Deutscher Bundestag Zur Frage der Effektivität des Stabilitäts- und Wachstumspaktes im Hinblick auf die Krise in Griechenland Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 - 252/10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 - 252/10 Seite 2 Zur Frage der Effektivität des Stabilitäts- und Wachstumspaktes im Hinblick auf die Krise in Griechenland Verfasser: Krawietz/Aktenzeichen: WD 4 – 3000 - 252/10 Abschluss der Arbeit: 29. September 2010 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 - 252/10 Seite 3 Bedeutung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes im Hinblick auf die Krise in Griechenland Der Sachverständigenrat hat im Rahmen des Jahresgutachtens 2009/10 die Effektivität des Stabilitäts - und Wachstumspakts (SWP) anhand der Griechenland betreffenden Defizitverfahren untersucht .1 Der Sachverständigenrat kommt zu dem Ergebnis, dass der SWP erhebliche Defizite aufweise , die sich insbesondere in der Tatsache verdeutlichen würden, „dass es Griechenland nahezu über ein ganzes Jahrzehnt hinweg gelungen ist, eine Neuverschuldung von teilweise deutlich mehr als 3,0 vH einzugehen, ohne auch nur in die Nähe der Sanktionen des SWP gelangt zu sein“. Im Rückschluss bedeutet diese Feststellung des Sachverständigenrates, dass der SWP weder in der ursprünglichen noch in der reformierten Fassung seine präventive Funktion, insbesondere Gefährdungslagen aufgrund hoher Staatsverschuldung wie im Fall Griechenlands rechtzeitig zu erkennen und durch den Abbau exzessiver Haushaltsdefizite zu verhindern, nicht zu erfüllen vermochte und vermag. Die vom Sachverständigenrat konstatierte generell mangelnde Effektivität des SWP anhand der Griechenland betreffenden Defizitverfahren bedeutet zugleich, dass die allesamt erfolg- und sanktionslos gebliebenen Defizitverfahren gegen dieses Land auf die dortige Verschuldungsentwicklung bis zur Finanzkrise zumindest keine entgegenwirkenden Effekte entfalten konnten. Die tatsächliche hohe Staatsverschuldung Griechenlands bestand bereits zum Zeitpunkt des Beitritts zur Europäischen Währungsunion im Jahr 2001. Sie wurde in der Folgezeit durch Unterlassen wirksamer Maßnahmen zum Defizitabbau verschärft und durch kreative Buchführung verschleiert . Die durch die Bankenkrise ausgelöste weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise führte zur weiteren Verschärfung der Verschuldungssituation in Griechenland und letztlich zum Vertrauensverlust auf den Finanzmärkten.2 Für die Defizite des SWP werden vom Sachverständigenrat im Kern nachfolgende Gründe genannt : - Erhebung, Berechnung und Weiterleitung der volkswirtschaftlichen Daten werden von den Mitgliedsländern selbst durchgeführt. Durch einen gewissen Handlungsspielraum bei der Berechnung ist eine Art Bilanzverschönerung möglich; - strukturelle Defizitquoten können nur zeitlich verzögert ermittelt werden, wodurch der SWP intransparent wird; - durch die Verabschiedung der Sanktionen vom Rat und der damit möglicherweise verbundenen Selbstbetroffenheit werden diese nicht stringent genug gehandhabt; - Sanktionen in Form von Geldbußen sind nicht zielführend, da diese die Situation in den betreffenden Mitgliedsländern verschärfen können. In Anbetracht der vorstehend genannten Defizite des SWP und der Schuldenkrise in der Währungsunion infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise empfiehlt der Sachverständigenrat einen 1 Dazu und zum Folgenden: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2009/10, S 84 ff., BT-Drs. 17/44. 2 Einzelheiten zur Analyse des Sachverständigenrates vgl. Jahresgutachten 2009/10, a. a. O. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 - 252/10 Seite 4 ergänzenden Konsolidierungspakt zu verabschieden. Die detaillierte Ausführung der Analyse des Sachverständigenrates und der Handlungsempfehlungen sind in der Anlage 1 zu finden.3 3 Vgl. auch Reformvorschläge des Deutschen Institutes für Internationale Politik und Sicherheit, Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Aktuell 47, Juni 2010 (Anlage 2) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 - 252/10 Seite 5 Anlagenverzeichnis 1. Deutscher Bundestag, Drs. 17/44, Unterrichtung durch die Bundesregierung, Jahresgutachten 2009/10 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung , S. 84 – 92. 2. Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für internationale Politik und Sicherheit , SWP-Aktuell 47, Juni 2010, Dr. Ognian N. Hishow, Die Schuldenkrise in der Europäischen Union.