© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 198/18 Einzelfragen zum Finanzföderalismus Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 2 Einzelfragen zum Finanzföderalismus Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 198/18 Abschluss der Arbeit: 14. Januar 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitende Bemerkungen 4 2. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen 4 2.1. Konnexitätsprinzip nach Art. 104a Abs. 1 GG 4 2.2. Finanzhilfen nach Art. 104b GG 4 2.3. Mögliche Grundgesetzänderung im Rahmen des „Digitalpaktes“ 6 2.3.1. Mögliche Neuregelung von Art. 104c GG 6 2.3.2. Mögliche Aufnahme von Art. 104d GG 8 2.3.3. Mögliche Änderung von Art. 125c GG 8 2.4. Finanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S.5 und 6 GG 9 2.5. Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG und Art. 91b GG 10 2.6. Entflechtungsmittel 11 3. Einzelprogramme 11 3.1. Finanzhilfen 11 3.1.1. Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen 11 3.1.2. Finanzhilfen für Stadtsanierung und -entwicklung 12 3.1.3. Finanzhilfen für Seehäfen 12 3.2. Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG 13 3.2.1. Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur 13 3.2.2. Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes 13 3.3. Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91b GG 14 3.4. Entflechtungsmittel 15 3.4.1. Beendigung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau 15 3.4.2. Beendigung der Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung 16 3.4.3. Beendigung der Finanzhilfen für Wohnungsbau und - modernisierung 16 3.5. Maßnahmen des Bundes zur Unterstützung von Ländern und Kommunen im Bereich der Flüchtlings- und Integrationskosten 17 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 4 1. Einleitende Bemerkungen Der Auftraggeber bittet um Beantwortung diverser Einzelfragen zum Finanzföderalismus. Fokussiert werden dabei die Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung für Bundesländer und Kommunen durch den Bund. Die Einzelfragen werden gebündelt beantwortet. 2. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen 2.1. Konnexitätsprinzip nach Art. 104a Abs. 1 GG Nach Art 104a Abs. 1 GG tragen Bund und Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben (Konnexitätsgrundsatz). Die Ausgabenlast folgt damit der Aufgabenzuständigkeit. In seiner zuständigkeitsabgrenzenden Funktion verbietet das Konnexitätsprinzip den Gebietskörperschaften, die Aufgabenlast der jeweils anderen zu finanzieren. Die Finanzverantwortung für die Kommunen tragen nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes die Länder.1 2.2. Finanzhilfen nach Art. 104b GG Art. 104b GG ermöglicht dem Bund, sich unter bestimmten Voraussetzungen – abweichend vom Konnexitätsgrundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG – an der Finanzierung von Investitionen in Aufgabenvollzugsbereichen der Länder und Gemeinden durch die Gewährung von Finanzhilfen an die Länder zu beteiligen.2 Die Regelung soll das Instrument der Finanzhilfen des Bundes „auf seine eigentliche Zielrichtung, Bundesmittel gezielt und flexibel zur Behebung konkreter Problemlagen einzusetzen“, zurückführen.3 Die Leistung von Finanzhilfen steht im Ermessen des Bundes, das sich „nach Maßgabe seiner Finanzkraft “ zu einer Hilfeleistungspflicht verdichten kann.4 „Art. 104 b Abs. 1 gibt dem Bund grundsätzlich ein Entschließungs- und ein Auswahlermessen („kann“, „erforderlich“). Das Entschließungsermessen betrifft das „Ob überhaupt“ und das „Wie lange“, das durch Mitspracherechte der Länder eingeschränkte Auswahlermessen Art und Umfang der Finanzhilfen. […] Das Entschließungsermessen des Bundes ist frei von politischer Einwirkung der Länder. Der Bund kann hier politische Erwägungen zur Geltung bringen, nur keine parteipolitischen. Es kann gleichwohl rechtlich reduziert sein; wegen seiner Garantenstellung für das staatliche Finanzwesen und das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gibt es kein freies politisches Ermessen des 1 BeckOK Grundgesetz/ Kube, GG Art. 104a, Rn. 8. 2 BeckOK Grundgesetz / Kube, Art. 104b, Rn. 1. 3 BT-Drs. 16/813, S. 19. 4 BVerfGE 39, 96 (113). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 5 Bundes; vielmehr ist insoweit das Merkmal „erforderlich“ eine – wenn auch kaum justitiable – Ermessensdirektive.“5 Das Ermessen bezieht sich jedoch ebenso auf die Einschränkung oder Abschaffung einzelner Finanzhilfen , selbst wenn deren tatbestandliche Voraussetzungen noch erfüllt sind; Art. 104b GG kennt als Ausnahmevorschrift grundsätzlich keinen Bestandsschutz.6 Der Bund darf immer nur einen Teil der Investitionskosten übernehmen; dies ergibt sich aus dem Begriff der Hilfe.7 Aus dem Begriff folgt ebenso, dass der Bund nur Angebote unterbreiten darf, die von den Ländern ausgeschlagen werden können. Die Finanzhilfen dürfen zudem nicht von Einvernehmens -, Zustimmungs- oder Genehmigungsvorbehalten oder auch Einspruchsrechten im Einzelfall abhängig gemacht werden. Ebenso wenig ermächtigt Art. 104b GG den Bund, in eigener Regie Investitionspläne aufzustellen und bei der Auswahl von Einzelprojekten mitzuwirken.8 Weil Art. 104b Abs. 2 S. 1 GG dem Bund das Einwirken lediglich bis zum Zeitpunkt der Hingabe der Finanzmittel an die Länder erlaubt, wurden im Rahmen der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen 2017 Art. 104b Abs. 2 S. 2 u. 3 GG