© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 004/21 Versorgungssicherheit im Energiebereich in der Gesetzgebung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 004/21 Seite 2 Versorgungssicherheit im Energiebereich in der Gesetzgebung Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 004/21 Abschluss der Arbeit: 02. März 2021 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 004/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtsgrundlagen 4 3. Versorgungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht 5 3.1. Versorgungssicherheit bei Elektrizität 6 3.1.1. Sicherstellung ausreichender Erzeugungskapazitäten 6 3.1.2. Anforderungen an die Stromnetze 6 3.1.2.1. Netzausbau 6 3.1.2.2. Netzstabilität 7 3.1.2.3. IT-Sicherheit 8 3.2. Versorgungssicherheit bei Gas 9 4. Meldepflicht von Versorgungsstörungen und Monitoring 9 5. Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Krisenfall 10 5.1. Energiesicherungsgesetz 1975 10 5.2. SoS-Verordnung 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 004/21 Seite 4 1. Einleitung Die Sicherheit der Energieversorgung ist heute eines der ranghöchsten Güter, weil ohne sie ein modernes Leben nicht vorstellbar ist.1 Es stellt sich daher die Frage, wie die Versorgungssicherheit im Energiebereich in der deutschen und europäischen Gesetzgebung ausgestaltet ist und anhand welcher Kriterien ihre derzeitige Qualität beurteilt werden kann. Der Begriff der Energieversorgung bezeichnet die Belieferung der Verbraucher mit Nutzenergie. Zu deren Erzeugung werden verschiedene Energiequellen verwendet. Neben den konventionellen Energiequellen wie beispielsweise Kohle, Mineralöl oder Erdgas, schreitet der Ausbau der regenerativen Energien etwa aus Wind, Wasser, Sonne oder Biomasse weiter voran.2 2. Rechtsgrundlagen In Anbetracht der verschiedenartigen Energiequellen ist das deutsche Energieversorgungssystem durch eine Vielzahl von Gesetzen und Rechtsverordnungen ausgestaltet. Es ist zudem in einem nicht unerheblichen Maße durch europarechtliche Vorgaben geprägt. Insbesondere auf Grundlage ihrer Kompetenz aus Art. 194 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)3, hat die Europäische Union diverse Richtlinien und Verordnungen mit dem Ziel der Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit in der Union erlassen. Eine umfassende Zusammenstellung der zahlreichen, das Energieversorgungssystem ausgestaltenden Rechtsgrundlagen, bietet die Gesetzeskarte für das Energieversorgungssystem des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi).4 Insofern nach EU-Regelungen gefragt wurde, kann hier nur auf die Übersicht in der „Gesetzeskarte“ hingewiesen werden. Die gesetzlichen Regelungen haben auch die Gewährleistung einer sicheren und zuverlässigen Energieversorgung im Blick. Aus Kapazitätsgründen beschränken sich die Darstellungen dieser Arbeit auf die wesentlichen Bestimmungen des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG)5 und des Gesetzes zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz 1975 – EnSiG 1975)6. 1 Säcker in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1, 4. Auflage 2019, § 1 EnWG Rn. 5. 2 EnBW, Energie entdecken, Energieerzeugung, Wie erzeugt man Nutzenergie?, https://www.enbw.com/energieentdecken /energieerzeugung. 3 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:12012E/TXT&from=DE. 4 BMWi, Gesetzeskarte für das Energieversorgungssystem, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen /Energie/gesetzeskarte.pdf?__blob=publicationFile&v=47. 5 https://www.gesetze-im-internet.de/enwg_2005/BJNR197010005.html. 6 https://www.gesetze-im-internet.de/ensig_1975/BJNR036810974.