Deutscher Bundestag Fragen zu den deutschen Goldreserven Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 – 182/10 WD 11 – 3000 - 161/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 182/10 WD 11 – 3000 - 161/10 Seite 2 Fragen zu den deutschen Goldreserven Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 11 – 3000 - 161/10, WD 4 – 3000 - 182/10 Abschluss der Arbeit: 29.07.2010 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen; WD 11: Europa Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 182/10 WD 11 – 3000 - 161/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Wie gelangte die Bundesbank in den Besitz ihrer gegenwärtigen Goldreserven? 4 2. Auf welcher Grundlage werden die Goldvorräte durch die Bundesbank bewertet und wie würden diese Vorräte zu bewerten sein, wenn der marktübliche Goldpreis zugrundegelegt wird? 4 3. Welche Goldverkäufe hat die Bundesbank in den Jahren 2007 bis 2010 getätigt und welche Einnahmen wurden damit erzielt? Wie wurden diese Einnahmen verwendet? 5 4. Europarechtliche Vorgaben zum wertmäßigen und materiellen Umfang der Goldreserven 6 5. Europarechtliche Dispositionsbeschränkungen über die Goldreserven der nationalen Zentralbanken durch die nationalen Verfassungsorgane 7 6. Dispositionsmöglichkeiten der deutschen Verfassungsorgane über die Goldreserven der Bundesbank 8 6.1. Bundesregierung 9 6.2. Bundestag 10 7. Welche Informationspflichten hat die Bundesbank gegenüber den deutschen Verfassungsorganen im Hinblick auf die Lagerung der Goldreserven? 11 7.1. Wo befinden sich die Goldreserven? 11 7.2. Welcher Anteil der deutschen Goldreserven befindet sich in ausländischen Staaten, darunter in den USA und Großbritannien? 12 7.3. Welche sachlichen Gründe haben dazu geführt, dass ein erheblicher Teil der Reserven sich nicht auf deutschem Territorium befindet? 12 8. Welche Überlegungen der Regierungen anderer Staaten sind bekannt, ihre Goldreserven ganz oder teilweise aus den USA abzuziehen und in Einrichtungen auf ihrem Territorium zu überführen? 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 182/10 WD 11 – 3000 - 161/10 Seite 4 1. Wie gelangte die Bundesbank in den Besitz ihrer gegenwärtigen Goldreserven? Bei der Einführung der D-Mark verfügte die Bundesrepublik über so gut wie keine Währungsreserven 1. Die Währungsreserven, darunter insbesondere die Goldbestände, erwuchsen der Deutschen Bundesbank zur Zeit des Bretton-Woods-Systems vor dem Hintergrund der zunehmenden Leistungsbilanzüberschüsse. Die Goldreserven stiegen hierbei hauptsächlich durch Übertragungen von Defizitländern im Rahmen des Zahlungsausgleichs der Europäischen Zahlungsunion (EZU). Namentlich stiegen die Goldbestände in dieser Zeit von Null im Jahr 1950 bis auf knappe 12,5 Mrd DM2 im Jahr 1960. Die EZU war ein am 19. September 1950 unterzeichnetes und rückwirkend zum 1. Juni desselben Jahres in Kraft getretenes Abkommen. Es regelte im Rahmen eines multilateralen Verrechnungsund Beistandskreditsystems den Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten der Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (Organization for European Economic Cooperation (OEEC)), um auf diese Weise zur schrittweisen Herstellung der freien Konvertibilität der beteiligten Währungen beizutragen. 