Deutscher Bundestag Entziehung von Banklizenzen wegen Beihilfe zu Steuerstraftaten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000-207/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-207/12 Seite 2 Entziehung von Banklizenzen wegen Beihilfe zu Steuerstraftaten Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 4 – 3000-207/12 Abschluss der Arbeit: 14.09.2012 Fachbereich: WD 4 : Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-207/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Entziehen einer bereits erteilten Banklizenz 4 1.1. neue Tatsachen 4 1.1.1. Möglichkeit der Versagung wegen fehlender Zuverlässigkeit / mangelnder Eignung des Führungspersonals 4 1.2. nachhaltiger Verstoß gegen Gesetzesbestimmungen 5 1.3. Ermessensausübung 6 2. Entziehung der Geschäftserlaubnis des Tochterkonzerns aufgrund von Mängeln im Mutterkonzern 6 2.1. Tochterunternehmen als rechtlich eigenständiges Unternehmen 6 2.2. Erlaubnisentzug aufgrund mangelnder Aufsichtsmöglichkeit 7 2.3. Erlaubnisentzug aufgrund der Unzuverlässigkeit von Gesellschaftern 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-207/12 Seite 4 Angefragt ist, ob es nach der bisherigen Rechtslage möglich wäre, einem Kreditinstitut die Geschäftserlaubnis zu entziehen, wenn dieses durch seine leitenden Mitarbeiter Beihilfe nach § 27 StGB zu einer Steuerstraftat geleistet hat. Ebenfalls angefragt ist, ob einer hiesig tätigen Tochtergesellschaft einer ausländischen Bank die Geschäftserlaubnis entzogen werden kann, wenn die Beihilfe zu der Steuerstraftat durch die ausländische Muttergesellschaft geleistet würde. 1. Entziehen einer bereits erteilten Banklizenz Eine bereits erteilte Banklizenz kann neben den allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetz , insbesondere §§ 48, 49 VwVfG, auch nach § 35 KWG wieder entzogen werden. Die Entscheidung hierrüber trifft die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). 1.1. neue Tatsachen Die Bundesanstalt kann gemäß § 35 II Nr. 3 KWG die Erlaubnis dann aufheben, wenn ihr Tatsachen bekannt werden, welche die Versagung der Erlaubnis nach § 33 I 1 oder III Nr. 1-3 rechtfertigen würden. Hierbei muss es sich um neue Tatsachen handeln, die bei Erlaubniserteilung noch nicht bekannt waren. 1.1.1. Möglichkeit der Versagung wegen fehlender Zuverlässigkeit / mangelnder Eignung des Führungspersonals Eine Erlaubnis ist nach § 33 I Nr. 2 KWG dann zu versagen, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass ein Antragssteller nicht zuverlässig ist. Antragssteller und Geschäftsleiter müssen persönlich zuverlässig sein, bei juristischen Personen deren gesetzliche Vertreter.1 Maßgeblich für die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „persönliche Zuverlässigkeit“ und „fachliche Eignung“ sind gewerberechtliche Grundsätze, die handelsrechtliche Sorgfaltspflicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters i.S.v. § 93 I Aktiengesetz (AktG). Unzuverlässig ist derjenige, der nicht die Gewähr dafür bietet, dass er die in Frage stehende Tätigkeit ordnungsgemäß betreiben wird, wobei Tatsachen, die eine solche Annahme begründen können, strafbare Handlungen, vor allem aus dem Bereich der Vermögensdelikte und des Wirtschaftsstrafrechts sind.2 Zu Vermögensdelikten gehören auch Steuerstraftaten.3 Tatsachen, aus denen sich die Unzuverlässigkeit ergeben soll, müssen sich auf das konkret ausgeübte Gewerbe beziehen. Es gibt keine Unzuverlässigkeit 1 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 33 Rn. 34. 2 Erbs/Kohlhaas: Strafrechtliche Nebengesetze, 188. Ergänzungslieferung, 2012, § 33 Rn. 4. 3 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 33 Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-207/12 Seite 5 schlechthin.4 Einmalige oder aus einer Sondersituation resultierende Verfehlungen begründen in der Regel keinen hinreichenden Grund, die Unzuverlässigkeit anzunehmen.5 Unzuverlässigkeit ist z. B. bei erheblichen Vorstrafen – besonders bei Betrug, Untreue, Unterschlagung, Urkundenfälschung oder sonstigen Vermögensstraftaten–, bei schwerwiegenden Ordnungsverstößen einschließlich Steuervergehen, bei laufender Verletzung gesetzlicher Verpflichtungen insbesondere solcher des KWG, bei Unzuverlässigkeit im Arbeitsleben, persönlichen Schwächen oder auch unverschuldeten Mängeln wie krankhaften Störungen anzunehmen.6 Bei der Entscheidung, die Erlaubnis wegen Unzuverlässigkeit zu versagen, sind die Grundsätze der Sachgerechtigkeit und der Verhältnismäßigkeit angemessen zu beachten.7 Eine Versagung der Erlaubnis wegen Unzuverlässigkeit ist nur dann verhältnismäßig und mit Art. 12 GG vereinbar, wenn es sich um ein im Zusammenhang mit der erlaubnispflichtigen Tätigkeit nicht unbedeutendes Delikt oder um erhebliche Vermögensdelikte, Wiederholungstäter oder besonders schwere sonstige Delikte handelt . 