Der rechtliche Rahmen für die Einführung einer Rubbellos- Sonderbriefmarke in Deutschland - Sachstand - © 2008 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 188/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Der rechtliche Rahmen für die Einführung einer Rubbellos-Briefmarke in Deutschland Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 188/08 Abschluss der Arbeit: 14. November 2008 Fachbereich WD 4: Haushalt und Finanzen Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - Inhalt 1. Einleitung 4 2. Rechtsnatur von Briefmarken 4 2.1. Postwertzeichen im Sinne des § 43 Postgesetz (PostG) 4 2.2. Wohltätigkeitsbriefmarken 6 3. Postrechtliche Vorgaben zur Gestaltung von Briefmarken 6 3.1. Vorgaben des Weltpostvertrages 6 3.2. Nationales Postrecht 7 3.3. „Briefmarken“ privater Postdienstanbieter 7 4. Mögliche glücksspielrechtliche Vorgaben 7 4.1. Regelung des Glücksspielwesens 7 4.2. Rubbellos-Briefmarke kein Glücksspiel 9 5. Wettbewerbsrechtliche Vorgaben – Unlauterer Wettbewerb 11 5.1. Verstoß gegen das Kopplungsverbot 11 5.2. Kein Ausnahmetatbestand 13 6. Preisausschreiben der Verwaltung 14 - 4 - 1. Einleitung Nach telefonischer Rücksprache wurde der Hintergrund der Anfrage spezifiziert. Maßgeblich geht es um die Frage, ob sogenannte Zuschlagsmarken, deren Mehrerlös („Zuschlag “) gemeinnützigen Organisationen zu Gute kommt, mit einer Lotterie oder Auslosung verbunden werden können, um die Verkaufszahlen dieser Zuschlagsmarken zu steigern. Dabei gehe es nicht um eine Kooperation mit privaten Sponsoren, sondern die Preise zur Auslosung sollten von den Begünstigten zur Verfügung gestellt werden. Um die Preise zu finanzieren, müsste auch weiterhin ein Zuschlag erhoben werden; dieser sollte jedoch geringer ausfallen als bislang. Von Interesse seien insbesondere glücksspielrechtliche Aspekte, vor allem in Zusammenhang mit dem Urteil des Bundsverfassungsgerichts zu Sportwetten; Vorbild könnten beispielsweise Wohltätigkeitslotterien sein. Von Interesse seien in diesem Zusammenhang insbesondere auch glücksspielrechtliche Aspekte in Zusammenhang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Sportwetten. Anlass für die Frage war eine von der Österreichischen Post AG herausgegebene Rubbellos -Sonderbriefmarke anlässlich des 50. jährigen Bestehens von Austrian Airlines (AUA) sein. Verlost wurden insgesamt 70 Freiflüge mit AUA sowie 5.000 Modellflugzeuge . Die Marke wurde in einer Auflage von 700.000 Stück produziert.1 Die abgerubbelten Briefmarken blieben ein gültiges Wertzeichen der Post und konnten weiterhin zur Beförderung von Briefen genutzt werden.2 2. Rechtsnatur von Briefmarken 2.1. Postwertzeichen im Sinne des § 43 Postgesetz (PostG) Postwertzeichen sind Marken und Aufdrucke, die primär der Freimachung von Postsendungen dienen. Neben den Briefmarken zählen hierzu die Automatenmarken und die Aufdrucke auf Briefen und Postkarten, soweit diese ein hoheitlich ausgegebenes Postwertzeichen wiedergeben.3 Gemäß § 43 Abs. 1 PostG ist es allein dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) vorbehalten, Postwertzeichen mit dem Aufdruck „Deutschland“ auszugeben und für ungültig zu erklären. Der Begriff Ausgabe umfasst alle notwendigen Entscheidungen und Handlungen, um ein Postwertzeichen in Verkehr zu bringen. Dies umfasst die Festle- 1 Post.Philatelie, Kundenzeitung für Philatelisten der Post.at, März 2008. 2 Presseerklärung der Post.at vom 28.02.2008. 