2. Auf welcher Grundlage werden die Goldvorräte durch die Bundesbank bewertet und wie würden diese Vorräte zu bewerten sein, wenn der marktübliche Goldpreis zugrundegelegt wird? Die Bewertung der Goldbestände erfolgt entsprechend der „Grundsätze zur Rechnungslegung der Deutschen Bundesbank“ zum Marktpreis zum Bilanzstichtag. Diese entsprechen den Bewertungsvorschriften in Art. 8 des Beschlusses der Europäischen Zentralbank vom 10. November 2006 über den Jahresabschluss der Europäischen Zentralbank (EZB/2006/17). Die Entwicklung des Bilanzwerts der Bestände seit dem Jahr 2000 lässt sich der folgenden Übersicht entnehmen3. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert des Goldes zum jeweiligen Marktpreis und dem niedrigeren (historischen) Anschaffungswert wird in der Bilanz in der Passivposition „Ausgleichsposten aus Neubewertung“ ausgewiesen. Jahr Goldbestand in Mio. € 2000 32.676 1 Angaben der Deutschen Bundesbank auf Anfrage. 2 Zur Entwicklung des mengenmäßigen Goldbestandes der Deutschen Bundesbank seit 1950 vgl. André Bartholomae , Das Gold der Notenbanken – Funktion und Bedeutung, Frankfurt am Main, 17. März 2010, S. 24. Im Internet unter: http://www.geldmuseum.de/download/museumsabend_20100317.pdf 3 Zur Entwicklung des Bilanzwerts des Goldbestandes der Deutschen Bundesbank seit 1950 vgl. André Bartholomae , Das Gold der Notenbanken – Funktion und Bedeutung, Frankfurt am Main, 17. März 2010, S. 25. Im Internet unter: http://www.geldmuseum.de/download/museumsabend_20100317.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 182/10 WD 11 – 3000 - 161/10 Seite 5 2001 35.005 2002 36.208 2003 36.533 2004 35.495 2005 47.924 2006 53.114 2007 62.433 2008 68.200 2009 83.900 3. Welche Goldverkäufe hat die Bundesbank in den Jahren 2007 bis 2010 getätigt und welche Einnahmen wurden damit erzielt? Wie wurden diese Einnahmen verwendet? Die Bundesbank tätigt Goldverkäufe an den Bund zur Ausprägung von Goldmünzen. In den Jahren 2007 bis 2010 wurden folgende Goldbestände an den Bund verkauft4: 2007: Goldverkäufe in Höhe von 5.134 kg zur Ausprägung von Goldmünzen /realisierte Gewinne in Höhe von 68 Mio. Euro 2008: Goldverkäufe in Höhe von 4.810 kg zur Ausprägung von Goldmünzen/realisierte Gewinne in Höhe von 76 Mio. Euro 2009: Goldverkäufe in Höhe von 5.809 kg zur Ausprägung von Goldmünzen/realisierte Gewinne in Höhe von 112 Mio. Euro 2010: Stand 09.07.2010 - bisher keine Goldverkäufe im Jahr 2010 Die realisierten Gewinne aus Goldverkäufen ergeben sich als Differenz zwischen dem jeweiligen Marktkurs des Goldes zum Verkaufszeitpunkt und dem Anschaffungskurs. Die Gewinne fließen in die GuV-Position 2 "Nettoergebnis aus Finanzoperationen, Abschreibungen und Risikovorsorge " und erhöhen den gem. § 27 BBankG von der Bundesbank an den Bund abzuführenden Gewinn . Der Gewinn wird vom Bundesministerium für Finanzen zur Finanzierung des Bundeshaushaltes bzw. zur Schuldentilgung verwendet. 4 Angaben der Deutschen Bundesbank auf Anfrage Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 182/10 WD 11 – 3000 - 161/10 Seite 6 4. Europarechtliche Vorgaben zum wertmäßigen und materiellen Umfang der Goldreserven Art. 127 Abs. 2 3. Spiegelstrich des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)5 nennt als eine der grundlegenden Aufgaben des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), „die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten“. Diese Vorschrift wird in der ESZB-Satzung, insb. in Art. 30 und 31 ESZB-Satzung, konkretisiert. Geregelt wird insb. die interne Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Zentralbank (EZB) und den nationalen Zentralbanken. Die EZB hält nur einen kleinen Teil der Währungsreserven und auch nur solche, die nicht aus Währungen der