Deutscher Bundestag Rechtliche Bedingungen und Voraussetzungen einer Abgabe für Arbeitgeber zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 – 212/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 212/12 Seite 2 Rechtliche Bedingungen und Voraussetzungen einer Abgabe für Arbeitgeber zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 – 212/12 Abschluss der Arbeit: 04. Oktober 2012 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 212/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Steuer 4 3. Gebühr 5 4. Beitrag 6 5. Sonderabgabe 6 5.1. Verfassungsrechtliche Anforderungen an Sonderabgaben 6 5.1.1. Gesetzgebungskompetenz für Sonderabgaben 7 5.1.2. Zulässigkeitskriterien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 7 5.2. Arbeitgeberabgabe als Sonderabgabe 9 6. Ergebnis 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 212/12 Seite 4 1. Einleitung Die Ausarbeitung befasst sich mit den rechtlichen Bedingungen und Voraussetzungen einer Abgabe für Arbeitgeber zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs. Als Vorbild soll hierbei die sog. „Dienstgeberabgabe“ in Wien dienen. Nach § 5 des Gesetzes über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe1 in der Fassung vom 05.04.2012 ist für jedes Dienstverhältnis in Wien vom Arbeitgeber eine Abgabe zu entrichten. Die Abgabe beträgt für jeden Dienstnehmer und für jede angefangene Woche eines bestehenden Dienstverhältnisses 2 Euro (§ 5 der Dienstgeberabgabe). Der Ertrag der Abgabe fließt der Stadt Wien zu und ist zur Errichtung einer Untergrundbahn zu verwenden (§ 9 der Dienstgeberabgabe). Auch in Baden-Württemberg wurde in den Jahren 1991/1992 sowie im Jahre 2005 über eine Nahverkehrsabgabe diskutiert. Hier war angedacht, jeden Halter eines Kraftfahrzeugs in einem Verkehrsgebiet mit einer Abgabe zu belasten, die er allerdings mit Fahrscheinen des öffentlichen Nahverkehrs hätte verrechnen können. Nach der Prüfung der Arbeitsgruppe der Landesregierung Baden-Württemberg wäre eine solche Nahverkehrsabgabe grundsätzlich nur als Lenkungsabgabe verfassungsrechtlich zulässig.2 Diente sie hingegen vorrangig der Erzielung von Einnahmen, würde es sich um eine Steuer handeln, für die das Land keine Gesetzgebungskompetenz hätte. Ferner wurde festgestellt, dass bei Einführung einer Nahverkehrsabgabe das Verursacherprinzip nicht einhaltbar wäre, da nur Halter im Verkehrsgebiet berücksichtigt würden, während Fahrer aus anderen Verkehrsgebieten keine Abgabe zu entrichten hätten. Auch wäre ein hoher bürokratischer Aufwand mit der Verrechnung der Fahrscheine verbunden gewesen. Daher wurde die Einführung einer Nahverkehrsabgabe wieder verworfen. Nachfolgend wird geprüft, ob die hier als Vorbild dienende „Dienstgeberabgabe“ auch in Deutschland eingeführt werden könnte. Da ein konkreter Gesetzgebungsvorschlag hierzu nicht vorliegt, können hier nur allgemein die finanzverfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer solchen Abgabe sowie mögliche rechtliche Probleme dargestellt werden. Die Prüfung kann insofern nicht abschließend erfolgen. Zunächst stellt sich die Frage nach der Rechtsnatur einer von den Arbeitgebern zu tragenden Abgabe. Die Abgabe stellte eine öffentlich-rechtliche Abgabe dar, da der Abgabepflichtige eine Geldleistung aufgrund von Rechtsvorschriften an den Staat abzuführen hätte. Hierbei unterscheidet man grundsätzlich zwischen Steuern, Gebühren, Beiträgen und Sonderabgaben. 2. Steuer Die Legaldefinition des Steuerbegriffs in § 3 Absatz 1 Abgabenordnung (AO) lautet: Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Hierbei kann die Erzielung von Einnahmen Nebenzweck sein. 1 Vgl. Gesetz über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe, abrufbar unter http://www.wien.gv.at/recht/landesrecht-wien/rechtsvorschriften/html/f3000000.htm, zuletzt abgerufen am 01.10.2012. 