8 Jedenfalls kommt es auf eine sorgfältige Einzelfallprüfung an, nach der Tat und Tatumstände hinreichende Anhaltspunkte für eine auch künftige Unzuverlässigkeit ergeben. Der Mangel in der Zuverlässigkeit oder fachlichen Eignung muss auf Tatsachen beruhen, die bei Erlaubniserteilung nicht bekannt waren. Eine fehlerhafte oder geänderte Beurteilung der bei Erlaubniserteilung bekannten Tatsache reicht nicht aus.9 Bedenken gegen die Eignung von Geschäftsführern ergeben sich überwiegend aus deren Verhalten während ihrer Geschäftsführung, was regelmäßig neue Tatsachen sind.10 Die persönliche Zuverlässigkeit kann durch das Bekanntwerden von kriminellen Handlungen in Frage gestellt sein. 1.2. nachhaltiger Verstoß gegen Gesetzesbestimmungen Die Erlaubnis kann nach § 35 II Nr. 2 KWG entzogen werden, wenn das Institut nachhaltig gegen Bestimmungen dieses Gesetzes, des Geldwäschegesetzes, des Wertpapierhandelsgesetzes oder die zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Verordnungen oder Anordnungen verstoßen hat. Verstöße gegen andere rechtlichen Vorschriften sind von Nr. 6 nicht erfasst. Wenn trotz Abmahnung schwerwiegend und nachhaltig gegen Aufsichtsbestimmungen verstoßen wird, so steht außerdem die Zuverlässigkeit oder fachliche Eignung des Erlaubnisinhabers bzw. des Geschäftsleiters in Frage.11 Dies rechtfertigt die Abberufung der Geschäftsleiter bzw. im Extremfall auch die 4 Marcks in: Landmann/Rohmer, Kommentar zur GewO, § 35 GewO Rn. 34. 5 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 33 Rn. 36. 6 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 33 Rn. 37. 7 Samm in: Beck/Samm, § 33 Rn. 44. 8 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 33 Rn. 38. 9 Samm in: Beck/Samm, § 33 Rn. 45. 10 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 35 Rn. 28. 11 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 35 Rn. 45. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-207/12 Seite 6 Aufhebung der Erlaubnis. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist für eine Aufhebung der Erlaubnis nach Nr. 6 ein nachhaltiger, in der Sache also bedeutsamer Verstoß erforderlich. 12 1.3. Ermessensausübung Ob eine Erlaubnis bei Vorliegen der Gründe zurückgenommen wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen der BaFin, wobei neben den allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen der Gleichbehandlung , der Verhältnismäßigkeit und der Wahl des mildesten Mittels die Zwecke des KWG maßgebend sind.13 Bei der Abwägung, ob ein Erlaubnisentzug angemessen ist, müssen nicht nur wegen der berechtigten Interessen des Inhabers, sondern auch aus dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes alle Alternativen ausgeschöpft sein, denn eine Schließung und die anschließende Einleitung eines Insolvenzverfahrens führt fast immer zu Zusatzverlusten durch eine starke Entwertung des noch vorhandenen Vermögens, weshalb ein Erlaubnisentzug auch für die Gläubiger und sonstigen Kunden des Instituts regelmäßig nachteilig ist, selbst wenn die meisten Einlagen durch Entschädigungseinrichtungen geschützt sind.14 Ein Entzug der Erlaubnis wegen Mängeln der Geschäftsleiter muss daher stets ultima ratio sein und dürfte allenfalls im Ausnahmefall in Betracht kommen, da regelmäßig das Abberufungsverlangen nach § 36 KWG das angemessene Mittel ist.15 § 36 KWG gibt der BaFin die Befugnis, die Abberufung von Geschäftsleitern zu verlangen, wenn eine Aufhebung der Erlaubnis gerechtfertigt wäre oder wenn ein Geschäftsleiter nachhaltig gegen aufsichtliche Bestimmungen verstoßen hat. Anstelle der Schließung des Instituts, die für dieses und die Gläubiger schwerwiegende Folgen haben kann, ist das Abberufungsverlangen und/oder die Untersagung der Tätigkeit für unzuverlässige und/oder ungeeignete leitende Mitarbeiter das mildere Mittel.16 Ein Erlaubnisentzug anstelle einer an sich ausreichenden Abberufung oder Untersagung der Tätigkeit von Geschäftsleitern wäre fehlerhafter Ermessensgebrauch.17 2. Entziehung der Geschäftserlaubnis des Tochterkonzerns aufgrund von Mängeln im Mutterkonzern 2.1. Tochterunternehmen als rechtlich eigenständiges Unternehmen Ein Tochterunternehmen ist ein Unternehmen, das von einem anderen Unternehmen, dem Mutterunternehmen , beherrscht wird, dennoch handelt es sich um eine rechtlich eigenständige juris- 12 Erbs/Kohlhaas: Strafrechtliche Nebengesetze, 188. Ergänzungslieferung, 2012, § 35 Rn. 10. 