3 Stern in: Beck’scher PostG-Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 43, Rz. 10. - 5 - gung von Programmumfang und Struktur (zum Bespiel Sonder- oder Zuschlagsmarken), Themen, Motive, Wertstufen, etc.4 Nach § 43 Abs. 2 PostG bedarf die Vervielfältigung und Verwendung der vom BMF herausgegebenen Postwertzeichen zur Abgeltung von Postdienstleistungen dessen Erlaubnis. Das Verwendungsrecht der Postwertzeichen stand für die Zeit der gesetzlichen Exklusivlizenz, das heißt bis zum 31. Dezember 2007 (siehe § 51 Abs. 1 PostG) ausschließlich der Deutschen Post AG zu, § 54 PostG. Nach Informationen aus dem BMF wurde zwischen der Bundesregierung und der Deutschen Post AG ein Vertrag zur Verlängerung des Verwendungsrechts bis 2010 geschlossen. Nach einer starken in der Literatur vertretener Auffassung verstößt § 43 Abs. 1 PostG, d.h. die Ausgabe der Postwertzeichen durch das BMF als Hoheitsaufgabe, gegen Art. 87f Abs. 2 GG. Art. 87f Abs. 2 GG unterscheidet zwischen Dienstleistungen, die als privatwirtschaftliche Tätigkeiten von der Deutschen Post und anderen privaten Anbietern erbracht werden, und Hoheitsaufgaben, die in bundeseigener Verwaltung ausgeführt werden . Unstrittig ist, dass die Briefmarken im Rahmen eines privaten Kaufvertrages zwischen der Deutschen Post AG und ihren Kunden verkauft werden; gleichfalls unstrittig ist, dass der Beförderungsvertrag, im Rahmen dessen Briefmarken zur Freimachung verwendet werden, privatrechtlicher Natur sind. Bei der Post AG sei jedoch die Entscheidung, überhaupt Briefmarken als Hilfsmittel einzusetzen, um ihre privatrechtliche Beförderungsdienstleistung an Briefen eine betriebswirtschaftliche Entscheidung über eine typisch privatwirtschaftliche Tätigkeit. Damit sei die Entscheidung über die Produktion, Beschaffung und Bereitstellung dieses Hilfsmittels notwendiger Bestandteil der privatwirtschaftlichen Dienstleistung und folglich auch die Entscheidung über Anlass, Gestaltung , Zahl, Preis, Ausgabedatum und dergleichen Teil des unternehmerischen Handelns.5 Zwar dienen Briefmarken mit dem Aufdruck Deutschland auch der staatlichen Selbstdarstellung ; eine Einschränkung der Verwendung aus betriebswirtschaftlichen Gründen ist damit jedoch nicht verbunden.6 Auch das Kammergericht Berlin geht davon aus, dass die Herstellung von Briefmarken zu den privatrechtlichen Dienstleistungen im Sinne des Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG gehört; die Frage nach der Bedeutung des § 43 PostG angesichts der verfassungsrechtlichen Regelung ließ das Gericht jedoch ausdrücklich offen.7 Die Rechtsnatur von Postwertzeichen ist gleichfalls strittig. Nach heute herrschender Auffassung, die auch vom Bundesgerichtshof vertreten wird, handelt es sich weder um Hoheitszeichen noch um Geldsurrogate, sondern um Inhaberpapiere im Sinne des §807 4 Stern in: Beck’scher PostG-Kommentar, 2. Auflage 2004, § 43, Rz. 16. 5 Schmidt, NJW 1998, 200, 201 ff. 6 Stern in: Beck’scher PostG-Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 43, Rz. 11. 