Deutscher Bundestag Protektor Lebensversicherungs-AG Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 - 256/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 256/12 Seite 2 Protektor Lebensversicherungs-AG Verfasser: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 - 256/12 Abschluss der Arbeit: 23. November 2012 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 256/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Protektor Lebensversicherungs-AG als gesetzlicher Sicherungsfonds 4 1.1. Beleihung 4 1.2. Finanzierung 4 1.3. Berechnung der Jahresbeiträge 5 2. Protektor Lebensversicherungs-AG als freiwillige Auffanggesellschaft 7 3. Diskussion um die Finanzierung einer Insolvenzsicherung 8 3.1. Änderung im Gesetzgebungsverfahren 8 3.2. Anhörung des Finanzausschusses 9 3.3. Weitere Meinungen 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 256/12 Seite 4 1. Protektor Lebensversicherungs-AG als gesetzlicher Sicherungsfonds 1.1. Beleihung Mit der Novelle des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) 2004 mit Gültigkeit vom 1. Januar 20051 wurde ein neuer Abschnitt VIIIa (§§ 124-133a) mit der Überschrift „Sicherungsfonds“ eingeführt . Er bildet die gesetzliche Grundlage für Sicherungseinrichtungen in der Lebensversicherung . § 126 VAG bestimmt hierzu die Errichtung eines nicht rechtsfähigen Sondervermögens des Bundes bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau. § 126 findet derzeit jedoch keine Anwendung, weil § 127 VAG die Möglichkeit der Beleihung vorsieht („Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ... Aufgaben und Befugnisse [des] Sicherungsfonds einer juristischen Person des Privatrechts zu übertragen, ...“). Mit Verordnung vom 11. Mai 20062 hat das Bundesministerium der Finanzen von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und die Protektor AG mit den Aufgaben und Befugnissen des Sicherungsfonds für den Bereich Lebensversicherung betraut.3 1.2. Finanzierung Nach §§ 124, 129 VAG müssen Unternehmen, die zum Geschäftsbetrieb in der Versicherungssparte Lebensversicherer zugelassen sind, einem Sicherungsfonds angehören und Jahresbeiträge und gegebenenfalls Sonderbeiträge an den Sicherungsfonds leisten. Die Summe der Jahresbeiträge aller dem Sicherungsfonds angehörenden Versicherungsunternehmen beträgt 0,2 Promille der Summe ihrer versicherungstechnischen Netto-Rückstellungen. Das Nähere über den Mindestbetrag des Sicherungsvermögens, die Jahres- und Sonderbeiträge sowie die Obergrenze für die Zahlungen pro Kalenderjahr – und damit auch den individuellen Jahresbeitrag jedes Versicherungsunternehmens - regelt das Bundesministerium der Finanzen im Benehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Für die Erfüllung der Verpflichtungen aus übernommenen Versicherungsverträgen haftet der Sicherungsfonds mit dem Vermögen, das sich durch die Beitragsleistungen nach Abzug der Kosten ergibt. Der Sicherungsfonds hat dieses Vermögen getrennt von seinem übrigen Vermögen zu halten und zu verwalten. Der Umfang dieses Vermögens soll 1 Promille der Summe der versiche- 1 Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes und anderer Gesetze, BGBl. I 2004, Seite 3423. 2 Verordnung über die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen eines Sicherungsfonds für die Lebensversicherung an die Protektor Lebensversicherungs-AG, BGBl. I 2006, Seite 1170. 3 Laars, Reinhard: Kommentar Versicherungsaufsichtsgesetz 1. Auflage 2012, Vorbemerkung sowie Kommentar zu §§ 126f. VAG, unter: http://beckonline .beck.de/Default.aspx?vpath=bibdata/komm/LaaKoVAG_1/cont/LaaKoVAG.vor71a.htm, abgerufen am 15. November 2012. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 256/12 Seite 5 rungstechnischen Netto-Rückstellungen aller dem Sicherungsfonds angeschlossenen Versicherungsunternehmen nicht unterschreiten. Zum 31. Dezember 2011 verfügte der Sicherungsfonds über ein bilanzielles Nettovermögen (einschließlich des Bilanzgewinns von 9,4 Mio. Euro) in Höhe von 749,6 Mio. Euro. Unter Berücksichtigung der stillen Reserven ergibt sich ein Marktwert des Sicherungsvermögens in Höhe von 761,9 Mio. Euro.4 Der Gesetzgeber hat in § 129 Abs. 5 Satz 5 VAG bestimmt, dass der Sicherungsfonds Sonderbeiträge bis zur Höhe von maximal 1 Promille der Summe der versicherungstechnischen Netto- Rückstellungen der angeschlossenen Lebensversicherer zu erheben hat, wenn dies zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist. Die Protektor Lebensversicherungs-AG als freiwillige Auffanggesellschaft (vgl. Kapitel 2) kommt erst dann zum Einsatz, wenn das gesetzliche Haftungsvolumen von derzeit 749,6 Mio. Euro zuzüglich der dann einzutreibenden Sonderbeiträge in gleicher Höhe aufgebraucht ist und gemäß § 125 Absatz 5 Satz 1 VAG die Verpflichtungen aus den Lebensversicherungsverträgen durch die Aufsichtsbehörde um 5 Prozent der vertraglich garantierten Leistungen herabgesetzt wurden.5 1.3. Berechnung der Jahresbeiträge Bei der unter Kapitel 1.2 genannten Rechtsverordnung handelt es sich um die „Verordnung über die Finanzierung des Sicherungsfonds für die Lebensversicherer (Sicherungsfonds- Finanzierungs-Verordnung (Leben) – SichLVFinV)“ vom 11. Mai 2006 (BGBl. I, Seite 1172), geändert durch die Erste Verordnung zur Änderung der Sicherungsfonds-Finanzierungs- Verordnung (Leben) vom 24. Oktober 2006 (BGBl. I Seite 2390). Darin wird Folgendes bestimmt:6 - Die Höhe des Sicherungsvermögens ist jährlich neu zu beziffern (§ 1 Absatz 2 SichLVFinV). - Jedes Mitglied des Sicherungsfonds ist am Sicherungsvermögen beteiligt. Die Höhe dieser Soll-Beteiligung ist nach § 2 SichLVFinV jährlich wie folgt neu zu beziffern: = 1 Promille der versicherungstechnischen Netto-Rückstellungen des Mitglieds werden mit einem individuellen Risikofaktor und einem einheitlichen Korrekturfaktor multipliziert. 4 Protektor Sicherungsfonds für die Lebensversicherer: Geschäftsbericht 2011, Seiten 13 und 22, unter: http://www.protektor-ag.de/documents/Sicherungsfonds_Geschaeftsbericht_2011.pdf, abgerufen am 20. November 2012. 5 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Struktur und Risiken der Kapitalanlage deutscher Lebensversicherer, Pensionskassen und Pensionsfonds“, Bundestags-Drucksache 17/8225, Seite 9. 6 Die nachfolgenden Ausführungen gelten für den Fall, dass das Sicherungsvermögen den vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Umfang erreicht hat. Für die Aufbauphase bis 2010 galten anteilige Werte. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 256/12 Seite 6 Der individuelle Risikofaktor des Lebensversicherers richtet sich nach dem Verhältnis der Eigenmittel zur Solvabilitätsspanne gemäß Kapitalausstattungsverordnung. Nach dieser Berechnung werden die Mitglieder in eine Rangfolge gebracht und in drei Kategorien aufgeteilt . Für Mitglieder der Kategorie 1 (günstigstes Risikomaß) gilt der Faktor 0,75, für Mitglieder der Kategorie 3 (ungünstigstes Risikomaß) der Faktor 1,25. Für Mitglieder der Kategorie 2 wird linear ansteigend ein Faktor zwischen 0,75 und 1,25 angewandt. Der Korrekturfaktor soll gewährleisten, dass die Summe der Sollbeteiligungen aller Mitglieder dem Sicherungsvermögen entspricht. - Die tatsächliche Beteiligung eines Mitglieds am Sicherungsvermögen (Ist-Beteiligung) bemisst sich gemäß § 3 SichLVFinV nach der Anzahl der ihm aufgrund seiner Jahresbeiträge zugeordneten Anteile. Der Wert eines Anteils wird jährlich neu ermittelt, indem der Zeitwert des Sicherungsvermögens zum Stichtag durch die Zahl der den Mitgliedern bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt zugeordneten Anteile dividiert wird. - Ein Mitglied muss einen Jahresbeitrag in Höhe der Differenz leisten, in der seine