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 004/21 Seite 5 3. Versorgungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit in der leitungsgebundenen Energieversorgung ist in Deutschlang primär eine Aufgabe der am Markt tätigen Unternehmen. Wie sie diese Aufgabe erfüllen, entscheiden die Energieversorgungsunternehmen grundsätzlich selbst.7 Sie unterliegen dabei jedoch insbesondere den Bestimmungen des EnWG. Dieses reguliert gemäß § 1 Abs. 1, 2 EnWG die Elektrizitäts- und Gasversorgung, um eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche , effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas zu gewährleisten. Die Verpflichtung zur Gewährleistung einer sicheren Energieversorgung wird vor allem in den §§ 11-16a und §§ 49-53a EnWG weiter konkretisiert . Eine einheitliche Definition der Versorgungssicherheit in diesem Bereich konnte sich bislang aber weder auf nationaler noch internationaler Ebene durchsetzen.8 Als sicher dürfte die Energieversorgung wohl dann anzusehen sein, wenn sowohl Erzeugungs- als auch Übertragungskapazitäten in ausreichender Menge dauerhaft vorhanden sind.9 Konkrete quantitative Festlegungen, anhand derer die Energieversorgungssicherheit gemessen werden könnte, finden sich im EnWG nicht. Die Aspekte der Versorgungssicherheit werden im Folgenden in Bezug auf die Elektrizitäts- und Gasversorgung getrennt dargestellt. Während für eine sichere Versorgung mit Elektrizität - insbesondere vor dem Hintergrund der Energiewende - vor allem die Sicherstellung ausreichender Erzeugungskapazitäten sowie der Netzausbau und die Netzstabilität von wesentlicher Bedeutung sind10, stellt sich im Bereich der Gasversorgung insbesondere die Sicherstellung ausreichender Erdgasimporte als wesentlich dar.11 7 BMWi, Bericht zum Stand und zur Entwicklung der Versorgungssicherheit im Bereich der Versorgung mit Erdgas , Monitoring-Bericht nach § 63 EnWG, Juni 2020, S. 3, 25, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen /Energie/bericht-zum-stand-und-zur-entwicklung-der-versorgungssicherheit-im-bereich-der-versorgung-miterdgas .pdf?__blob=publicationFile&v=4. 8 Theobald in Theobald/Kühling, Energierecht, Kommentar, Band 1, Werkstand: Juli 2020, § 1 EnWG Rn. 17. 9 Säcker in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1, 4. Auflage 2019, § 1 EnWG Rn. 5. 10 BMWi, Monitoringbericht des BMWi nach § 63 i.V.m. § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, Juni 2019, S. 5, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen /Energie/monitoringbericht-versorgungssicherheit-2019.pdf?__blob=publicationFile&v=18. 11 BMWi, Bericht zum Stand und zur Entwicklung der Versorgungssicherheit im Bereich der Versorgung mit Erdgas , (a.a.O.), S. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 004/21 Seite 6 3.1. Versorgungssicherheit bei Elektrizität 3.1.1. Sicherstellung ausreichender Erzeugungskapazitäten Die Sicherstellung einer ausreichenden Elektrizitätsversorgung bedarf einer systematischen und regelmäßig durchgeführten Erfassung und Beobachtung der Erzeugungskapazitäten. Deren Umfang und Bedarf unterliegen daher gemäß § 51 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EnWG einem Monitoring der Bundesnetzagentur. Auf Grundlage dieses Monitorings erfasst die Bundesnetzagentur ferner alle Kraftwerke ab einer bestimmten Größe in einer Kraftwerksliste.12 Die vorläufige oder endgültige Stilllegung von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie mit einer Nennleistung ab 10 Megawatt ist nur nach Maßgabe des § 13b EnWG erlaubt . Diese Regelung soll die zeitliche Planbarkeit einer Stilllegung gewährleisten und verhindern , dass eine kurzfristige Stilllegung die Versorgungssicherheit