© 2017 Deutscher Bundestag WD 5 - 3000 - 001/17 Regelungen der europäischen Tiertransportverordnung zu langen Tierbeförderungen im Licht des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 23. April 2015 (C-424/13) Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Überblick über rechtliche Vorgaben der TTVO für Planung, Organisation und Durchführung von Tiertransporten 5 2.2. Überblick über Aufgaben und Pflichten der zuständigen Behörden nach den Regelungen der TTVO 9 2.2.1. Obligatorische behördliche Kontrollen nach Art. 14 TTVO 9 2.2.2. Obligatorische behördliche und amtstierärztliche Kontrollen nach Art. 15 TTVO 11 2.2.3. Obligatorische amtstierärztliche Kontrollen nach Art. 21 TTVO 12 3. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 23. April 2015 – C-424/13 13 3.1. Sachverhalt und zu klärende Rechtsfrage 14 3.2. Urteilsspruch und Begründung 15 4. Fragen zur praktischen Bedeutung des EuGH-Urteils vom 23. April 2015 – C-424/13 16 4.1. Grundsätzliche Bedeutung des EuGH-Urteils für die Genehmigung langer Tiertransporte der Vergangenheit und Zukunft 16 4.2. Bedeutung des EuGH-Urteils für die tierärztlichen Kontrollen an Ausgangsorten und Grenzkontrollstellen 16 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Ausarbeitung dient der Beantwortung einer Reihe von Fragen im Zusammenhang mit den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 (Tiertransportverordnung – TTVO)1 und deren Bedeutung infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 23. April 2015 in der Rechtssache C-424/13 (EuGH-Urteil)2. In der Sache geht es im Wesentlichen darum zu klären, ob und wenn ja, inwieweit die rechtlichen Vorgaben der TTVO auch für lange Tierbeförderungen gelten, die ihren Ursprung zwar in einem der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) haben aber in einem Drittstaat außerhalb der EU enden. Zur Beantwortung der einzelnen Fragen, werden nachfolgend die rechtlichen Vorgaben der TTVO für behördliche und amtstierärztliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit langen Tierbeförderungen /Tiertransporten überblicksartig dargestellt (2.). Im Anschluss werden die wesentlichen Aussagen des EuGH-Urteils wiedergegeben (3.) und die konkreten Fragen beantwortet (4.). 2. Rechtliche Vorgaben der TTVO für behördliche und amtstierärztliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit langen Tiertransporten Ausweislich der Erwägungsgründe sollten mit der TTVO detaillierte Regelungen geschaffen werden , die auf dem Grundsatz beruhen, dass ein Transport von Tieren nicht durchgeführt werden darf, wenn den Tieren dabei Verletzungen oder unnötige Leiden zugefügt werden könnten, wobei der europäische Gesetzgeber dabei davon ausging, dass das Wohlergehen der Tiere es erfordert, lange Beförderungen auf ein Mindestmaß zu begrenzen.3 Dabei definiert die TTVO eine lange Tierbeförderung als „eine Beförderung, die ab dem Zeitpunkt der Bewegung des ersten Tieres der Sendung 8 Stunden überschreitet“.4 1 ABl. EU Nr. L 3 vom 05.01.2005. S. 1. 2 Europäischer Gerichtshof (2015). Urteil vom 23.04.2015. Az. C-424/13. Link: http://curia.europa.eu/juris /document/document.jsf?text=&docid=163872&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1 (letzter Abruf: 24.01.2017). Die nachfolgenden Zitate aus diesem Urteil stammen aus der unter dieser Adresse abrufbaren Fassung. 3 So Europäischer Gerichtshof (2015). A. a. O. (Fn. 2). Rn. 36 unter Hinweis auf die Erwägungsgründe 5 und 11 TTVO. 4 Art. 2 lit. m) TTVO. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 5 2.1. Überblick über rechtliche Vorgaben der TTVO für Planung, Organisation und Durchführung von Tiertransporten Die allgemeinen Bedingungen für den Transport von Tieren5 normiert Art. 3 TTVO. Danach sind vor der Beförderung alle erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um die Beförderungsdauer so kurz wie möglich zu halten und den Bedürfnissen der Tiere während der Beförderung Rechnung zu tragen.6 Weiterhin sind die zu transportierenden Tiere in angemessenen Zeitabständen mit Wasser und Futter zu versorgen, das qualitativ und quantitativ ihrer Art und Größe angemessen ist, und ihnen ist Ruhezeit zu gewähren.7 Das Kapitel II der TTVO enthält darauf aufbauend umfassende Vorgaben für Organisatoren von Tiertransporten sowie für Transportunternehmer, Tierhalter8 und Sammelstellen9. Danach dürfen nur solche natürliche oder juristische Personen Tiere auf eigene oder fremde Rechnung befördern 10, die nach Art. 10 und 11 TTVO von den zuständigen Behörden des jeweiligen Mitgliedstaats zugelassen worden sind.11 Diese Zulassung wird insbesondere für Transportunternehmer, die lange Beförderungen durchführen, für einen Zeitraum von höchsten fünf Jahren und nur dann erteilt, wenn die Antragsteller u. a. nachweisen, dass die Fahrer und Betreuer12, die für lange Beförderungen eingesetzt werden, ausreichend qualifiziert sind und die für lange Beförderungen eingesetzten Straßentransportmittel den Vorgaben in Anhang I Kapitel II und VI TTVO in Bezug auf Konstruktion, Bauweise und Wartung genügen.13 5 Nach Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 lit. a) TTVO gilt die TTVO für den Transport lebender Wirbeltiere. 