Mitgliedstaaten, IWF-Reservepositionen oder ähnlichen Währungsreserven bestehen dürfen6. Die Obergrenze liegt bei 50 Mrd. Euro7. Derzeit umfassen die von der EZB gehaltenen Währungsreserven ca. 40 Mrd. Euro8, 85% hiervon in Devisenbeständen, 15 % in Gold9. Der von den jeweiligen nationalen Zentralbanken zu erbringende Anteil richtet sich nach dem jeweiligen Anteil am gezeichneten Kapital der EZB10. Der überwiegende Teil der Währungsreserven verbleibt bei den nationalen Zentralbanken. Der Wortlaut der einschlägigen Vorschrift des Art. 127 Abs. 2 3. Spiegelstrich AEUV, wo vom „halten und verwalten der Währungsreserven der Mitgliedstaaten“ die Rede ist, legt nicht fest, in welchem Umfang die Mitgliedstaaten Währungsreserven zu halten haben. Die nationalen Zentralbanken müssen den Vorgaben der EZB folgen11. Das Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (ESZB- Satzung) sieht allerdings keine Kompetenz der EZB vor, den nationalen Zentralbanken vorzugeben , in welchem Umfang diese Mindestwährungsreserven vorzuhalten haben. Zu Mindestreserven kann die EZB nach Art. 19 ESZB-Satzung nur die in den Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstituten verpflichten. Hinsichtlich der Währungsreserven in den nationalen Zentralbanken sieht Art. 31 ESZB-Satzung nur Zustimmungsvorbehalte der EZB zu Geschäften mit diesen Währungsreserven vor, soweit diese einen bestimmten in einer Richtlinie des EZB-Rates festgelegten Betrages überschreiten. Der Genehmigungsvorbehalt betrifft solche Transaktionen, die aufgrund ihrer Größenordnung geeignet sein können, eine einheitliche Geldpolitik zu gefährden12. 5 Konsolidierte Fassung. ABl. 2010 C 83/47 6 Art. 30.1 ESZB-Satzung 7 Art. 30.1 ESZB-Satzung 8 EZB Jahresbericht 2009, S. 230 9 Europäische Zentralbank, Die Europäische Zentralbank. Das Eurosystem, 2006, S. 13 10 Dazu Gaitanides, Das Recht der Europäischen Zentralbank, 2005, S. 58; die jeweiligen Anteile sind im Jahresbericht der EZB 2009 S. 230 ausgewiesen. 11 Potacs, in: Holanbek/Potacs, Handbuch des öffentlichen Wirtschaftsrechts Bd. 1, S. 1183 12 Griller/Dutzler, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 105 EGV Rn. 39 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 182/10 WD 11 – 3000 - 161/10 Seite 7 5. Europarechtliche Dispositionsbeschränkungen über die Goldreserven der nationalen Zentralbanken durch die nationalen Verfassungsorgane Die der EZB übertragenen Währungsreserven sind dem externen Zugriff entzogen. Ob die Ausstattung der EZB mit Währungsreserven als Übereignung zu interpretieren ist13 kann dahin stehen . Jedenfalls ist eine Rückübertragung von Währungsreserven auf die nationalen Zentralbanken nicht vorgesehen. Die EZB kann zudem die ihr übertragenen Devisenreserven für die in ihrer Satzung vorgesehenen Zwecke verwenden14. Es stellt sich die weitere Frage, in welchem Umfang die Verfassungsorgane der Mitgliedstaaten Einfluss auf die Währungsreserve ihrer Zentralbanken Kontrolle ausüben können und Einfluss auf ihre Verwendung haben. Art. 127 Abs. 3 3. Gedankenstrich AEUV weist dem ESZB, damit auch den nationalen Zentralbanken, als grundlegende Aufgabe zu, „die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten zu halten und zu verwalten“. Durch europäisches Recht ist damit zunächst nicht vorgegeben, wer Eigentümer der Währungsreserven ist. Die bestimmt sich nach den Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten15. Es gibt eine Reihe von Gründen, die für die Annahme sprechen, das EU-Recht entziehe den EU-Mitgliedstaaten