Rechtliche Rahmenbedingungen einer Vermögensabgabe - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 176/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Rechtliche Rahmenbedingungen einer Vermögensabgabe Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 176/08 Abschluss der Arbeit: 29.10.2008 Fachbereich WD 4: Haushalt und Finanzen Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 3 2. Historie seit 1945 zur Vermögensabgabe 3 3. Rechtliche Einordnung der Vermögensabgabe 5 4. Verfassungsrechtliche Anforderungen an Sonderabgaben 6 4.1. Gesetzgebungskompetenz für Sonderabgaben 6 4.2. Entwicklung der Sonderabgabenrechtsprechung 7 4.3. Zulässigkeitskriterien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 8 5. Verfassungsrechtliche Anforderungen einer Vermögensabgabe als Steuer 10 5.1. Gesetzgebungskompetenz 10 5.2. Ausnahmesituation 10 5.3. Einmaligkeit 11 5.4. Steuercharakter 11 5.5. Zweckbindung 11 6. Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG 11 7. Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG 12 - 3 - 1. Einleitung Die folgende Ausarbeitung befasst sich mit der Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer Vermögensabgabe bzw. den hierfür erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen. Zunächst wird ein kurzer Einblick in die nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland bestehenden oder diskutierten Vermögensabgaben gegeben. Nachdem der Begriff der Vermögensabgabe rechtlich eingeordnet wird, werden die verfassungsrechtlichen Anforderungen , die das Bundesverfassungsgericht zu Sonderabgaben entwickelt hat, dargestellt . Im Anschluss hieran wird auf die rechtlichen Voraussetzungen einer Vermögensabgabe als Steuer eingegangen. 2. Historie seit 1945 zur Vermögensabgabe Im Rahmen des Lastenausgleichsgesetzes1 (LAG) vom 14.08.1952 - in Kraft seit 01.09.1952 - wurde eine Vermögensabgabe erhoben, um die Folgen des Zweiten Weltkrieges zu mildern, indem ein partieller Ausgleich zwischen Kriegs- und Nachkriegsgeschädigten einerseits und denjenigen, die Vermögen hatten behalten können andererseits , herbeigeführt werden sollte.2 Bemessungsgrundlage war das Vermögen zu Beginn des 21.06.1948. Abgabepflichtig waren grundsätzlich alle natürlichen und juristischen Personen, die zu Beginn des Stichtages (21.06.1948) Eigentümer von abgabepflichtigen Vermögen waren. Das abgabepflichtige Vermögen wurde durch den Abzug eines Freibetrages bzw. einer Familienermäßigung festgestellt. Die Abgabeschuld betrug 50 % des abgabepflichtigen Vermögens und war in einem Zeitraum von etwa 30 Jahren zu tilgen und zu verzinsen. Letztmalig wurde die Vermögensabgabe am 31.03.1979 entrichtet . Die Vermögensabgabe war in vierteljährlichen Raten zu bezahlen. Ihrem Wesen nach war die Vermögensabgabe eine einmalige, auf dem Stichtagsprinzip beruhende Abgabe, die den Charakter einer Personensteuer hatte. Eine Vermögensabgabe wurde auch lange Zeit als Bestandteil des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes3 (EALG), das letztendlich aber ohne Vermögensabgabe in Kraft getreten ist4, diskutiert. Zentraler Gesichtspunkt dieser Diskussion war die Frage 1 Vertiefend hierzu die Kommentierung von Teilen des LAG von Horowski, Vermögensabgabe bis 1979, Zweite nach dem Stand vom März 1965 neubearbeitete Auflage. Vgl. auch Gamradt, Probleme der Vermögensabgabe nach dem Lastenausgleichsgesetz, Diss. 1956; Stockert, Die Vermögensteuer und die Vermögensabgabe, Diss. 1962. 2 Voss, Die Problematik der Vermögensabgabe, Finanz-Rundschau, Deutsches Steuerblatt 1956, 389, 389. 