Deutscher Bundestag Solvency II Berechnung der Solvenzkapitalanforderungen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 – 257/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 257/12 Seite 2 Solvency II Berechnung der Solvenzkapitalanforderungen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 – 257/12 Abschluss der Arbeit: 16. November 2012 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 257/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Bestimmung des Zielsolvenzkapitals unter Zugrundelegung einer „Ruinwahrscheinlichkeit“ von 0,5 % 4 2.1. Finanzmathematische Bedeutung des Konfidenzniveaus von 99,5 % (Fragen 3 a, b und c) 5 2.1.1. Berechnung des Solvenzkapitals 6 2.1.2. Berücksichtigung von exogenen Schocks und Dominoeffekten in der Berechnung 6 2.2. Beurteilung der Vorgabe eines Konfidenzniveaus von 99,5 % (Frage 3 d) 7 2.2.1. Kritik in der Literatur 7 2.2.2. Alternativen zur derzeitigen Regelung in Art. 101, Abs. 3 RL-E 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 257/12 Seite 4 1. Einführung Die Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 20091 (Solvency II – Solvabilität II) reformiert das Versicherungsaufsichtsrecht vor allem hinsichtlich der Solvabilitätsvorschriften für die Eigenmittelaustattung von Versicherungen. Durch die Solvency II-Reform soll die Versicherungsaufsicht künftig am Grundsatz der risikobasierten Eigenmittelunterlegung orientiert sein. Das jeweils vorzuweisende Solvenzkapital richtet sich zukünftig folglich nicht mehr ausschließlich nach der Prämien- bzw. der versicherten Schadenshöhe , sondern ist anhand eines europäischen Standardmodels oder eines genehmigten internen Models unter Berücksichtigung der Anlagerisiken zu berechnen. Die risikoadäquate Eigenmittelausstattung der Versicherungsunternehmen soll zum Schutz der Versicherten anhand einer drei-Säulen-Struktur sicher gestellt werden. Die hinsichtlich der Fragestellungen hier allein relevante erste Säule betrifft die quantitativen aufsichtsrechtlichen Vorgaben. Zur Ermittlung des Zielsolvenzkapitals (Solvency Capital Requirement (SCR), Art. 100 ff. des Richtlinienentwurfs (RL-E)) werden Regelungen zur Bewertung der Aktiva und Passiva getroffen (Art. 74 ff. RL-E), insbesondere zu den versicherungstechnischen Rückstellungen (Art. 76 ff. RL-E) und den tatsächlich vorhandenen Eigenmitteln (Art. 86 ff. RL- E).2 Das SCR soll dabei mit den versicherungstechnischen und den operationellen Risiken sowie den Kredit- und Kapitalanlagerisiken alle Risiken absichern, denen ein Versicherungsunternehmen ausgesetzt ist. Es kann sowohl anhand einer vorgegebenen Standardformel als auch durch ein unternehmensinternes Modell berechnet werden.3 2. Bestimmung des Zielsolvenzkapitals unter Zugrundelegung einer „Ruinwahrscheinlichkeit “ von 0,5 % Gemäß Art 101 Abs. 3 der Richtlinie 2009/138/EG ist für das Solvabilitätskapital (SCR) ein Zielwert festgelegt, der derartig auf einem Sicherheitsniveau kalibriert ist, dass gewährleistet wird, dass alle quantifizierbaren Risiken, denen ein Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen ausgesetzt ist, berücksichtigt werden. Dabei werden sowohl die laufende Geschäftstätigkeit als auch die in den folgenden zwölf Monaten erwarteten neuen Geschäfte abgedeckt. Die Solvenzkapitalanforderung stellen das Eigenkapital dar, das Versicherungsunternehmen nach Solvency II als Risikoreserve vorhalten sollen. Die Anforderungen entsprechen nach der Richtlinie dem „Value-at-Risk der Basiseigenmittel eines Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmens zu einem Konfidenzniveau von 99,5 % über den Zeitraum eines Jahres“. 1 am 2. Oktober 2012 abgerufen auf der Seite von EurLex unter http://eurlex .europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:335:0001:0155:de:PDF 2 Gause in Münchener Kommentar zum VVG, 1. Auflage 2010, Rn. 328. 3 ebd. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 257/12 Seite 5 Der Value-at-Risk ist ein in der Fachliteratur allgemein anerkanntes Risikomaß und zur Steuerung finanzieller Risiken weit verbreitet. Ausgehend von einem fixierten Zeitintervall (z.B. ein Jahr) und einer vorgegeben Bestandswahrscheinlichkeit ist der VaR einer Finanzposition diejenige Ausprägung der Verlusthöhe, die mit der vorgegebenen Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird.4 Ein Konfidenzniveau von beispielsweise 99,5 % gibt an, dass eine 99,5%ige Sicherheit besteht, dass im Rahmen eines bestimmten Risikohorizontes kein größerer Verlust eintritt als das VaR.5 2.1. Finanzmathematische Bedeutung des Konfidenzniveaus von 99,5 % (Fragen 3 a, b und c) Die häufig vereinfachend verwendete Erklärung, der VaR entspreche einer durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeit („Ruinwahrscheinlichkeit“) von 0,5%, ist daher nicht zutreffend. Vielmehr handelt es sich um ein Maß, dem ein Szenario zugrunde liegt, das für das Folgejahr einen extremen Geschäftsjahresverlauf simuliert; diese Simulation ist auf einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,5% kalibriert. Die Solvabilitätsanforderungen werden so festgelegt, dass ein Versicherungsunternehmen unter Zugrundelegung der denkbar extremsten Umstände, nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,5 % keine hinreichenden Eigenmittel aufweist um den Solvenzkapitalanforderungen gerecht zu werden. Auch der Schlussfolgerung in Frage 3 c, dass ausgehend von 5000 Versicherungsunternehmen in Europa jährlich mit 25 Insolvenzen zu rechnen sei, ist nur eingeschränkt zuzustimmen. Zwar wird hier von der richtigen zeitlichen Bezugsgröße von einem Jahr ausgegangen, jedoch ist erstens die Wahrscheinlichkeit, dass ein Versicherungsunternehmen die SCR nicht erfüllt, nicht kongruent mit der Wahrscheinlichkeit, dass mehrere (hier 25) Versicherungsunternehmen unter einer Vielzahl von Versicherungen (hier 5000) in dem gleichen Bezugszeitraum nicht das Zielsolvenzkapital erreichen werden. Zweitens ist selbst bei einer Unterdeckung, also einer Nichterreichung des SCR, grundsätzlich nicht bereits von einer wirtschaftlichen oder handelsrechtlichen Insolvenz auszugehen. Das Solvenzkapital korrespondiert nämlich nicht unmittelbar mit der Liquiditätslage eines Unternehmens, es handelt sich vielmehr um eine angespannte Eigenkapitalposition , die besondere aufsichtliche Aufmerksamkeit und Maßnahmen auslöst, deren 4 s.a. Gabler, Wirtschaftlexikon, abgerufen am 14. November 2012 unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/value-at-risk-var.html 5 Rau-Bredow, “Value at Risk, Expected Shortfall, and Marginal Risk Contribution, Mai 2002, abgerufen am 14. November 2012 unter http://www.bwl.uni-wuerzburg.de/fileadmin/12020000/_temp_/Value.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 257/12 Seite 6 Ziel gerade darin bestehen, die langfristige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen und eine Insolvenz zu verhindern. Denn neben dem SCR gibt es eine Untergrenze für das vorzuhaltende Solvenzkapital, das Minimum Capital Requirement (MCR, Art. 126 ff. RL-E). Erst wenn diese Grenze unterschritten wird, hat dies aufsichtsrechtliche Konsequenzen, die sich auch auf die Zulassung der Versicherung auswirken.7 2.1.1. Berechnung des Solvenzkapitals Entsprechend der in Art. 101 Abs. 3 RL-E gewählten Bezugsgröße von einem Jahr, erfolgt die Berechnung der Solvenzkapitalanforderungen nach Art 102, Abs. 1 der Richtlinie mindestens einmal jährlich, da sich die im Vorjahr zugrunde gelegten Daten und Risiken erheblich von den aktuellen Erfordernissen unterscheiden können. Das aktuelle europäische Standardmodell zur Ermittlung der Solvenzkapitalanforderungen ergibt sich aus der Betrachtung der relevanten Risikokategorien und deren Teilrisiken für die unterschiedlichen Arten von Versicherungen. Unter Risikokategorien werden nach dem Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (CEIOPS, heute Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung – EIOPA) die fünf Hauptrisiken (VT Leben, VT Nichtleben , VT Kranken, Marktrisiko und Ausfallrisiko) verstanden, die sich in die hierarchisch darunterliegenden Teilrisiken aufgliedern.8 Das vorzuweisende Solvenzkapital ist entsprechend dem VaR-Prinzip die Differenz zwischen einem geeigneten Risikomaß und den im Unternehmen vorhandenen Eigenmitteln, typischerweise den regelmäßigen Prämieneinnahmen. 