bzw. begrenze die Möglichkeit, den nationalen Zentralbanken Weisungen zum Umgang mit Währungsreserven zu erteilen oder hierüber selber zu disponieren. Nach Art. 130 AEUV darf weder der EZB noch einer nationalen Zentralbank noch einem Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Einrichtungen der EU noch von Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen eingeholt oder entgegengenommen werden. Das Weisungsverbot bezieht sich allerdings nur auf die dem ESZB durch die Verträge und die Satzung des ESZB übertragenen Befugnisse16, bezieht sich damit nicht auf Vorhaben außerhalb der ESZB-Satzung17. Weisungen zu Transaktionen mit den Währungsreserven und zur Durchführung der operationellen Verwaltung gelten danach als unzulässig18, während ein einmaliger, außerordentlicher Verkauf von Währungsreserven auf Grundlage nationaler Vorgaben zulässig sein können, soweit es sich hierbei um eine außerhalb der ESZB-Satzung bezeichneten Aufgaben handelt, die die nationalen Zentralbanken in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung, auch auf Weisung der Mitgliedstaaten wahrnehmen19. Diese Befugnis findet allerdings ihre Grenze in der finanziellen Unabhängigkeit der EZB. Dispositionen über die natio- 13 So Griller/Dutzler, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 105 EGV Rn. 36 14 Art. 30.1. UAbs. 3 Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank; Griller/Dutzler, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 105 EGV Rn. 36 15 Griller/Dutzler, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 105 EGV Rn. 40 16 Art. 130 AEUV 17 Amtenbrink/de Haan, The European Central Bank: An independent specialized organization of community law – A comment, in: Common Market review 2002, S. 65 (70 f.) 18 Griller/Dutzler, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 105 EGV Rn. 42 19 Vgl. Art. 14.4 ESZB-Satzung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 182/10 WD 11 – 3000 - 161/10 Seite 8 nalen Währungsreserven dürfen damit die Fähigkeit der EZB nicht in Frage stellen, die ihr übertragenen Aufgaben – etwa die Stützung des Außenwertes des Euro – erfüllen zu können20. Aus dem Verbot, Kredite oder Überziehungsfazilitäten für öffentliche Einrichtungen durch die EZB oder nationale Zentralbanken bereitzustellen (Art. 123 AEUV; VO (EG) Nr. 3603/93), lassen sich keine Beschränkung für eine Reduktion der Währungsreserve entnehmen. Dementsprechend steht diese Regelung auch nicht dem jährlichen Transfer der Gewinne der Zentralbanken an den öffentlichen Sektor entgegen21. Transaktionen der nationalen Zentralbanken mit ihren Währungsreserven unterliegen ab einem bestimmten, von EZB festzulegenden Schwellenwert dem Genehmigungsvorbehalt der EZB22. Die Betragsgrenzen, bei deren Überschreiten die nationalen Zentralbanken im Sinn des Artikels 31.2 die Genehmigung der EZB einzuholen haben, werden nicht veröffentlicht23. Alle Geschäfte der nationalen Zentralbanken mit den verbleibenden Teilen der Währungsreserven, die einen vom EZB-Rat festzulegenden Rahmen überschreiten, können daher nur mit der Zustimmung der EZB durchgeführt werden. Der EZB-Rat kann Richtlinien verabschieden, die zur Vereinfachung solcher Geschäfte beitragen. Transaktionen, die der Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber internationalen Institutionen dienen und Geschäfte, die die Höchstbeträge nicht überschreiten, sind nicht zustimmungspflichtig24. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass die Geld- und Wechselkurspolitik der Europäischen Zentralbank in irgendeiner Weise durch die nationalen Zentralbanken gestört wird. 6. Dispositionsmöglichkeiten der deutschen Verfassungsorgane über die Goldreserven der Bundesbank Der deutsche Gesetzgeber hat in § 3 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (BBankG) der Bundesbank das Halten und Verwalten der Währungsreserven der Bundesrepublik Deutschland als eine ihrer zentralen Aufgaben zugewiesen. Bestandteil dieser Währungsreserven sind die Goldbestände. Der Vorstand der Deutschen Bundesbank leitet die Geschäfte der Bank (§ 7 BBankG). Zu diesen Geschäften gehört das Kaufen und Verkaufen von Gold an Kreditinstitute und andere Marktteilnehmer (§ 19 Nr. 6 BBankG). Beschränkungen finden diese Transaktionen in den Vorgaben der EZB (siehe oben Fragen 4 und 5). Es stellt sich nun die Frage, ob und in welchem Umfang die deutschen Verfassungsorgane wie die Bundesregierung oder der Bundestag das Halten und Verwalten der Währungsreserven durch die Deutsche Bundesbank beeinflussen können. 20 Griller/Dutzler, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 105 EGV Rn. 42 21 Griller/Dutzler, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 105 EGV Rn. 43 22 Art. 31.3 ESZB-Satzung 23 Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Wirtschaftsstandort Österreich, 2001, S. 106 24 Art. 31.2 ESZB-Satzung in Verbindung mit Art. 31.3 ESZB-Satzung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 182/10 WD 11 – 3000 - 161/10 Seite 9 6.1. Bundesregierung Das Verhältnis der Bundesbank zur Bundesregierung ist zunächst einfachgesetzlich in § 12 BBankG geregelt. Danach ist die Deutsche Bundesbank bei der Ausübung der Befugnisse, die ihr nach dem BBankG zustehen, von Weisungen der Bundesregierung unabhängig. Nach der überwiegenden Auffassung der Literatur ist die Unabhängigkeit auch verfassungsrechtlich geboten. Zwar ergäbe sich die verfassungsrechtliche Autonomie nicht bereits aus Art. 88 Satz 1 Grundgesetz (GG), nach dem der Bund eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank errichtet25. Jedoch legt Art. 88 Satz 2 GG fest, dass die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Bundesbank nur auf eine EZB übertragen werden sollen, die unabhängig sei. Zusammen mit dem Normzweck, wonach nicht nur die EZB, sondern das gesamte EZBS und damit auch die Bundesbank gemeint sei, garantiere Art. 88 Satz 2 GG zumindest mittelbar die Unabhängigkeit der Bundesbank26. Die verfassungsrechtliche Unabhängigkeitsgewähr bedeutet völlige Weisungsfreiheit im Hinblick auf gesetzlich eröffnete Gestaltungsspielräume im Bereich der währungspolitischen Aufgaben27. Neben der Fachaufsicht fehlt es auch an einer Rechtsaufsicht28. In geld- und währungspolitischen Angelegenheiten kann die Bundesregierung daher selbst bei rechtswidrigem Verhalten der Bundesbank nicht eingreifen29. Die Sonderstellung der Deutschen Bundesbank unterstreicht § 29 Absatz 1 BBankG. Danach hat der Vorstand die Stellung einer obersten Bundesbehörde. Eine ministerielle Weisung in Bezug auf Dispositionen hinsichtlich der Goldbestände ist daher ausgeschlossen30. Begrenzt wird die Autonomie der Bundesbank durch ihre Unterstützungspflicht hinsichtlich der allgemeinen Währungspolitik der Bundesregierung, soweit ihr dies als Bestandteil des EZBS möglich ist (§ 12 Satz 2 BBankG). Wobei die Unterstützungspflicht nicht jede einzelne Maßnahme der Bundesregierung, sondern nur die Grundlinie umfasst31. Im Konfliktfall soll der Währungssicherung vor der Unterstützungspflicht Vorrang