W issenschaftliche Dienste Sachstand Einzelfragen zur Grundsteuer 2014 Deutscher Bundestag Deutscher Bundestag WD4 215/14 W issenschaftliche Dienste Einzelfragen zur Grundsteuer Sachstand WD4. 3000- 215/14 Saite 2 215/14 Aktenzeichen: Abschluss der Arbeit: Fachbcreich: WD4 - 3000 27.11.2014 WD 4: Haushalt und Finanzen Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung das Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung dor Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbervichsleilung, Der Deutsche Bundastag behält sich die Rechte dor Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Platz der Republik I. 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Inh altsverzeichnis Sachstand WD4. - 215/14 Seite 3 4 6 7 7 2. 3, 3.2.1. 3.2.2. Welchen Spielraum haben die Gemeinden zur Festlegung von Hebesatz A und B? Zweckbindung von Steuern Grundsatz der Gesamtdeckung Ausnahmen vom Grundsatz der Gesamtdeckung Zweckbindung durch Haushaltsvermerke Zweckbindung durch gesetzliche Regelung Wissenschaftliche Dienste Sa chstand WD 4 - 3000—215114 Seite 4 1. Welchen Spielraum haben die Gemeinden zur Festlegung vo n Hebesatz A un d B ? Die Grundsteuer ist in Deutschland als „gute" Gemeindesteuer anerkannt.l Die bisherigen Diskussionen um eine Modernisierung der Grundsteuer konzentrierten sich auf die Kritik der veralteten Einheitsworto (Worteormittlung Stand 1. Januar 1964: neue Bundesländer Stand 1. Januar 19351. dem bisherigen Roformdiskurs wurde jedoch kcinc Staffelung der Grundsteuer nach bestimm. ten Kriterien erörtert. Jedoch wird bereits in der aktuellen Ermittlung der steuerlichen Belastung die Art der Immobilie berücksichtigt. Ihre Ermittlung erfolgt in drei Stufen: (1) Ermittlung des Einheitswertes als Bemessungsgrundlage, S 13 Abs. 1 GrStG i.V.m. SS 19, 21 ff. BewG , (2) Festsetzung eines Grundsteuermessbetrages als bestimmter Tausendsatz (Steuormosszahl) des Einheitswertes, SS 13 ff. GrStG . (3) Vervielfiltigung des Messbetrages urn einen Hebesatz (Berechnung der Grundsteuer), SS 25 ff. GrStG Hierbei spielt der Einheitswert eine entscheidende Rolle. Das Berechnungsverfahren ist im Bewertungsgesetz (BewG) festgelegt (Anlagen 3-8). Die Höhe des Vervielfältigers bemisst sich an unterschiedlichon Kriterien: u.a. Gemeindegröße. Altbauten, Neubauten, Nachkriegsbauten und Baumaterial (bspw. Massivbauten mit Mauerwerk aus Ziegelstein, etc. oder Holzfachwerkbauton mit Ziegelsteinausmauerung). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Einheitsbewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer trotz verfassungsrechtlicher Zweifel bislang als verfassungsgemäß beurteilt. Im Urteil vom 30.06.2010 (Az„: II R 60/08) hat cr daran jedenfalls für Stichtagc bis zum 1. Januar 2007 festgehalten. Zusätzlich hat er aber darauf hingewiesen, dass das weitere Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer mit verfassungsrocht• Lichen Anforderungen, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar sei. Aufgrund der finanziell angespannten Lage in vielen deutschen Kommunen wurde zum Zweck der Haushaltskonsolidierung die Grundsteuer B angehoben. Nachfolgende Tabelle zeigt die Höchstsätze der Kommunen im jeweiligen