7 KG Berlin, Beschluss vom 10.01.2002, Az. 1 AR 1635/01 – 5 Ws 2/02. - 6 - BGB, die einen Anspruch auf Beförderung einer Postsendung im Wert des auf der Briefmarke angegebenen Wertes verkörpern.8 2.2. Wohltätigkeitsbriefmarken Bei Wohltätigkeitsbriefmarken handelt es sich um Sonderbriefmarken, bei denen neben dem reinen Postentgelt für die Beförderung noch ein Zuschlag erhoben wird. Die Marken werden in einem begrenzten Umfang von der Deutschen Post herausgegeben. Die Erlöse aus den Zuschlägen fließen an fünf Organisationen und Stiftungen, die damit verschiedene gemeinnützige Projekte unterstützen. Begünstigte sind die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände, die Stiftung Deutsche Jugendmarke, die Stiftung Deutsche Sporthilfe, das Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (zur Förderung nationaler und internationaler Umweltschutzprojekte) sowie die Stiftung für Philatelie und Postgeschichte.9 Die Porto- und Zuschlagswerte betragen 45+20 Eurocent, 55+25 Eurocent und 145+55 Eurocent. 2006 wurden knapp 20 Mio. Euro durch den Verkauf der Zuschlagsmarken an Zusatzerlösen erzielt. In den vergangenen fünf Jahren (Stand Mai 2008) kamen so insgesamt 100 Mio. Euro zusammen.10 Die Erlöse werden weitgehend durch den Verkauf der Zuschlagsmarken an Philatelisten erzielt.11 3. Postrechtliche Vorgaben zur Gestaltung von Briefmarken 3.1. Vorgaben des Weltpostvertrages Nach Art. 6 des Weltpostvertrages 1999 (BGBl II 2002, 1470 in Verbindung mit dem Gesetz vom 18.06.2002, BGBl II 2002, 1446) müssen die Themen und Motive der Postwertzeichen dem Geist der Präambel der Satzung des Weltpostvereins und den von den Organen des Vereins getroffenen Entscheidungen entsprechen. Gemäß der Präambel der Satzung (BGBl II 1965, 1636) sollen die Postdienste die Verbindungen zwischen den Völkern fördern und einen Beitrag zur Erreichbarkeit der hohen Ziele der internationalen 8 BGH, Urteil v. 11.10.2005, Az. XI ZR 395/04 mit weiteren Nachweisen; Marburger in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2002, § 807 BGB, Rz. 5. 9 BMF, Kleiner Einsatz, große Wirkung - Wohlfahrtsmarken helfen Menschen in Not, unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/DE/Buergerinnen__und__Buerger/Briefmarken/Wohlfahrts marken/node.html. 10 BMF, Kleiner Einsatz, große Wirkung - Wohlfahrtsmarken helfen Menschen in Not, unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/DE/Buergerinnen__und__Buerger/Briefmarken/Wohlfahrts marken/node.html. 11 Stern in: Beck’scher PostG-Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 43, Rz. 53. - 7 - Zusammenarbeit auf kulturellem, sozialem und wirtschaftlichen Gebiet leisten. Konkrete Vorgaben für die Gestaltung von Postwertzeichen lassen sich daraus nicht ableiten. Auch entsprechende Entscheidungen der Organe des Weltpostvereins sind hier jedenfalls nicht bekannt. Eine Rubbellos-Sonderbriefmarke für wohltätige Zwecke stünde jedenfalls nicht im Widerspruch zu den in der Präambel erklärten Zielen. 3.2. Nationales Postrecht Weder Art. 87f GG noch das Postgesetz enthalten Vorgaben für die Gestaltung von Postwertzeichen. 3.3. „Briefmarken“ privater Postdienstanbieter Ausgaben und Verwendung von Postwertzeichen ohne den Aufdruck „Deutschland“ fallen weder unter § 43 PostG noch unter die Bestimmungen des Weltpostvertrages 1999 und stehen allen Privatanbietern von Postdienstleistungen offen.12 Spezifische postrechtliche Vorgaben für die Gestaltung von Marken privater Postdienstleister sind nicht ersichtlich. 