ergänzt (BGBl. 2017 I 2347). Nach Art. 104b Abs. 2 S. 2 GG kann das Bundesgesetz oder die Verwaltungsvereinbarung Bestimmungen über die Ausgestaltung der Länderprogramme zur Verwendung der Finanzhilfen vorsehen . Zweck der – Art. 109 Abs. 1 GG relativierenden – Ermächtigungsgrundlage ist es, eine im Bundessinne einheitliche, gesamtwirtschaftlich effiziente Förderung zu gewährleisten.9 Ansonsten könnten die konkreten Förderkriterien von Land zu Land variieren.10 Zur Sicherung der Interessen der Länder sind die Vorgaben für die Ausgestaltung der Länderprogramme im Einvernehmen mit den Ländern festzulegen (Art. 104b Abs. 2 S. 3GG). Ebenfalls 2017 wurde Art. 104b Abs. 2 S. 4 GG eingefügt (BGBl. 2017 I 2347), der die Bundesregierung – ebenfalls in Relativierung von Art. 109 Abs. 1 GG – ermächtigt, zur Gewährleistung der zweckentsprechenden Mittelverwendung Bericht und Vorlage der Akten zu verlangen und Erhebungen bei allen Behörden durchzuführen.11 Dieser Informationsanspruch kann sich auf einzelne Vorhaben beziehen.12 5 Heintzen in von Münch/Kunig: GG, Kommentar, Art. 104b, Rn. 15f. 6 BeckOK Grundgesetz / Kube, Art. 104b, Rn. 15. 7 BVerfGE 39; 96 (116). 8 BeckOK Grundgesetz / Kube, Art. 104b, Rn. 16. 9 BT-Drs. 18/11131, S. 12. 10 BeckOK Grundgesetz / Kube, Art. 104b, Rn. 21. 11 BeckOK Grundgesetz / Kube, Art. 104b, Rn. 22. 12 BT-Drs. 18/11131. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 6 2.3. Mögliche Grundgesetzänderung im Rahmen des „Digitalpaktes“ Der Deutsche Bundestag hat dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes13 zugestimmt, mit dem es dem Bund ermöglicht werden soll, kommunale Investitionen stärker zu unterstützen. Mit der aktuell vorgelegten Grundgesetzänderung sollen dem Bund trotz des Konnexitätsprinzips weitere Kostenübernahmen ermöglicht werden. Die vom Bundestag beschlossenen Grundgesetzänderungen sind darauf ausgelegt, die Beteiligungen des Bundes an Investitionen in den Kommunen zu erleichtern. Auf Initiative der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen hat der Deutsche Bundestag im parlamentarischen Beratungsprozess eine Änderung von Art. 104c GG beschlossen. Der Bund wird danach „zur Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens“ ermächtigt, „gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen“ sowie die „mit diesen verbundenen besonderen unmittelbaren Kosten der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur“ durch Finanzhilfen zu fördern. Bis zum Abschluss dieser Arbeit wurde diese nur vom Deutschen Bundestag beschlossen. Der Bundesrat hat auf Empfehlung seines Finanzausschusses vom 07.12.201814 für die vom Bundestag beschlossene Grundgesetzänderung den Vermittlungsausschuss angerufen. Aus Sicht der Länderkammer bedarf das Gesetz einer grundlegenden Überarbeitung.15 2.3.1. Mögliche Neuregelung von Art. 104c GG Die Finanzhilfekompetenz des Bundes nach Artikel 104c GG zur „Förderung gesamtstaatlich bedeutsamer Investitionen in die kommunale Bildungsinfrastruktur“ wird nach dem interfraktionellen Änderungsantrag um die Möglichkeit zur Mitfinanzierung gewichtiger, besonderer Kosten erweitert, die mit der Nutzbarmachung der Investition in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. In der bisherigen Fassung müssen Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur bestimmt sein. Pauschale, nicht durch diesen Zweck gebundene Zuweisungen des Bundes an die Kommunen wegen allgemeiner Finanzschwäche sind von Art. 104c GG nicht gedeckt. Investitionen in diesem Sinne sind richtigerweise nur Sach-, nicht dagegen Finanzinvestitionen. Es muss in die kommunale Bildungsinfrastruktur investiert werden. Der Tatbestand bezieht sich auf die Infrastruktur allgemeinbildender und berufsbildender Schulen. Die Investitionen müssen gesamtstaatlich bedeutsam sein.16 Nach dem Gesetzesentwurf folgt die gesamtstaatliche Bedeutsamkeit bereits aus dem Investitionsobjekt: „Die Sa- 13 BT-Drs. 19/3440. 14 BR-Drs. 622/1/18. 15 Vgl. Bundesrat: Beschluss, Bundesrat schickt Grundgesetzänderung in den Vermittlungsausschuss, 14.12.2018, im Internet unter: https://www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/18/973/973- pk.html?nn=4352766#top-41 [14.12.2018]. 16 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104c, Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 7 nierung und Modernisierung der Bildungsinfrastruktur ist ein wesentlicher Faktor, um die Zukunftsfähigkeit des Staates zu gewährleisten. Damit ist sie auch gesamtstaatlich von besonderer Bedeutung.“17 In der tatbestandlichen Struktur bleibt sie gleichwohl eigenständig zu prüfen.18 Nach Einschätzung des Bundesrechnungshofs führt die nunmehr beabsichtigte Änderung des Artikels 104c GG zu einer erheblichen Ausweitung des Wirkungsbereichs des Bundes: „Statt ausschließlich finanzschwacher Kommunen sollen zukünftig alle Kommunen und auch die Länder, soweit sie Aufgaben im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur selbst wahrnehmen, Finanzhilfen erhalten können. Eine „Notlagenunterstützung“ wird so zu einer generellen Förderung in einem Bereich, der in die ausschließliche Kompetenz der Länder fällt. Dies verstärkt die vom Bundesrechnungshof wiederholt beschriebene Gefahr, dass es auf Dauer zu weiteren Forderungen an den Bund hinsichtlich der Folgekosten der von ihm finanzierten Investitionen und damit zu einer weiteren Aushöhlung der Länderverantwortung in diesem Bereich kommt.