6 Art. 3 UA. 2 lit. a) TTVO. 7 Art. 3 UA. 2 lit. h) TTVO. 8 Zum Begriff des Tierhalters siehe Art. 2 lit. k) TTVO. 9 Zum Begriff der Sammelstellen siehe Art. 2 lit. b) TTVO. 10 Vgl. die Legaldefinition des Transportunternehmers in Art. 2 lit. x) TTVO. 11 Vgl. Art. 6 TTVO. 12 Betreuer sind nach Art. 2 lit. c) TTVO die für das Wohlbefinden der transportierten Tiere unmittelbar zuständigen und während der Beförderung der Tiere anwesenden Personen. 13 Vgl. Art. 7 Abs. 1, Art. 10, 11, 17, 18 TTVO. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 6 In diesem Zusammenhang ist Art. 5 Abs. 4 TTVO von Bedeutung. Die Norm lautet: „Artikel 5 – Obligatorische Planung von Tiertransporten (1) […] […] (4) Für lange Beförderungen von Hausequiden, ausgenommen registrierten Equiden sowie von Hausrindern, Hausschafen, Hausziegen und Hausschweinen zwischen Mitgliedstaaten sowie von und nach Drittländern gelten sowohl für Transportunternehmer als auch für Organisatoren die Bestimmungen des Anhangs II über das Fahrtenbuch.“ Anhang II der TTVO macht umfassende Vorgaben im Zusammenhang mit der Dokumentation von langen Tiertransporten (Fahrtenbuch). Danach müssen sämtliche Personen, die eine lange Tierbeförderung planen, ein Fahrtenbuch, das die formellen Vorgaben des Anhangs II erfüllt14, anlegen.15 Weiterhin normiert Anhang II eine Reihe von Verpflichtungen in Bezug auf das Fahrtenbuch , die für Organisatoren von Tiertransporten16, für Tierhalter am Versandort17 und für Transportunternehmer gelten. So hat etwa der Organisator dafür Sorge zu tragen, dass spätestens zwei Werktage vor dem Versand bei der zuständigen Behörde des Versandorts eine unterzeichnete Kopie von Abschnitt 1 des Fahrtenbuchs (Planung) mit den ordnungsgemäßen Eintragungen eingeht.18 Werden Tiere in ein Drittland ausgeführt, so hat der betreffende Transportunternehmer das Fahrtenbuch dem amtlichen Tierarzt am Ort des Ausgangs aus dem Gebiet der Gemeinschaft zu übergeben , wobei er eine Kopie des ausgefüllten Fahrtenbuchs behält und innerhalb eines Monats nach Abschluss der Beförderung an die zuständige Behörde des Versandorts zu übersenden hat.19 14 Nach Anhang II Ziff. 2. ist das Fahrtenbuch in folgende Abschnitte zu unterteilen: Abschnitt 1 – Planung; Abschnitt 2 – Versandort; Abschnitt 3 – Bestimmungsort; Abschnitt 4 – Erklärung des Transportunternehmers; Abschnitt 5 – Formular zur Meldung von Unregelmäßigkeiten. 15 Anhang II Ziff. 1. 16 Zum Begriff des Organisators siehe Art. 2 lit. q) TTVO. 17 Der Begriff des Versandorts ist legaldefiniert in Art. 2 lit. r) TTVO. 18 Siehe Anhang II Ziff. 3 lit. b) TTVO. 19 Siehe Anhang II Ziff. 7. und 8. TTVO. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 7 Eine weitere Norm von großer Bedeutung im Zusammenhang mit den zu beantwortenden Fragen ist Art. 6 TTVO. Die Norm lautet auszugsweise: „Artikel 6 – Transportunternehmer (1) […] […] (3) Die Transportunternehmer befördern Tiere nach Maßgabe der in Anhang I genannten technischen Vorschriften. (4) Transportunternehmer vertrauen den Umgang mit den Tieren Personen an, die zu den einschlägigen Regelungen der Anhänge I und II geschult wurden.“ Anhang I der TTVO enthält in sieben einzelnen Kapiteln zahlreiche und teilweise sehr detaillierte den Tiertransport betreffende technische - Vorschriften zur Transportfähigkeit der Tiere (Kapitel I) Danach dürfen Tiere etwa nur dann transportiert werden, wenn sie im Hinblick auf die geplante Beförderung transportfähig sind (unverletzt und ohne physiologische Schwächen oder pathologische Zustände) und wenn gewährleistet ist, dass ihnen unnötige Verletzungen und Leiden erspart bleiben. - Vorschriften zu den Transportmitteln (Kapitel II) - Vorschriften zur Transportpraxis (Kapitel III) Ausgehend vom Grundsatz, dass die Tiertransporte nicht dazu führen dürfen, dass die transportierten Tiere Verletzungen oder unnötige Leiden erfahren, normiert dieses Kapitel zahlreiche