zukommen32. Für Gramlich folgt aus der 25 vgl. Remmert, Beck’scher Online-Kommentar GG, Stand 06.2010, Art. 88, Rn. 14 m.w.N. 26 Remmert, Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 88, Rn. 15, Herdegen, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Lfg 34, Juni 1998, Art. 88, Rn. 55 27 Herdegen, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Lfg 34, Juni 1998, Art. 88, Rn. 56 28 Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, 1988, S. 179 29 Häde/Hahn, in: Bonner Kommentar, 93. Lieferung, Dezember 1999, Art. 88, Rn. 258 30 vgl. Gramlich, „Lockruf des Goldes“ – Zu einigen aktuellen Rechtsfragen von Währungsreserven, in: Wertpapiermitteilungen vom 02. Juli 2005, S. 1201, 1207, der dies auf Weisungen hinsichtlich der Veräußerung von Goldreserven bezog. 31 Blanke, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, 5. Aufl. 2005, Art. 88 Satz 1, Rn. 30 32 Haug, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, Rn. 24 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 182/10 WD 11 – 3000 - 161/10 Seite 10 Unterstützungspflicht das Recht eines Ressortministers, auf von ihm für sachdienlich erachtete Maßnahmen der Bundesbank hinzuweisen33. 6.2. Bundestag Nach Art. 20 Absatz 3 GG ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden. Als Teil der Bundesexekutive untersteht die Bundesbank deshalb grundsätzlich der Gesetzgebungsgewalt des Deutschen Bundestages. Eine Berufung auf die Unabhängigkeit der Bundesbank gegenüber dem Gesetzgeber wäre daher unzulässig34. Ob der Bundestag durch schlichte Parlamentsbeschlüsse Einfluss auf geldpolitische Entscheidungen nehmen darf, ist umstritten. Nach einer Ansicht wäre auch dies nicht mit dem gemeinschaftsrechtlichen Autonomiestatus einer nationalen Zentralbank zu vereinbaren35. Die Gegenauffassung stellt auf die rechtliche Unverbindlichkeit solcher Parlamentsbeschlüsse ab36. Das Parlament kann jedoch rechtliche Regelungen in Bezug auf Tätigkeit, Organisation und auch Stellung der Bundesbank erlassen37. Allerdings müssen sie sowohl im Einklang mit der institutionellen Garantie aus Art. 88 S. 1 GG als auch mit der durch Satz 2 vermittelten Unabhängigkeit der Bundesbank stehen. Insofern sind Rechtsnormen, die die Bundesbank zu einer von der Bundesregierung weisungsabhängigen Behörde degradieren würden , verfassungswidrig. Ebenso ist es dem Parlament versagt, konkrete geldpolitische Entscheidungen durch Gesetz zu steuern38. Dies verstieße gegen europäisches Recht (siehe Frage 5). Inwiefern das Parlament neben den dargestellten Beschränkungen sonstige Entscheidungen hinsichtlich der Währungsreserven durch Gesetz - etwa ein einmaliger, außerordentlicher Verkauf von Goldreserven oder die Verlagerung von Goldreserven ins Inland – treffen kann, wird in der Literatur kaum diskutiert. So zeigt Gramlich exemplarisch am „Gesetz über die Ausprägung einer 1-DM-Goldmünze und die Errichtung der Stiftung „Geld und Währung“ vom 27.12.2000 39, dass ein einmaliger, außerordentlicher Verkauf von Goldreserven zur Finanzierung gesetzgeberischer Vorhaben zulässig sein kann. In der Begründung des Gesetzesentwurfes heißt es dazu, dass die Goldmünzen im Auftrag und für Rechnung der Deutschen Bundesbank unter Einsatz eines kleinen Teils ihrer Goldreserven geprägt werden40. Der Nettoerlös aus dem Verkauf der Goldmünzen sollte der Stiftung „Geld und Währung“ als Vermögen zufließen sowie als finanzieller Beitrag zur 33 Gramlich, „Lockruf des Goldes“ – Zu einigen aktuellen Rechtsfragen von Währungsreserven, in: Wertpapiermitteilungen vom 02. Juli 2005, S. 1201, 1207 34 Blanke, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, 5. Aufl. 2005, Art. 88 Satz 1, Rn. 35 (m.w.N.) 35 Herdegen, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Lfg 34, Juni 1998, Art. 88, Rn. 58 36 Siebelt, Der juristische Verhaltensspielraum der Zentralbank, 1988, S. 185; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschalnd, Band II, München 1980, § 35 Die Bundesbank, V 3 a (S. 499) 37 Blanke, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, 5. Aufl. 2005, Art. 88 Satz 1, Rn. 35, Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, München 1980, § 35 Die Bundesbank, V 6 (S. 506) 38 Herdegen, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Lfg 34, Juni 1998, Art. 88, Rn. 58 39 vgl. Gramlich, „Lockruf des Goldes“ – Zu einigen aktuellen Rechtsfragen von Währungsreserven, in: Wertpapiermitteilungen vom 02. Juli 2005, S. 1201, 1207 40 BT-Drucks. 14/4225 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 182/10 WD 11 – 3000 - 161/10 Seite 11 Sanierung der Berliner Museumsinsel dienen. Soweit europarechtliche Beschränkungen berücksichtigt und keine konkreten geldpolitischen Entscheidungen getroffen werden, können nach hiesiger Ansicht grundsätzlich auch sonstige Dispositionen hinsichtlich der Währungsreserven durch Gesetz zulässig sein. Die dargestellten Dispositionsbeschränkungen werfen die Frage auf, wie diese unter demokratieund rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zu bewerten sind. Diese Einschränkung der demokratischen Legitimation berührt das in Artikel 20 GG niedergelegte Demokratieprinzip41. Das Bundesverfassungsgericht hielt in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 1993 zum Vertrag von Maastricht diese Einschränkung mit Artikel 79 Abs. 3 GG vereinbar: „Diese Modifikation des Demokratieprinzips im Dienste der Sicherung des in eine Währung gesetzten Einlösungsvertrauens ist vertretbar, weil es der – in der deutschen Rechtsordnung erprobten und, auch aus wissenschaftlicher Sicht, bewährten – Besonderheit Rechnung trägt, dass eine unabhängige Zentralbank den Geldwert und damit die allgemeine ökonomische Grundlage für die staatliche Haushaltspolitik und für private Planungen und Dispositionen bei der Wahrnehmung wirtschaftlicher Freiheitsrechte eher sichert als Hoheitsorgane, die ihrerseits in ihren Handlungsmöglichkeiten und Handlungsmitteln wesentlich von Geldwert und Geldmenge abhängen und auf die kurzfristige Zustimmung politischer Kräfte angewiesen sind. Insofern genügt die Verselbständigung der Währungspolitik in der Hoheitskompetenz einer unabhängigen Europäischen Zentralbank, die sich nicht auf andere Politikbereiche übertragen lässt, denen das Demokratieprinzip modifiziert werden darf“42. 7. Welche Informationspflichten hat die Bundesbank gegenüber den deutschen Verfassungsorganen im Hinblick auf die Lagerung der Goldreserven? Die Transparenzpflichten der Bank sind in § 26 BBankG geregelt. Soweit die Pflichten gegenüber der Bundesregierung und dem Bundestag betroffen sind, regelt § 26 Abs. 5 BBankG folgendes: "(5) Der Jahresabschluss, die Plankostenrechnung, der Investitionsplan, die Plan/Ist-Analyse und die Prüfungsberichte des Wirtschaftsprüfers sind dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesrechnungshof zuzuleiten. Der Deutsche Bundestag erhält den Jahresabschluss, die Plan/Ist-Analyse und die Prüfungsberichte des Wirtschaftsprüfers." 