2 Landtag von Baden-Württemberg, Nahverkehrsabgabe Baden-Württemberg, Drs. 13/4950, S. 3ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 212/12 Seite 5 Gegen die Einordnung einer solchen „Arbeitgeberabgabe“ als Steuer spricht zunächst, dass die Abgabe nicht zur allgemeinen Erzielung von Staatseinnahmen erhoben werden würde, sondern für einen speziellen Zweck, nämlich der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs. Zwar ist auch eine sog. Zwecksteuer zulässig, bei der die Erzielung von Einnahmen lediglich einen Nebenzweck darstellt. Trotzdem muss die Steuer aber „voraussetzungslos“ und zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzhaushalt erhoben werden. Das bedeutet, dass das Aufkommen der Steuer in den allgemeinen Staatshaushalt fließen muss und dass die Steuer nicht die Gegenleistung für eine dem Abgabenpflichtigen individuell zurechenbare Leistung des öffentlich-rechtlichen Gemeinwesens darstellen darf. Ansonsten würde es sich nämlich um eine Vorzugslast (Beitrag bzw. Gebühr) handeln.3 Das Aufkommen der hier behandelten Abgabe soll vermutlich aber nicht in den allgemeinen Staatshaushalt fließen, sondern der Finanzierung des öffentlichen-Nahverkehrs dienen. Neben der Finanzierung einer besonderen Aufgabe spricht ebenfalls gegen eine Einordnung als Steuer, dass die Abgabe nicht der Gesamtheit der Steuerbürger, sondern einer Gruppe aufgegeben werden soll. Vorliegend soll die Abgabe nämlich von den Arbeitgebern getragen werden. Soweit es sich bei den Arbeitgebern um eine homogene Gruppe handelte, wäre die Abgabe vielmehr als Sonderabgabe einzuordnen (siehe auch unten Gliederungspunkt 5. der Ausarbeitung).4 Sowohl die Zweckbindung des Abgabenaufkommens als auch der Kreis der Abgabepflichtigen sprechen daher gegen eine Einordnung der Abgabe als Steuer. 3. Gebühr Ebenso wie die Steuer ist die öffentlich-rechtliche Gebühr eine Abgabe zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs. Von der Steuer unterscheidet sich die Gebühr durch die Verknüpfung mit einer individuell zurechenbaren Gegenleistung des öffentlich-rechtlichen Gemeinwesens. Die Gebühr stellt also ein Entgelt für eine tatsächlich erbrachte Leistung der Verwaltung dar.5 Daraus folgt, dass die Erhebung einer Abgabe zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs nur in Form einer Gebühr erfolgen kann, wenn die betroffenen Arbeitgeber als Abgabepflichtige eine tatsächliche Leistung des öffentlichen Nahverkehrs genießen. Fraglich ist, ob hierbei auf die Verhältnisse der Arbeitnehmer abgestellt werden kann. Dafür spricht, dass sich die Bemessungsgrundlage bei der „Dienstgeberabgabe“ auf die Zahl der Dienstverhältnisse in Wien bezieht. Dagegen spricht, dass die Abgabe ausschließlich von den Arbeitgebern erhoben wird. Ferner dürfte nicht davon auszugehen sein, dass der Arbeitgeber regelmäßig Verträge mit den Anbietern des öffentlichen Nahverkehrs zugunsten seiner Arbeitnehmer geschlossen hat. Insofern ist die individuelle Zurechenbarkeit des Angebots des öffentlichen Nahverkehrs zu den Arbeitgebern fraglich. Auch bei einer alternativen Ausgestaltung der Abgabe, bei der die Arbeitnehmer die Abgabepflichtigen wären und die Arbeitgeber diese lediglich abführten, dürfte problematisch 3 Birk, Steuerrecht, 14. Auflage 2011/12, Rn. 116. 4 Vgl. Birk, Steuerrecht, 14. Auflage 2011/12, Rn. 121. 5 Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Auflage 2010, § 3 Rn. 20 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 212/12 Seite 6 sein, dass nicht jeder Arbeitnehmer den öffentlichen Nahverkehr benutzt. Es gibt daher gute Gründe, die Abgabe der Arbeitgeber finanzverfassungsrechtlich nicht als Gebühr einzuordnen. 4. Beitrag Ähnliches gilt für die Erhebung einer Abgabe in Form eines Beitrags. Der Beitrag zählt wie die Gebühr zu den Vorzugslasten. Beiträge sind „Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen […] dienen“.6 Aufwendungen für die laufende Unterhaltung und Instandsetzung werden hiervon nicht erfasst.7 Auch der Beitrag muss dem Bürger individuell zukommen, jedoch kommt es nicht darauf an, ob dieser ihn auch tatsächlich in Anspruch nimmt. Im Unterschied zur Gebühr genügt das (weit verstandene) Angebot des Staates, also die bloße Möglichkeit des Bürgers, von diesem Gebrauch zu machen.8 Wenn also eine Abgabe zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs in Form eines Beitrags erhoben werden soll, muss jedem abgabepflichtigen Arbeitgeber eine Leistung derart angeboten werden, dass er die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Leistung hat. Die Erhebung einer Abgabe in Form einer Vorzugslast (Gebühr oder Beitrag) ist also nur unter strengen Voraussetzungen und bei besonderer Ausgestaltung der Abgabe möglich. Vorliegend dürfte die von den Arbeitgebern zu erhebende Abgabe nicht als Gebühr oder Beitrag zu rechtfertigen sein, da sie von allen Arbeitgebern unabhängig von der tatsächlichen oder potenziellen Inanspruchnahme des öffentlichen Nahverkehrs erhoben werden soll. Im Übrigen ist zu vermuten, dass das Aufkommen einer solchen Abgabe überwiegend dem laufenden Unterhalt des öffentlichen Nahverkehrs dienen sollte, was ebenso gegen eine Abgabe in Form eines Beitrags spräche. 5. Sonderabgabe Schließlich könnte eine Abgabe zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs in Form einer Sonderabgabe möglich sein. 5.1. Verfassungsrechtliche Anforderungen an Sonderabgaben9 Bei Sonderabgaben handelt es sich um Abgaben, denen keine zurechenbare Gegenleistung gegenübersteht, die aber im Unterschied zu Steuern nicht von der Gesamtheit der Steuerbürger, sondern nur von einer bestimmten Gruppe erhoben werden und zur Finanzierung besonderer 6 Vgl. § 8 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz NRW. 7 Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Auflage 2010, § 3 Rn. 23. 8 Mückl, Die Umlagefinanzierung im neuen Telekommunikationsrecht, Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 2006, 797, 800. 9 Vgl. hierzu allgemein Birk, Steuerrecht, 14.Auflage 2011/12, Rn. 121 ff.; Ossenbühl, Zur Rechtfertigung von Sonderabgaben mit Finanzierungzweck, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 2005, 667 ff.; Simon, Der Rechtsgrund der Sonderabgaben, DÖV 2001, 63 ff.; Tipke/Lang, Steuerrecht 20. Auflage 2010, §3 Rn. 24 ff.; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, Diss., 1996, S.107 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 212/12 Seite 7 Aufgaben dienen. Grundsätzlich unterscheidet das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwei Arten von Sonderabgaben. Zum einen gibt es Sonderabgaben mit Finanzierungszweck. Diese sollen Belastungen innerhalb eines bestimmten Erwerbs- oder Wirtschaftszweiges ausgleichen. Zum anderen gibt es Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion, die zu einem bestimmten Verhalten anreizen oder Fehlverhalten sanktionieren sollen. 5.1.1. Gesetzgebungskompetenz für Sonderabgaben Da Sonderabgaben keine Steuern sind, ergibt sich die Sonderabgabenhoheit nicht aus den Art. 105 ff. GG, sondern aus den allgemeinen Regeln der Art. 70 ff. GG. Die Gesetzgebungskompetenz ergibt sich als Annex aus der jeweiligen Sachgesetzgebungskompetenz. 5.1.2. Zulässigkeitskriterien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts10 Die Zulässigkeitskriterien für Sonderabgaben bildete das BVerfG unter dem Aspekt des Schutzes der Finanzverfassung und dem „Prinzip des Steuerstaates“ einerseits und des Individualschutzes der Abgabepflichtigen andererseits, der seine Grundlage im Wesentlichen in dem Grundsatz der Belastungsgleichheit der Bürger findet. Ziel aller Schutz- und Abgrenzungsbemühungen war es, die Sonderabgaben deutlich von der Steuer abzuheben. Leisten sollen dies fünf von der Rechtsprechung entwickelte Kriterien, welche allerdings nur für Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion gelten und für andere Sonderabgaben ggf. nicht gleichermaßen zum Zuge kommen. Diese strengen Anforderungen sind also zu beachten, wenn die Sonderabgabe zumindest auch einen Finanzierungszweck verfolgt. Vorliegend soll das Aufkommen der Arbeitgeberabgabe der (Mit-)Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs dienen. Ihr würde folglich eine Finanzierungsfunktion zukommen. Sonderabgaben, die Ausgleichs- bzw. Lenkungsfunktion haben, sind dagegen z.B. die Schwerbehindertenabgabe oder die kommunale Verpackungsteuer11. Die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien sind bei der Beurteilung einer Sonderabgabe für Finanzdienstleistungsunternehmen folglich zu beachten. Dabei handelt es sich im Einzelnen um folgende Kriterien: - Verfolgung eines bestimmten Sachzwecks, - Gruppenhomogenität, - besondere Finanzierungsverantwortung der Gruppe, - gruppennützige Verwendung des Abgabeaufkommens, - periodische Prüfung der Legitimation der Sonderabgabe. 