© 2021 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 002/21 Einrichtung temporärer Fahrradwege auf stillgelegten Bahntrassen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 002/21 Seite 2 Einrichtung temporärer Fahrradwege auf stillgelegten Bahntrassen Aktenzeichen: WD 5 - 3000 - 002/21 Abschluss der Arbeit: 18. März 2021 Fachbereich: WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 002/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Rechtliche Würdigung 4 2.1. Befreiung von der Betriebspflicht (Stilllegung) 4 2.2. Freistellung von Bahnbetriebszwecken („Entwidmung“) 5 2.3. Spielräume für bahnfremde Zwischennutzungen 6 2.3.1. Rechtsprechung 6 2.3.2. Literatur 7 2.3.2.1. Restriktiver Ansatz 7 2.3.2.2. Differenzierende Lösung 7 2.3.3. Verwaltungspraxis 9 3. Fazit 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 002/21 Seite 4 1. Fragestellung Die Wissenschaftlichen Dienste wurden gefragt, ob auf stillgelegten Bahntrassen temporär (etwa für 20 Jahre) ein Radweg angelegt werden kann. Insbesondere soll geprüft werden, ob dafür die Entwidmung der Bahntrasse notwendig ist und ob es Alternativen dazu gibt (z. B. ein Nutzungsvertrag ). Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf das Eisenbahnrecht. Eine spezifisch straßenund bauplanungsrechtliche Prüfung erscheint nur einzelfallbezogen und unter Berücksichtigung des planungsrechtlichen Kontextes in dem betroffenen Gebiet ergiebig und bleibt daher im Folgenden ausgeklammert. 2. Rechtliche Würdigung 2.1. Befreiung von der Betriebspflicht (Stilllegung) Nach § 11 Abs. 1 S. 1 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG)1 sind öffentliche Betreiber von Schienenwegen zum Betrieb ihrer Eisenbahninfrastruktur verpflichtet. Hat ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen kein Interesse mehr am Betrieb, kann es sein darauf bezogenes Gewerbe daher nicht einfach mit der bloßen Aufgabe des Zugverkehrs beenden. Dazu bedarf es vielmehr einer Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde.2 Das Unternehmen hat in seinem Antrag auf Stilllegung darzulegen, dass ihm der Betrieb der Infrastruktureinrichtung nicht mehr zugemutet werden kann und Verhandlungen mit Dritten, denen ein Angebot auf Übernahme der Infrastruktur gemacht worden ist, erfolglos geblieben sind (§ 11 Abs. 1 S. 2 AEG). Nach einer Stilllegung ist eine Wiederinbetriebnahme ohne erneute Planfeststellung möglich.3 Dies gilt z. B. auch bei einem Zeitablauf von 20 Jahren, der Demontage der Gleise, dem Verfall der Bahnanlagen und ihrer Überwucherung durch Vegetation, solange sie rückgängig gemacht werden können.4 Die Nutzung einer Bahntrasse für den Radverkehr setzt wegen der genannten Betriebspflicht als Mindestvoraussetzung zwingend deren Stilllegung nach § 11 AEG voraus. Die Betriebspflicht bzgl. der Trasse und deren gleichzeitige Nutzung als Radweg sind grundsätzlich miteinander unvereinbar . 1 http://www.gesetze-im-internet.de/aeg_1994/AEG.pdf. 2 Hellriegel/Brukwicki in Kühling/Otte, Allgemeines Eisenbahngesetz/Eisenbahnregulierungsgesetz, Kommentar, 2020, § 11 AEG, Rn. 1. 3 Hellriegel/Brukwicki in Kühling/Otte, Allgemeines Eisenbahngesetz/Eisenbahnregulierungsgesetz, Kommentar, 2020, § 11 AEG, Rn. 75. 