2.1.2. Berücksichtigung von exogenen Schocks und Dominoeffekten in der Berechnung Das Value-at-Risk-Konzept geht von der Prämisse aus, dass sich Ereignisse in der Zukunft verhalten werden wie sich die Ereignisse in der Vergangenheit verhalten haben. Das alleinige Zugrundelegen des VaR für die Berechnung der Solvenzkapitalanforderungen würde der Krisenanfälligkeit der Finanzbranche daher nicht gerecht. Daher hat CEIOPS für jede zu berücksichtigende Risikokategorie und deren Teilrisiken entweder deterministische Schockszenarien oder Risikofaktoren vordefiniert, die in sogenannten Stresstests Krisen simulieren und so den Bedarf an Solvenzkapital an das tatsächlich bestehende Risiko 7 Die Mindestkapitalanforderung entspricht einer vorgegebenen absoluten Eigenmitteluntergrenze (z.B. 3,2 Mio. Euro für Lebensversicherungsunternehmen) oder, falls dieser Betrag höher ist, einem VaR zu einem einjährigen Konfidenzniveau von 85%. 8 Solvency II kompakt, „Ermittlung der Kapitalanforderungen VT Leben“, abgerufen am 14. November 2012 unter http://www.solvency-ii-kompakt.de/content/ermittlung-der-kapitalanforderungen-vt-leben, ein Angebot der Steria Mummert ISS GmbH ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur GmbH, Institut für Mathematik C.v.O. Universität Oldenburg, in Zusammenarbeit mit: acs actuarial solutions GmbH. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 257/12 Seite 7 angleichen. Abhängig von dieser Vorgabe wird für jedes Teilrisiko der Solvenzbedarf unter Anwendung eines Szenarios oder eines faktorbasierten Ansatzes bestimmt und anschließend zum Solvenzkapitalbedarf je Risikokategorie zusammengefasst.9 Im ersten Schritt sind die Marktwerte der Aktiva sowie das Best Estimate der Verpflichtungen zuzüglich Risikomarge zu ermitteln. Im zweiten Schritt wird diese Marktwertbilanz einem bzw. mehreren Schockszenarien ausgesetzt. Diese nehmen Einfluss auf die Höhe der einzelnen Bilanzpositionen und verändern somit die vorhandenen Eigenmittel (Net Asset Value, NAV) gegenüber denen der Ausgangsbilanz. Das für das einzelne Risiko zu hinterlegende Risikokapital ergibt sich schlussendlich als Differenz der vorhandenen Eigenmittel vor und nach Stress.10 2.2. Beurteilung der Vorgabe eines Konfidenzniveaus von 99,5 % (Frage 3 d) Die Zugrundelegung eines Konfidenzniveaus von 99,5 % über einen 1-Jahreshorizont wird in der Literatur wenig kritisiert, dementsprechend gering ist auch die Varietät an Alternativen zur vorgesehenen Berechnungsgrundlage. Möglicherweise ist dies damit zu erklären, dass erst die Unterschreitung der Mindestkapitalanforderung zur Entziehung der Erlaubnis führt und die Unterschreitung der SCR, denen das Konfidenzniveau von 99,5 % zugrunde liegt, lediglich einen Maßnahmenkatalog eröffnet, um eine Unterschreitung der MCR zu verhindern. 2.2.1. Kritik in der Literatur Prof. Dr. Dietmar Pfeifer vom Institut für Mathematik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg moniert indes, dass das den qualitativen Auswirkungsstudien (QIS 2 bis 5) zugrundegelegte Formelwerk „selbst für Experten nicht mehr unmittelbar einsichtig“ und „an einigen Stellen mathematisch inkonsistent“ sei. Er stellt jedoch nicht die gewählte Höhe des Konfidenzniveaus als solche in Frage. Vielmehr bezweifelt er, dass aus praktischer Sicht die Einhaltung der in der Rahmenrichtlinie zu Solvency II als zentrale Prämisse vorgegebenen Sicherheitswahrscheinlichkeit von 99,5% mathematisch überprüfbar ist.12 Für kleinere und mittelgroße Versicherungsunternehmen entfiele dadurch faktisch die Möglichkeit , das Standardmodell von Solvency II effizient für die eigene Unternehmenssteuerung einzu- 9 ebd. 10 ebd. 12 Pfeifer, „Quo vadis VVaG?