Bundesland. Im bundesweiten Vergleich zeigt sich eine große Spannbreite. Vgl. Stiftung Marktwirtschaft Gute Gemeindesteunrn, Berlin 2003, S. 8, W issenschattliche Dienste Sachstand WO 4 - SOOO- 215/14 Seite 5 Abbildung I : Städte und Gemeinden mit den höchsten RealsteuUhebesåtznn im Jahr 2013 in der Sortierung nach Flä- Chen lindern Fläche niand Baden• Mecklenburg- Vor m west feien Rh e'nl•nd-pfalz SE" land Sathsen Sachsen-Anhalt Holstein ingen Abbilduro: und'teue•A Prozent: Enzklösterle 1 _152Bnw. 65C Prozent: 700 proze M: Pritzier 434 600 Prozent: Prozent: Dierfeld 11Einw 320 Prozent: Prozent: Ge ringswalde, 4.449Einw; 500 Prozent: 410 Prozent: 455 Prozent: A 9696 Einw 650 Prozent: Thanstein. 988 Einw.; 493 ProzeM: Pvozent: 630 M: Hannover. 525232 Einw.; Prozent: 900 Prozent: Die rfe Einw 460 Prozent: ESG Prozent: 500 Prozent: Prozent: Ciewe•besteuel 4" Prozent: 460 Proze 465 Prozent: 463 525 øro:ent; 455 Prozent; 490 2.coE Prozent. Prozent: Chrisbnenfial, 62 Ein W. 47' Prozent; Stedte und Gemeinden mit den höchsten RealsteuerhebesStzen im Jahr in der Sortierung nach FlichenlSrdern Quelle: Gnädingor, Marc: Städte und Gemeinden mit den höchsten Realsteuerhebesätzen im Jahr 2013, im Internet unter: 127.11.20141. Wissenschaftliche Dienste WD 4 • 3000 — Seite 6 Dic den Kommunen vom Gesetzgeber eingeräumte Gestaltungsfreiheit ist lediglich durch die allgemeinen Grundsätze des Steuerrechts und in einem bestimmten Umfang durch haushaltsrechtlicho Grundsätze der Gemeindeordnung begrenzt. Der Hetxysatz darf aber nicht willkürlich festgesetzt werden. Nachdem die Grundsteuer der Einnahmeerzielung dient, dürfen über eine Hebesatzerhöhung aber auch Einnahmeausülle aus anderen Bereichen kompensiert werden, Von Seiten des Bundes der Steuerzahler Hessen wird angesichts steigender Hebesätze in den Kommunen eine Obergrenze gefordert.2 Gemäß S 26 Grundsteuergesetz ist der Landesgesetzgcbor befugt eine Obergrenze einzuführen. 2. Reformdiskurs Ina Korn lassen sich im Grundsteuerreformdiskurs drei Modelle darstellen: Das Südmodell dor Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sieht vor, die lage und Ausstattung der Gebäude nicht mehr zu berücksichtigen, sondern nur noch die Gebäude,grundflächo und Goschosszahl zur Berechnung heran zu ziehen. Dic Minister schlagen eine Steuer von 20 Cent je Quadratmeter und Etage bei Wohnhäusern und 40 Cent bei Gewerbebetrieben vor, Das Hebesatzrecht bleibt bei den Städten und Gomeinden. I)er Verzicht auf die Ermittlung von Grundstückswerten könnte zu einer Vereinfachung dor Steuerermittlung führen. Gleiches gilt fiir den Wegfall der Grundsteuer A. Das Nordmodell wurde von den Ländern Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen und Berlin erstellt. Basis dor Grundstouer sollen Verkehrswerte worden. Sio basieren auf dem Kaufpreis sowie der Lage, der Grundstücksgröße, der Wohn-l Nutzfläche und dom Baujahr, Das Thüringer Modell bildet einen Kompromiss. Der Wert des Grundstücks soll nach dem Bodenwert , die Gebäudeflächen mittels Äquivalenzziffern nach Größe und Nutzungsart angesetzt werden. Dies macht die Berechnung der Steuer aber nicht einfacher bzw. unbürokratischer und könnte zu unterschiedlichen