4 Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. Dezember 2017, Az. 3 B 15/16, Rn. 11 (zitiert nach juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 002/21 Seite 5 2.2. Freistellung von Bahnbetriebszwecken („Entwidmung“) Eisenbahnen benötigen für ihren Betrieb spezielle Anlagen wie z. B. Fahrwege, Bahnhöfe oder Ausbesserungswerke. Für diese Flächen besteht ein besonderes Fachplanungsrecht, welches der allgemeinen kommunalen Planungshoheit vorgeht (§ 38 Abs. 1 Baugesetzbuch5).6 Wenn diese Flächen allerdings dauerhaft nicht mehr für den Eisenbahnbetrieb benötigt werden, ist die Anwendung eines speziellen Planungsrechtes nicht mehr gerechtfertigt und der Gesetzgeber will, dass die Planungshoheit der Gemeinde wieder auflebt.7 Dies geschieht grundsätzlich durch Freistellung nach § 23 Abs. 1 AEG. Diese Vorschrift lautet wie folgt: „Die zuständige Planfeststellungsbehörde stellt für Grundstücke, die Betriebsanlage einer Eisenbahn sind oder auf dem sich Betriebsanlagen einer Eisenbahn befinden, auf Antrag des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, des Eigentümers des Grundstücks oder der Gemeinde , auf deren Gebiet sich das Grundstück befindet, die Freistellung von den Bahnbetriebszwecken fest, wenn kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist.“ Durch die Freistellung wird der den Fachplanungsvorbehalt für die konkrete Fläche begründende Planfeststellungsbeschluss unwirksam. Mit dem Ende des Fachplanungsvorbehaltes unterliegt die Fläche wieder vollumfänglich der gemeindlichen Bauleitplanung. Noch vorhandene und nicht zurückgebaute Anlagen sind keine Betriebsanlagen mehr und für den Eisenbahnbetrieb außer Funktion zu setzen.8 Das AEG enthält keine Aussage dazu, inwieweit die Kommunen die Möglichkeit haben, bereits vor einer nach § 23 AEG erfolgten Freistellung Bahngelände zu bahnfremden Zwecken (vorübergehend ) zu nutzen. Die Frage nach den entsprechenden Spielräumen wird im Folgenden anhand der Rechtsprechung, der Literatur sowie der Verwaltungspraxis untersucht. Dabei werden zur besseren Einordnung der Frage verschiedene bahnfremde Nutzungsmöglichkeiten berücksichtigt. 5 https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/BauGB.pdf. 6 Pietrzyk in Kühling/Otte, Allgemeines Eisenbahngesetz/Eisenbahnregulierungsgesetz, Kommentar, 2020, § 23 AEG, Rn. 5. 7 Bundestags-Drucksache 15/4419 vom 1. Dezember 2014, S. 18f.; http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/15/044/1504419.pdf; vgl. dazu auch Pietrzyk in Kühling/Otte, Allgemeines Eisenbahngesetz /Eisenbahnregulierungsgesetz, Kommentar, 2020, § 23 AEG, Rn. 6ff., 42. 8 Pietrzyk in Kühling/Otte, Allgemeines Eisenbahngesetz/Eisenbahnregulierungsgesetz, Kommentar, 2020, § 23 AEG, Rn. 42. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 002/21 Seite 6 2.3. Spielräume für bahnfremde Zwischennutzungen 2.3.1. Rechtsprechung In seinem Urteil vom 16. Dezember 1988 zur bebauungsplanrechtlichen Zulässigkeit eines Lebensmittelgeschäfts auf einem Bundesbahngelände hat das Bundesverwaltungsgericht in Randnummer 27 Folgendes ausgeführt: „Hat eine Fläche den rechtlichen Charakter einer Anlage der Bahn, so ist sie der - prinzipiell das gesamte Gemeindegebiet umfassenden - gemeindlichen Bauplanungshoheit zwar nicht - nach Art eines exterritorialen Gebietes - völlig entzogen. Sie ist planerischen Aussagen der Gemeinde aber nur insoweit zugänglich, als diese der besonderen Zweckbestimmung der Anlage, dem Betrieb der Bahn zu dienen, nicht widersprechen. Gemeindliche Bauleitplanung und bahnrechtliche Fachplanung sind hiernach sowohl in inhaltlicher als auch in zeitlicher Hinsicht aufeinander abzustimmen. […]“9 In Randnummer 35 stellt das Gericht fest: „Auf einer Bahnhofsfläche, die aufgrund einer noch fortbestehenden Zweckbestimmung für den Bahnbetrieb eine Bahnanlage im Sinne des § 36 BBahnG darstellt, kann ein „bahnfremden “ Zwecken dienendes Gebäude – etwa ein Einzelhandelsbetrieb – nicht genehmigt werden . In einem solchen Fall kommt eine Genehmigung erst in Betracht, wenn dieser besondere Rechtscharakter der Fläche in rechtlich einwandfreier Weise aufgehoben worden ist.