Vorgaben für das Verladen, Entladen und den Umgang mit den Tieren (Ziff. 1.) sowie für den Transport selbst (Ziff. 2.). So macht etwa Ziff. 2.1. die Vorgabe, dass das Raumangebot während des Transports den in Kapitel VII für die jeweilige Tierart und das jeweilige Transportmittel festgelegten Werten entsprechen muss. - Zusätzliche Bestimmungen für Tiertransportschiffe und Containerschiffe (Kapitel IV) - Zeitabstände für das Füttern und Tränken sowie Beförderungsdauer und Ruhezeiten (Kapitel V) Dieses Kapitel normiert entsprechende Vorgaben, die für den Transport von Hausequiden, Hausrindern, Hausschafen, Hausziegen und Hausschweinen (Ziff. 1.) sowie für den Transport anderer Tierarten (Ziff. 2.) gelten. Nach Ziff. 1.2. darf die Beförderungsdauer für Tiere der mit Ziff. 1. erfassten Arten nicht mehr als acht Stunden betragen, wobei diese Zeitspanne verlängert werden kann, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen des Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 8 Kapitels VI erfüllt sind. Die maximale Beförderungsdauer bei Vorliegen dieser zusätzlichen Voraussetzungen wird durch Ziff. 1.4. tierartspezifisch festgelegt und beträgt maximal 14 Stunden. Danach müssen die Tiere „eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause erhalten, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden können. Nach dieser Ruhepause kann die Beförderung für weitere 14 Stunden fortgesetzt werden.“20 „Nach der festgesetzten Beförderungsdauer müssen die Tiere entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten.“21 - Zusätzliche Bedingungen für lange Beförderungen von Hausequiden, Hausrindern, Hausschafen , Hausziegen und Hausschweinen (Kapitel VI) Wie gezeigt, normiert dieses Kapitel die Voraussetzungen dafür, dass die Beförderungsdauern des Kapitels V Ziff. 1. verlängert werden können. Diese Voraussetzungen betreffen lange Beförderungen im Allgemeinen (Ziff. 1.), die Wasserversorgung bei Beförderung von Transportbehältern auf dem Straßen-, Schienen- oder Seeweg (Ziff. 2.), die Belüftung von Straßentransportmitteln und Temperaturüberwachung (Ziff. 3.) sowie die von Straßentransportmitteln zu verwendenden Navigationssysteme (Ziff. 4.) - Vorschriften zum Raumangebot (Kapitel VII) Tierart- und transportmittelspezifisch definiert dieses Kapitel Mindestraumgrößen für die entsprechenden Tiertransporte, die – wie gezeigt – im Rahmen der Transportpraxis nach Kapitel III zu beachten sind. Im Hinblick auf die Vorgaben zur Behandlung der Tiere, wie sie Anhang I TTVO normiert, sind darüber hinaus Art. 8 und 9 TTVO von Bedeutung. Sie lauten auszugsweise: „Artikel 8 – Tierhalter (1) Tierhalter am Versand-, Umlade- oder Bestimmungsort tragen dafür Sorge, dass die technischen Vorschriften des Anhangs I Kapitel I und Kapitel III Abschnitt 1 über die Beförderung der Tiere eingehalten werden. […]“ 20 So Anhang I Kapitel V Ziff. 1.4. lit. d) TTVO. 21 So Anhang I Kapitel V Ziff. 1.5. TTVO. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 9 „Artikel 9 – Sammelstellen (1) Betreiber von Sammelstellen tragen dafür Sorge, dass die Tiere entsprechend den technischen Vorschriften des Anhangs I Kapitel I und Kapitel III Abschnitt 1 behandelt werden . […]“ 2.2. Überblick über Aufgaben und Pflichten der zuständigen Behörden nach den Regelungen der TTVO Kapitel III der TTVO regelt detailliert die Aufgaben und Pflichten der zuständigen Behörden. Wie oben bereits erwähnt, fallen darunter u. a. die Zulassung der Transportunternehmer und der Tiertransportmittel22. Darüber hinaus verpflichtet dieses Kapitel die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu einer Reihe von Kontrollen im Zusammenhang mit der Einhaltung der Vorgaben der TTVO. Im Hinblick auf die zu beantwortenden Fragen sind insbesondere die Vorgaben der Artikel 14, 15 sowie 21 TTVO von erheblicher Bedeutung. 2.2.1. Obligatorische behördliche Kontrollen nach Art. 14 TTVO Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten haben im Falle von grenzüberschreitenden langen Transporten bestimmter Nutztiere zwingend eine Kontrolle nach Art. 14 TTVO durchzuführen.23 Die Norm lautet auszugsweise: „Artikel 14 – Kontrollen in Bezug auf Fahrtenbücher und andere Maßnahmen, die von der zuständigen Behörde vor langen Beförderung durchzuführen sind (1) Bei langen Beförderungen von Hausequiden, Hausrindern, Hausschafen, Hausziegen und Hausschweinen zwischen Mitgliedstaaten und von und nach Drittländern trifft die zuständige Behörde am Versandort folgende Maßnahmen: a) Sie überprüft durch geeignete Kontrollen, ob i) die im Fahrtenbuch angegebenen Transportunternehmer über die entsprechenden gültigen Zulassungen, die gültigen Zulassungsnachweise für Transportmittel, die für lange Beförderungen eingesetzt werden, und gültige Befähigungsnachweise für Fahrer und Betreuer verfügen; 22 Dazu siehe Art. 18, 19 TTVO. 23 So Hirt, Almuth/Maisack, Christoph/Moritz, Johanna (2016). Tierschutzgesetz mit TierSchHundeV, Tier- SchNutztV, TierSchVersV, TierSchTrV, EU-Tiertransport-VO, TierSchlV, EU-Tierschlacht-VO. Kommentar. 