gefährdet.13 Der Kraftwerksbetreiber muss eine geplante Stilllegung gemäß § 13b Abs. 1 S. 1 EnWG gegenüber dem Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) und der Bundesnetzagentur mindestens 12 Monate im Voraus anzeigen . Ohne vorherige Anzeige und vor Ablauf der 12-Monats-Frist ist eine Stilllegung gemäß § 13b Abs. 1 S. 2 EnWG grundsätzlich verboten. Nach Eingang der Anzeige überprüft der ÜNB die Anlage gemäß § 13b Abs. 2 EnWG auf ihre Systemrelevanz. Die Ausweisung einer Anlage als systemrelevant hat unter den weiteren Voraussetzungen des § 13b Abs. 4 und 5 EnWG zur Folge, dass ihre Stilllegung zunächst verboten bleibt.14 Die Regelung des § 50 EnWG enthält eine Verordnungsermächtigung des BMWi zum Erlass von Regelungen der Vorratshaltung zur Sicherung der Energieversorgung. Diese Ermächtigung, von der das BMWi bislang jedoch bislang keinen Gebrauch gemacht hat, bezweckt die Sicherstellung der Energieversorgung im Falle von Störungen der dafür erforderlichen Brennstoffversorgung.15 3.1.2. Anforderungen an die Stromnetze Essentiell für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit ist der Transport von Elektrizität als notwendiges Bindeglied zwischen den Stromerzeugern und Stromverbrauchern. 3.1.2.1. Netzausbau Nicht zuletzt die Energiewende macht einen umfassenden Ausbau der Stromnetze erforderlich, um den vorrangig im Norden und Osten erzeugten Strom aus Windenergie auch in den Süden 12 Bundesnetzagentur, Kraftwerksliste, https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/Elektrizitaetund- Gas/Unternehmen_Institutionen/Versorgungssicherheit/Erzeugungskapazitaeten/Kraftwerksliste/kraftwerksliste -node.html. 13 Lülsdorf in Theobald/Kühling, (a.a.O.), § 13b EnWG Rn. 11. 14 Lülsdorf in Theobald/Kühling, (a.a.O.), § 13b EnWG Rn. 29, 32. 15 Boos in Theobald/Kühling, (a.a.O.), § 50 EnWG Rn. 1, 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 004/21 Seite 7 und Westen des Landes zu transportieren.16 Grundlage eines koordinierten, beschleunigten und transparenten Netzausbaus bilden im Wesentlichen vier Gesetze: Das EnWG, das Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (Energieleitungsausbaugesetz - EnLAG)17, das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG)18 und das Gesetz über den Bundesbedarfsplan (Bundesbedarfsplangesetz - BBPlG)19. Zum Verfahren des Netzausbaus sowie zu den rechtlichen Grundlagen stellen sowohl die Bundesnetzagentur20 als auch das BMWi21 auf ihrer Homepage detaillierte Informationen zur Verfügung, auf die an dieser Stelle verwiesen wird. 3.1.2.2. Netzstabilität Eine sichere und zuverlässige Elektrizitätsversorgung setzt voraus, dass die Transportkapazität des Stromnetzes nicht überlastet wird. Übersteigt der Transportbedarf die vorhandene Transportkapazität in den Übertragungs- oder Verteilnetzen, liegt ein Netzengpass vor. Die Systemverantwortung für die Stromnetze obliegt den Netzbetreibern. In Gefährdungs- oder Störungssituationen sind diese gemäß § 13 Abs. 1, 2 EnWG (ggf. in Verbindung mit § 14 Abs. 1 EnWG) ermächtigt und verpflichtet, bestimmte Maßnahmen des Engpassmanagements zu ergreifen. Hierbei stehen ihnen netzbezogene Maßnahmen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 EnWG), marktbezogene Maßnahmen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 EnWG), die Inanspruchnahme zusätzlicher Reserven (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 EnWG) und Notfallmaßnahmen (§ 13 Abs. 2 EnWG) zur Verfügung.22 Netzbezogene Maßnahmen gemäß §13 Abs. 1 Nr. 1 EnWG sind solche, die den technischen Netzbetrieb betreffen; die der Netzbetreiber also selbst, ohne Beteiligung der Netznutzer, vornehmen kann. Hierunter