“10 Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof knüpft in einem Urteil vom 9. Dezember 2010 an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts an, stellt jedoch nicht darauf ab, ob ein Vorhaben „bahnfremd “ ist, sondern, ob es bahnverträglich ist. In dem Zusammenhang rückt es den Passus aus dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil, wonach planerische Aussagen der bestehenden Zweckbestimmung einer Fläche nicht zuwiderlaufen dürfen (Rn. 27 des Urteils), in den Vordergrund. Es interpretiert das Urteil dann wie folgt: „Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Erteilung einer Baugenehmigung für bahnfremde Nutzungen auf planfestgestelltem Bahnbetriebsgelände nicht prinzipiell ausgeschlossen. Aus dem Fachplanungsvorbehalt des § 38 BauGB ergeben sich für ein derartiges Vorhaben keine Einschränkungen, wenn das Vorhaben der fachplanerischen Zweckbestimmung nicht widerspricht (vgl. BVerwG v. 16.12.1988 Az. 4 C 48/86, juris = BVerwGE 81, 111). Die verfahrensgegenständliche Wechselwerbeanlage dient zwar nicht dem fachplanerischen Zweck, dem Betrieb einer Eisenbahn, sie widerspricht ihm aber auch nicht. Allein aus der Betriebsfremdheit einer derartigen Anlage kann nicht geschlossen werden, dass sie die fachplanerische Zweckbestimmung beeinträchtigen oder 9 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. Dezember 1988, Az. 4 C 48/86, Rn. 27 (zitiert nach juris); Hervorhebung durch Verfasser dieser Ausarbeitung. 10 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. Dezember 1988, Az. 4 C 48/86, Rn. 35 (zitiert nach juris); Hervorhebung durch Verfasser dieser Ausarbeitung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 002/21 Seite 7 ihr gar entgegenstehen würde (vgl. BayVGH v. 17.11.2008 Az. 14 B 06.3096, juris). Das Vorhaben entzieht den dem Eisenbahnverkehr gewidmeten Flächen keinen ins Gewicht fallenden Raum und ist auch mit dem ohnehin gegebenen optisch-gewerblichen Charakter von Eisenbahnanlagen vereinbar. Anlagen der Fremdwerbung gehören traditionell zum Erscheinungsbild von Eisenbahneinrichtungen (vgl. BayVGH v. 24.2.1995 Az. 26 B 90.2134); es ist nicht ersichtlich, warum eine Wechselwerbeanlage, wie sie hier verwirklicht werden soll, insoweit rechtlich grundsätzlich anders zu beurteilen wäre wie eine herkömmliche Werbeanlage .“11 Die Frage der Zulässigkeit bahnfremder Zwischennutzungen, welche einen Bahnbetrieb tatsächlich , wenn auch nur vorübergehend bzw. für kurze Dauer, ausschließen, wie dies bei einem Radweg auf einer stillgelegten Bahntrasse der Fall wäre, lässt sich anhand dieser Rechtsprechung nicht abschließend klären. 2.3.2. Literatur In der Literatur gibt es unterschiedliche Vorschläge, wie mit der unklaren Rechtslage umzugehen ist. 2.3.2.1. Restriktiver Ansatz Nach einer restriktiven Literaturmeinung komme die Genehmigung bahnfremder Nutzungen auf Bahngelände erst in Betracht, wenn der besondere Rechtscharakter der Fläche in einwandfreier Weise nach § 23 Abs. 1 AEG aufgehoben worden sei. Sei ein bestimmtes Areal rechtlich bindend als – Verkehrszwecken dienende Bahnanlage – festgelegt, könne dieses nicht zugleich einer gegenläufigen bauplanungsrechtlichen Beurteilung unterliegen, die andere als bahnbetriebsbezogene Nutzungen zulässig erscheinen lasse. Für eine bauliche Anlage könnten nicht zwei Rechtsregime nebeneinander Geltung beanspruchen.12 Diese Rechtsauffassung hat den Vorteil einer klaren und für jedermann erkennbaren Rechtslage bezüglich der Planungsmöglichkeiten der Gemeinde . 2.3.2.2. Differenzierende Lösung Teilweise wird vertreten, dass gewidmete und damit noch nicht nach § 23 Abs. 1 AEG freigestellte Bahnflächen der kommunalen Planung nicht generell entzogen seien, sondern nur in dem Umfang, wie ein Widerspruch zur Widmung entstehen könne und dies der Schutz der Bahnanlagen erforderlich oder zweckmäßig erscheinen lasse. Die Reichweite des Schutzes bestimme die Bahn auf der Grundlage der Widmung selbst.13 Die Vereinbarkeit mit der Widmung könne auch darauf beruhen, dass die Bahn die bisherige Nutzung bereits aufgegeben habe, jedoch (in nach- 11 Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 1. Juli 2009, Az. 2 BV 08.2454, Rn. 14 (zitiert nach juris), Hervorhebung durch Verfasser dieser Ausarbeitung. 