Entscheidungen in einer Steuerart führen. Eine Reform der Grundsteuer scheint in der 18. WP möglich, da die Koalitionsparteien in ihrem Vertrag eine Modernisierung der Grundsteuer unter Beibehaltung des Hebesatzrechtos für Kornmen zeitnah umsetzen wollen. Die Festlegung auf ein bestimmtes Reformdesign enthält der Koalitionsvertrag jedoch nicht. Einen internationalen Vergleich der Grundsteuer enthält der Sachstand WD 4 — 3000 — 060/14. Anlage 1 Hessen Zeitung, Nachrichten des Bundes der Steuerzahle Hessen e.V.: Grundsteuern deckeln', November 2014. W issenscha Dienste 4 - 215/14 3. Zweckbindung von Steuern Seite 7 Dor Begriff dor Steuer ist im Grundgesetz nicht definiert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) soll er an die Definition der Steuer aus S 3 Abs. 2 Abga benordnung anknüpfen.' Steuern sind danach Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichcn Ccmcinwcson zur Erzielung von Einnahmon auferlegt werden. Sie finanzieren allgemeine Staatsaufgaben und flielk:n in den allgemeinen Flaus. 3.1 , Grundsatz der Gesamtdeckung Dieser sogenannte Grundsatz der Gesamtdeckung ergibt sich aus S 7 S. 1 HGrG und S 8 S. 1 BHO. Das BVerfG formulierte hierzu, eine Steuer sei ein Finanz-instrument des Staates, aus dessen Auf. kommen die Staatshaushalte allgemein — ohne jede Zweckbindung — ausgostattot worden, Über die Verwendung dieser Haushaltsmittel entscheide dann das Parlament allein, Art, 110 Il, III GG, Durch diese strikte 'I'rennung von Steuererhebung und haushaltsrechtlicher Verwendungsenlscheidung gewinne der Staat rechtstaatliche Distanz und Unabhängigkeit gegeniiber dem ihn nanzierenden Steuerpflichtigen und sei deshalb allen Bürgern in gleicher Weise verantwortlich. Hintergrund dieses Grundsatzes ist die Förderung der Flexibilität und Wirtschaftlichkeit des Mit. teloinsatzos. Dic politische Dispositions- und I„cnkungsbofugnis dos Parlaments auf finanzwirtschaftlichem Gebiet soll gesichert werden: dem Parlament soll das Einnahmeaulk01nmen des Haushaltsträgers ungeteilt und ungeschmälert zur Verfiigung stehen, ohne dass bestimmte Einnahmequollon vorab für spezifische Sonderzwecke reserviert sind. Neben der Sicherung des Budgetrechts des Parlaments vermeidet das Gesamtdeckungsprinzip auch die Bildung asymmetrischer Haushalte. Andernfalls könnten die Ressorts eigene Verwaltungseinnahmen fiir eigene Ausgaben reservieren und so andere Bereiche von der Mittelvergabe ausschließen. weil die Mittel nicht mehr zur Verfügung stünden.' Allerdings genießt das Prinzip der Gesamtdockung koincn Verfassungsrang.' vgl. BVerfG, 1 BvR 345/73. NJW 1973, 2099; BVerfG 2 BvL 19/83. 2 BvR 363/83, 2 BvR 491/83, NJW 1985, 37. 12. Annage, Art. 105 Rn. 3; Stand 06,2014, Art. 105 Rn. 4. BVer1G, 2 BvR 1775/02, NJW 2003, 2600. Lewinski,-'Bnrbat, Haushaltsgrundsätzegesetz. I. Auna# 2013, S 7 Rn. 2. Lewin ski/ Burbat. 