“19 In der Begründung zum ursprünglichen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes wird darauf hingewiesen, dass „für personelle Ausstattung sowie Instandsetzung, Betrieb und Wartung die allgemeinen finanzverfassungsrechtlichen Regelungen gelten (Art. 104a Abs. 1 GG).“20 Nach der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses wären durch die geplante Erweiterung um „besondere, unmittelbare Kosten“ insoweit – zeitlich auf die Begleitphase der Investition bezogen – nur Kosten besonderer Maßnahmen nicht investiver Art, die zur Verwirklichung des Investitionszwecks erforderlich wären und der Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens dienen, förderfähig (u. a. Aufbau einer Systemadministration, Schulung des pädagogischen Personals bei Investitionen beispielsweise in die digitale Bildungsinfrastruktur , Finanzierung spezieller personeller Ausstattung, die unmittelbar zur Verwirklichung des Investitionszwecks erforderlich ist, die Entwicklung gemeinsamer Bildungsstandards im geförderten Investitionsbereich). Für die regelmäßig mit der Planung und Umsetzung eines Investitionsprogramms einhergehenden Verwaltungskosten sowie für allgemeine Folgekosten würden weiterhin die allgemeinen finanzverfassungsrechtlichen Regelungen gelten (Artikel 104a Absatz 1 und Absatz 5 Satz 1 GG).21 17 BT-Drs. 18/11131, S. 17. 18 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104c, Rn. 3. 19 Bundesrechnungshof: Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 104c, 104d, 125c, 143e), Bonn, 28.09.2018, S. 19. 20 BT-Drs. 19/3440, S. 10. 21 BT-Drs. 19/6144, S. 16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 8 Darüber könnten auch Einrichtungen in freier Trägerschaft – insbesondere genehmigte Ersatzschulen und nach § 45 SGB VIII genehmigte Kinderbetreuungseinrichtungen – in den Anwendungsbereich des Artikel 104c GG auch dann fallen, wenn sie keine kommunale Infrastruktur ersetzten .22 Nach den Ausführungen des haushaltspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion, Eckhardt Rehberg, MdB, soll der Bund weder die Möglichkeit bekommen, konkrete Bildungsinhalte vorzugeben , noch Personal- oder Betriebskosten dauerhaft mitfinanzieren. „Der Anwendungsbereich erstreckt sich, wie bisher auch, auf bedeutsame Investitionen in die Infrastruktur, wie die Digitalisierung der Schulen. Neu ist lediglich, dass auch damit unmittelbar verbundene Kosten, etwa für die Systemadministration oder die Schulung des Personals, ebenfalls berücksichtigt werden können.“23 2.3.2. Mögliche Aufnahme von Art. 104d GG Durch die Aufnahme eines zusätzlichen Artikels soll dem Bund die Möglichkeit gegeben werden, den Ländern zweckgebundene Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der Länder und Kommunen im Bereich des sozialen Wohnungsbaus zu gewähren.24 Demnach soll die ausschließliche Gesetzgebung der Länder davon unberührt bleiben. Auf die grundsätzliche Befristung und Degression wurde in diesem Fall verzichtet. Dafür findet sich das Kriterium der Zusätzlichkeit nach dem geänderten Art. 104b Abs. 2 S. 5 1. Hs. GG Anwendung.25 2.3.3. Mögliche Änderung von Art. 125c GG Darüber hinaus soll durch eine Änderung von Art. 125c GG die Möglichkeit einer sofortigen Erhöhung und Dynamisierung der Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz geschaffen werden.26 Aus Sicht der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen könnten durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Streichung bereits im Jahr 2019 – und damit sechs Jahre früher als bisher geplant – die Höhe der Finanzhilfen im Bereich der Gemeindeverkehrsfinanzierung und die Regelungen zum Inhalt der Bundesprogramme nach § 6 des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes angepasst werden. Zwischen den Fraktionen der CDU/CSU und SPD und den Fraktionen FDP und Bündnis90/Die Grünen herrsche im Hinblick auf die künftige Ausgestaltung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes Einvernehmen darüber, dass Erleichterungen bei der 22 BT-Drs. 19/6144, S. 11. 23 Frankfurter Allgemeine Zeitung: Merkwürdiges Demokratieverständnis der Ministerpräsidenten, 06.12.2018, S. 8. 24 BT-Drs. 19/6144, S. 2. 25 BT-Drs. 19/6144, S. 11. 26 BT-Drs. 19/6144, S. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 9 Vorgabe, wonach geförderte Schienenverkehrswege vollständig auf besonderem Bahnkörper geführt werden müssten, möglich sein sollten. Eine Absenkung der Mindesthöhe von 50 Mio. Euro der zuwendungsfähigen Kosten des Vorhabens solle zukünftig durch Ausdifferenzierung von Fördertatbeständen möglich werden. Beides stehe unter dem Vorbehalt, dass die zur Verfügung stehenden Finanzmittel nicht überzeichnet würden.27 2.4. Finanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 S.5 und 6 GG Gemäß Art. 107 Abs. 2 S. 5 u. 6 GG kann der Bundesgesetzgeber gesetzlich bestimmen, dass der Bund aus seinen Mitteln leistungsschwachen Ländern Zuweisungen zur ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs (allgemeine Bundesergänzungszuweisungen), weitergehende Zuweisungen zur Mitfinanzierung von Sonderlasten leistungsschwacher Länder (Sonderbedarfs- Bundesergänzungszuweisungen) und Zuweisungen nach Maßgabe der besonderen Voraussetzungen in Art. 107 Abs. 2 S. 6 GG (Gemeindesteuerkraftzuweisungen, Zuweisungen zum Ausgleich unterdurchschnittlicher Förderung nach Art. 91b GG) gewährt.28 Soll die Finanzkraft der