fallen beispielsweise Netzschaltungen, um den Lastfluss im Stromnetz umzulenken (sog. Topologiemaßnahmen), oder das Ausnutzen betrieblich zulässiger Toleranzbänder.23 Diese Maßnahmen sind vorrangig durchzuführen.24 16 BMWi, Netze und Netzausbau, Ein Stromnetz für die Energiewende, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier /netze-und-netzausbau.html. 17 https://www.gesetze-im-internet.de/enlag/BJNR287010009.html. 18 https://www.gesetze-im-internet.de/nabeg/BJNR169010011.html. 19 https://www.gesetze-im-internet.de/bbplg/BJNR254310013.html. 20 Bundesnetzagentur, Netzausbau, Wissen, https://www.netzausbau.de/Wissen/de.html. 21 BMWi, Netze und Netzausbau, Rahmenbedingungen für den Netzausbau, https://www.bmwi.de/Redaktion /DE/Artikel/Energie/stromnetze-und-netzausbau-regulierung-rahmenbedingungen.html. 22 Aktuelle Zahlen zum Einsatz und zur Bedeutung der Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen finden sich quartalsaktuell auf der Homepage der Bundesnetzagentur, https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete /ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Versorgungssicherheit/Netz_Systemsicherheit/Netz_Systemsicherheit _node.html. 23 König in Säcker, (a.a.O.), § 13 EnWG Rn. 18 ff. 24 BT-Drs. 15/3917, S. 57, https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/15/039/1503917.pdf; König in Säcker, (a.a.O.), § 13 EnWG Rn. 17. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 004/21 Seite 8 Die marktbezogenen Maßnahmen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG beruhen auf vertraglichen Vereinbarungen der Netzbetreiber mit den Netznutzern oder Dritten und lösen in der Regel Vergütungsansprüche aus. Gegenüber netzbezogenen Maßnahmen sind sie nachrangig.25 Als Regelbeispiele marktbezogener Maßnahmen nennt § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG den Einsatz von Regelenergie, vertraglich vereinbarte ab- und zuschaltbare Lasten sowie Informationen über Engpässe und das Engpassmanagement. Eine Entlastung des Stromnetzes erfolgt dabei durch eine Anpassung von Last (Stromausspeisung) und Erzeugung (Stromeinspeisung).26 Um zu gewährleisten, dass immer genügend Kraftwerke zur Verfügung stehen, auf welche die Netzbetreiber gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 EnWG im Falle eines Engpasses zurückgreifen können, sieht das EnWG Mechanismen der Reserveleistungshaltung vor. Diese zusätzlichen Reserven bestehen im Wesentlichen aus den Anlagen der Netzreserve gemäß § 13d EnWG und den Anlagen der Kapazitätsreserve gemäß § 13e EnWG. Die Netzbetreiber dürfen sämtliche Stromeinspeisungen, Stromtransite und Stromentnahmen in ihren Regelzonen gemäß § 13 Abs. 2 EnWG auch durch zwangsweise durchzuführende Maßnahmen anpassen, wenn sich eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems anders nicht vermeiden lässt. Die Notfallmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG sind jedoch subsidiär gegenüber den Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 EnWG.27 3.1.2.3. IT-Sicherheit Der Betrieb eines sicheren Energieversorgungsnetzes umfasst gemäß § 11 Abs. 1a S. 1 EnWG auch einen angemessenen Schutz gegen Bedrohungen für Telekommunikations- und elektronische Datenverarbeitungssysteme, die für einen sicheren Netzbetrieb notwendig sind. Hierzu hat die Bundesnetzagentur im Benehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik gemäß § 11 Abs. 1a S. 2 EnWG einen Katalog von Sicherheitsanforderungen erstellt und veröffentlicht , welche von den Netzbetreibern einzuhalten sind.28 Entsprechendes regelt § 11 Abs. 1b EnWG auch für die Betreiber von Energieanlagen, die durch eine auf Grundlage von § 10 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Gesetz - BSIG)29 25 König in Säcker, (a.a.O.), § 13 EnWG Rn. 24. 