4. Mögliche glücksspielrechtliche Vorgaben 4.1. Regelung des Glücksspielwesens Das Glücksspielrecht ist in Deutschland an einer Vielzahl von Stellen geregelt. Das Glücksspielrecht unterliegt in Deutschland sowohl bundes- als auch landesrechtlichen Regelungen; je nach Rechtsgebiet sind die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern unterschiedlich verteilt. Dies folgt aus dem Umstand, dass zu Zeiten des Deutschen Reiches der Bund die Zuständigkeit innehatte, während heute die Länder zuständig sind.13 Das Glücksspielrecht gehört überwiegend zum Polizei- und Ordnungsrecht und fällt damit in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Der Bund ist nur in den Bereichen des Strafrechts (Art. 74 Nr. 1 GG), des Rechts der Wirtschaft (Art. 74 Nr. 11 GG) und des Steuerrechts (Art. 105 Abs. 2 GG) zuständig. 12 Stern in: Beck’scher PostG-Kommentar, 2. Aufl. 2004, § 43, Rz. 15. 13 Bahr, Glücks- und Gewinnspielrecht, 2005, Rz. 103. - 8 - Im Verwaltungsrecht regelt der Bund im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz aufgrund des Art. 74 Nr. 11GG vor allem das sogenannte „kleine Spiel“ (§§ 33c bis 33i GewO), welches insbesondere in Bezug auf die zulässigen Einsätze und die möglichen Gewinne eng begrenzt ist, während das von den Ländern regulierte Glücksspiel summenmäßig schrankenlos ist. Für die verwaltungsrechtliche Zulässigkeit von Lotterien, Ausspielungen und Sportwetten sind die Länder zuständig. Ursprünglich hatte in diesen Bereichen fast jedes Bundesland eigenständige Regelungen. Für Lotterien und Ausspielungen galt subsidiär die Reichslotterieverordnung14 von 1937 als Landesrecht fort.15 Mit dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 18. Dezember 2003/13. Februar 2004, in Kraft getreten zum 1. Juli 2004, erhielt das Lotteriewesen erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine einheitliche, bundesweit geltende Regelung.16 Das Bundesverfassungsgericht 17 hatte in seinem Sportwetten-Urteil die Verfassungswidrigkeit des staatlichen Wettmonopols in Bayern in der Ausgestaltung durch das bayerische Staatslotteriegesetz festgestellt. Ein staatliches Monopol für Sportwetten sei mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG nur vereinbar, wenn es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Suchtgefahren ausgerichtet sei. Ein verfassungsmäßiger Zustand könne daher sowohl durch eine konsequente Ausgestaltung des Wettmonopols erreicht werden, die sicherstelle, dass es wirklich der Suchtbekämpfung diene, als auch durch eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Veranstaltung durch private Wettunternehmen.18 Die Neuregelung des staatlichen Wettmonopols könne dabei grundsätzlich sowohl durch den Bundes- als auch durch die Landesgesetzgeber erfolgen. Der Bund könne sich insoweit auf den konkurrierenden Gesetzgebungstitel für das Recht der Wirtschaft Art. 74 Nr. 11 GG, unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG19, stützen. Dem stehe auch nicht der ordnungsrechtliche Aspekt der Regelungsmaterie entgegen.20 In Konsequenz des BVerfG-Urteils haben die Länder den Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 30. Januar 2007 (GlüStV) geschlossen, der zum 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist. Dessen Regelungen beziehungsweise die entsprechenden 14 LottVO vom 6.3.1937, RGBl I S. 283. 15 Bahr, Glücks- und Gewinnspielrecht, 2005, Rz. 105; Schmidt, WRP 2004, 576, 577. 16 Bahr, Glücks- und Gewinnspielrecht, 2005, Rz. 183. 17 BVerfG, Urteil vom 28. März 2006, Az. 1 BvR 1054/01. 18 BVerfG, Urteil vom 28. März 2006, Az. 1 BvR 1054/01, Rz. 148. 19 Art. 72 Abs. 2 GG bestimmt, dass der Bund unter anderem auf dem Gebiet des Rechts der Wirtschaft das Gesetzgebungsrecht hat, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. 