3. Auflage 2016. München: Franz Vahlen. EU-Tiertransport-VO Art. 14 Rn. 1 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 10 ii) das vom Organisator vorgelegte Fahrtenbuch wirklichkeitsnahe Angaben enthält und darauf schließen lässt, dass die Beförderung den Vorschriften dieser Verordnung entspricht. b) Sie verpflichtet den Organisator, wenn das Ergebnis der Kontrollen gemäß Buchstabe a) nicht zufrieden stellend ist, die Planung der vorgesehenen langen Beförderung so zu ändern , dass die Vorschriften dieser Verordnung eingehalten werden. c) Sie versieht das Fahrtenbuch mit einem Stempel, wenn das Ergebnis der Kontrollen gemäß Buchstabe a) zufrieden stellend ist.“ Notwendige Bestandteile der Kontrolle nach Art. 14 TTVO sind somit insbesondere die Plausibilitätsprüfung und die Prüfung, ob das Fahrtenbuch darauf schließen lässt, dass die Beförderung den Vorschriften der TTVO entspricht.24 Im Rahmen der Plausibilitätsprüfung geht die zuständige Behörde der Frage nach, ob die geplante Transportroute, wie sie sich aus dem vom Organisator des geplanten Tiertransports übersandten Abschnitts 1 des Fahrtenbuchs ergibt,25 anhand der angegebenen Orte nachvollziehbar ist. Insbesondere muss damit gerechnet werden können, dass die zulässigen Beförderungszeiten, wie sie sich aus den im Einzelfall anzuwendenden Vorgaben des Anhangs I Kapitel V TTVO ergeben , nicht überschritten und die vorgeschriebenen Fütterungs-, Pflege- und Ruheintervalle rechtzeitig begonnen werden und ihre vorgeschriebene Dauer eingehalten wird.26 Wie sich aus Anhang II Anlage Abschnitt 1 Ziff. 7. TTVO (Vordruck für Abschnitt 1 des Fahrtenbuchs ) ergibt, erklärt der Organisator des Tiertransports mit seiner Unterschrift unter den Abschnitt 1, „geeignete Vorkehrungen getroffen zu haben, um das Wohlbefinden der Tiere nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates während der gesamten Beförderungsdauer zu gewährleisten.“ Diese Erklärung im Zusammenhang mit der Regelung in Art. 14 TTVO zur Prüfung, ob das Fahrtenbuch darauf schließen lässt, dass die Beförderung den Vorschriften der TTVO entspricht, führt dazu, dass die Behörde die Abstempelung des Fahrtenbuchs gemäß Art. 14 Abs. 1 lit. c) TTVO (Genehmigung der langen Tierbeförderung) verweigern muss, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte die ernsthafte, realistische (und nicht lediglich fern liegende) Möglichkeit besteht, 24 Prüfung nach Art. 14 Abs. 1 lit. a) sublit. ii) TTVO. 25 Siehe Anhang II Ziff. 3 lit. b) TTVO. 26 So Hirt, Almuth/Maisack, Christoph/Moritz, Johanna (2016). A. a. O. (Fn. 23). EU-Tiertransport-VO Art. 14 Rn. 7 mit weiteren Informationen zur konkreten Vorgehensweise der Behörden im Rahmen der Plausibilitätsprüfung . Vgl. dazu auch die sehr detaillierten Hinweise bei Arbeitsgruppe Handbuch Tiertransporte (2013). Vollzugshinweise zur Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen … und zur Tierschutztransportverordnung vom 11.2.2009. Stand: Mai 2013. S. 43 ff., 62 ff. Link: https://www.thueringen.de/mam/th7/tmsfg/veterinaerwesen /tierschutzrecht/handbuch_tiertransporte_2013-05.pdf (letzter Abruf: 25.01.2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 11 dass es während des Transports zu einer Verletzung der Vorschriften der TTVO kommen wird; denn der Organisator muss in der Lage sein, nachvollziehbar nachzuweisen, dass die TTVO-Vorgaben einschließlich der Anhänge und der allgemeinen Bedingungen nach Art. 3 TTVO während der gesamten Beförderung eingehalten werden.27 In diesem Zusammenhang ist die Legaldefinition für den in Art. 14 Abs. 1 lit. a) sublit. ii) TTVO verwendeten Begriff der Beförderung von erheblicher Bedeutung. Art. 2 lit. j) TTVO definiert Beförderung als den „gesamte[n] Transportvorgang vom Versand- zum Bestimmungsort, einschließlich des Entladens , Unterbringens und Verladens an Zwischenstationen“. Art. 2 lit. s) TTVO definiert den Begriff des Bestimmungsortes als den „Ort, an dem ein Tier von einem Transportmittel entladen und i) während mindestens 48 Stunden vor seiner Weiterbeförderung untergebracht wird oder ii) geschlachtet wird“. 