Soll- Beteiligung den Zeitwert seiner Ist-Beteiligung übersteigt (§ 4 Absatz 2 SichLVFinV). Diese Differenz ermittelt der Sicherungsfonds einmal jährlich für jedes Mitglied (§ 4 Absatz 1 Sich- LVFinV). Der Geschäftsbericht 2011 des Sicherungsfonds für Lebensversicherer weist folgende Beitragserhebungen aus: Jahr Beiträge in Euro 2011 49.323.155,51 2010 43.343.284,12 2009 136.581.289,14 2008 135.894.720,08 2007 129.450.550,30 2006 245.605.629,36 Durch die Beitragserhebung im Jahr 2010 erreichte das Vermögen des Sicherungsfonds den vom Gesetzgeber vorgegebenen Umfang. Seitdem hat die Beitragserhebung die jährliche Anpassung des Sicherungsvermögens an die gesetzliche Vorgabe zum Ziel, die wegen der Veränderung der versicherungstechnischen Netto-Rückstellungen sowie der Risikokennziffern der Mitgliedsunternehmen notwendig ist.7 Welche Beiträge in welcher Höhe von den einzelnen Versicherern geleistet werden, teilt der Sicherungsfonds mit Hinweis auf § 133 VAG (Verschwiegenheitspflicht) nicht mit. 7 Protektor Sicherungsfonds für die Lebensversicherer: Geschäftsbericht 2011, Seiten 13 und 22, unter: http://www.protektor-ag.de/documents/Sicherungsfonds_Geschaeftsbericht_2011.pdf, abgerufen am 20. November 2012. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 256/12 Seite 7 2. Protektor Lebensversicherungs-AG als freiwillige Auffanggesellschaft Die Protektor Lebensversicherungs-AG wurde Ende 2002 unter der Federführung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft als freiwillige Auffanggesellschaft gegründet. Zweck ist die Weiterführung der Policen von Lebensversicherern, die in Finanznot geraten sind. Die Protektor Lebensversicherungs-AG kam diesem Zweck erstmals nach, indem sie den Versicherungsvertragsbestand der Mannheimer Lebensversicherung AG wirtschaftlich zum 1. Juli 2003 und de jure zum 1. Oktober 2003 übernahm. Am 30. Juni 2004 waren 104 Lebensversicherungsunternehmen an der Protektor Lebensversicherungs -AG beteiligt. Das Grundkapital betrug 3,2 Mio. Euro. Das Anteilsverhältnis an diesem Grundkapital entsprach dem Verhältnis der Kapitalanlagen. Entsprechend seines Anteils am Grundkapital hatte sich jedes Lebensversicherungsunternehmen verpflichtet, wenn nötig maximal 1 Prozent seiner Kapitalanlagen zur Verfügung zu stellen, damit Protektor wenigstens die Garantieleistungen für die Verträge an die Versicherten von Unternehmen in Finanznot zahlen kann.9 Damit verfügte Protektor laut Geschäftsbericht 200310 über abrufbare Eigenmittel in einer Gesamthöhe von 5,2 Mrd. Euro. Um die Deckungslücke nach der Übernahme der Mannheimer Lebensversicherung AG zu schließen und die Solvabilität zu sichern, hatten alle damaligen 103 Gesellschafter Mitte Oktober 2003 den angeforderten Anteil an der Kapitalrücklage in Höhe von 240 Mio. Euro geleistet.11 Mit der Einrichtung des gesetzlichen Sicherungsfonds wurden die Bestände Not leidender Lebensversicherungsunternehmen nicht mehr durch die freiwillige Auffanggesellschaft, sondern durch den gesetzlichen Sicherungsfonds saniert, sobald die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Bestandsübertragung angeordnet hat. Aufgrund dieser neuen Rahmenbedingungen haben die deutschen Lebensversicherer ihre Selbstverpflichtungserklärung gegenüber der Protektor Lebensversicherungs-AG im Jahr 2007 erneuert. Die Zahlungen sind nun unabhängig von einem Beteiligungsverhältnis an der Protektor Lebensversicherungs -AG und können von jedem Mitglied des gesetzlichen Sicherungsfonds geleistet werden. Sie dienen dem ergänzenden Schutz der Lebensversicherungsverträge, für den Fall, dass 9 Stiftung Warentest: Was ist eigentlich ...: die Protektor AG, vom 15. Juli 2003, unter: http://www.test.de/Wasist -eigentlich-die-Protektor-AG-1110930-0/, abgerufen am 7. November 2012. 