20 BVerfG, Urteil vom 28. März 2006, Az. 1 BvR 1054/01, Rz. 155. - 9 - Ausführungs- und Umsetzungsgesetze der Länder wären maßgebend für die verwaltungsrechtliche Zulässigkeit einer Rubbellos-Sonderbriefmarke. 4.2. Rubbellos-Briefmarke kein Glücksspiel Nach hier vertretener Auffassung fänden jedoch die Regelungen über das Glücksspielrecht vorliegend keine Anwendung, da es sich bei einer Rubbellos-Briefmarke in der in der Einleitung beschriebenen Form nicht um ein Glücksspiel handeln würde. Insoweit würde es an einem Einsatz fehlen. Vielmehr läge ein Gewinnspiel im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vor (siehe dazu unten). Nach der Legaldefinition des § 3 GlüStV liegt ein Glücksspiel vor, „wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt“. Ist einer Mehrzahl von Personen die Möglichkeit eröffnet, nach einem bestimmten Plan gegen ein bestimmtes Entgelt die Chance auf einen Geldgewinn zu erlangen, handelt es sich um Lotterie. Ist statt Geld ein Sachgewinn oder ein anderer geldwerter Vorteil zu gewinnen, handelt es sich um eine Ausspielung, auf die die Regeln der Lotterien anwendbar sind, § 3 Abs. 3 GlüStV. Weitere Anforderungen an die Höhe oder Form des Entgelts enthält der GlüStV nicht. Damit wurde weitestgehend der von Strafgerichtsbarkeit entwickelte Glücksspielbegriff übernommen. Nach § 284 StGB macht sich strafbar, wer ohne behördliche Erlaubnis ein Glücksspiel veranstaltet, hält oder die Einrichtung hierzu bereitstellt. Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Glücksspiel im strafrechtlichen Sinne vor, wenn öffentlich im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.21 Die Lotterie ist eine besondere Form des Glücksspiels.22 Erforderlich ist nach der Rechtsprechung, dass der Spieler einen nicht unerheblichen entgeltlichen Einsatz leistet. Darunter fällt jede Leistung, die in der Hoffnung erbracht, eine gleiche oder höherwertige Leistung zu erhalten und die im Falle des Verlierens dem Veranstalter oder einem anderen Teilnehmer zufließen. Gleichzeitig muss es an einer über die Gewinnchance hinaus gehenden Gegenleistung für das Vermögensopfer des 21 Ständige Rechtsprechung seit RGSt 18, 1; 94, 94; BGHSt 2, 274; 11, 209; BGH, NJW 1987, 851; Bahr, Glücks- und Gewinnspielrecht, 2005, Rz. 109. 22 BGH, NJW 1987, 851. - 10 - Spielers fehlen.23 Unerheblich ist, ob der Einsatz in offener oder versteckter Form verlangt wird.24 Darüber hinaus darf der Einsatz nicht unerheblich sein, wobei feste Wertgrenzen bislang nicht von der Rechtsprechung festgelegt wurden.25 Ein lediglich unerheblicher Einsatz ist anzunehmen, wenn der Teilnehmer zum Beispiel nur die Portokosten für die Einsendung einer Lösung zu tragen hat.26 Ein Einsatz ist gleichfalls zu verneinen, wenn ein in jedem Fall verlorener Beitrag gezahlt wird, der lediglich eine Mitspielberechtigung gewährt . Ist die Aussicht auf Gewinn von der Zahlung des Beitrags unabhängig, so handelt es sich nicht um einen Einsatz.27 Ein Einsatz liegt auch dann nicht vor, wenn die Teilnahmeberechtigung an der Auslosung an den Erwerb einer Ware geknüpft ist und die Ware bei objektiver Betrachtung die Gegenleistung wert ist. Sind die Kosten der Ausspielung jedoch im Kaufpreis enthalten und werden so von den Teilnehmern getragen, ist von einem verdeckten Einsatz auszugehen. Maßgebend ist, dass der Unternehmer tatsächlich