2.2.2. Obligatorische behördliche und amtstierärztliche Kontrollen nach Art. 15 TTVO Weitere behördliche und auch amtstierärztliche Kontrollpflichten im Zusammenhang mit langen Tierbeförderungen ergeben sich aus Art. 15 TTVO. Die Norm lautet auszugweise: „Artikel 15 – Kontrollen der zuständigen Behörde während langer Beförderungen (1) Die zuständige Behörde führt während der langen Beförderung in frei gewählten Abständen Zufallskontrollen oder gezielte Kontrollen durch, um zu überprüfen, ob die angegebene Beförderungsdauer wirklichkeitsnah ist und ob bei der Beförderung die Vorschriften dieser Verordnung, insbesondere die Beförderungs- und Ruhezeiten gemäß Anhang I Kapitel V, eingehalten worden sind. (2) Bei langen Beförderungen zwischen Mitgliedstaaten und mit Drittländern werden die Kontrollen der Transportfähigkeit nach Anhang I Kapitel I vor dem Verladen am Versandort als Teil der Tiergesundheitskontrollen gemäß den entsprechenden Veterinärvorschriften der Gemeinschaft innerhalb der dort vorgesehenen Fristen durchgeführt.“ 27 So Hirt, Almuth/Maisack, Christoph/Moritz, Johanna (2016). A. a. O. (Fn. 23). EU-Tiertransport-VO Art. 14 Rn. 12. Dazu auch Verwaltungsgericht Augsburg (2011). Beschluss vom 28.11.2011. Az. 2 E 11.1679. Rn. 17. Link: http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2012-N-47389?hl=true&AspxAutoDetect- CookieSupport=1 (letzter Abruf: 26.01.2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 12 Nach dem Wortlaut der Norm sind alle Vorschriften der TTVO Gegenstand der Kontrollen während langer Beförderungen. Nach Art. 15 Abs. 2 TTVO muss die Transportfähigkeit vom amtlichen Tierarzt vor der Verladung geprüft und bestätigt worden sein. Bei langen, grenzüberschreitenden Transporten von Nutztieren muss er bei der Verladung anwesend sein28 und durch seine Unterschrift in Abschnitt 2 Feld 10/11 des Fahrtenbuchs bestätigen, dass die Tiere transportfähig waren und die Transportmittel sowie die Verladepraxis den Vorgaben der TTVO entsprochen haben .29 2.2.3. Obligatorische amtstierärztliche Kontrollen nach Art. 21 TTVO Im Hinblick auf die amtstierärztlichen Kontrollbefugnisse sind die Vorgaben des Art. 21 TTVO von großer Wichtigkeit. Die Norm lautet: „Artikel 21 – Kontrollen an Ausgangsorten und Grenzkontrollstellen (1) Unbeschadet der Kontrollen gemäß Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 639/2003 kontrollieren amtliche Tierärzte der betreffenden Mitgliedstaaten, wenn Tiere an Ausgangsorten oder Grenzkontrollstellen gestellt werden, ob die Tiere im Einklang mit den Vorschriften dieser Verordnung transportiert werden und insbesondere, ob a) die Transportunternehmer die Kopie einer gültigen Zulassung gemäß Artikel 10 Absatz 1 oder für lange Beförderungen gemäß Artikel 11 Abs. 1 eingereicht haben; b) die Fahrer von Straßenfahrzeugen, auf den Hausequiden, Hausrinder, Hausschafe , Hausziegen, Hausschweine oder Hausgeflügel befördert werden, sowie die Betreuer einen gültigen Befähigungsnachweis gemäß Artikel 17 Absatz 2 vorgewiesen haben; c) die Tiere mit Blick auf ihre Weiterbeförderung transportfähig sind; d) die Transportmittel, auf denen die Tiere weiter befördert werden sollen, die Anforderungen gemäß Anhang I Kapitel II und gegebenenfalls Kapitel VI erfüllen; e) Transportunternehmer im Falle der Ausfuhr den Nachweis erbracht haben, dass bei der Beförderung vom Versandort zum ersten Entladeort im Endbestimmungsland die Vorschriften der internationalen Übereinkommen, die in Anhang V aufgelistet sind und in den entsprechenden Drittländern gelten, eingehalten wurden; f) Hausequiden, Hausrinder, Hausschafe, Hausziegen und Hausschweine einer langen Beförderung unterzogen worden sind oder unterzogen werden sollen. 28 Dazu grundsätzlich Anhang I Kapitel III Ziff. 1.2. lit. b) TTVO. 29 So Hirt, Almuth/Maisack, Christoph/Moritz, Johanna (2016). A. a. O. (Fn. 23). EU-Tiertransport-VO Art. 14 Rn. 15. Verwaltungspraktische Details zum Vollzug des Art. 15 vgl. Arbeitsgruppe Handbuch Tiertransporte (2013). A. a. O. (Fn. 26). S. 29 ff., 64 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 13 (2) Bei langen Beförderungen von Hausequiden, Hausrindern, Hausschafen, Hausziegen und Hausschweinen führen amtliche Tierärzte an den Ausgangsorten und Grenzkontrollstellen die in Anhang II Abschnitt 3 „Bestimmungsort“ des Fahrtenbuchs vorgesehenen Kontrollen durch und zeichnen die Kontrollergebnisse auf. […] (3) Ist die zuständige Behörde der Auffassung, dass die Tiere zur Weiterbeförderung zum Endbestimmungsort nicht transportfähig sind, so veranlasst sie, dass die Tiere entladen, getränkt und gefüttert werden und ruhen können.