leistungsschwachen Länder allgemein angehoben werden (allgemeine Bundesergänzungszuweisungen), ist der Bundesgesetzgeber an die Maßgaben des horizontalen Finanzausgleichs gebunden. Empfänger allgemeiner Bundesergänzungszuweisungen können nur solche Länder sein, deren Finanzausstattung nach Anwendung von Art. 107 Abs. 2 S. 1–4 GG in einem Maße unter dem Länderdurchschnitt geblieben ist, das unangemessen. Allgemeine Bundesergänzungszuweisungen haben das Nivellierungsverbot zu beachten (§ 10 Abs. 2 MaßstäbeG), dürfen die Finanzkraftreihenfolge nicht verändern und den leistungsschwachen Ländern nicht eine überdurchschnittliche Finanzkraft verschaffen.29 Entscheidet sich der Bundesgesetzgeber, bei der Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen Sonderlasten einzelner Länder zu berücksichtigen (Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen ), müssen die Sonderlasten benannt und – wegen des Ausnahmecharakters von Sonderbedarfs- Bundesergänzungszuweisungen – im Einzelnen begründet werden (§ 12 Abs. 1 S. 1 MaßstäbeG). Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen dienen nicht dazu, aktuelle Vorhaben zu finanzieren , finanziellen Schwächen abzuhelfen, die eine unmittelbare und voraussehbare Folge politischer Entscheidungen eines Landes sind oder kurzfristige Finanzschwächen zu beheben (§ 12Abs. 1 S. 3 und 4 MaßstäbeG).30 Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen sind zu befristen und sollen im Regelfall degressiv ausgestaltet werden (§ 12 Abs. 3 S. 1 und 2 MaßstäbeG). Die Vergabevoraussetzungen sind in angemessenem Zeitabstand zu überprüfen.31 27 BT-Drs. 19/6144, S. 11. 28 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 107, Rn. 29. 29 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 107, Rn. 33f. 30 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 107, Rn. 36. 31 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 107, Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 10 Unter bestimmten Voraussetzungen hat das BVerfG die Vergabe von Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen darüber hinaus und in einem das normale Maß übersteigenden Umfang in der Situation extremer Haushaltsnotlagen zugelassen (BVerfGE 86, 148 (258 ff.) = NJW 1992, 2279, im Fall der Länder Bremen und Saarland). Das Gericht hat dabei unmittelbar auf das Bundesstaatsprinzip Bezug genommen, aus dem den anderen Gliedern der bundesstaatlichen Gemeinschaft die Pflicht erwachse, „mit konzeptionell aufeinander abgestimmten Maßnahmen dem betroffenen Land beizustehen“ (BVerfGE 86, 148 (263) = NJW 1992, 2279).32 Den Ländern Berlin, Bremen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein können Konsolidierungshilfen in Höhe von insgesamt 800 Mio. EUR jährlich für den Zeitraum von 2011 bis 2019 gewährt werden, wodurch diese Länder in die Lage versetzt werden sollen, die Vorgaben des Art. 109 Abs. 3 GG ab 2020 einzuhalten. Nach Art. 143d Abs. 2 S. 6 GG und § 1 Abs. 4 Kons- HilfG ist die gleichzeitige Gewährung von Konsolidierungshilfen und Sanierungshilfen aufgrund einer extremen Haushaltsnotlage ausgeschlossen. Im Rahmen der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen 2017 wurde die Hilfe für die Länder Bremen und Saarland als Sanierungshilfe über diesen Zeitraum hinaus erstreckt und entfristet (Art. 143d Abs. 4; s. dazu das Sanierungshilfengesetz ).33 Durch die Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen 2017 wurde eine weitere Kategorie von Bundeszuweisungen geschaffen, die für die Zeit ab 2020 neben die allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen und die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen tritt (BT-Drs. 18/11131) und zwei Varianten enthält (Art. 107 Abs. 2 S. 6; § 9 Abs. 2 S. 2 MaßstäbeG). Die Gemeindesteuerkraftzuweisungen dienen dazu, eine besonders ausgeprägte kommunale Steuerkraftschwäche in leistungsschwachen Ländern auszugleichen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen und das Volumen der Bundeshilfe werden in § 11 Abs. 5 FAG konkretisiert. Zudem wird solchen leistungsschwachen Ländern Hilfe gewährt, deren Anteile an den Fördermitteln nach Art. 91b GG ihre Einwohneranteile unterschreiten (Zuweisungen zum Ausgleich unterdurchschnittlicher Förderung nach Art. 91b GG). Diesbezüglich ergeben sich die Anforderungen und Rechtsfolgen aus § 11 Abs. 6 FAG. Letztere Form der Bundesergänzungszuweisungen erscheint systematisch kaum zu begründen. Denn sie konterkariert die besonderen Förderziele, die im Rahmen von Art. 91 GG verfolgt werden. Für beide Formen der Zuweisungen stellt Art. 107 Abs. 2 S. 6 GG klar, dass sie unabhängig von den Maßstäben nach Art. 107 Abs. 2 S. 1 bis 3 GG gewährt werden können, dass also insbesondere das Nivellierungs- und Übernivellierungsverbot nicht gilt (BT-Drs. 18/11131).34 2.5. Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG und Art. 91b GG Im Gegensatz zu der Feststellung, dass unter der föderalen Ordnung des Grundgesetzes die Verfassungsbereiche des Bundes und der Länder grundsätzlich selbständig nebeneinander stehen , und auch die Verwaltung des Bundes und der Länder prinzipiell getrennt sind, er- 32 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 107, Rn. 40. 33 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 107, Rn. 44. 34 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 107, Rn. 44a. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 11 laubt Art. 91 a GG als Ausdruck des „kooperativen Föderalismus“ eine bereichsspezifische föderative Kooperation von Bund und Ländern. Geht das Grundgesetz also grundsätzlich von Kompetenzabschichtungen zwischen Bund und Ländern aus, so ermöglichen die – insoweit eine Ausname darstellenden – Bestimmungen über die Gemeinschaftsaufgaben eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern für bestimmte Sachbereiche.35 Gemeinschaftsaufgaben als geltendes Verfassungsrecht sind somit ein Bestanteil der föderativen Ordnung.36 Art. 91 a GG ist eine Verfassungsermächtigung für den Bund, bei der Erfüllung von den Ländern obliegenden Aufgaben mitwirken zu können, wobei das Zusammenwirken nicht etwa in das Belieben von Bund und Ländern gestellt ist, sondern – wie auch der Wortlaut („wirkt mit“) zum Ausdruck bringt – das Zusammenwirken obligatorisch ist, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Vorschrift vor allem als verfassungsrechtliche Legalisierung einer bereichsspezifisch begrenzten Zusammenarbeit von Bund und Ländern.37 2.6. Entflechtungsmittel Der durch die Föderalismusreform 2006 neu eingefügte Art. 143c GG ermächtigt und verpflichtet den Bund zu zeitlich befristeten Finanzzuweisungen an die Länder aus dem Bundeshaushalt ab dem 1.1.2007 bis zum 31.12.2019. Die Zuweisungen kompensieren den Wegfall der Bundesmittel , die iRd – durch die Föderalismusreform 2006 – abgeschafften Gemeinschaftsaufgaben Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich Hochschulkliniken und Bildungsplanung (Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 GG aF, Art. 91b S. 1 GG aF) und ausgelaufenen Finanzhilfen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und zur sozialen Wohnraumförderung (Art. 104a Abs. 4 GG aF) geleistet worden waren. Art. 143c GG schließt systematisch an Art. 125c GG an, der die übergangsweise Fortgeltung der abgeschafften Mischfinanzierungen regelt. Die Befristung der Finanzzuweisungen bis 2019 korrespondiert mit der dann erforderlichen Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs im Ganzen.38 3. Einzelprogramme 3.1. Finanzhilfen 3.1.1. Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen Im Jahr 2015 hat der Bund auf Grundlage von Artikel 104b GG das Sondervermögen „Kommunalinvestitionsförderungsfonds “ eingerichtet, welches zunächst mit 3,5 Mrd. € ausgestattet wurde. Mit diesem Geld sollen in den Jahren 2015 bis 2020 Investitionen von finanzschwachen Kommunen mit einem Fördersatz von bis zu 90 % gefördert werden. Die Förderung regelt das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz (KInvFG). Es geht dabei um Investitionen in Bereichen, 35 Maunz/Dürig/Schwarz, GG, Art. 91a, Rn. 5. 36 Maunz/Dürig/Schwarz, GG, Art. 91a, Rn. 9. 37 Maunz/Dürig/Schwarz, GG, Art. 91a, Rn. 17. 38 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 143c, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 12 in denen der Bund über eine Gesetzgebungskompetenz verfügt - also Investitionen mit den Schwerpunkten Infrastruktur, Bildungsinfrastruktur (beschränkt auf energetische Sanierung) und Klimaschutz. Mit dem Nachtragshaushaltgesetz 2016 wurde der Kommunalinvestitionsförderungsfonds um 3,5 Mrd. € aufgestockt. Mit diesen Mitteln können im Rahmen des zweiten Kapitels des KInvFG, das auf Grundlage von Artikel 104c GG durch das Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichsystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften geschaffen wurde, Investitionen finanzschwacher Kommunen in die Sanierung, den Umbau und die Erweiterung von Schulgebäuden allgemeinbildender und berufsbildender Schulen mit einem Fördersatz von bis zu 90 % gefördert werden. Der Förderzeitraum läuft hier von 2017 bis 2022.39 3.1.2. Finanzhilfen für Stadtsanierung und -entwicklung Im Rahmen der Städtebauförderung werden die Finanzhilfen zur Beseitigung städtebaulicher Missstände eingesetzt. Mit den Programmen „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“, „Städtebaulicher Denkmalschutz“, „Soziale Stadt“, „Stadtumbau Ost“, „Stadtumbau West“, „Kleinere Städte und Gemeinden“ sowie „Zukunft Stadtgrün“ wird die nachhaltige Lösung struktureller Probleme in den Städten und Gemeinden aller Größenordnungen unterstützt. Von 1990 bis 2017 sind den Ländern Programmmittel in Höhe von insgesamt rd. 14,25 Mrd. € bereitgestellt worden; rund 60 % davon entfielen auf Grund der entsprechenden Nachholbedarfe auf die neuen Länder. Im Jahr 2019 wird die Städtebauförderung mit einem weiterhin hohen Programmvolumen von 0,79 Mrd. € wirksame Hilfen für die Städte und Gemeinden anbieten. Die Mittel werden von den Kommunen eingesetzt u. a. zur Anpassung an den wirtschaftlichen, sozialen, demographischen und ökologischen Wandel, z. B. Entwicklung der Innenstädte, Sicherung des baukulturellen Erbes. Ferner werden die Mittel in integrative Stadtquartiere investiert, um gezielt das Zusammenleben unterschiedlicher gesellschaftlicher Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Seit dem Jahr 2010 werden die Mittel auch für überregionale bzw. überörtliche Bau und Entwicklungsmaßnahmen eingesetzt . Zur Deckung bereits eingegangener sowie neuer Verpflichtungen sind für die Städtebauförderung im Bundeshaushalt 2019 Ausgabemittel in Höhe von rd. 0,73 Mrd. € vorgesehen. Zusätzlich stellt der Bund im Jahr 2019 den Städten und Gemeinden 0,2 Mrd. € Programmmittel für den Investitionspakt Soziale Integration im Quartier zur Verfügung. Zweck der Förderung ist die Anpassung und Sanierung der sozialen Infrastruktur (z. B. Schulen, Kitas, Stadtteilzentren, Sportstätten , Schwimmbäder) als Grundlage des sozialen Zusammenhalts sowie der sozialen Integration aller Bevölkerungsgruppen, insbesondere im Hinblick auf die erfolgreiche Bewältigung des aktuellen Flüchtlingszuzugs. Der Investitionspakt ist für die Programmjahre bis 2020 vorgesehen .40 3.1.3. Finanzhilfen für Seehäfen Der Bund gewährt den Ländern Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen sowie Schleswig-Holstein seit dem Jahr 2005 Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitio- 39 Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2019, S. 142. 