© 2016 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 010/16 Fragen zum europäischen Luftverkehr Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 010/16 Seite 2 Fragen zum europäischen Luftverkehr Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 010/16 Abschluss der Arbeit: 15.03.2016 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Technologie, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Tourismus Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 010/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorgehensweise 4 2. Einzelaspekte des europäischen Luftverkehrs 4 2.1. Strategien und Geschäftsmodelle von Fluggesellschaften 4 2.2. Betriebslizenzen 7 2.3. Flugpersonal von Airlines im europäischen Ausland 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 010/16 Seite 4 1. Vorgehensweise Dieser Arbeit liegen einzelne Fragen zum europäischen Luftverkehr zugrunde. Ausgehend von Deutschland werden die gestellten Fragen zusammenhängend anhand von recherchierten Veröffentlichungen bzw. erhaltenen Auskünften beantwortet. 2. Einzelaspekte des europäischen Luftverkehrs 2.1. Strategien und Geschäftsmodelle von Fluggesellschaften Die Universität St. Gallen verweist zum Thema Management in der Luftfahrt auf die folgenden Geschäftsmodelle und deren Erfolgsfaktoren1: 1 Universität St. Gallen, Management in der Luftfahrt, S. 12 ff. Geschäftsmodelle von Airlines http://www.unisg.ch/~/media/Internet/Content/Dateien/InstituteUndCenters/CFAC/Oeffentliche%20Vorlesungen /2006/5%20oeffentliche%20Vorlesung.ashx (Stand: 15.03.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 010/16 Seite 5 Als stärkste Wettbewerber treten hierbei die zwei dominierenden Geschäftsmodelle der Netzwerk -Carrier (NWC) und Low-Cost-Carrier (LCC) hervor. Marius Michel bemerkt hierzu in einem Working Paper der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz2: „Der Wettbewerb im Luftverkehr wandelt sich immer mehr zu einem Wettbewerb der Verkehrsnetze und ihrer Fähigkeit, Passagierfluss zu generieren. LCC setzten dabei auf ein reines Point-to- Point-System3, welches nur aus reinen Einzelverbindungen besteht. Vorteil dieses Systems ist, dass dadurch die Flexibilität für die Fluggesellschaft erhöht wird. Strecken können einfacher eingestellt oder es kann individueller auf Veränderungen der Marktgegebenheiten reagiert werden. Problematischer gestaltet sich jedoch die Sitzauslastung der Maschinen, da allein aus dem sogenannten Catchment um einen Hub bzw. Airport ein ausreichend großes eigenständiges Passagieraufkommen für jeden Flug generiert werden muss. Dies ist in Zeiten wirtschaftlicher Krisen schwierig. Zusätzlich nutzen LCC eine homogene Flotte mit nur einem Flugzeugmuster zum Zweck der Stückkostendegression bei Wartung und Ersatzteilen. Eine Kapazitätsanpassung durch unterschiedliche Flugzeuggrößen bei Änderungen in der Streckenauslastung ist folglich nicht möglich. 2 Marius Michel, 2011, Wirtschaftskrisen und deren Auswirkung auf das Geschäftsmodell von Netzwerk- bzw. Low-Cost-Fluggesellschaften, Arbeitspapier, Institut für Statistik und Ökonometrie, No. 47 http://www.econstor.eu/dspace/bitstream/10419/57174/1/689618158.pdf (Stand: 15.03.2016) 3 In der Literatur wird zwischen Hub-and-Spoke-Netzwerken und dem Direktverkehr-Prinzip unterschieden. Bei Hub-and-Spoke-Systemen werden die Flüge untereinander abgestimmt, sodass ein Umsteigen zwischen Zubringer - und Langstreckenanschlüssen möglich wird. Dagegen handelt es sich beim Direktverkehr-Verfahren (Pointto -Point) um reine Einzelverbindungen. Umsteigeverbindungen werden dadurch nur zufällig generiert. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 010/16 Seite 6 NWC bedienen sich hingegen des Hub-and-Spoke-Systems. Durch ein umfassendes sternförmiges Verkehrsnetz können Netzwerkcarrier von Economies of Flow, d.h. von Größen- und Effizienzvorteilen der eingesetzten Flugzeuge, profitieren. Zudem kann die Fluggesellschaft aufgrund einer höheren Flugfrequenz flexibler reagieren. Allianzen haben dabei eine zusätzliche koordinierende Funktion. Sie bieten nicht nur Vorteile im Marketing bzw. senken die Vertriebs- und Abfertigungskosten , sondern bieten auch die Möglichkeit, bei Ausdünnung der Strecken zur Kostensenkung ein größtmögliches Streckennetz anzubieten. Daneben müssen aber auch die wesentlich höheren Abstimmungskosten berücksichtigt werden. Außerdem können sich die angesprochenen Größenvorteile bei mangelnder Auslastung schnell ins Gegenteil verkehren. Dies ist unter anderem ein Grund, warum NWC über eine heterogene Flotte verfügen. Durch unterschiedliche Flugzeugmuster , die sich in ihrer Kapazität und Reichweite unterscheiden, erreichen sie eine möglichst hohe Anpassungsfähigkeit an Veränderungen der Nachfrage und können gleichzeitig die optimale Kapazität für die jeweilige Strecke bereitstellen. Allerdings führt eine heterogene Flotte zu höheren Kosten, zum Beispiel in der Materialbevorratung oder Ausbildung des Personals. Ein weiterer Vorteil von NWC ist, dass sie bei regionalen Krisen breiter aufgestellt sind. LCC bedienen nur eine kleine Anzahl an Märkten, weshalb ein dortiger regionaler ökonomischer Schock diese Airlines umso härter trifft. NWC bedienen dagegen mehrere Verkehrsgebiete mit besseren Ertragskapazitäten und können regionale Unterschiede aufgrund ihres gestreuten Risikos einfacher ausgleichen.“ Die Universität St. Gallen4 stellt ergänzend in einer Übersicht die Kosteneinsparungen von LCC zu NWC wie folgt dar: 4 Siehe Fußnote 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 010/16 Seite 7 2.2. Betriebslizenzen Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e.V. (BDL) verweist in einer Stellungnahme auf die VERORDNUNG (EG) Nr. 1008/2008 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft5. Diese hat innergemeinschaftliche Flugdienste weitgehend liberalisiert. Zur Durchführung von innergemeinschaftlichen Flugdiensten benötigt ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft eine Betriebsgenehmigung, die von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates ausgestellt wird, in dem sich der Hauptgeschäftssitz des Unternehmens befindet. „Hauptgeschäftssitz“ ist die Hauptverwaltung oder der eingetragene Sitz eines Luftfahrtunternehmens der Gemeinschaft in dem Mitgliedstaat, in dem die wichtigsten Finanzfunktionen und die betriebliche Kontrolle über das Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft, einschließlich der Leitungsaufgaben zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit, ausgeübt werden. Dies bedeutet nicht, dass ein Unternehmen nur dann eine Betriebsgenehmigung erhält oder aufrechterhält , wenn es auch Flüge aus dem Mitgliedstaat anbietet, in dem es seinen Hauptgeschäftssitz hat. Durch die Liberalisierung des Flugverkehrs kann ein Unternehmen in einem Mitgliedstaat seinen Hauptgeschäftssitz haben und lediglich Flüge zwischen anderen Mitgliedstaaten ausführen, ohne dass es dadurch seine Betriebsgenehmigung verliert. Eine Genehmigung für die Durchführung der innergemeinschaftlichen