10 Protektor Lebensversicherungs-AG: Geschäftsbericht 2003, Seite 13, unter: http://www.protektorag .de/documents/protektor_geschaeftsbericht_2003.pdf, abgerufen am 19. November 2012. 11 Protektor Lebensversicherungs-AG: Auffanggesellschaft, unter: http://www.protektorag .de/auffanggesellschaft/21.aspx, und: Daten und Fakten zur Protektor Lebensversicherungs-AG, unter: http://www.protektor-ag.de/protektor/historie/30.aspx, abgerufen am 19. November 2012. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 256/12 Seite 8 die Mittel des gesetzlichen Sicherungsfonds bei einer zukünftigen Bestandsübertragung nicht zur Sanierung ausreichen.12 Der Gesamtbetrag der Verpflichtungen beträgt 1 Prozent der versicherungstechnischen Netto-Rückstellungen der Versicherer. Der Anteil eines jeden Unternehmens richtet sich nach dem Verhältnis, in dem es bei Bedarf Sonderbeiträge nach § 129 Absatz 5 VAG in Verbindung mit § 5 SichLVFinV leisten musste.13 Im Geschäftsbericht 2011 wird ausgeführt, dass „... der Schutzumfang für Lebensversicherungsverträge über das gesetzliche Maß hinaus auf insgesamt rd. 7,6 Mrd. € erhöht“ wird.14 3. Diskussion um die Finanzierung einer Insolvenzsicherung 3.1. Änderung im Gesetzgebungsverfahren Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des VAG lautete der für die Finanzierung einer Insolvenzsicherung maßgebliche § 129 Absatz 5 ursprünglich wie folgt: „Die Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, Jahresbeiträge zu leisten. Der Sicherungsfonds kann nach Zustimmung durch die Bundesanstalt die Beitragspflicht herab- oder aussetzen, wenn die vorhandenen Mittel zur Durchführung seiner Aufgaben ausreichen. Der Sicherungsfonds hat Sonderbeiträge zu erheben, wenn dies zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist.“ Während der Beratungen im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages wurde die Höhe der Jahresbeiträge und der Sonderbeiträge wie oben dargestellt konkretisiert. Zur Begründung des Verzichts auf eine uneingeschränkte Verpflichtung zu Jahres- und Sonderbeiträgen und der Einführung von Obergrenzen führte der Gesetzgeber aus, dass der plötzliche Kapitalabfluss im Insolvenzfall die Versicherer übermäßig belasten und ihrerseits in finanzielle Schwierigkeiten bringen könnte. Der vorgesehene Beitrag ermögliche den Aufbau des Fondsvermögens, ohne die angeschlossenen Versicherer unzumutbar zu belasten. Je „solider“ ein Unternehmen finanziell ausgestattet sei, desto niedriger sei der Risikofaktor. Auf diese Weise werde ein Anreiz für eine vorsichtige Anlagepolitik der angeschlossenen Versicherungsunternehmen gesetzt.15 12 Protektor Lebensversicherungs-AG: Geschäftsbericht 2006, Seite 4f., unter: http://www.protektorag .de/documents/protektor_geschaeftsbericht_2006.pdf, abgerufen am 19. November 2012. 13 Protektor Lebensversicherungs-AG Auffanggesellschaft: § 1 Verpflichtung zur Einzahlung zusätzlicher Finanzmittel im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Sicherungsfonds, unter: http://www.protektorag .de/documents/verpflichtungserklaerung.pdf, abgerufen am 22. November 2012. 14 Protektor Lebensversicherungs-AG: Geschäftsbericht 2011 Seite 16, unter: http://www.protektorag .de/documents/Protektor_Geschaeftsbericht_2011.pdf, abgerufen am 20. November 2012. 15 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes und anderer Gesetze, Bundestags-Drucksache 15/3976, Seiten 20 und 35. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 256/12 Seite 9 3.2. Anhörung des Finanzausschusses Am 9. September 2004 fand im Finanzausschuss eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes statt. Schriftliche Stellungnahmen der Sachverständigen beschäftigen sich zum einen mit der Frage, ob es überhaupt einer gesetzlichen Lösung zur Insolvenzsicherung der Versicherungsnehmer in der Lebensversicherung bedürfe oder ob man dies den Marktkräften überlassen solle. Eine gesetzlichen Regelung unterstellt, herrschte bezüglich der Finanzierung eines solchen Fonds nach § 129 VAG Uneinigkeit, ob laufende Finanzierung durch Gebühren gerechtfertigt sei oder die Verpflichtung zur Zahlung im Falle der Insolvenz eines Versicherungsunternehmens genüge: Dr. Andreas Horsch präferierte eine freiwillige Lösung. Sollte ein Verzicht auf auf eine gesetzliche Regelung nicht mehr zu Debatte stehen, empfahl er dringend eine zumindest grob risikoorientierte Prämienbemessung.16 Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat sich für die laufende Gebührenzahlung ausgesprochen , weil das in Insolvenz gehende Versicherungsunternehmen als „Schadensverursacher“ selbst keine Beiträge zur Insolvenzsicherung geleistet hätte. Außerdem trage die Möglichkeit der (unbegrenzten) Erhebung von Sonderbeiträgen dazu bei, flexibel auf die Marktentwicklung reagieren und eine Unterkapitalisierung des Fonds verhindern zu können.17 Der Bund der Versicherten argumentierte auch für eine Gebührenzahlung, damit nicht erst im „Schadensfall“ Gelder eingesammelt werden müssten.18 Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft hat sich hingegen für eine Verpflichtung zur Zahlung ausgesprochen, „sobald die Aufsichtsbehörde die Übertragung eines Bestandes von Versicherungsverträgen auf den Sicherungsfonds ... anordnet. Die Zahlungen ... sind insgesamt auf einen jährlichen Betrag von 1 Promille der Summe der versicherungstechnischen Netto- Rückstellungen aller dem Sicherungsfonds angeschlossenen Versicherungsunternehmen beschränkt , es sei denn, dass auch nach einer Herabsetzung der Verpflichtungen ..., die zehn Prozent der jeweiligen Leistungszusage des betreffenden Versicherer nicht übersteigen sollten, die dauerhafte Erfüllbarkeit aller Verpflichtungen nicht sichergestellt ist.“19 16 Horsch, Andreas zur Anhörung des Finanzausschusses am 9. September 2004, Seiten 2 und 6: http://webarchiv.bundestag.de/archive/2007/0206/ausschuesse/archiv15/a07/protokolle/Anhoerungsprotokolle 6/Stellungnahmen/04-Dr_Horsch-Uni_Bochum.pdf, abgerufen am 21. November 2012 sowie vom selben Autor: Ökonomische Analyse der Regulierung von Sicherungseinrichtungen, in: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswirtschaft 3/2004, Seite 373ff. 17 Stellungnahme Verbraucherzentrale Bundesverband zur Anhörung des Finanzausschusses am 9. September 2004, Seite 4f., unter: http://webarchiv.bundestag.de/archive/2007/0206/ausschuesse/archiv15/a07/protokolle/Anhoerungsprotokolle 6/Stellungnahmen/11-Verbraucherzentr_Bundesverb.pdf, abgerufen am 21. November 2012. 18 Stellungnahme Bund der Versicherten zur Anhörung des Finanzausschusses am 9. September 2004, unter: http://webarchiv.bundestag.de/archive/2007/0206/ausschuesse/archiv15/a07/protokolle/Anhoerungsprotokolle 6/Stellungnahmen/02-Bund_der_Versicherten.pdf, abgerufen am 21. November 2012. 19 Stellungnahme Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft zur Anhörung des Finanzausschusses am 9. September 2004, Seite 9, unter: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 256/12 Seite 10 Der Gesamtverband berief sich bei seiner Begründung auf das bewährte Finanzierungssystem von Protektor. Im Fall der Mannheimer Lebensversicherung AG habe sich gezeigt, dass es ausreichend sei, erst im Bedarfsfall die notwendige Finanzierung sicherzustellen. Die nachgelagerte, anlassbezogene Finanzierung vermeide außerdem bürokratischen Aufwand. Eine Insolvenz entstehe darüber hinaus nicht durch fehlende Liquidität, die eine Erfüllung der laufenden Leistungsverpflichtungen verhindere, sondern durch bilanzielle Unterdeckung der langfristigen Leistungsverpflichtungen . Die Branche sei daher verpflichtet, derartige Unterdeckungen auszugleichen , nicht jedoch durch Bereitstellung von Liquidität kurzfristige Kundenforderungen zu befriedigen . Der Gesamtverband wies