt dem Bund bezüglich der Wahl der Mittel zur Erfüllung dieses „Staatsziels “61 grundsätzlich eine Einschätzungsprärogative zu.62 Gebunden ist der Gesetzgeber insoweit allerdings durch das in Art. 87f GG verankerte Wettbewerbsprinzip, welches für den Telekommunikationsbereich eine prinzipiell freie und chancengleiche Wettbewerbsordnung festschreibt.63 55 Entscheidung Nr. 128/1999/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.12.1998 über die koordinierte Einführung eines Drahtlos- und Mobilkommunikationssystems (UMTS) der dritten Generation in der Gemeinschaft . ABl. EG Nr. L 17 vom 22.01.1999. S. 1. 56 Entscheidung der Kommission vom 16. Juli 2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen – K(2003) 2432. ABl. EU Nr. L 75 vom 12.03.2004. S. 32. 57 Gericht der Europäischen Union (2006). A. a. O. (Fn. 25). S. 446 ff. 58 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung; zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.07.2017, BGBl. I S. 2347. 59 Möstl, Markus (2010). A. a. O. (Fn. 42). Art. 87f Rn. 38. 60 Reents, Reent Ricklef (2016). Ausbau und Finanzierung einer flächendeckenden Breitbandversorgung in Deutschland. Diss. 2016. Tübingen: Mohr Siebeck. S. 224. 61 Reents, Reent Ricklef (2016). A. a. O. (Fn. 60). S. 215. 62 Reents, Reent Ricklef (2016). A. a. O. (Fn. 60). S. 223. 63 Möstl, Markus (2010). A. a. O. (Fn. 42). Art. 87f Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 14 Daraus ergibt sich das Verbot, einen sich aus eigener Kraft entwickelnden Wettbewerb zu behindern oder unmöglich zu machen.64 Inwieweit eine Verpflichtung der Netzbetreiberinnen zum Inlandsroaming mit dem Wettbewerbsprinzip im Einklang stehen würde, dürfte von der konkreten Ausgestaltung der entsprechenden gesetzlichen Umsetzung abhängen. 5.2.2. Grundrechtsrelevanz eventueller Gesetzesvorschläge zum Inlandsroaming Ein solcher Gesetzesvorschlag müsste darüber hinaus mit den maßgeblichen grundrechtlichen Vorgaben in Einklang stehen. Im Hinblick auf den Prüfrahmen für die Verfassungskonformität eines eventuellen Gesetzesvorschlags zur Verpflichtung der inländischen Netzbetreiberinnen, Inlandsroaming zuzulassen, ist von wesentlicher Bedeutung, dass aus Art. 87f GG keine gesteigerte Gemeinwohlbindung der Telekommunikationsunternehmen folgt, sodass diese grundsätzlich nach Art. 19 Abs. 3 GG durch die grundrechtlichen Abwehrrechte geschützt sind.65 Insofern müsste eine Verpflichtung der Netzbetreiberinnen zum Inlandsroaming insbesondere mit Art. 12, 14, 2, 3 GG vereinbar sein. Je nach konkreter Ausgestaltung eines Gesetzesvorschlags zur Verpflichtung der inländischen Netzbetreiberinnen, Inlandsroaming zuzulassen, könnten die nachfolgenden Aspekte für die Prüfung der Verfassungskonformität von Bedeutung sein. 5.2.2.1. Berufsfreiheit nach Art. 12 GG Eine Verpflichtung der Netzbetreiber, ihr jeweiliges Netz auch für die Kunden anderer Netzbetreiber zu öffnen, könnte je nach konkreter Ausgestaltung einen Eingriff in die von der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG umfassten Vertragsfreiheit darstellen. Denn insofern müssten die Netzbetreiber Dienstleistungen erbringen, die sie aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten unter Umständen ohne eine Verpflichtung so nicht erbracht hätten. Zudem könnte ein Eingriff in die von Art. 12 GG ebenfalls erfasste Wettbewerbsfreiheit66 vorliegen. Ein solcher Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ließe sich verfassungsrechtlich rechtfertigen, wenn die gesetzliche Regelung einer vernünftigen Erwägung des Gemeinwohls diente und verhältnismäßig wäre. Die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Verpflichtung zum Inlandsroaming würde maßgeblich davon abhängen, ob die Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit der Netzbetreiberinnen nicht außer Verhältnis zu den Vorteilen für die Endkunden stünden. Hierbei dürfte zu differenzieren sein: Eine Verpflichtung, Kunden konkurrierender Netzbetreiber auf das eigene 3G- bzw. 4G-Netz zugreifen zu lassen, weil diese andernfalls lediglich ein 2G-Netz ihres Netzbetreibers zur Verfügung hätten, könnte mit Blick auf den nicht unerheblichen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der 64 Möstl, Markus (2010). A. a. O. (Fn. 42). Art. 87f Rn. 38. 