Flugdienste über die Betriebsgenehmigung hinaus ist nicht erforderlich. Deshalb liegen dem Luftfahrt-Bundesamt auch keine Kenntnisse darüber vor, welche Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft eine Betriebsgenehmigung in einem Mitgliedstaat haben, ohne von dort Flugdienste anzubieten. Eine Aufstellung der vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) betreuten deutschen Luftfahrtunternehmen mit einer aktiven Betriebsgenehmigung zum 31.12. des jeweiligen Jahres ist der folgenden Übersicht zu entnehmen6. Zahl der Luftfahrtunternehmen mit aktiver Betriebsgenehmigung Luftfahrtunternehmen 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Anzahl der Luftfahrtunternehmen 119 153 170 171 163 165 170 169 158 147 138 137 5 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32008R1008&rid=1 (Stand: 15.03.2016) 6 http://www.lba.de/DE/Presse/Statistiken/Statistik_Luftfahrtunternehmen.html;jsessionid =516E8B065528B1B222804E1AEB57734F.live2051?nn=701932 (Stand: 15.03.2016) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 5 - 3000 - 010/16 Seite 8 Eine namentliche Liste der vom Luftfahrt-Bundesamt genehmigten Luftfahrtunternehmen (aktive Betriebsgenehmigungen), Stand: 19. Februar 2016 ist dem folgenden Link zu entnehmen (Anlage 1). http://www.lba.de/SharedDocs/Downloads/DE/Formulare/B1/B11_Genehmigungen/Merkblaetter _Info/B1_LstLU.pdf?__blob=publicationFile&v=43 (Stand: 15.03.2016) Das LBA ist bemüht, auch mit anderen Staaten Verträge abzuschließen, um den Einsatz deutsch registrierter Luftfahrzeuge in anderen ausländischen Luftfahrtunternehmen bzw. den Einsatz ausländisch registrierter Luftfahrzeuge in deutschen Luftfahrtunternehmen zu erleichtern. Verträge Deutschlands mit anderen Staaten gemäß Art.83 bis ICAO zeigt der folgende Link auf. http://www.lba.de/DE/Betrieb/Genehmigungen/83bis/ICAO_Vertrag.html?nn=698982 (Stand: 15.03.2016) 2.3. Flugpersonal von Airlines im europäischen Ausland Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e.V. (BDL) äußert sich in seiner Stellungnahme wie folgt: „Im Flugbetrieb ist es durchaus üblich, dass das in der Kabine tätige Flugpersonal zum Teil aus dem Zielgebiet rekrutiert wird, um dem Passagier kulturell und sprachlich zu begegnen. Die EUweiten Vorschriften in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt [VO (EU) 1178/2011]7 sehen die Ausstellung von EU-Lizenzen für das im Cockpit und in der Kabine tätige Flugpersonal vor. Der EU-Binnenmarkt und die hier herrschende freie Arbeitsplatz- und Wohnortwahl fördern einen Austausch von Arbeitnehmern.“ Das Luftverkehrs-Nachrichtenportal airliner.de greift in einem Artikel unter der Überschrift „Sozialdumping macht den Traumberuf Pilot zum Albtraum“ die Wandlung von Beschäftigungsverhältnissen unter der Berücksichtigung von Leiharbeit und Nullstunden-Arbeitsverträgen auf (Anlage 2). http://www.airliners.de/piloten-sozialdumping-sicherheitsrisiko-beruf-karriere/35535 (Stand: 15.03.2016) Steven Hill Publizist und zurzeit Holtzbrinck Fellow der American Academy in Berlin beschäftigt sich aktuell in einem Gastkommentar im Tagesspiegel mit dem Thema Sharing Economy. Die „Sharing Economy“ macht Industriestaaten wie die USA zu Niedriglohnländern. Es ist ein Trend, der auch auf Deutschland zukommt (Anlage 3). http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/sharing-economy-gute-jobs-durch-das-internet-bedroht /12923000.html (Stand: 15.03.2016) ENDE DER BEARBEITUNG 7 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32011R1178 (Stand: 15.03.2016)