26 König in Säcker, (a.a.O.), § 13 EnWG Rn. 25 ff. 27 Hartmann/Weise in Theobald/Kühling, (a.a.O.), § 13 EnWG Rn. 40. 28 Bundesnetzagentur, IT-Sicherheitskatalog gemäß § 11 Absatz 1a Energiewirtschaftsgesetz, August 2015, https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Energie/Unternehmen_Institutionen /Versorgungssicherheit/IT_Sicherheit/IT_Sicherheitskatalog_08-2015.pdf?__blob=publicationFile&v=2. 29 https://www.gesetze-im-internet.de/bsig_2009/BJNR282110009.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 004/21 Seite 9 erlassene Rechtsverordnung als Kritische Infrastruktur bestimmt werden und an ein Energieversorgungsnetz angeschlossen sind.30 3.2. Versorgungssicherheit bei Gas Die Bundesrepublik Deutschland kann ihren Bedarf an Erdgas nur zu einem Anteil von 6 % aus eigener Förderung decken und ist daher überwiegend auf Erdgasimporte angewiesen.31 Wichtige Sicherungsmaßnahmen der deutschen Gasversorgungsunternehmen sind neben der Inlandsförderung die Diversifikation der Bezugsquellen und Transportwege, die Sicherstellung stabiler Beziehungen zu Lieferanten und der Abschluss langfristiger Gaslieferungsverträge sowie eine verlässliche Netzinfrastruktur einschließlich ausreichender Erdgasspeicher.32 Ein bedarfsgerechter Ausbau der Gasnetze zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit wird durch die Netzentwicklungsplanung gemäß §§ 15a, 15b EnWG koordiniert.33 Die Systemverantwortung für die Gasnetze obliegt den Gasnetzbetreibern. Diese haben gemäß §§ 15, 16a EnWG eine sichere und zuverlässige Gasversorgung zu gewährleisten. In Gefährdungs- oder Störungssituationen sind sie gemäß § 16 Abs. 1 EnWG (ggf. in Verbindung mit § 16a EnWG) berechtigt oder verpflichtet, die Gefährdung oder Störung durch netzbezogene oder marktbezogene Maßnahmen zu beseitigen. Die Norm entspricht damit weitgehend der Regelung zur Systemverantwortung der Stromnetzbetreiber in § 13 Abs. 1 EnWG. Wie auch dort stehen die Maßnahmen in einem Stufenverhältnis . Netzbezogene Maßnahmen sind den marktbezogenen vorrangig. Als Regelbeispiele marktbezogener Maßnahmen nennt § 16 Abs. 1 Nr. 2 EnWG den Einsatz von Ausgleichsleistungen , vertragliche Regelungen über eine Abschaltung und den Einsatz von Speichern.34 Die Regelung des § 53a EnWG stellt die Versorgung der Haushaltskunden mit Erdgas sicher. Die Gasversorgungsunternehmen, also Lieferanten und Netzbetreiber (vgl. § 3 Nr. 18 EnWG), sind hiernach verpflichtet, die Gasversorgung der Letztverbraucher auch in bestimmten Krisenfällen aufrecht zu erhalten.35 4. Meldepflicht von Versorgungsstörungen und Monitoring Die Betreiber der Energieversorgungsnetze sind gemäß § 52 S. 1 EnWG verpflichtet, der Bundesnetzagentur bis zum 30. April eines Jahres einen Bericht über alle in ihrem Netz im letzten Kalenderjahr aufgetretenen Versorgungsunterbrechungen vorzulegen. Dieser Bericht hat gemäß 30 Bundesnetzagentur, IT-Sicherheitskatalog gemäß § 11 Absatz 1b Energiewirtschaftsgesetz, Dezember 2018, https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Energie/Unternehmen_Institutionen /Versorgungssicherheit/IT_Sicherheit/IT_Sicherheitskatalog_2018.pdf?__blob=publicationFile&v=4. 31 BMWi, Monitoring-Bericht für Erdgas, S. 11, siehe Fußnote 7. 32 BMWi, Monitoring-Bericht für Erdgas (a.a.O.), S. 11, 25. 33 Däuper in Theobald/Kühling, (a.a.O.), § 15a EnWG Rn. 1, 3. 34 Theobald in Theobald/Kühling, (a.a.O.), § 16 EnWG Rn. 1,4. 