7.1. Wo befinden sich die Goldreserven? Die Bundesbank hält einen Teil ihrer Goldbestände in eigenen Tresoren im Inland43. Weitere Bestände werden insbesondere an den wichtigen Goldhandelsplätzen bei den dort ansässigen Zent- 41 Pernice, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Band III, 2. Auflage, Tübingen 2008, Art. 88, Rn. 27 f.; vgl. auch: Herdegen, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Lfg. 34, Juni 1998, Art. 88, Rn. 53 m.w.N. 42 BVerfGE 89, 155 [208 f.]; vgl. auch BVerwGE 41, 334 [356]. Kritisch hierzu zu Recht: Pernice, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Band III, 2. Auflage, Tübingen 2008, Art. 88, Rn. 27; Häde/Hahn, in: Bonner Kommentar, 93. Lieferung, Dezember 1999, Art. 88, Rn. 250 m.w.N. 43 Angaben der Deutschen Bundesbank auf Anfrage Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 182/10 WD 11 – 3000 - 161/10 Seite 12 ralbanken verwahrt (New York: Federal Reserve Bank, London: Bank of England). Daneben wird ein Teil bei der Banque de France in Paris gehalten. 7.2. Welcher Anteil der deutschen Goldreserven befindet sich in ausländischen Staaten, darunter in den USA und Großbritannien? Zu dieser Teilfrage teilte die Deutsche Bundesbank mit, dass sie keine näheren Angaben zur Verwaltung der Währungsreserven, einer Aufgabe, die die Deutsche Bundesbank als nationale Zentralbank im Europäischen System der Zentralbanken wahrnimmt, machen könne. Insbesondere mit Blick auf den vertraulichen Charakter der Angaben zu den Lagerstätten der Goldbestände könne nicht genauer mitgeteilt werden, an welchen Orten welche Mengen Gold gelagert werden . 7.3. Welche sachlichen Gründe haben dazu geführt, dass ein erheblicher Teil der Reserven sich nicht auf deutschem Territorium befindet? Hinsichtlich der Verwahrung an den wichtigen Großhandelsplätzen teilte die Deutsche Bundestag auf Anfrage mit, dass sich dies historisch und marktbedingt so ergeben habe, weil das Gold an diesen Handelsplätzen seinerzeit an die Bundesbank übertragen wurde. Es ist eine gängige Praxis , dass Notenbanken einen Teil ihrer Goldreserven im Ausland halten. Neben der Deutschen Bundesbank haben weitere Notenbanken und offizielle Stellen Gold bei ausländischen Zentralbanken gelagert. Laut eigenen Angaben verwahrt beispielsweise die Federal Reserve of New York Goldbestände von nahezu 60 verschiedenen Notenbanken bzw. staatlichen Stellen. Über die bei den ausländischen Notenbanken verwahrten Goldbestände kann die Bundesbank zu jeder Zeit verfügen. Bei der Lagerung der Goldbestände lässt sich die Bundesbank von den Grundsätzen der Sicherheit , Kosteneffizienz und Liquidität leiten. Die Lagerung im Ausland ist betriebswirtschaftlich sinnvoll, solange sie kostengünstiger ist als der Transport nach Deutschland und der Bau zusätzlicher Tresoranlagen. Zu weiteren grundsätzlichen Erwägungen bei der Lagerung von Gold gehört die Diversifizierung der Lagerstellen. Zur Durchführung von Goldaktivitäten (wie z. B. der Goldleihe ) ist es zudem erforderlich, an den Handelsplätzen Goldbestände vorzuhalten. 8. Welche Überlegungen der Regierungen anderer Staaten sind bekannt, ihre Goldreserven ganz oder teilweise aus den USA abzuziehen und in Einrichtungen auf ihrem Territorium zu überführen? Nach den hier vorliegenden Informationen (Datenbankrecherchen der Hotline W) haben die Regierungen anderer Staaten nicht die Absicht, ihre Goldreserven ganz oder teilweise aus den USA abzuziehen und in Einrichtungen auf ihrem Territorium zu überführen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 182/10 WD 11 – 3000 - 161/10 Seite 13