12 Kuschnerus, ZfBR 2000, 300 (303). 13 Stüer in Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, 5. Aufl. 2015, Rn. 3837. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 002/21 Seite 8 vollziehbar begründeter Weise) noch unschlüssig sei, ob die Fläche in fernerer Zukunft für andere Bahnbetriebszwecke benötigt wird. Eine befristete Zulassung sei demnach zulässig, wenn der Fachplanungsträger (d. h. das Eisenbahninfrastrukturunternehmen) der Zwischennutzung für die im Bebauungsplan bestimmte Frist zustimme.14 Teilweise wird sogar ein Anspruch auf Zustimmung angenommen, wenn die Planungen mit der Widmung zu vereinbaren seien.15 Als Beispiel für eine implizite Anerkennung bahnfremder Interimsnutzungen beruft sich ein Teil der Literatur auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin16 vom 8. April 1994.17 In der Entscheidung ging es um einen möglichen Konflikt zwischen dem Betriebs eines Sandlagerplatzes mit Siebanlage auf einem ehemaligen stillgelegten, aber nicht von Bahnbetriebszwecken freigestellten Bahnhofsgeländes, auf dem von der Bahn ein Abstellanlage für S-Bahnen geplant war. In Randnummer 24 der Entscheidung hat das Gericht wie folgt ausgeführt: „Selbst wenn es sich aber bei dem Vorhaben der Antragstellerin um eine sogenannte „Zwischen “-Nutzung handeln sollte, die deshalb möglicherweise mit dem Fachplanungsvorbehalt vereinbar sein könnte, weil sie die künftige Nutzung des Geländes als Abstellanlage für S-Bahnfahrzeuge nicht hindert und gegenwärtig mit der fachplanerischen Zweckbindung nicht „wahrhaft“ im Widerspruch stehen sollte (vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 2. März 1973, BVerwGE 42, 30, 36 f. für eine „Zwischen“-Nutzung bei Bebauungsplänen ), könnte der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keinen Erfolg haben, weil nach den dann für die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens anwendbaren Vorschriften der §§ 30 ff. BauGB (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1988, a. a. O., Seite 119) die Genehmigungsfähigkeit bei der hier gebotenen summarischen Prüfung ebenfalls zu verneinen wäre.“18 In der Literatur wird für bahnfremde Nutzungen von stillgelegten Anlagen, welche – wie hier bei Radwegen auf Bahntrassen – im Falle der Wiederaufnahme des Bahnbetriebs diesen stören würden , über die Zustimmung des Fachplanungsträgers bzw. des Eigentümers der Anlage hinaus auch eine enge Befristung oder eine Nutzung auf Widerruf gefordert. Nur dann sei die bahnfremde Nutzung mit der Widmung vereinbar, weil nur so der Schutz durch die Widmung respektiert werde.19 14 Schmidt-Eichstaedt, ZfBR 2009, 738 (745). 15 Schmitz-Valckenberg, Entwidmung und bahnfremde Nutzung von Bahnanlagen, Dissertation 2001, S. 229. 16 Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 8. April 1994, 2 S 93.29. 17 Schmitz-Valckenberg, Entwidmung und bahnfremde Nutzung von Bahnanlagen, Dissertation 2001, S. 227, Fußnote 84. 18 Zitiert nach juris; Hervorhebungen durch Verfasser dieser Ausarbeitung. 