35 Däuper in Theobald/Kühling, (a.a.O.), § 53a EnWG Rn. 1, 11, 15 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 004/21 Seite 10 § 52 S. 2 EnWG Angaben über den Zeitpunkt und die Dauer, das Ausmaß sowie die Ursache der Versorgungsunterbrechung zu enthalten. Anzugeben ist gemäß § 52 S. 4 EnWG ferner die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung in Minuten je angeschlossenem Letztverbraucher, der sog. „SAIDI“-Wert (System Average Interruption Duration Index).36 Die Bundesnetzagentur führt gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 EnWG in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fortlaufend ein Monitoring der Versorgungssicherheit durch. Dabei misst und bewertet es die Versorgungssicherheit im Bereich der Versorgung mit den leitungsgebundenen Energieträgern Elektrizität und Erdgas und erstellt gemäß § 63 Abs. 2 EnWG darauf aufbauend jeweils einen Monitoring-Bericht.37 § 51 Abs. 2, Abs. 3 EnWG legt die im Rahmen des jeweiligen Monitorings relevanten Kriterien - nicht abschließend - fest.38 Im Rahmen des Elektrizitätsmonitorings muss die Versorgungssicherheit zunächst gemessen werden. Es ist also festzustellen, welches Niveau die Versorgungssicherheit aufweist (vgl. § 51 Abs. 4a EnWG). Hierfür sind gemäß § 51 Abs. 4a S. 1 Nr. 1 EnWG Indikatoren zu verwenden, die zur Messung der Versorgungssicherheit geeignet sind. Welche Indikatoren sachgerecht sind, ist letztlich für jedes der in § 51 Abs. 3 EnWG genannten Kriterien eigens festzustellen. Relevante Aspekte können etwa sein: Art, Alter und Kapazität von Kraftwerken, geplante Inbetriebnahmen oder Stilllegungen, die Verfügbarkeit von Brennstoffen, die Entwicklung der Einspeisung aus erneuerbaren Energien, der Fortschritt wichtiger Netzausbauprojekte und das Auftreten von Engpässen .39 Zudem muss die Versorgungssicherheit im Rahmen des Elektrizitätsmonitorings bewertet werden . Die Bundesnetzagentur muss also eine Einschätzung abgeben, ob sie das Niveau der Versorgungssicherheit für ausreichend erachtet oder ob ggf. Maßnahmen ergriffen werden müssen (vgl. § 51 Abs. 4b EnWG). Hierfür sollen gemäß § 51 Abs. 4a S. 1 Nr. 2 EnWG Schwellenwerte verwendet werden.40 Welche konkreten Schwellenwerte berücksichtigt werden, regelt die Norm nicht. In Betracht kommen etwa die „SAIDI“-Werte.41 5. Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Krisenfall 5.1. Energiesicherungsgesetz 1975 Wie bereits dargestellt, obliegt die Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Energiebereich im Grundsatz den Marktteilnehmern, insbesondere den Netzbetreibern. Dies gilt zunächst auch im Fall von Störungen. Damit aber im Falle einer Versorgungskrise der Staat Einfluss nehmen 36 Boos in Theobald/Kühling, (a.a.O.), § 52 EnWG Rn. 15. 37 Zu den aktuellen Monitoring-Berichten vgl. bereits Fußnote 7 (Erdgas) und Fußnote 10 (Elektrizität). 38 Boos in Theobald/Kühling, (a.a.O.), § 51 EnWG Rn. 8. 39 König in Säcker, (a.a.O.), § 51 EnWG Rn. 27. 40 Säcker/König in Säcker, (a.a.O.), § 51 EnWG Rn. 29. 41 Boos in Theobald/Kühling, (a.a.O.), § 51 EnWG Rn. 22. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 004/21 Seite 11 kann, wurde infolge der Ölkrise in den Siebzigerjahren das Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz 1975 - EnSiG)42 erlassen.43 Dieses beinhaltet vor allem Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen für unmittelbar bevorstehende oder bereits eingetretene Versorgungsschwierigkeiten.44. Der Anwendungsbereich des EnSiG ist allerdings erst dann eröffnet, wenn die Maßnahmen der ÜNB nicht zur Störungsbeseitigung ausreichen.45 Damit ist für die Anwendbarkeit des EnSiG eine Störung der Energieversorgungssicherheit erforderlich, die von erheblich größerem Ausmaß ist, als eine Störung, die Eingriffe der Netzbetreiber nach dem EnWG rechtfertigt.46 § 1 Abs. 1 EnSiG