3 Gesetz vom 27.09.1994, BGBl. I 1994 S. 2624. Allgemein zum EALG siehe Knolle, Das Entschädigungs - und Ausgleichsleistungsgesetz – ein Überblick, DStR 1994, 1740 ff.; Strobel, Das Entschädigungs - und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG), BB 1994, 2083 ff. 4 Eisold, Keine neue Vermögensabgabe – Finanzierung von Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz , DStZ 1994, 717, 717. - 4 - der Verfassungsmäßigkeit einer Vermögensabgabe als Sonderlast. Die Vermögensabgabe wurde insbesondere nach diesbezüglich kritischen Stimmen in einer Expertenanhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages verworfen.5 Ursprünglich sollte eine Vermögensabgabe die Grundlage für einen Entschädigungsfonds bilden. Dieser sollte – ohne den Bundeshaushalt zu beanspruchen – zur Finanzierung des Entschädigungsgesetzes dienen, das u.a. diejenigen entschädigen sollte, die nach der Wiedervereinigung ihr Eigentum nicht zurückerhalten hatten. Das waren zum einen die Personen, für die Restitution ausgeschlossen war6 oder die, die sich für eine Entschädigung anstelle einer Restitution entschieden hatten. Streitig diskutiert wurde lange Zeit die Auswahl der Abgabeschuldner, also der Kreis der Abgabepflichtigen,7 und die Frage der Höhe der Entschädigung, insbesondere die Bemessungsgrundlage. Ende der 90er Jahre, insbesondere 1998 und 1999, wurde in der Politik abermals die Erhebung einer zeitlich befristeten und zweckgebundenen Vermögensabgabe diskutiert. Teile der SPD, von Bündnis90/Die Grünen und die Gewerkschaften, zeitweilig auch die PDS, forderten die Einführung einer Vermögensabgabe, wobei die konkrete Ausgestaltung der Vermögensabgabe und der beabsichtigte Verwendungszweck divergierten.8 So wurde z.B. vorgeschlagen, damit die Lasten der Einheit oder Bildungsvorhaben zu finanzieren . Von der Opposition wurden die Bestrebungen zur Einführung einer Vermögensabgabe kritisiert. Insbesondere wegen der geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken wurden zwei Rechtsgutachten angefertigt: die Expertise der Bundesregierung hielt die Vermögensabgabe zwar für grundsätzlich zulässig, sie sei aber an sehr strikte Voraussetzungen hinsichtlich des Kreises der Abgabepflichtigen und der Aufkommensverwendung gebunden9; die Expertise der SPD-Bundestagsfraktion hielt eine derartige Abgabe wohl für zulässig10. Bundeskanzler Schröder hatte letztendlich jedoch die Ein- 5 Eisold, Keine neue Vermögensabgabe – Finanzierung von Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz , DStZ 1994, 717, 719. 6 Das betraf u.a. den Entzug von Eigentumspositionen von 1945 bis 1949 auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage. 7 Siehe hierzu Eisold, Eine neue Vermögensabgabe? Wer muß sie zahlen?, DStZ 1992, 529 ff.; Eisold, Vermögensabgabe auf Ost-Grundstücke, DStZ 1993, 109 ff.; Eisold, Entscheidung über Vermögensabgabe auf Ostgrundstücke verzögert sich, DStZ 1993, 555 ff.; Eisold, Keine neue Vermögensabgabe – Finanzierung von Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz, DStZ 1994, 717 ff. 8 Siehe hierzu Schemmel, Verfassungsfragen einer Vermögensabgabe, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Sonderinformation 37, Oktober 1999, S. 2 – 5 mit weiteren Nachweisen, insbesondere Pressefundstellen. 9 Schemmel, Verfassungsfragen einer Vermögensabgabe, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler , Sonderinformation 37, Oktober 1999, S. 4 mit weiteren Pressenachweisen. 