10 Vgl. zu der Entwicklung der Rechtsprechung BVerfGE 55, 274 ff. (Berufsausbildungsabgabe); 57, 139 ff. (Schwerbehindertenabgabe); 67, 256 ff. (Investitionshilfeabgabe); 75, 108 ff. (Künstlersozialversicherungsabgabe); 78, 249 ff. (Fehlbelegungsabgabe); 82, 159 ff. (Absatzfondsabgabe); 91, 186 ff. (Kohlepfennig); 92, 91 ff. (Feuerwehrabgabe); 108, 186 ff. 11 BVerfGE 98, 106 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 212/12 Seite 8 Die Zulässigkeitskriterien des Bundesverfassungsgerichts sind dazu gedacht, die Sonderabgabengesetzgebung in engen Grenzen zu halten. Sonderabgaben sollen gegenüber der Steuer die seltene Ausnahme bleiben. Aus diesem Grunde sind die Zulässigkeitskriterien restriktiv anzuwenden. a) Verfolgung eines bestimmten Sachzwecks Der Gesetzgeber darf sich der Abgabe nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Im Gesetz muss daher außer der Belastung mit der Abgabe und der Verwendung des Aufkommens auch die gestaltende Einflussnahme auf den geregelten Sachbereich zum Ausdruck kommen.12 b) homogene Gruppe Eine gesellschaftliche Gruppe darf nur mit einer Sonderabgabe belastet werden, wenn sie durch eine gemeinsame, in der Rechtsprechung oder gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch besondere Gemeinsamkeiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar ist. Das Bundesverfassungsgericht nennt solche Personenkreise „homogene Gruppen“. Dabei kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich kein Entscheidungsspielraum zu, die Gruppe der mit einer Sonderabgabe zu belastenden Bürger selbst abzugrenzen. Vielmehr kann eine Abgabe nur einer in der Rechts- oder Sozialordnung vorgefundenen homogenen Gruppe auferlegt werden. c) besondere Finanzierungsverantwortung Die mit der Abgabe belastete Gruppe muss dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck evident näher stehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Der allgemeine Gleichheitssatz rechtfertigt eine gesonderte Gruppenbelastung nur, wenn eine spezifische Sachnähe der Abgabepflichtigen zu der zu finanzierenden Aufgabe besteht. Aus der genannten Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Erhebungszweck muss eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen. Auch hier ist entscheidend, dass die besondere Sachverantwortung der homogenen Gruppe nicht erst durch den Abgabengesetzgeber geschaffen, sondern in der Rechts- oder Sozialordnung vorgefunden wird. Maßgebliches Kriterium ist die Verantwortlichkeit für Folgen gruppenspezifischer Zustände und Verhaltensweisen.13 d) gruppennützige Verwendung Die insbesondere durch Art. 3 GG vorgegebenen Legitimationskriterien der homogenen Gruppe und der spezifischen Finanzierungsverantwortung der Abgabenschuldner münden in dem gesetzgeberischen Auftrag, dass Aufkommen der Abgabe im Interesse der Abgabenschuldner, d.h. gruppennützig und damit zweckgebunden, zu verwenden. Denn nur, wenn das Aufkommen der 12 Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Auflage 2009, § 3 Rn. 36. 13 Vgl. BVerfG, DVBl 2009, 375, 377. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 212/12 Seite 9 Sonderabgabe dem Abgabepflichtigen wieder zugutekommt, lässt sich der verfassungsrechtliche Eingriff in das Eigentum nach Art. 14 GG rechtfertigen e) periodische Legitimation der Sonderabgabe Da die Sonderabgabe nur unter engen Voraussetzungen zulässig und folglich restriktiv anzuwenden ist, ist der Gesetzgeber gehalten, die Abgabe in regelmäßigen Abständen darauf zu überprüfen, ob ihre verfassungsrechtliche Legitimation fortbesteht. 