alle Kosten der Lotterie oder Ausspielung trägt, zum Beispiel als Werbemaßnahme . Fehlt es an einem Einsatz oder ist dieser bei wirtschaftlicher Betrachtung lediglich unerheblich, so liegt eine sogenannte Gratisausspielung oder -lotterie vor, die nicht unter den Glücksspielbegriff fällt.28 Ob die von der Strafgerichtsbarkeit entwickelten Anforderungen auch für die verwaltungsrechtliche Legaldefinition des GlüStV gelten, ist unklar. So fehlt in § 3 GlüStV die von der Strafgerichtsbarkeit verlangte Voraussetzung, dass der Einsatz nicht unerheblich sein darf. Da der GlüStV sehr jungen Datums ist, gibt es bislang wenig diesbezügliche Rechtsprechung oder Literatur. Nach einem Beschluss des VG Neustadt spräche gegen die Annahme, dass § 3 GlüStV einen von §§ 284 ff. StGB unabhängigen, weiteren ordnungsrechtlichen Begriff des erlaubnispflichtigen Glücksspielbegriffs geschaffen werden sollte, systematische Gründe, da andernfalls konkurrierende Zuständigkeiten nach der GewO und dem GlüStV entstünden. Es hat die Frage aber letztlich offengelassen.29 Auch in der Literatur wird vertreten, dass der GlüStV zwar ein autonomes Regulungswerk sei, das aus sich heraus auszulegen sei und somit auch Abweichungen von den sonst allgemein üblichen juristischen Begriffen beinhalten könne. Gegen einen von der strafrechtlichen Judikatur abweichenden Glücksspielbegriff spreche jedoch, andernfalls eine weitreichende Änderung der bisherigen Rechtsprechung vorliegen würde. In den 23 BGH, NJW 1987, 851. 24 BGHSt 11, 209; BGH, NJW 1987, 851; Eser/Heine in: Schönke/Schröder, § 287, Rz. 4. 25 Bahr, Glücks- und Gewinnspielrecht, 2005, Rz. 130. 26 Groeschke/Hohmann in: Münchener Kommentar zum StGB, § 287, Rz. 9. 27 BGHSt 34, 17; Eichmann/Sörup, MMR 2002, 142, 143. 28 Groeschke/Hohmann in: Münchener Kommentar zum StGB, § 287, Rz. 10. 29 VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss v. 9.7.2008, Az. 5 L 592/08.NW. - 11 - ursprünglichen Beratungen zum Lotteriestaatsvertrag vom 18. Dezember 2003/13. Februar 2004 sei eine Definition des Begriffs Entgelt vorgesehen gewesen, der zufolge ein Entgelt ohne Rücksicht auf seine Höhe oder Bezeichnung alles sein sollte, was der Spieler aufwenden müsse, um zu spielen. Dieser Passus sei jedoch noch während der Beratungen aufgegeben worden. Auch im GlüStV wurde nicht auf diese Definition zurückgegriffen . Es sei daher überzeugender davon auszugehen, dass die Länder den bisherigen status quo beibehalten wollten. Endgültige Sicherheit könne aber nur eine gerichtliche Klärung bringen.30 Geht man davon aus, dass parallel zum Strafrecht auch nach dem Verwaltungsrecht ein nicht unerheblicher Einsatz zur Annahme eines Glücksspiels erforderlich ist, so dürfte es vorliegend bereits an diesem Merkmal fehlen. Den reinen Portokosten der Zuschlagsmarken steht als Gegenleistung die Beförderungsdienstleistung seitens der Deutschen Post AG gegenüber. Es handelt sich damit nicht um ein Entgelt zur Teilnahme an der Lotterie. Aber auch der Zuschlag, der derzeit zwischen 20 und 55 Eurocents liegt, stellt nach hiesiger Auffassung kein Entgelt für die Teilnahme an einer Auslosung dar. Wohlfahrtsmarken haben, wie oben dargestellt, in Deutschland eine lange Tradition. Dem Zuschlag steht kein geldwerter Vorteil gegenüber, sondern er dient ausschließlich als Spende für wohltätige Zwecke. Dessen ist sich der Käufer auch bewusst. Eine Verbindung des Verkaufs der Zuschlagsmarken mit einer Auslosung dürfte nicht zu einer Umwidmung des Zuschlags zu einem Entgelt für die Gewinnchance im Sinne des GlüStV führen . 