10 Spiegel online vom 02.10.1999, Vermögensabgabe ja, aber wofür verwenden?, unter http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,44904,00.html. - 5 - führung einer Vermögensabgabe ausgeschlossen, so dass eine wie auch immer geartete Vermögensabgabe vom Tisch war.11 3. Rechtliche Einordnung der Vermögensabgabe Öffentlich-rechtliche Abgaben sind Geldleistungen, die der Bürger aufgrund von Rechtsvorschriften an den Staat abzuführen hat. Abgabe ist damit der Oberbegriff, unter den verschiedene Kategorien fallen. Hierbei werden Steuern von den sonstigen (nichtsteuerlichen ) Abgaben wie Beiträge, Gebühren und Sonderabgaben unterschieden.12 Steuern sind nur solche Abgaben, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates darstellen. Die Gebühr hingegen ist eine Abgabe (Entgelt) für eine besondere tatsächliche Leistung der Verwaltung und der Beitrag ist eine Abgabe (Entgelt) für die dem Einzelnen gewährte Möglichkeit, aus konkreten Aufwendungen der Verwaltung einen individuellen Nutzen zu ziehen. Abgaben, denen keine zurechenbare Gegenleistung gegenübersteht, die aber im Unterschied zu Steuern nicht von der Gesamtheit der Steuerbürger, sondern nur von bestimmten Gruppen erhoben werden und zur Finanzierung besonderer Aufgaben dienen, werden als Sonderabgaben bezeichnet. Sonderabgaben sind Geldleistungspflichten, die - wie die Steuer - unabhängig von einer empfangenen oder bevorzugt angebotenen Gegenleistung des Staates geschuldet werden, deren Aufkommen aber regelmäßig nicht in den allgemeinen Staatshaushalt fließt, sondern in Sonderfonds verwaltet wird. Problematisch ist zuweilen die Klassifizierung der Vermögensabgabe als Steuer oder als Sonderabgabe. Einigkeit besteht dahingehend, dass nicht die Bezeichnung des Gesetzgebers , sondern die konkrete Ausgestaltung – also der materielle Gehalt – für die Entscheidung dieser Frage bedeutend ist.13 Im Rahmen der Diskussion der Vermögensabgabe als Bestandteil des EALG (siehe oben) war die Vermögensabgabe im Gesetzesentwurf als Bundessteuer bezeichnet. Die damals gedachte Zweckbindung stünde der Einordnung als Steuer nicht entgegen. Die Vermögensabgabe sollte nach dem ursprünglichen Gesetzesentwurf als sog. Zwecksteuer fungieren. Diese Zuordnung wurde jedoch kritisiert und die geplante Vermögensabgabe in der Literatur als Sonderabgabe qualifi- 11 Artikel in der Zeitung „Die Welt“ vom 04.12.1999, „Die SPD-Linken sind enttäuscht“ unter http://www.welt.de/print-welt/article561031/Die_SPD_Linken_sind_enttaeuscht.html und „Wir wollen keine Revolution“ unter http://www.welt.de/printwelt /article561037/Wir_wollen_keine_Revolution.html. 12 Vgl. hierzu allgemein Birk, Steuerrecht, 10.Aufl.2007, Rn. 107 ff. 13 Schemmel, Lenken mit Steuern und Abgaben – Große Mängel und Gefahren, Karl-Bräuer-Institut, 2000, S. 54. - 6 - ziert14, da es sich nicht um eine Abgabe zur Finanzierung des allgemeinen Staatsbedarfs , die von der Allgemeinheit der Staatsbürger eingefordert werde, sondern um eine Sonderlast handele, die von einer bestimmten Gruppe von Bürgern wegen einer speziellen Verantwortlichkeit erhoben und zur Finanzierung einer besonderen Aufgabe verwendet werde. Die Einordnung als Steuer oder als Sonderabgabe ist Tatfrage und hängt mit der Konzeption der Vermögensabgabe zusammen. Je nach Zuordnung sind unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen an die Vermögensabgabe geknüpft. Diese Voraussetzungen werden im Folgenden sowohl für eine Vermögensabgabe als Sonderabgabe als auch für eine Vermögensabgabe als Steuer dargelegt. 4. Verfassungsrechtliche Anforderungen an Sonderabgaben15 Sonderabgaben sind ein fester Bestandteil der Verfassungswirklichkeit, deren besondere Relevanz daraus erwächst, dass sie sich kompetenzrechtlich außerhalb der Finanzverfassung bewegen und in grundrechtlich relevanter Weise nicht die Allgemeinheit, sondern nur eine begrenzte Gruppe von Abgabenschuldnern mit einer Finanzlast belegen. Grundsätzlich unterscheidet das Bundesverfassungsgericht zwei Arten von Sonderabgaben . Zum einen gibt es Sonderabgaben mit Finanzierungszweck. Diese sollen Belastungen innerhalb eines bestimmten Erwerbs- oder Wirtschaftszweiges ausgleichen. Zum anderen gibt es Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion, die zu einem bestimmten Verhalten anreizen oder Fehlverhalten sanktionieren sollen. 