65 Reents, Reent Ricklef (2016). A. a. O. (Fn. 60). S. 233. 66 Vgl. zur Verortung der Wettbewerbsfreiheit in den Grundrechten di Fabio, Udo (2001). In: Maunz, Theodor/Dürig , Günter (Begr.). Grundgesetz. Kommentar. Loseblatt. 81. Ergänzungslieferung. September 2017. München: C. H. Beck. Art. 2 Rn. 116. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 010/18 Seite 15 Netzbetreiberinnen unverhältnismäßig sein. Denn der Umfang des eigenen 3G- und 4G-Netzes stellt einerseits einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor für die Netzbetreiber dar. Andererseits stünden in einer derartigen Konstellation den betroffenen Kunden des konkurrierenden Anbieters jedenfalls grundlegende Funktionen des Mobilfunks im Rahmen der Nutzung des vorhandenen 2G-Netzes der „eigenen“ Netzbetreiberin bereits zur Verfügung. Soweit eine denkbare gesetzliche Verpflichtung der Mobilfunknetzbetreiberinnen, Inlandsroaming zu ermöglichen, Fälle beträfe, in denen den Kunden des konkurrierenden Netzbetreibers Zugriff auf das eigene 2G-Netz gewährt wird, weil diese ansonsten überhaupt kein Netz hätten, geht es um die Versorgung mit den grundlegenden Funktionen des Mobilfunks. Ohne den Zugriff auf das fremde Netz, könnte der Kunde sein Mobiltelefon nicht einmal zum Telefonieren nutzen. Hier würde das Interesse am Netzzugang somit wohl schwerer wiegen. Ob dieses Interesse den Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit rechtfertigen könnte, würde sich im Wesentlichen aber danach beurteilen, inwieweit tatsächlich relevante Versorgungslücken in den Mobilfunknetzen bestehen und ob sich diese nicht derart überschneiden würden, dass auch ein Inlandsroaming keine erhebliche Verbesserung bringen würde. Auch insoweit käme es auf die konkrete Ausgestaltung einer entsprechenden Vorgabe an. 5.2.2.2. Eigentumsfreiheit nach Art. 14 GG Ein zudem in Betracht kommender Eingriff in Art. 14 GG dürfte indes als Inhalts- und Schrankenbestimmung zu qualifizieren sein. Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind als Ausfluss der Sozialgebundenheit des Eigentums grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen.67 Verfassungsrechtliche Schranke wäre auch hierbei die Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Maßnahme , die entsprechend der oben erfolgten Ausführungen zu beurteilen wäre. 5.2.2.3. Allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 GG sowie Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG Die nach Art. 2 GG geschützte Allgemeine Handlungsfreiheit, die auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit umfasst, ist gegenüber Art. 12 Abs. 1 GG subsidiär.68 Art. 3 GG wäre dann bereits nicht einschlägig, wenn alle Netzbetreiber gleichermaßen von der Verpflichtung betroffen wären. Es fehlte schon an einer Ungleichbehandlung. Auch hier kommt es auf die konkrete gesetzliche Ausgestaltung an. * * * 67 Axer, Peter (2017). In: Epping, Volker/Hillgruber, Christian (Hrsg.). BeckOK Grundgesetz. 35. Edition. Stand: 15.11.2017. München: C. H. Beck. Art. 14 Rn. 72. 68 So im Zusammenhang mit telekommunikationsrechtlichen Vorgaben Reents, Reent Ricklef (2016). A. a. O. (Fn. 60). S. 242.