außerdem das Argument zurück, die Unternehmen würden bei Zahlung erst im Sicherungsfall übermäßig belastet. Die Vorfinanzierung müsse sicherungsvermögensfähig sein, deshalb würden die Mittel lediglich vom Sicherungsvermögen der Versicherer in das Sicherungsvermögen des Fonds verlagert. Ergebnisrelevanter Aufwand entstünde jedoch wie bei der nachgelagerten Finanzierung erst im Sicherungsfall.20 3.3. Weitere Meinungen In ihrem Journal vom November 2012 hält die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht fest, dass die Sicherungseinrichtung für Lebensversicherer, anders als die für Banken, ausschließlich die Sanierung der Versicherungsverträge insolventer Lebensversicherer, nicht aber die Sanierung der Unternehmen selbst vorsehe.21 Demgegenüber kam Prof. Heinrich Schradin vom Institut für Versicherungswirtschaft an der Universität zu Köln im Jahr 2006 zu dem Ergebnis, dass Protektor im Fall der Mannheimer Lebensversicherung AG die Rolle einer „Bad Insurance Company“ übernommen hatte. Er kritisiert im Weiteren die für den gesetzlichen Sicherungsfonds gewählte Form der laufenden Beitragsfinanzierung . Das Argument, damit werde für den Insolvenzfall eines Versicherers ein Puffer gebildet , sei nicht stichhaltig, weil die Beiträge als Kapitalanlage qualifiziert würden. Damit seinen die anderen Mitglieder des Fonds bei Insolvenz eines Unternehmens zur Abschreibung der Beträge verpflichtet und die Pufferwirkung werde aufgehoben.22 http://webarchiv.bundestag.de/archive/2007/0206/ausschuesse/archiv15/a07/protokolle/Anhoerungsprotokolle 6/Stellungnahmen/03-GdV.pdf, abgerufen am 21. November 2012. 20 Stellungnahme Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft zur Anhörung des Finanzausschusses am 9. September 2004, Seite 7f., unter: http://webarchiv.bundestag.de/archive/2007/0206/ausschuesse/archiv15/a07/protokolle/Anhoerungsprotokolle 6/Stellungnahmen/03-GdV.pdf, abgerufen am 21. November 2012. 21 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: BaFin Journal Ausgabe November 2012, Seite 9, unter: http://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/BaFinJournal/2012/bj_1211.pdf?__blob=publicationFile&v=4, abgerufen am 23. November 2012. 22 Schradin, Heinrich; Pohl, Barbara; Koch, Oliver: Herausforderungen für die Lebensversicherung in Deutschland, Institut für Versicherungswirtschaft an der Universität zu Köln, Mitteilungen 2/2006, Seite 58ff, unter: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 256/12 Seite 11 Prof. Heinrich Schradin wird auch in der WirtschaftsWoche vom 3. September 2009 zitiert. Nach seinen Worten reicht Protektor als gesetzlicher Sicherungsfonds aus, kleine und mittlere Unternehmen aufzufangen. Bei Insolvenz eines größeren Anbieters müssten alle anderes Vertreter der Branche weiteres Geld zuschießen.23 Auch Michael Grandt weist auf die Gefahr einer gleichzeitigen Insolvenz mehrerer Versicherer hin, die den gesetzlichen Sicherungsfonds schnell finanziell überfordere. Die mögliche Kürzung der Auszahlung in Höhe von 5 Prozent und eine temporäres Kündigungsverbot (§ 125 Absatz 5 Satz 2 VAG) könnten außerdem bedeuten, dass Kunden ihre Policen nicht einmal zum Rückkaufswert in Bargeld umwandeln könnten.24 http://www.versicherung.uni-koeln.de/fileadmin/wiso_fak/versicherung/documents/m2_2006.pdf, abgerufen am 23. November 2012. 23 Böschen, Mark; Hoyer, Niklas; Schwerdtfeger, Heike: Lebensversicherungen auf der Kippe, in: WirtschaftsWoche 2. September 2009, unter: http://www.wiwo.de/finanzen/vorsorge/geldanlage-lebensversicherungen-aufder -kippe/5143490.html, abgerufen am 23. November 2012. 24 Grandt, Michael: Finger weg von den Lebensversicherungen!, in: Der Freie Berater, Ausgabe III/2011, Seite 9, unter: http://www.derfreieberater.de/pdfs/DFB_03_2011_finger_weg_von_lebensversicherungen.pdf, abgerufen am 23. November 2012.