4.1. Gesetzgebungskompetenz für Sonderabgaben Da Sonderabgaben keine Steuern sind, ergibt sich die Sonderabgabenhoheit nicht aus der Finanzverfassung, mithin nicht aus den Art. 105 ff. GG. Sonderabgaben werden – ähnlich wie Gebühren und Beiträge – im Grundgesetz nicht erwähnt. Die Gesetzgebungskompetenz für Sonderabgaben ergibt sich aber als Annex aus der jeweiligen Sachgesetzgebungskompetenz , also aus den Art. 70 ff. GG.16 14 So etwa von Stern/Aussem, Die Vermögensabgabe nach dem Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in verfassungsrechtlicher Sicht, Die Verwaltung 1994, 1, 12 f. 15 Vgl. hierzu allgemein Birk, Steuerrecht, 10.Aufl.2007, Rn. 111 ff.; Ossenbühl, Zur Rechtfertigung von Sonderabgaben mit Finanzierungszweck, DVBl. 2005, 667 ff.; Simon, Der Rechtsgrund der Sonderabgaben , DÖV 2001, 63 ff.; Tipke/Lang, Steuerrecht 19.Aufl.2008, §3 Rn. 24 ff.; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, Diss., 1996, S.107 ff. 16 BVerfGE 55, 274, 297; BVerfGE 4, 7, 13; BVerfGE 8, 274, 317; BVerfGE 18, 315, 328; BVerfGE 29, 402, 409; BVerfGE 37, 1, 16 f. - 7 - 4.2. Entwicklung der Sonderabgabenrechtsprechung17 Das Bundesverfassungsgericht hat über viele Jahre seine Rechtsprechung zu Sonderabgaben gefestigt. In der Entscheidung zur Berufsausbildungsabgabe18 nach dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz war das Bundesverfassungsgericht der Ansicht, dass sich die Steuer in der „Idee und Funktion“ maßgeblich von einer Sonderabgabe unterscheide. Die Sonderabgabe sei nur unter engen Voraussetzungen zulässig, die im Anschluss unter 4.3. näher beleuchtet werden. Des Weiteren zu nennen sind die Entscheidungen zur Schwerbehindertenabgabe19, zur Investitionshilfeabgabe20, zur Künstlersozialversicherungsabgabe 21, zur Fehlbelegungsabgabe22 und zur Absatzfondsabgabe23. Im Kohlepfennig - Beschluss24 von 1994 wurde festgestellt, das Bundesverfassungsgericht habe nunmehr in gefestigter Rechtsprechung die Grenzen benannt, in denen Sonderabgaben allein zulässig seien. Der Kohlepfennig war ein Preisaufschlag auf die Strompreise der Energieversorgungsunternehmen in Deutschland, den die Verbraucher der alten Bundesländer von 1974 bis 1995 zu entrichten hatten. Unter Zugrundelegung der in der früheren Rechtsprechung entwickelten Grenzen, die jeweils Sonderabgaben mit Finanzierungszwecken betraf, sah das Gericht den Kohlepfennig als unzulässige Sonderabgabe an, weil er keine homogene Gruppe belaste, sondern eine Allgemeinheit von Stromverbrauchern treffe, die keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit zur Sicherung des Steinkohleeinsatz bei Stromerzeugern habe. Weitere spätere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes waren die Entscheidung zur Feuerwehrabgabe25 und zum Wasserpfennig26. 17 Eine überblicksartige Darstellung liefert Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, Diss., 1996, S. 109 ff. 18 BVerfGE 55, 274 ff. 19 BVerfGE 57, 139 ff. 20 BVerfGE 67, 256 ff. 21 BVerfGE 75, 108 ff. 22 BVerfGE 78, 249 ff. 23 BVerfGE 82, 159 ff. 24 BVerfGE 91, 186 ff. 25 BVerfGE 92, 91 ff. 26 BVerfG DVBl., 1996, 357 ff. - 8 - 4.3. Zulässigkeitskriterien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 27 Die Zulässigkeitskriterien für Sonderabgaben bildete das Bundesverfassungsgericht unter dem Aspekt des Schutzes der Finanzverfassung und dem „Prinzip des Steuerstaates “ einerseits und des Individualschutzes der Abgabepflichtigen andererseits, der seine Grundlage im Wesentlichen in dem Grundsatz der Belastungsgleichheit der Bürger findet . Da Sonderabgaben sich außerhalb der Finanzverfassung des