5.2. Arbeitgeberabgabe als Sonderabgabe Die Zulässigkeit einer „Arbeitgeberabgabe“ als Sonderabgabe ist folglich nach den vorstehenden Kriterien zu beurteilen. a) Verfolgung eines bestimmten Sachzwecks Im Hinblick auf den bestimmten Sachzweck bedarf es zunächst eines klaren gesetzgeberischen Willens. Vorliegend soll mit dem Aufkommen aus der Abgabe der öffentliche Nahverkehr (mit-) finanziert werden. Fraglich ist hierbei, inwiefern mit diesem Finanzierungszweck eine gestaltende Einflussnahme auf den geregelten Sachbereich (da die Abgabe von den Arbeitgebern zu tragen wäre, käme hier vor allem der Bereich der Wirtschaft, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 i.V.m. 72 Abs. 2 GG, in Betracht) verbunden wäre. b) Homogene Gruppe Bei den abgabepflichtigen Arbeitgebern würde es sich um eine homogene Gruppe handeln, die durch gemeinsame Gegebenheiten und Interessenlagen verbunden ist, die sie von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzt. Das BVerfG führte hierzu in seiner Entscheidung zur Ausbildungsplatzförderungsabgabe aus: „Die Arbeitgeber selbst sehen sich als homogene Gruppe. Dies zeigt sich schon daran, dass sie sich zur Darstellung, Bewahrung und Durchsetzung ihrer gemeinsamen Interessen zu sozialpolitischen Organisationen zusammengeschlossen haben, die unter dem Namen ‚Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände‘ eine Arbeitsgemeinschaft bilden, deren Ziel es ist, die ‚gemeinschaftlichen sozialpolitischen Belange‘ aller Arbeitgeber zu wahren (§ 1 I der Satzung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände). Auch der Gesetzgeber ist seit jeher davon ausgegangen, dass die Arbeitgeber eine homogene Gruppe in der Sozialwirklichkeit darstellen. So hat er z. B. in den Regelungen des Tarifvertragsgesetzes das Bestehen gemeinsamer Arbeitgeberinteressen und deren Wahrung durch entsprechende Verbände vorausgesetzt. Die Arbeitgeber treten nach den Grundgedanken des Tarifvertragsgesetzes wie auch in der Sozialwirklichkeit im Rahmen einer Sozialpartnerschaft als Interessengegenpol zur Gruppe der Arbeitnehmer auf. Branchentypische, strukturbedingte, organisatorische oder quantitative Unterschiede innerhalb der Gruppe der Arbeitgeber sind im vorliegenden Zusammenhang nicht erheblich. Denn sie ändern nichts an der prinzipiell gleichen Interessenlage und der gleichermaßen bestehenden, aus der Arbeitgebereigenschaft folgenden Stellung und Verantwortung in der Gesellschaft.“14 14 Vgl. BVerfG, Verfassungswidrigkeit des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1981, 329 (333). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 212/12 Seite 10 c) Besondere Finanzierungsverantwortung Eine besondere Finanzierungsverantwortung der Arbeitgeber für den öffentlichen Nahverkehr ist nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich eine besondere Verantwortung der Arbeitgeber nicht bereits aus der Rechts- und Sozialordnung. Eine solche Verantwortung dürfte auch außerhalb der Fürsorgepflichten des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern liegen. Ebenfalls ist nicht ersichtlich, weshalb die Arbeitgeber dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck näher stehen als andere Gruppen oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Aus der Tatsache, dass auch Arbeitnehmer den öffentlichen Nahverkehr benutzen, lässt sich noch keine besondere Finanzierungsverantwortung der Arbeitgeber ableiten. Im Hinblick auf alternative Ausgestaltungsmöglichkeiten einer solchen Abgabe dürfte diese Voraussetzung auch bei den Arbeitnehmern als Abgabepflichtigen nicht erfüllt sein. d) Gruppennützige Verwendung der Sonderabgabe Ebenso läge eine gruppennützige Verwendung der Sonderabgabe für die Arbeitgeber nicht vor. Mit dem Finanzierungszweck einer solchen Abgabe werden keine spezifischen Interessen der Arbeitgeber verfolgt. 6. Ergebnis Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Erhebung einer Abgabe von den Arbeitgebern zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht wohl nicht zulässig wäre. Insbesondere dürften die aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG sehr restriktiv anzuwendenden Voraussetzungen einer Sonderabgabe hier nicht erfüllt sein.