“,abgerufen am 14. November 2012 auf der Internetseite Solvency II-Kompakt unter http://www.solvency-ii-kompakt.de/content/solvency-ii-quo-vadis-vvag Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 257/12 Seite 8 setzen. Damit werde man dem Verständnis der Vorgabe einer Sicherheitswahrscheinlichkeit von 99,5% als qualitative und nicht als strikt quantitative Richtgröße nicht gerecht.13 Der spanische Wirtschaftswissenschaftler Jesús Huerta de Soto hält dagegen die Vorgabe eines Konfidenzniveaus, bzw. einer Konkurswahrscheinlichkeit generell nicht für zielführend. Jedes Versicherungsunternehmen sei ein einmaliges Ereignis und historisch nicht wiederholbar. Es unterscheide sich von seinen Mitkonkurrenten hinsichtlich seines unternehmerischen Projekts, der Vision seines Managements, der Kultur, seiner Produkte, und seiner Anpassungsfähigkeit und sei aufgrund stetiger interner Veränderungen im Zeitablauf auch nicht mit sich selbst vergleichbar .14 Die Bezeichnung “0,5%ige Konkurswahrscheinlichkeit” sei aufgrund der Ungewissheit zukünftiger Ereignisse ohne wissenschaftliche Bedeutung und impliziere lediglich, dass die Wahrscheinlichkeit eines Konkurses “sehr gering sei.15 Er hält eine feste Vorgabe eines Konfidenzniveaus sogar für kontraproduktiv, da zu erwarten sei, dass die reine Existenz einer solchen vermeintlichen Sicherheit durch die Suggestion einer Immunität gegen die Konsequenzen unternehmerischer Fehler das unternehmerische Handeln in einer Weise beeinflusst, die einen Anstieg der Konkursfälle von Versicherungsunternehmen zur Folge hätte. Der Versicherungsmathematiker Dr. Malte Höppner sieht die Vorgabe eines festgeschriebenen Prozentsatzes ebenfalls kritisch. Da das Konfidenzniveaus von 99,5 % stets ausgehend vom aktuellen Zeitwert betrachtet wird, sei bei der Verwendung interner Berechnungsmodelle zudem die Prozyklizität des Value-at-Risk zu berücksichtigen, anderenfalls werde die Realität bei Schwankungen des Wirtschaftszyklus falsch dargestellt. Das durch Solvency II vorgesehene Standardmodell berücksichtige beispielsweise nicht diejenigen Fälle, in denen an den Kapitalmärkten der „worst case“ der letzten Simulationsperiode im Rahmen der stochastischen Simulation des Marktrisikos eintritt, also das Szenario, welches von allen Simulationsreihen das schlechteste Ergebnis resultieren lässt. Solvency II sehe vor, auch für einen derartigen neuen Ausgangspunkt das Konfidenzniveau von 99,5 % zu ermitteln. Dadurch bewege sich das Szenario des „neuen“ Konfidenzniveaus von 99,5 % unterhalb des bisherigen „worst case“-Szenarios. Somit werde ein höheres Risiko vom Value-at-Risk unterstellt, als grundsätzlich für realistisch in der Vorperiode ermittelt wurde, obwohl in der Realität aus Sicht des „worst case“ ausschließlich Szenarien als wahrscheinlich angesehen werden, die oberhalb des aktuellen Szenarios liegen.16 13 ebd. 14 Jesús Huerta de Soto, „Solvency II – Ein fataler Irrtum“, Versicherungswirtschaft (VW) 2008, S. 1436. 15 ebd. 16 Malte Höppner, „Unternehmenssteuerung durch Solvency II weiterentwickeln – Solvenzkapitalmessung nach der neuen Rahmenrichtlinie“, VW 2012, S. 280. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 257/12 Seite 9 2.2.2. Alternativen zur derzeitigen Regelung in Art. 101, Abs. 3 RL-E Als grundsätzliche Alternative zur Verwendung des Value-at-Risk-Modells ist das zum Beispiel im Swiss Solvency Test angewandte Risikomaß „Expected Shortfall“ zu nennen. Dieses unterscheidet sich vom Value-at-Risk insofern, als es eine Mittlung der oberhalb des Konfidenzniveaus zu erwarteten Verluste vornimmt, im Gegensatz zum Value-at-Risk, der den Verlust am Konfidenzniveau bewertet. Dr. Malte Höppner weist mangels einer Alternative zum vorgesehenen System darauf hin, dass es solange Solvency II keine entsprechende Anpassung zur Verminderung oder Vermeidung der Prozyklizität der Solvabilitätsermittlung vornehme, nötig sei, das Steuerungssystem im Rahmen der Verwendung interner Berechnungsmodelle entsprechend anzupassen, um keine Fehlallokation zu erhalten.18 Jesús Huerta de Soto meint hingegen, dass die Solvabilität von Versicherungen durch beispielsweise eine konservative und passive Anlagepolitik, insbesondere in festverzinsliche Wertpapiere und Immobilien und die Verwendung technischer Zinssätze in Lebensversicherungsverträgen ohne Inflationsausgleich, auch ohne eine Value-at-Risk-Analyse oder die Simulation verschiedener Wahrscheinlichkeitsverteilungen garantiert werden könne.19 18 Malte Höppner, „Unternehmenssteuerung durch Solvency II weiterentwickeln – Solvenzkapitalmessung nach der neuen Rahmenrichtlinie“, VW 2012, S. 280. 19 Huerta de Soto, „Solvency II – Ein fataler Irrtum“, Versicherungswirtschaft (VW) 2008, S. 1436.