40 Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2019, S. 142. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 13 nen im Bereich der Seehäfen, insbesondere für Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur von Seehäfen wie den Bau oder Ausbau von Hafenanlagen, von Verkehrswegen und öffentlichen Verkehrsflächen. Die Finanzhilfen des Bundes betragen jährlich insgesamt rd. 38,3 Mio. €. 41 3.2. Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG 3.2.1. Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) ist das einzige wirtschaftspolitische Instrument, mit dem Bund und Länder gemeinsam gezielt die strukturschwächsten Regionen in Deutschland fördern.42 Die GRW wird jeweils zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert. Zusätzlich zu den Barmitteln des Bundes von 600 Mio. € im Bundeshaushalt 2018 fließen Einnahmen nach § 8 Absatz 3 des GRW-Gesetzes den Ausgaben zu. Dieser Ansatz für die GRW-Förderung wird im Rahmen des Investitionspakets der Bundesregierung um jeweils 24 Mio. € in den Jahren 2016 - 2018 ergänzt. An Verpflichtungsermächtigungen sind im Bundeshaushalt 2018 rd. 547 Mio. € vorgesehen. Deutschland erhält in der Förderperiode 2014 - 2020 aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung 11,73 Mrd. € (davon 0,96 Mrd. € für die Europäische Territoriale Zusammenarbeit) und dem Europäischen Sozialfonds 7,49 Mrd. € (in laufenden Preisen). Ein Teil der EFRE-Mittel wird weiterhin im Rahmen der GRW eingesetzt werden.43 3.2.2. Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes Die Erfüllung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes “ dient dazu, eine leistungsfähige, auf künftige Anforderungen ausgerichtete Land- und Forstwirtschaft zu gewährleisten und ihre Wettbewerbsfähigkeit im Gemeinsamen Markt der Europäischen Union zu ermöglichen, die Infrastruktur ländlicher Gebiete im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union zu fördern sowie den Küstenschutz zu verbessern.44 Neben dem jährlich zu beschließenden Standardrahmenplan wurde im Jahr 2009 für den Zeitraum bis 2025 ein Sonderrahmenplan „Maßnahmen des Küstenschutzes in Folge des Klimawandels “ beschlossen, der über ein Volumen an Bundesmitteln in Höhe von insgesamt 380 Mio. € verfügt. Ab dem Jahr 2015 ist außerdem ein Sonderrahmenplan „Maßnahmen des präventiven Hochwasserschutzes“ hinzugekommen, der für 2019 100 Mio. € vorsieht. Es ist geplant, diesen Sonderrahmen weiterhin mit 100 Mio. € jährlich fortzuführen. Ab dem Jahr 2018 ist ein Sonderrahmenplan „Förderung der ländlichen Entwicklung“, ausgestattet mit zunächst 10 Mio. €, veranschlagt . Mit ihm soll ein Beitrag zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet geleistet werden. Für 2019 sind 150 Mio. € vorgesehen. Für die GAK standen seit 2011 41 Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2019, S. 142. 42 BeckOK Grundgesetz/Suerbaum, GG, Art. 91a, Rn. 18. 43 Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2019, S. 139f. 44 BeckOK Grundgesetz/Suerbaum, GG, Art. 91a, Rn. 20. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 14 jährlich effektiv bis zu 600 Mio. € zur Verfügung, die mittlerweile auf 765 Mio. € angewachsen sind. Mit den Kofinanzierungsmitteln der Länder ergibt dies ein Fördervolumen von rund 1,2 Mrd. € p. a. (gesetzliche Lastenverteilung: Bund 60 % und Länder 40 % bei der Agrarstrukturverbesserung sowie entsprechend 70 : 30 % beim Küstenschutz). Für längerfristig zu planende Maßnahmen stehen für die Folgejahre außerdem Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von bis zu 70 % der aktuellen Bundesmittel zur Verfügung. Für 2019 sind Bundesmittel in Höhe von 620 Mio. €, zzgl. 25 Mio. € für den Sonderrahmenplan „Küstenschutz“, 100 Mio. € für den Sonderrahmenplan „Hochwasserschutz“ sowie 150 Mio. € für den Sonderrahmenplan „Förderung der ländlichen Entwicklung“ vorgesehen. Damit können insgesamt 895 Mio. € Bundesmittel verfügbar gemacht werden.45 3.3. Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91b GG Nach Artikel 91b Absatz 1 GG können Bund und Länder auf Grund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre zusammenwirken .46 Bund und Länder haben am 16. Juni 2016 ein strategisches Gesamtpaket zur Stärkung des Hochschulbereichs beschlossen: Mit der Exzellenzstrategie fördern sie gemeinsam die universitäre Spitzenforschung in Deutschland. Die Exzellenzstrategie ist die Weiterentwicklung der erfolgreichen Exzellenzinitiative, die eine neue Dynamik am Wissenschaftsstandort ausgelöst und ihn international wettbewerbsfähiger gemacht hat. Die Mittel für die Förderung werden vom Bund und vom jeweiligen Sitzland im Verhältnis 75 : 25 % getragen. 