5. Wettbewerbsrechtliche Vorgaben – Unlauterer Wettbewerb Sofern man wie oben dargelegt, die glücksspielrechtliche Relevanz mangels Einsatzes verneint, würde es sich bei einer Rubbellos-Briefmarke um ein Gewinnspiel im Sinne des Wettbewerbsrechts handeln. 5.1. Verstoß gegen das Kopplungsverbot Nach der Rechtsprechung des BGH sind Gewinnverlosungen, die zu Zwecken des Wettbewerbs veranstaltet werden, im Allgemeinen wettbewerbsrechtlich zulässig.31 30 Bahr, Glücks- und Gewinnspielrecht, 2005, Rz. 188 ff. 31 BGH, Urteil v. 05.02.2008 – Az. I ZR 151/95, GRUR, 1998, S. 736. - 12 - Der Verkauf einer Rubbellos-Briefmarke wäre jedoch ein Verstoß gegen das Kopplungsverbot eines Gewinnspiels mit dem Absatzgeschäft gemäß § 4 Nr. 6 UWG und folglich wettbewerbswidrig. Nach § 4 Nr. 6 UWG handelt insbesondere unlauter und damit unzulässig im Sinne des § 3 UWG, wer die Teilnahme von Verbrauchern an einem Gewinnspiel oder einem Preisausschreiben von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig macht. Ausgenommen sind Gewinnspiele oder Preisausschreiben, die naturgemäß mit der Ware oder der Dienstleistung verbunden sind. Das Kopplungsverbot nach § 4 Nr. 6 UWG soll den Verbraucher vor unsachlicher Beeinflussung durch Ausnutzung der Spiellust und des Gewinnstrebens schützen. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Hoffnung auf einen leichten Gewinn das Urteil des Verbrauchers über die Qualität und die Preiswürdigkeit der angebotenen Ware oder Dienstleistung trüben könnte und seine rationale Entscheidung beeinträchtigen könnte.32 Der Verbraucher laufe daher Gefahr, die Ware oder Dienstleistung nicht aufgrund sachgemäßen Produktvergleichs zu erwerben, sondern nur, um den als Köder ausgesetzten Preis zu gewinnen.33 Ein Gewinnspiel im Sinne des UWG ist die Aufforderung zur Teilnahme an einem Spiel, bei dem der Gewinner durch irgendein Zufallselement ermittelt wird. Im Gegensatz zum Glücksspiel ist kein Einsatz erforderlich.34 Wie bereits oben dargelegt würde der Zuschlag bei einer Wohltätigkeitsmarke als Rubbellos-Marke nach hier vertretener Ansicht keinen Einsatz im Sinne des Glückspiels konstituieren. Der Kunde erhielte das Los und damit die Gewinnchance als Zugabe. Eine verbotene Kopplung liegt vor, wenn der Erwerb einer Ware oder einer Dienstleistung , sei es vom Veranstalter, sei es von einem Dritten, die Voraussetzung für die Teilnahme an dem Gewinnspiel oder Preisausschreiben ist. Erfasst sind Waren oder Dienstleistungen aller Art; maßgebend ist allein, ob der Verbraucher irgendeine Ware oder Dienstleistung kaufen muss, um an dem Gewinnspielen teilnehmen zu können.35 Eine Abhängigkeit zwischen Gewinnspielteilnahme und Absatzgeschäft ist stets gegeben, wenn der Verbraucher rechtlich oder tatsächlich gezwungen ist, einen Kauf zu tätigen, um teilnehmen zu können.36 Diese Voraussetzung wäre bei einer Rubbellos-Briefmarke 32 BT-Drs. 15/1487, S. 18. 33 Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Unlauterer Wettbewerb-Gesetz, 26. Aufl. 2008, § 4, Rz. 6.2. 34 Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Unlauterer Wettbewerb-Gesetz, 26. Aufl. 2008, § 4, Rz. 1.120 f. 35 Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Unlauterer Wettbewerb-Gesetz, 26. Aufl. 2008, § 4, Rz. 6.8. 