Grundgesetzes bewegen und in grundrechtlich relevanter Weise nur eine begrenzte Gruppe belasten, hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung strenge Kriterien für die Zulässigkeit von Sonderabgaben entwickelt: • Gruppenhomogenität, • Besondere Finanzierungsverantwortung / Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Erhebungszweck, • Gruppennützigkeit der Verwendung des Abgabeaufkommens, • Periodische Legitimation der Sonderabgabe. Die Zulässigkeitskriterien des Bundesverfassungsgerichts sind dazu gedacht, die Sonderabgabengesetzgebung in engen Grenzen zu halten und die Sonderabgaben deutlich von der Steuer abzuheben. Sonderabgaben sollen gegenüber der Steuerfinanzierung die seltene Ausnahme bleiben.28 Aus diesem Grunde sind die Zulässigkeitskriterien restriktiv anzuwenden. Sonderabgaben bergen nämlich die Gefahr, dass eine willkürlich gefasste Gruppe von Abgabenschuldnern zur Deckung einer die Allgemeinheit treffenden Last herangezogen wird. Im Folgenden werden die oben genannten vier Kriterien näher beleuchtet. 4.3.1 Homogene Gruppe Eine gesellschaftliche Gruppe darf nur mit einer Sonderabgabe belastet werden, wenn sie durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder gesellschaftlichen Wirklichkeit 27 Siehe hierzu Ossenbühl, Zur Rechtfertigung von Sonderabgaben mit Finanzierungszweck, DVBl. 2005, 667 ff.; Simon, Der Rechtsgrund der Sonderabgaben, DÖV 2001, 63 ff.; Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, Diss., 1996, S.107 ff.; Stern/Aussem, Die Vermögensabgabe nach dem Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in verfassungsrechtlicher Sicht, Die Verwaltung 1994, 1 ff.; Tipke/Lang, Steuerrecht 19.Aufl.2008, §3 Rn. 24 ff. 28 BVerfGE 55, 274, 308 ff.; Schemmel, Lenken mit Steuern und Abgaben – große Mängel und Gefahren , Karl-Bräuer-Institut, 2000, S. 69 mwN.; Stern/Aussem, Die Vermögensabgabe nach dem Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in verfassungsrechtlicher Sicht, Die Verwaltung 1994, 1, 15. - 9 - vorgegebene Interessenlage oder durch besondere Gemeinsamkeiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar ist. Das Bundesverfassungsgericht nennt solche Personenkreise „homogene Gruppen“. Dabei kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich kein Entscheidungsspielraum zu, die Gruppe der mit einer Sonderabgabe zu belastenden Bürger selbst abzugrenzen. Vielmehr kann eine parafiskalische Abgabe nur einer in der Rechts- oder Sozialordnung vorgefundenen homogenen Gruppe auferlegt werden. 4.3.2. Besondere Finanzierungsverantwortung Die mit der Abgabe belastete Gruppe muss dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck evident näher stehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler . Der allgemeine Gleichheitssatz rechtfertigt eine gesonderte Gruppenbelastung nur, wenn eine spezifische Sachnähe der Abgabepflichtigen zu der zu finanzierenden Aufgabe besteht. Aus der genannten Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Erhebungszweck muss eine besondere gruppenspezifische Sachverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen. Auch hier ist entscheidend, dass die besondere Sachverantwortung der homogenen Gruppe nicht erst durch den Abgabengesetzgeber geschaffen, sondern in der Rechts- oder Sozialordnung vorgefunden wird. 4.3.3. Gruppennützige Verwendung der Sonderabgabe Die insbesondere durch Art. 3 GG vorgegebenen Legitimationskriterien der homogenen Gruppe und der spezifischen Finanzierungsverantwortung der Abgabenschuldner münden in dem gesetzgeberischen Auftrag, dass Aufkommen der parafiskalischen Abgabe im Interesse der Abgabenschuldner, d.h. gruppennützig und damit zweckgebunden, zu verwenden. Denn in dem Maße, in dem die parafiskalischen Abgaben nicht