2018 sind rd. 378 Mio. € aus dem Bundeshaushalt vorgesehen. In den Folgejahren wird der Bund für Exzellenzcluster und Exzellenzuniversitäten jährlich rd. 400 Mio. € (75 % der Gesamtsumme) investieren. Als ersten Anwendungsfall des 2014 geänderten Art. 91b GG wird der Bund Exzellenzuniversitäten erstmals dauerhaft fördern, soweit die alle sieben Jahre stattfindenden Evaluationen positiv verlaufen. Mit dem ebenfalls am 16. Juni 2016 beschlossenen Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses soll die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems durch die strukturelle und flächendeckende Einführung des Karrierewegs der Tenure- Track-Professur gestärkt werden. Dazu werden ca. 1.000 Tenure-Track-Professuren in Deutschland im Programm gefördert. Zur Finanzierung des Programms stellt der Bund ein Gesamtvolumen von bis zu 1 Mrd. € für die Gesamtlaufzeit des Programms (2017 - 2032) zur Verfügung. Das jeweilige Sitzland stellt die Gesamtfinanzierung sicher. Die Bund-Länder-Initiative zur Förderung des forschungsbasierten Ideen-, Wissens- und Technologietransfers an deutschen Hochschulen - „Innovative Hochschule“ - richtet sich insbesondere an Fachhochschulen sowie kleine und mittlere Universitäten. Sie unterstützt Hochschulen in der Profilierung im Leistungsbereich Transfer und Innovation und stärkt ihre strategische Rolle im regionalen Innovationssystem. Der Bund wird dies zu 90 % finanzieren und hierfür bis zu 495 Mio. € für zehn Jahre bis Ende 2027 zur Verfügung stellen. 45 Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2019, S. 140. 46 BeckOK Grundgesetz/Suerbaum, GG, Art. 91b, Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 15 Der Hochschulpakt wurde in drei Programmphasen von 2007 bis 2010, von 2011 bis 2015 und für eine dritte und abschließende Programmphase von 2016 bis 2020 (inkl. Ausfinanzierung bis 2023) beschlossen. Mit diesen Vereinbarungen, zuletzt mit der Vereinbarung für die dritte Programmphase , die die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder am 11. Dezember 2014 beschlossen haben, stellen Bund und Länder auch bei steigenden Studienanfängerzahlen ein bedarfsgerechtes Studienangebot sicher und gewährleisten eine hohe Qualität des Studiums. Über die Gesamtlaufzeit des Hochschulpakts sind Bundesmittel in Höhe von 20,2 Mrd. € vorgesehen, die Länder stellen 18,3 Mrd. € zur Verfügung. In der zweiten Säule wird seit 2007 für die indirekten, zusätzlichen und variablen Projektausgaben in DFG-Forschungsvorhaben eine Programmpauschale in Höhe von 20 % der Projekt- 141 mittel bereitgestellt. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der Forschung an Hochschulen zu stärken . Bis zum Jahr 2015 stellt die Bundesregierung alleine ein Gesamtvolumen von etwa 2,3 Mrd. € als Sonderfinanzierung an die DFG zur Verfügung. Bund und Länder haben sich 2014 auf die Fortsetzung der DFG-Programmpauschalen bis zum Jahr 2020 verständigt. Die DFG-Programmpauschale wird ab 2016 für alle neu bewilligten Projekte der DFG um 10 % auf insgesamt 22 % der Projektmittel erhöht. Die Länder beteiligen sich an der Finanzierung mit einem Anteil von 2 Prozentpunkten. In den Jahren 2016 bis 2020 sind hierfür rd. 2 Mrd. € Bundes- und rd. 125 Mio. € Landesmittel vorgesehen. Bund und Länder haben am 10. Juni 2010 eine Verwaltungsvereinbarung über ein gemeinsames Programm für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre (Qualitätspakt Lehre) beschlossen. Die Vereinbarung gilt bis zum 31. Dezember 2020. In der Breite der Hochschullandschaft werden Maßnahmen zur Personalgewinnung, Personalqualifizierung und Weiterentwicklung der Lehrqualität gefördert. In der ersten Förderperiode, die Ende 2016 auslief, wurden 186 Hochschulen aus allen 16 Ländern ab dem Wintersemester 2011/12 bzw. dem Sommersemester 2012 gefördert. In einem von Experten geleiteten Verfahren wurden im November 2015 156 Hochschulen für die Weiterförderung bis Ende 2020 ausgewählt. Insgesamt wird der Bund in den Jahren 2011 bis 2020 rd. 2 Mrd. € für den Qualitätspakt Lehre bereitstellen, das jeweilige Sitzland stellt die Gesamtfinanzierung sicher. Aufgrund von Artikel 91b Absatz 1 GG wirken Bund und Länder auch bei der Förderung von Forschungsbauten an Hochschulen einschl. Großgeräten zusammen. Hierfür stellt der Bund den Ländern bis zum 31. Dezember 2019 jährlich 298 Mio. € zur Verfügung (§ 9 Absatz 2 Ausführungsvereinbarung Forschungsbauten an Hochschulen einschließlich Großgeräten - AV-FuG).47 3.4. Entflechtungsmittel 3.4.1. Beendigung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau Als Kompensation für die Beendigung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau zum 31. Dezember 2006 steht den Ländern seit 2007 jährlich ein Betrag von 695,3 Mio. € für die Finanzierung des Ausbaus von Hochschulen einschließlich Hochschulkliniken aus dem Haushalt des Bundes zu; mit diesem Betrag sind auch die Mittel zur Ausfinanzierung der vom Bund bis zum Jahre 2006 eingegangenen Verpflichtungen abgegolten (Artikel 143c GG i. V. m. § 2 Absatz 1 Sätze 1 47 Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2019, S. 141. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 16 und 2 EntflechtG). Bis 2013 mussten die Länder die Mittel investiv in den Ausgabenbereichen der ehemaligen Mischfinanzierungen verwenden. Seit dem 1. Januar 2014 ist aufgrund der Vorgabe des Artikels 143c Absatz 3 GG die aufgabenbereichsbezogene Zweckbindung entfallen; lediglich die „investive Zweckbindung“ bleibt bestehen. Nach der Übergangsvorschrift des Artikels 143c GG laufen die Entflechtungsmittel zum 31. Dezember 2019 aus. Für den Zeitraum ab 2020 werden die Entflechtungsmittel entsprechend der 2017 gesetzgeberisch umgesetzten Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen in Umsatzsteueranteile der Länder umgewandelt.48 3.4.2. Beendigung der Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung Als Kompensation für die Beendigung der Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung zum 31. Dezember 2006 steht den Ländern seit 2007 jährlich ein Betrag von 19,9 Mio. € zu. Bis 2013 mussten die Länder die Mittel investiv in den Ausgabenbereichen der ehemaligen Mischfinanzierungen verwenden. Seit dem 1. Januar 2014 ist aufgrund der Vorgabe des Artikels 143c Absatz 3 GG die aufgabenbereichsbezogene Zweckbindung entfallen; lediglich die „investive Zweckbindung“ bleibt bestehen. Für den Zeitraum ab 2020 werden die Entflechtungsmittel entsprechend der 2017 gesetzgeberisch umgesetzten Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen in Umsatzsteueranteile der Länder umgewandelt. Nach der Übergangsvorschrift des Artikels 143c GG laufen die Entflechtungsmittel zum 31. Dezember 2019 aus. Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn alle Länder, wie es in einigen Ländern bereits geschehen ist, ihre Bereitschaft erklärten, die Entflechtungsmittel weiter vollständig in den bisherigen Aufgabenbereichen einzusetzen.49 3.4.3. Beendigung der Finanzhilfen für Wohnungsbau und -modernisierung Mit dem am 1. September 2006 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes wurde gemäß Artikel 125c GG zum 1. Januar 2007 die alleinige Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung auf die Länder übertragen. Bis dahin beteiligte sich der Bund mit Finanzhilfen nach Artikel 104a Absatz 4 GG (a. F.) an der sozialen Wohnraumförderung (früher sozialer Wohnungsbau). Von 1991 bis 2006 wurden den Ländern hierfür Verpflichtungsrahmen von insgesamt 14,6 Mrd. € bereitgestellt, davon entfielen 5,5 Mrd. € auf die neuen Länder. Als Ausgleich für die Abschaffung der Finanzhilfe leistete der Bund gemäß Artikel 143c GG i. V. m. § 3 Entflecht G zunächst bis 2013 jährliche Kompensationszahlungen in Höhe von 518,2 Mio. €. Diese Mittel waren zweckgebunden für die Wohnraumförderung zu verwenden. Für die Jahre ab 2014 bis zum Auslaufen der Entflechtungsmittel im Jahr 2019 haben sich Bund und Länder darauf verständigt , die Mittel in unveränderter Höhe (518,2 Mio. €) fortzuführen. Seit 2014 müssen die Mittel nur noch für investive Zwecke eingesetzt werden. Mit der Änderung des Entflechtungsgesetzes durch Artikel 12 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722) erhöhte der Bund die den Ländern zugewiesenen Kompensationsmittel in den Jahren 2016 bis 2019 um jeweils 500 Mio. € auf 1.018,2 Mio. € p. a. Der Betrag unterliegt weiterhin nur einer investiven Zweckbindung. Die Länder haben allerdings zugestimmt, diese Mittel zweckgebunden für den sozialen Wohnungsbau zu verwenden. Mit dem Gesetz zur Beteiligung des Bundes an den Kosten der Integration und zur weiteren Entlastung der Länder und Kommunen vom 1. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2755) wurden die Kompensationsmittel für die Jahre 2017 und 2018 48 Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2019, S. 141. 49 Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2019, S. 141. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 17 nochmals um weitere 500 Mio. € auf jeweils 1.518,2 Mio. € angehoben. Im Haushalt 2019 sollen die Länder erneut mit Kompensationsmitteln in Höhe von 1.518,2 Mio. € unterstütz werden. Die am 14. Oktober 2016 von Bund und Ländern erzielte Verständigung auf Eckpunkte für eine Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab 2020 sieht vor, dass die Kompensationszahlungen für die 2006 abgeschafften Mischfinanzierungen - wie im Grundgesetz vorgesehen - auslaufen und den Ländern zusätzliche Umsatzsteuermittel zur Verfügung gestellt werden.50 3.5. Maßnahmen des Bundes zur Unterstützung von Ländern und Kommunen im Bereich der Flüchtlings- und Integrationskosten In der Unterrichtung der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag summieren sich die kassenwirksamen Entlastungen von Ländern und Kommunen durch den Bund für das Haushaltsjahr 2017 auf insgesamt rund 6,6 Mrd. €.51 Abbildung 1: Übersicht der Maßnahmen Quelle: Deutscher Bundestag: Unterrichtung durch die Bundesregierung, Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen des Bundes zur Unterstützung von Ländern und Kommunen im Bereich der Flüchtlings- und Integrationskosten von die Mittelverwendung durch die Länder im Jahr 2017, 01.06.2018, BT-Drs. 19/2499, S. 3. 50 Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2019, S. 143. 51 BT-Drs. 19/2499, S. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 198/18 Seite 18 Die finanzielle Beteiligung des Bundes im Bereich der Asylpolitik erfolgt wegen fehlender Finanzierungszuständigkeit des Bundes weitestgehend durch eine Umverteilung der Umsatzsteueranteile zu Gunsten der Länder. Die Schärfe der Flüchtlingsmigration und der kurzfristige Handlungsdruck der Bundesregierung lassen diesen Finanzierungsweg zwar vertretbar erscheinen. Er stellt sich allerdings im Hinblick auf den Konnexitätsgrundsatz als nicht unproblematisch dar. ***