36 Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Unlauterer Wettbewerb-Gesetz, 26. Aufl. 2008, § 4, Rz. 6.9. - 13 - gegeben, da man nur durch den Kauf einer solchen Briefmarke ein Los erhalten könnte, das an der Auslosung teilnehmen würde. Die Einräumung anderer kostenfreier Teilnahmemöglichkeiten , zum Beispiel über das Internet oder mittels Postkarten zum normalen Beförderungstarif würde dem erklärten Ziel, durch die Kopplung von Gewinnspiel und Briefmarke den Umsatz zu steigern, zu wider laufen. Der Verbraucher liefe Gefahr, mehr Briefmarken zu erwerben als er benötigt, um seine Gewinnchance zu erhöhen. Dies gilt umso mehr, als bereits die Briefmarke selbst das Los ist, d.h. der Verbraucher nicht erst noch etwas ausfüllen und einschicken muss, um an der Verlosung teilzunehmen. 5.2. Kein Ausnahmetatbestand Eine Rubbellos-Briefmarke fiele auch nicht unter den Ausnahmetatbestand nach § 4 Nr. 6 HS. 2 UWG. Danach liegt dann kein unlauteres Kopplungsangebot vor, wenn das Preisausschreiben oder Gewinnspiel naturgemäß mit der Ware oder der Dienstleistung verbunden ist. Die Ausnahmeregelung zielt auf Preisausschreiben und Gewinnspiele, die redaktionelle Beiträge in Presse oder Rundfunk sind. Rechtfertigung dieser Ausnahmeregelung ist, dass Preisausschreiben und Gewinnspielen in Zeitschriften nicht nur Werbemaßnahmen, sondern Teil des Unterhaltungsteiles sind, der Verbraucher daran gewöhnt sei und diese als Bestandteil der Zeitung ansehe beziehungsweise sogar erwarte . Gerade bei Printmedien sei diese Form der Wertreklame seit längerem am Markt eingeführt und werde bereits aus diesem Grund nicht als unlauter angesehen.37 Ähnlich sei es bei Gewinnspielen in Rundfunk und Fernsehen, die das Ziel hätten, Zuhörer oder Zuschauer zu längerem Zuhören oder Zuschauen zu veranlassen.38 Gleichwohl sei die Bewertung eines solchen Preisrätsels als unlauter im Einzelfall nicht ausgeschlossen, etwa wenn die Kaufentscheidung im durch unangemessen hohe Gewinne unsachgemäß beeinflusst werde.39 Für die Unzulässigkeit ist zudem gemäß § 3 Abs. 1 UWG grundsätzlich erforderlich, dass die unlautere geschäftliche Handlung geeignet ist, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Wird die Teilnahme an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel in unzulässiger Weise vom Bezug einer Ware oder Dienstleistung abhängig gemacht, ist dies jedoch in der Regel geeignet, die Kaufentscheidung wesentlich zu beeinflussen. Eine zusätzliche Spürbarkeitsprüfung ist daher entbehrlich.40 37 BT-Drs. 15/1487, S. 18. 38 Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Unlauterer Wettbewerb-Gesetz, 26. Aufl. 2008, § 4, Rz. 6.17. 39 BT-Drs. 15/1487, S. 18. 40 Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Unlauterer Wettbewerb-Gesetz, 26. Aufl. 2008, § 3, Rz. 142. - 14 - 6. Preisausschreiben der Verwaltung Grundsätzliche Bedenken gegen die Durchführung von Gewinnspielen durch die Bundesregierung bestehen nicht. Wie bereits oben dargestellt handelt es sich auch bei Briefmarken mit der Aufschrift "Deutschland" nicht um Hoheitszeichen. Die einzelnen Bundesministerien sowie das Bundeskanzleramt führen regelmäßig Preisausschreiben durch (eine Übersicht über die durchgeführten Preisausschreiben in der 14., 15. und 16. Legislaturperiode ist der schriftlichen Antwort des Stellvertretenden Sprechers der Bundesregierung auf die Frage des Abgeordneten Dr. Volker Wissing, BT-Drs. 16/6079, S. 1-6, zu entnehmen).