dem Allgemeinwohl dienen, sind sie zugunsten der Gruppe der Abgabenschuldner eigennützig zu verwenden. Nur unter dieser Voraussetzung lässt sich der verfassungsrechtliche Eingriff in das Eigentum durch die Sozialpflichtigkeit des Privatvermögens nach Art. 14 Abs. 2 S.1 GG rechtfertigen. Das Merkmal der gruppennützigen Verwendung bedeutet jedoch nicht, dass das Aufkommen im spezifischen Interesse jedes einzelnen Abgabepflichtigen zu verwenden ist, sondern es genügt, wenn es überwiegend im Interesse der Gesamtgruppe verwendet wird. Nach hiesiger Auffassung wäre die Verwendung des Aufkommens einer Vermögensabgabe zur Schuldentilgung des Staates jedenfalls hinsichtlich dieser Anforderung mithin als verfassungsrechtliches Risiko einzustufen. 4.3.4. Periodische Legitimation der Sonderabgabe - 10 - Da die Sonderabgabe nur unter engen Voraussetzungen zulässig und folglich restriktiv anzuwenden ist, ist der Gesetzgeber gehalten, die parafiskalische Abgabe in regelmäßigen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob ihre verfassungsrechtliche Legitimation fortbesteht und die genannten Voraussetzungen weiterhin gegeben sind. 5. Verfassungsrechtliche Anforderungen einer Vermögensabgabe als Steuer29 5.1. Gesetzgebungskompetenz Gem. Art. 105 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG besitzt der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz über die „einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben“. Umstritten ist jedoch, ob sich daraus auch das Recht zur Einführung neuer einmaliger Vermögensabgaben ableiten lässt oder ob damit nur Abgaben im Rahmen des Lastenausgleichs nach dem Zweiten Weltkrieg zu verstehen sind.30 Die Entstehungsgeschichte und auch ein obiter dictum des Bundesverfassungsgerichtes31 deuten darauf hin, dass der Bund die Gesetzgebungskompetenz für einmalige Vermögensabgaben besitze, zu denen nicht nur die Lastenausgleichsabgaben gehören. Jedoch sei die Erhebung einmaliger Vermögensabgaben von der besonderen Voraussetzung einer staatlichen Ausnahmelage abhängig. Auch darf die Gesetzgebungskompetenz für einmalige Vermögensabgaben nicht an die Stelle der Gesetzgebungskompetenz für die laufende Vermögensbesteuerung treten. Denn wenn der Bund seine Kompetenz für einmalige Vermögensabgaben dazu einsetzen würde, eine laufende Vermögensteuer einzuführen, würde er nicht nur Einnahmen erzielen, die ihm nicht zustehen, sondern auch die Mitwirkungsrechte des Bundesrates bei der Vermögensteuergesetzgebung32 missachten (Art. 105 Abs. 3 GG). 5.2. Ausnahmesituation Eine einmalige Vermögensabgabe müsste den Steuern dieses Typs entsprechen und – wie auch das Bundesverfassungsgericht konzediert – eine staatliche Ausnahmesituation erfordern. Wie ein Vergleich mit historischen Beispielen belegt (Reichsnotopfer von 1917 und Lastenausgleich von 1952) setzt eine einmalige Vermögensabgabe damit eine 29 Vgl. hierzu insbesondere Schemmel, Verfassungsfragen einer Vermögensabgabe, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Sonderinformation 37, Oktober 1999, S. 5 ff. 30 Siehe ausführlich zum Streitstand Schemmel, Verfassungsfragen einer Vermögensabgabe, Karl- Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Sonderinformation 37, Oktober 1999, S. 5 -8 mit weiteren Nachweisen. 31 BVerfG vom 22.06.1995, Az.: 2 BvL 37/91, NJW 1995, 2615, 2617. 32 Das Aufkommen der Vermögensteuer steht nach Art. 106 Abs. 2 GG den Ländern zu; gem. Art. 105 Abs. 3 GG bedürfen Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern zufließen, der Zustimmung des Bundesrates. - 11 - existenzbedrohende finanzielle Notlage des Staates voraus, in der weder eine Steigerung der Einnahmen aus den übrigen Steuern noch eine Ausweitung der Kreditaufnahme oder eine entsprechende Ausgabenkürzung möglich sei. Traditionell handelt es sich bei der einmaligen Vermögensabgabe um ein Mittel der Kriegslastenfinanzierung. Ob eine eine einmalige Vermögensabgabe rechtfertigende Ausnahmesituation unter den gegenwärtig herrschenden Verhältnissen angenommen werden kann, mag bezweifelt werden. 