ermächtigt für den Fall, dass die Energieversorgung unmittelbar gefährdet oder gestört ist, zum Erlass von Rechtsverordnungen, um die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie zu sichern. Die Verordnungen können Regelungen in Bezug auf wirtschaftliche Vorgänge (z.B. Produktion und Transport) von sämtlichen Energien und Energieträgern, Buchführungs-, Nachweis- und Meldepflichten hinsichtlich dieser Vorgänge sowie auf Produktionsmittel, die der Versorgung mit elektrischer Energie und Erdgas dienen, beinhalten.47 Zuwiderhandlungen gegen Rechtsverordnungen, die auf Grundlage des EnSiG erlassen worden sind, können bußgeld- oder sogar strafbewehrt sein, § 15 EnSiG. Die Regelungen des EnSiG können sowohl bei einfuhrbedingten sowie internen Störungen der Energieversorgung als auch bei Störungen infolge terroristischer Akte Anwendung finden.48 Präzisiert werden die Regelungen durch die Elektrizitätssicherungsverordnung (EltSV)49 sowie durch die Verordnung zur Sicherung der Gasversorgung (GasSV)50.51 Bis heute wurde von dem EnSiG nur insofern Gebrauch gemacht, als dass die Verordnung über Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen für Motorfahrzeuge vom 19. November 197352 42 https://www.gesetze-im-internet.de/ensig_1975/BJNR036810974.html. 43 Schulte-Beckhausen in Theobald/Kühling, (a.a.O.), Vorbemerkung zu § 1 EnSiG Rn. 1 f. 44 Ebd., § 1 EnSiG Rn. 7. 45 Ebd., Einführung EnSiG Rn. 56. 46 Ebd., Rn. 26. 47 Vgl. ausführlich § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 EnSiG. 48 Schulte-Beckhausen in Theobald/Kühling, (a.a.O.), Einführung EnSiG Rn. 71. 49 http://www.gesetze-im-internet.de/eltsv/BJNR005140982.html. 50 http://www.gesetze-im-internet.de/gassv/BJNR005170982.html. 51 Ebd., Rn. 72, 75. 52 http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl173s1676.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 004/21 Seite 12 (sog. „Sonntagsfahrverbot“) auf Basis des EnSiG erlassen worden ist.53 Deren Geltungsdauer war jedoch von Anfang an auf sechs Monate befristet. 5.2. SoS-Verordnung Auf europäischer Ebene spielt für die Gasversorgungssicherheit zudem die Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010 (SoS-Verordnung)54 eine Rolle.55 Sie unterscheidet im Verlauf einer Versorgungskrise drei Krisenstufen: Frühwarnstufe, Alarmstufe, Notfallstufe (Art. 11). In den ersten beiden Stufen sieht die Verordnung nur Maßnahmen der Gasversorgungsunternehmen, lediglich in der Notfallstufe auch hoheitliche Eingriffsmöglichkeiten vor. Daneben verpflichtet sie die Mitgliedstaaten unter anderem zur Entwicklung eines Krisenmanagements, das insbesondere die Erstellung von Präventions-56 und Notfallplänen57 beinhaltet, Art. 8.58 *** 53 Ebd., Vorbemerkung zu § 1 EnSiG Rn. 1. 54 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32017R1938&from=de; Eine entsprechende Verordnung auf EU-Ebene im Bereich der Elektrizität besteht indes nicht, vgl. Schulte-Beckhausen in Theobald /Kühling, (a.a.O.), Einführung EnSiG Rn. 27. 55 https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Versorgungssicherheit /Krisenmanagement_Krisenvorsorge/Krisenmanagement_Krisenvorsorge_node.html. 56 Präventionsplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland, Juni 2019, https://www.bmwi.de/Redaktion /DE/Downloads/P-R/praeventionsplan-gas-fuer-die-bundesrepublik-deutschland.pdf?__blob=publication- File&v=15. 57 Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland, September 2019, https://www.bmwi.de/Redaktion /DE/Downloads/M-O/notfallplan-gas-bundesrepublik-deutschland.pdf?__blob=publicationFile&v=5. 58 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/gas-krisenvorsorge-management.html.