19 Schmitz-Valckenberg, Entwidmung und bahnfremde Nutzung von Bahnanlagen, Dissertation 2001, S. 223f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 002/21 Seite 9 2.3.3. Verwaltungspraxis Die Baubehörde der Freien und Hansestadt Hamburg hatte im Jahre 1999 Empfehlungen erstellt, die auch auf die Genehmigungsfähigkeit bahnfremder Interimsnutzungen eingeht. Eine Interimsnutzung könne in Frage kommen, um städtische Brachen und das Eindringen unerwünschter Nutzungen zu vermeiden. Bei der Genehmigung sei jedoch ein strenger Maßstab anzulegen. Zudem seien folgende Bedingungen zu erfüllen: - Die DB AG müsse darlegen, wann und zu welchen Zwecken die Flächen (für Bahnzwecke ) wieder benötigt werden bzw. wann mit einer endgültigen Entscheidung zu rechnen sei; hierbei sei von kurz- bis mittelfristigen Zeiträumen auszugehen (max. 10 Jahre). - Der Zwischennutzungscharakter müsse baulich zum Ausdruck kommen (fliegende Bauten , Umnutzung bestehender Gebäude, nur kleiner Neu- und Anbauten). - Die Zwischennutzungen müsse nach dem Baugesetzbuch (BauGB) genehmigungsfähig sein. - Die Baugenehmigung sei zu befristen.20 Laut Presseberichten wurde in Berlin darüber diskutiert, ob für 15 Jahre ein Radschnellweg zwischen Schöneberg und Steglitz auf einem Bahngelände gebaut werden könnte. Das Eisenbahnbundesamt hält für eine solche Zwischennutzung eine genaue rechtliche Prüfung für erforderlich und äußerte sich laut Zeitungsbericht diesbezüglich wie folgt: „Ob die ‚Zwischennutzung’ einer bahngewidmeten Fläche für einen Radweg überhaupt zulässig wäre, müsste rechtlich genau geprüft werden und kann nicht ohne weiteres bejaht werden.“21 In Brandenburg soll ein Radweg auf der ehemaligen Bahnstrecke zwischen Wittstock und Mirow gebaut werden. Die Stadt Wittstock hat mit einem regionalen Eisenbahninfrastrukturunternehmen (RegioInfra)22 einen Pachtvertrag abgeschlossen. Danach können die Grundstücke als Wegeflächen für den Fahrrad- und Fußgängerverkehr genutzt werden, solange auf den Flächen kein Eisenbahnverkehr erfolgt. Das Pachtverhältnis wurde für die Dauer von 99 Jahren abgeschlossen. Eine vorzeitige Kündigung des Vertrages ist möglich, wenn auf den Flächen wieder Eisenbahnverkehrsleistungen erbracht werden sollen. In einem solchen Fall trägt der Verpächter die Kosten für den erforderlichen Rückbau des Radwegs und auch etwaige Fördermittelrückzahlungen. Bereits mit Planungsbeginn einer Streckenreaktivierung der Schienentrasse muss der Radweg zurückgebaut werden. Eine Entwidmung im Zusammenhang mit dem Vertrag und der Einrichtung 20 Baubehörde, Amt für Bauordnung und Hochbau, Bauprüfdienst (BPD) 4/1999, https://www.hamburg.de/contentblob /153032/7acf08b18cd26337f4595d9d1e85c9fe/data/bpd-4-1999-zustaendigkeit-auf-bahnflaechen-bpdbahnflaechen ).pdf. 21 Online-Nachrichten vom 31. Juli 2017 der Berliner Zeitung, https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole /berlin-radschnellweg-auf-alter-stammbahn-zwischen-schoeneberg-und-steglitz-unwahrscheinlich-li.70419. 22 http://www.regioinfra.de/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 002/21 Seite 10 eines Radwegs erfolgt nicht. Durch den Bau des Radweges werde eine etwaige künftige Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke weder tatsächlich noch rechtlich ausgeschlossen.23 3. Fazit In Rechtsprechung, Literatur und Verwaltungspraxis scheinen die Spielräume für vorübergehende bahnfremde Nutzungen nicht abschließend geklärt. Folgt man der restriktiven Literaturmeinung , setzt eine Nutzung als Radweg eine Freistellung von Bahnbetriebszwecken nach § 23 AEG voraus. Andere Literaturmeinungen und Beispiele aus der Verwaltungspraxis sehen für bahnfremde Zwischennutzungen grundsätzlich mehr Spielraum. Das Eisenbahnbundesamt sieht die Zwischennutzung einer bahngewidmeten Fläche für einen Radweg als fraglich, während das regionale Eisenbahninfrastrukturunternehmen RegioInfra offensichtlich für eine vertragliche Regelung offen war. Die Details dieses Vertrags liegen dem Fachbereich WD 5 nicht vor, weshalb zu den Einzelheiten dieser Regelung nicht Stellung genommen werden kann. *** 23 Antwort der Regierung des Landes Brandenburg vom 22. April 2020 auf eine Kleine Anfrage, https://www.parlamentsdokumentation .brandenburg.de/parladoku/w7/drs/ab_1100/1100.pdf.