1 _ 2013, S 7 Rn. I. Wissenschaftliche Dienste WD 4 • 3000 —215/14 3 , 2. Ausnahmen vom Grundsatz der Gesamtdeckung Vom Grundsatz der Cesarntdeckung kann auf der Grundlage von S 7 S. 2 HGrG, S 8 BHO abgowi- Chen werden. Hierbei wird jedoch die Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers durch zeitlich vorhergehende Festlegungen beschnitten (Einschränkung des Budgetrechts des Parlaments), sodass dem Haushaltsgesetzgeber zur eigenständigen Ausgabeermächtigung im jährlichen Haushaltsplan weniger Spielraum verbleibt.' Dementsprechend muss eine Zweckbindung entgegen dem grundsätzlich weiten Wortlaut der S 7 HGrG und S 8 BHO auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben' Die Ausnahmen vom Prinzip der Gesamtdeckung durch das Ausbringen von Zweckbestimmungen könnon auf gesetzlicher Grundlage oder durch Haushaltsvcrmork zugelassen werden. Dabei sind gesetzlich angeordnete Zweckbindungen in der Praxis die Ausnahme. Weitaus häufiger wird die Verwendung von Einnahmen für bestimmte Zwecke durch Haushaltsvermerke zugelassen. Zweckbindung durch Haushaltsverrnerke 3.2.1. Mit Zweckbindungsverrnerken sollen Anreize für ein wirtschaftliches Verhalten der mittelbewirtschaftenden Stellen geschaffen werden. Als sinnvoll werden daher Zweckbindungen vor allem bei Gebühren und Beiträgen angesehen, dio eine Gegenleistung fiir eine hoheitliche Tätigkeit durstollon. Im Haushaltsrecht wird zwischen echter und unechter Zweckbindung unterschieden. Eine echte Zweckbindung ist gogobon, wenn aus bestimmten Einnahmen wiederum nur ganz bestimmte Ausgaben geleistet werden dürfen. Beispielsweise zählen zu den echten Zwcckbindungon durch Haushaltsvermerk die zweckgebundenen Zuschüsse der Europäischen Union (etwa gern. Art. 162, 175 ff AFUV) oder die Finanzhilfen des Bundes an dic Länder (Art. 104b GG). Anders als die echte Zweckbindung ist die uncchtc Zweckbindung ein stärker haushaltstechnisch ausgerichtetes Instrument. Sofern bei einem Haushaltstitcl mehr Einnahmen als im Haushaltgplan veranschlagt erzielt werden. bostoht für diese iiberplanmåßigen Mehreinnahmen keino Zweckbindung, so dass sie auf Leertitel Oder Titel mit Geldansatz verbucht werden können und diese „verstärken". 3.2.2. Zweckbindung durch gesetzliche Regelung Zweckbindungen können durch Gesetz angeordnet werden, müssen dann aber ausdrücklich normiert sein, Beispiele für eine gesetzliche Ausnahme vom Verbot der Zweckbindung der Einnahmen in Form einer dauergesetzlichen Sonderregelung finden sich in Art. 1 Straßenbaufinanzierungsgcsctz, wonach ein Teil des Aufkommens der Energiesteuer nach Art. 1 StrBFinG. v. 28.3.1960 (BGB). 10 Grdpl, Haushaltsreformen uild Verfissun»recht. 21Å)I, S. 275; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, S 8 BHO. Rn. I ff. Gröpl, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 110. Rn. 145; BVerfGE 93.319 (3481; BVerfGE 65, 325 (344) 49, Gröpl, in: ders., BHO Rn26. Wissenschaftliche Dienste WD 4 - 3000— 215/14 Seite 9 S. 201, i' d.F. durch Art. 285 V. v. 31.10.2006. BGBI. I S. 2407) für Zwecke des Straßenwesens zu verwenden ist. Ähnliches gilt nach S 5 Abs. 1 Regionalisierungsgesetz (Art. 4 G. v. 27.12.1993. BGBI, I S. 2378, 2395 i.d.F. durch Art. 4 G. v. 14.12.2012, BGBI.I S. 2598) für den ÖPNV der Länder. Eine Ausnahme ist S 18 Abs. 2 Wohnungsbau- und Familicnhcimgesetz. Nach dieser Vorschrift stellt dor Bund im Bundeshaushalt für den öffentlich geförderten Wohnungsbau jährlich Mittel zur Verfügung. Auch die dem Brandschutz dienende Feuerschutzsteuer ist zweckgebunden.