“ Kommt ein Tiertransport an einen Ausgangsort30 oder eine Grenzkontrollstelle31 muss die für den jeweiligen Ort zuständige Behörde eine umfassende Kontrolle durchführen. Dabei ist zum einen zu prüfen, ob eine oder mehrere Vorschriften der TTVO einschließlich der Anhänge und der allgemeinen Vorgaben des Art. 3 TTVO verletzt werden. Zur Prüfung gehört dabei auch, ob Anhaltspunkte für die ernsthafte, realistische Möglichkeit bestehen, dass es auf dem Weitertransport zu einem Verstoß kommen wird.32 Werden Verstöße festgestellt, hat die zuständige Behörde nach Art. 23 TTVO alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das Wohlbefinden der Tier sicherzustellen. Weitere Maßnahmen normiert Art. 26 TTVO. Handelt es sich um einen langen, grenzüberschreitenden Tiertransport, müssen zum anderen amtliche Tierärzte der für den Ausgangsort/die Grenzkontrollstelle zuständigen Behörden die in Abschnitt 3 des Fahrtenbuchs vorgesehenen Kontrollen durchführen. Dazu gehört insbesondere die Prüfung, ob die nach Anhang I Kapitel V jeweils geltende Beförderungshöchstdauer, die Fütterungs - und Pflegeintervalle sowie die Ruhezeiten eingehalten sind.33 Sie haben den Abschnitt 3 des Fahrtenbuchs zu unterschreiben.34 Eine Kopie des Fahrtenbuchs verbleibt im Anschluss an die Prüfung beim Tiertransport. Das Original übergibt der Transportunternehmer dem amtlichen Tierarzt.35 3. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 23. April 2015 – C-424/13 Nachfolgend wird auf die für die Beantwortung der konkreten Fragen bedeutende EuGH-Entscheidung vom 23. April 2015 eingegangen. 30 Der Begriff wird legaldefiniert in Art. 2 lit. i) TTVO. 31 Der Begriff wird legaldefiniert in Art. 2 lit. d) TTVO. 32 So Hirt, Almuth/Maisack, Christoph/Moritz, Johanna (2016). A. a. O. (Fn. 23). EU-Tiertransport-VO Art. 21 Rn. 2. 33 Hirt, Almuth/Maisack, Christoph/Moritz, Johanna (2016). A. a. O. (Fn. 23). EU-Tiertransport-VO Art. 21 Rn. 3. 34 Siehe Anhang II Anlage Abschnitt 3 Ziff. 7. TTVO. 35 Siehe Anhang II Ziff. 7. TTVO. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 14 3.1. Sachverhalt und zu klärende Rechtsfrage Den Hintergrund des EuGH-Urteils bildete ein verwaltungsgerichtliches Verfahren in Deutschland , in dem es darum ging, ob ein beantragter etwa 7.000 km langer Tiertransport von Rindern von Deutschland über Polen, Weißrussland, Russland, Kasachstan bis nach Usbekistan nach Art. 14 Abs. 1 TTVO seitens der zuständigen Behörde genehmigt/abgestempelt werden musste, obwohl sich aus dem vom Organisator vorgelegten Fahrtenbuch (Abschnitt 1) ergab, dass die rechtlichen Vorgaben der TTVO insbesondere im Hinblick auf die Beförderungshöchstdauer nicht eingehalten werden sollten. Die den Genehmigungsantrag ablehnende Behörde war der Auffassung, dass die TTVO-Vorgaben auch für die Beförderung in den Drittländern gelten. Da deren Einhaltung nach den Planungsdaten im Fahrtenbuch nicht gewährleistet war, war die Genehmigung zu versagen. Das Unternehmen trat dieser Ansicht vor allem mit der Auffassung entgegen, die TTVO-Vorgaben würden nur auf den im räumlichen Geltungsbereich der TTVO stattfindenden Beförderungsabschnitt anzuwenden sein. Insofern legte das deutsche Gericht dem EuGH im Wege der Vorabentscheidung36 zwei Fragen vor37, nämlich ob „Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2005 dahin auszulegen ist, dass die Genehmigung eines Transports, der mit einer im Unionsgebiet beginnenden und außerhalb dieses Gebiets fortgeführten langen Beförderung der in Rede stehenden Tiere verbunden ist, durch die zuständige Behörde des Versandorts voraussetzt, dass der Organisator des Transports ein? Fahrtenbuch vorlegt, das wirklichkeitsnahe Angaben zur Planung der Beförderung enthält und daraus schließen lässt, dass die Bestimmungen dieser Verordnung auch für den in Drittländern stattfindenden Beförderungsabschnitt eingehalten werden, und dass die Behörde, wenn dies nicht der Fall ist, verlangen darf, die Planung so zu ändern, dass die Einhaltung dieser Bestimmungen für die gesamte Beförderung gewährleistet ist.“38 36 Siehe Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union. ABl. EU Nr. C 202 vom 07.06.2016. S. 47. 37 Für den konkreten Wortlaut der Fragen siehe Europäischer Gerichtshof (2015). A. a. O. (Fn. 2). Rn. 33. 38 Europäischer Gerichtshof (2015). A. a. O. (Fn. 2). Rn. 34. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 15 3.2. Urteilsspruch und Begründung Letztlich bejaht der EuGH diese Frage.39 Er begründet dies damit, dass bereits die TTVO selbst u. a. in Art. 5 Abs. 4, Art. 14, Art. 15 und Art. 21 Regelungen für lange Tiertransporte in Drittländer treffe. Zur Begründung dieses Urteils führte der EuGH weiter aus, dass die vom Organisator zu machenden Angaben in Abschnitt 1 des Fahrtenbuchs, „die u. a. die voraussichtlichen Ruhe-, Umlade- oder Ausgangsorte betreffen (Nr. 6), müssen , wie sich aus der Legaldefinition des Begriffs „Beförderung“ in Art. 2 Buchst. j der Verordnung Nr. 1/2005 ergibt, den gesamten vorgesehenen Transportvorgang vom Versand - zum Bestimmungsort umfassen. Daher muss das Fahrtenbuch bei einer langen Beförderung in Drittländer solche Angaben sowohl für den Beförderungsabschnitt enthalten, der im Unionsgebiet stattfindet, als auch für den Abschnitt, der in Drittländern stattfindet .“40 Darüber hinaus entschied der EuGH, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Beurteilung, ob das Fahrtenbuch wirklichkeitsnahe Angaben enthält und somit darauf schließen lässt, dass die Beförderung den TTVO-Vorgaben entsprechen wird, über ein gewisses Ermessen verfügt, „das es ihr ermöglicht, Unwägbarkeiten, die eine zum Teil in Drittländern stattfindende lange Beförderung mit sich bringt, angemessen Rechnung zu tragen. […] Sollten das Recht oder die Verwaltungspraxis eines zu durchquerenden Drittlands in nachprüfbarer und definitiver Weise der vollständigen Einhaltung bestimmter technischer Vorschriften dieser Verordnung entgegenstehen, darf die zuständige Behörde des Versandorts jedoch im Rahmen ihres Ermessens auch eine wirklichkeitsnahe Transportplanung akzeptieren, die insbesondere unter Berücksichtigung der Ausstattung der Transportmittel und der vorgesehenen Planung der Beförderung darauf schließen lässt, dass der vorgesehene Transport das Wohlergehen der Tiere in gleichem Maße gewährleisten wird wie die fraglichen technischen Vorschriften.“41 39 Nachdem der EuGH diese Frage bejaht hatte, erklärten die Parteien des Ausgangsverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Siehe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (2015). Beschluss vom 18.08.2015. Az. 9 BV 15.980. Link: http://www.gesetze-bayern.de/Content /Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-52041?hl=true&AspxAutoDetectCookieSupport=1 (letzter Abruf: 26.01.2017). 40 Europäischer Gerichtshof (2015). A. a. O. (Fn. 2). Rn. 50. 41 Europäischer Gerichtshof (2015). A. a. O. (Fn. 2). Rn. 52 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 16 4. Fragen zur praktischen Bedeutung des EuGH-Urteils vom 23. April 2015 – C-424/13 Vor dem Hintergrund der abstrakten Darstellung der wesentlichen rechtlichen Vorgaben der TTVO für behördliche und amtstierärztliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit langen Tiertransporten sowie des EuGH-Urteils sollen nachfolgend die aufgeworfenen Fragen zur praktischen Bedeutung dieses Urteils beantwortet werden. 4.1. Grundsätzliche Bedeutung des EuGH-Urteils für die Genehmigung langer Tiertransporte der Vergangenheit und Zukunft Die Frage danach, ob vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils die Genehmigungen für bestimmte lange Tierbeförderungen der Vergangenheit gesetzeskonform waren,42 kann ohne die Kenntnis der konkreten Umstände dieser Transporte nicht beantwortet werden. Entsprechende Unterlagen der zuständigen Behörden zu diesen vergangenen Tiertransporten liegen nicht vor. Was die Bedeutung für zukünftig zu genehmigende lange Tiertransporte angeht, ergibt sich aus dem EuGH-Urteil, dass eine behördliche Genehmigung nach Art. 14 TTVO dann zu versagen ist, wenn bei einem langen Transport die nicht lediglich fern liegende sondern ernsthafte, realistische Möglichkeit besteht, dass es im Drittland (sei es an einem Umladeort, während der Fahrt oder beim Entladen am Bestimmungsort) zu einem Verstoß gegen die TTVO-Vorgaben kommen wird und sich diese Möglichkeit nicht durch eine Anordnung zur Änderung der Transportplanung hinreichend sicher ausschließen lässt.43 Eine Recherche nach Informationen darüber, wie sich das EuGH-Urteil auf die konkrete Praxis der Behörden etwa im Hinblick auf die Ermittlung der Tatsachen auswirkt, die für die rechtlichen Prüfungen nach Art. 14 TTVO erforderlich sind, verlief ohne Ergebnis. 