13 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 35 Rn. 12. 14 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 35 Rn. 12. 15 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 35 Rn. 29. 16 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 36 Rn. 1. 17 Szagunn/Haug/Ergenzinger: KWG, § 36 Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-207/12 Seite 7 tische Person.18 Eine mögliche Abberufung von Geschäftsleitern ist daher nur möglich, wenn diese selbst persönlich unzuverlässig und ungeeignet sind. Geschäftsleiter des Tochterunternehmens können somit nicht für etwaige Mängel der Geschäftsleitung des Mutterkonzerns persönlich verantwortlich gemacht werden. Dies obliegt der jeweiligen Finanzaufsicht, die das Mutterunternehmen überwacht. 2.2. Erlaubnisentzug aufgrund mangelnder Aufsichtsmöglichkeit Ein Erlaubnisentzug wäre jedoch nach § 33 III KWG in Verbindung mit §35 II Nr. 3 KWG möglich , wenn aufgrund konkreter Tatsachen davon auszugehen ist, dass eine wirksame Aufsicht über das Institut beeinträchtigt wird. Ob solche Tatsachen vorliegen, also die Annahme gerechtfertigt ist, dass eine Beeinträchtigung eintreten kann, steht nicht im Ermessen der BaFin, sondern ist gerichtlich nachprüfbar.19 Tatsachen im Sinne dieser Vorschriften können Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Drittstaats sein, die eine wirksame Aufsicht über das Institut beeinträchtigen . Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn das Recht des Drittstaats die Weitergabe von Informationen, z. B. über Einwirkungsmöglichkeiten, geschäftliche Verhältnisse usw., die auch für die Beaufsichtigung des antragstellenden Instituts von Bedeutung sein können, verbietet .20 Gleiches gilt, wenn der Antragsteller Tochterunternehmen eines ausländischen Mutterinstituts ist, das einer unzureichenden oder unkooperativen Aufsicht in seinem Sitzstaat unterliegt. Die Regelung berücksichtigt eine Forderung des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht hinsichtlich der Beaufsichtigung internationaler Bankkonzerne. Voraussetzung ist, dass das Mutterunternehmen ein Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut mit Sitz außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes ist, in dem entweder keine hinreichende Aufsicht stattfindet oder diese mit der BaFin nicht befriedigend zusammenarbeiten will oder kann.21 2.3. Erlaubnisentzug aufgrund der Unzuverlässigkeit von Gesellschaftern Die Erlaubnis kann nach § 33 I 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 35 II Nr. 3 KWG auch entzogen werden , wenn der Inhaber einer bedeutenden Beteiligung an dem Institut oder Gesellschafter bzw. gesetzliche Vertreter des entsprechend beteiligten Unternehmens unzuverlässig sind. Die Bestimmung erfasst den Inhaber einer bedeutenden Beteiligung, also einen Gesellschafter, der unmittelbar oder mittelbar mindestens 10 vom Hundert des Kapitals oder der Stimmrechte des Unternehmens hält oder maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung des Unternehmens ausüben kann (§ 1 IX KWG). Durch die Möglichkeit, die Erlaubnis aufgrund dessen wieder zu entziehen , soll verhindert werden, dass Institute zugelassen werden bzw. betrieben werden, bei denen zu befürchten ist, dass maßgebliche Gesellschafter Einflüsse ausüben, die die Solvenz und 18 Köster: Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, 2. Ergänzungslieferung 2010, Rn. 32. 19 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 33, Rn. 85. 20 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 33, Rn. 88. 21 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 33, Rn. 89. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-207/12 Seite 8 Funktionsfähigkeit des Instituts gefährden könnten.22 Wesentliches Motiv ist dabei auch die Verhinderung der Nutzung von Instituten zur organisierten Kriminalität und insbesondere zur Geldwäsche.23 Allerdings ist zu beachten, dass der BaFin in einem entsprechenden Fall auch die Möglichkeit zusteht, dem Inhaber der bedeutenden Beteiligung die Ausübung seiner Stimmrechte zu untersagen. Dies dürfte das mildere Mittel gegenüber einer Versagung oder Aufhebung der Erlaubnis gem. §35 II Nr.3 sein.24 Denn auch hierbei gilt der allgemeine Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Wahl des mildesten Mittels. Ein Erlaubnisentzug darf, sofern er theoretisch zulässig wäre, nur ultima ratio sein. 22 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 33, Rn. 78. 23 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 33, Rn. 78. 24 Boos/Fischer/Schulte-Mattler: Kreditwesengesetz, 4. Auflage, 2012, § 33, Rn. 82.