4.2. Bedeutung des EuGH-Urteils für die tierärztlichen Kontrollen an Ausgangsorten und Grenzkontrollstellen Wie oben gezeigt, haben bei langen, grenzüberschreitenden Tiertransporten an den Ausgangsorten bzw. Grenzkontrollstellen umfassende Kontrollen durch amtliche Tierärzte nach Art. 21 TTVO stattzufinden. Gegenstand der Kontrollen ist dabei die Konformität der gesamten Beförderung mit den Vorgaben der TTVO und insbesondere mit den Regelungen zur Beförderungshöchstdauer , zu den Fütterungs- und Pflegeintervallen sowie zu den Ruhezeiten. 42 Gegenstand der Frage waren insbesondere Tiertransporte im Sommer 2016, die über die bulgarisch-türkische Grenze in die Türkei gehen sollten und in deren Verlauf es zu massiven Verletzungen der einschlägigen TTVO- Bestimmungen gekommen sein soll. Siehe dazu u. a. den Bericht des ARD-Europamagazins vom 28.08.2016. Link: http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/sendung/eu-tuerkei-tiertransporte -102.html (letzter Abruf: 26.01.2017). 43 So Hirt, Almuth/Maisack, Christoph/Moritz, Johanna (2016). A. a. O. (Fn. 23). EU-Tiertransport-VO Art. 14 Rn. 13. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 17 Dabei ist auch zu prüfen, ob Anhaltspunkte für die ernsthafte, realistische Möglichkeit bestehen, dass es auf dem Weitertransport zu Verstößen kommen wird.44 In Fällen, in denen beispielsweise nicht abschätzbar ist, wie lange die Erledigung von Grenzformalitäten zur Einfuhr der transportierten Tiere in Drittländer dauert, könnten weitere Umstände wie etwa die konkreten Witterungsbedingungen durchaus als Anhaltspunkte dafür dienen, dass der auf Seiten des Mitgliedstaats zuständige Amtstierarzt eine solche ernsthafte, realistische Möglichkeit eines Verstoßes bejaht. In diesem Zusammenhang kann die Vorgabe des Anhangs I Kapitel I Nr. 1. TTVO von Bedeutung sein, dass Tiere nur transportiert werden dürfen, wenn sie transportfähig sind und wenn gewährleistet ist, dass ihnen unnötige Verletzungen und Leiden erspart bleiben. Gleiches könnte gelten, wenn dieser Amtstierarzt Kenntnis davon hat, dass die vorgeschriebenen Ruhephasen während des weiteren Transports in Drittländern nicht in der insbesondere von Anhang I Kapitel V TTVO vorgeschriebenen Art und Weise (Entladung, Füttern, Tränken der Tiere und Einhaltung einer Ruhezeit von mindestens 24 Stunden) gewährt werden. Bejaht der auf Seiten des Mitgliedstaats zuständige Amtstierarzt in solchen Fällen das Vorliegen von Anhaltspunkten und hält er es deswegen ernsthaft und realistisch für möglich, dass es auf dem Weitertransport zu Verstößen gegen Vorgaben der TTVO kommen wird, sind diejenigen Anordnungen zu erlassen, die geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind, um sicherzustellen, dass die Verstöße vermieden werden.45 Fraglich ist letztlich, ob der auf Seiten des Mitgliedstaats zuständige Amtstierarzt einen Tiertransport an einem Ausgangsort bzw. einer Grenzkontrollstelle abfertigen darf, wenn er weiß, dass die Tiere am vorgesehenen Bestimmungsort sogleich auf Fahrzeuge des Bestimmungslandes zum Weitertransport umverladen werden und die Tiere somit weder 48 Stunden vor der Weiterbeförderung untergebracht noch gleich geschlachtet werden. In diesem Fall spricht viel dafür, dass es sich bei diesem Ort nicht um den Bestimmungsort im Sinne der Vorgaben der TTVO, sondern vielmehr um einen Ruhe- oder Umladeort im Sinne des Art. 2 lit. t) TTVO handelt. Danach ist ein Ruhe- oder Umladeort definiert als „jeder Halt während der Beförderung, der kein Bestimmungsort ist, einschließlich eines Ortes, an die Tiere, auch ohne entladen zu werden, von einem Transportmittel auf ein anderes umgeladen werden“. Dies hätte zur Folge, dass die Beförderung, definiert in Art. 2 lit. s) TTVO als der gesamte Transportvorgang vom Versand- zum Bestimmungsort, einschließlich des Entladens, Unterbringens und Verladens an Zwischenstationen, mit der Umverladung der Tiere auf Fahrzeuge des Bestimmungslandes noch nicht beendet wäre. Vielmehr müsste der Weitertransport im Bestimmungsland noch als Teil der Beförderung den Vorgaben der TTVO unterliegen und der zuständige 44 So Hirt, Almuth/Maisack, Christoph/Moritz, Johanna (2016). A. a. O. (Fn. 23). EU-Tiertransport-VO Art. 21 Rn. 5. 45 So So Hirt, Almuth/Maisack, Christoph/Moritz, Johanna (2016). A. a. O. (Fn. 23). EU-Tiertransport-VO Art. 21 Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 5 - 3000 - 001/17 Seite 18 Amtstierarzt hätte zu prüfen, ob Anhaltspunkte für die ernsthafte, realistische Möglichkeit bestehen , dass es auf dem Weitertransport zu Verstößen kommen wird. Ist das der Fall, hätte er auch hier diejenigen Anordnungen zu erlassen, die geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind, um sicherzustellen, dass die Verstöße vermieden werden. * * *