5.3. Einmaligkeit Die Vermögensabgabe muss laut Verfassung eine einmalige Abgabe bleiben. Allerdings ist es zulässig, diese einmalige Abgabe über mehrere Jahre zu verteilen, wie es etwa bei den Lastenausgleichsabgaben nach dem LAG von 1952 praktiziert wurde (siehe oben unter 2.). Unzulässig wäre hingegen der Versuch, durch wiederholte Erhebung einer Vermögensabgabe kontinuierlichen Zugriff auf Vermögen zu nehmen, da dies dem verfassungsrechtlichen Postulat der Einmaligkeit zuwiderlaufen würde und zudem als falsch etikettierte Vermögensteuer die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 105 Abs. 3 GG umgehen würde. 5.4. Steuercharakter Art. 106 Abs. 1 GG, in dem auch die einmalige Vermögensabgabe genannt ist, behandelt die Verteilung des Aufkommens aus Steuern. Danach muss die Vermögensabgabe dem Abgabentyp der Steuer entsprechen, also gegenleistungsfrei sein, der Erzielung von Einnahmen dienen und nicht außerhalb des Bundeshaushaltes veranschlagt und verwendet werden. 5.5. Zweckbindung Alle bisher erhobenen einmaligen Vermögensabgaben waren mit einer Zweckbindung versehen (Wehrbeitrag von 1913, das Reichsnotopfer von 1917 und der Lastenausgleich 1952). Hierbei handelte es sich ausschließlich um Abgaben zur Finanzierung von Kriegslasten oder Kriegsfolgelasten. Die Zweckbindung sei damit nach zitierter Literaturmeinung 33 ein verfassungsrechtliches Kennzeichen der einmaligen Vermögensabgabe , wobei eine Vermögensabgabe zur allgemeinen Rückführung der Staatsverschuldung verfassungsrechtlichen Einwendungen unterläge. 6. Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG Unabhängig von der Frage der Einordnung einer Vermögensabgabe als Steuer oder als Sonderabgabe muss diese in jedem Falle im Einklang mit Art. 14 GG stehen. 33 Schemmel, Verfassungsfragen einer Vermögensabgabe, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler , Sonderinformation 37, Oktober 1999, S. 14 f. - 12 - Zu prüfen ist, ob die Vermögensabschöpfung einen so drastischen Einschnitt in die Eigentumspositionen darstellt, dass man eine die Inhalts- und Schrankenbestimmung überschreitende Aushöhlung der Eigentumsposition annehmen muss. Überträgt man die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes zur Vermögensteuer, so ergibt sich, dass die Vermögensabgabe nur so bemessen werden dürfe, dass sie die Substanz des Vermögens , also den Vermögensstamm, unberührt lasse und aus den Erträgen entrichtet werden könne, da sie andernfalls konfiskatorisch wirken würde.34 Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in einem obiter dictum erwähnt, dass die Verfassung in einer staatlichen Ausnahmelage (siehe oben unter 5.) einen Zugriff auf die Vermögenssubstanz erlaube.35 7. Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG In ständiger Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht postuliert, dass das Gebot des Gleichheitssatzes für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken bedeute, „Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden“ zu behandeln.36 Hinsichtlich der diskutierten Einführung einer Vermögensabgabe im Rahmen des EALG (siehe oben unter 2.) bestanden erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel bezüglich Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber zur Regelung der vermögensrechtlichen Wiedergutmachung zwar nur einen allgemeinen gleichheitsrechtlichen Rahmen vorgegeben. Dieser Rahmen müsse jedoch systemgerecht ausgefüllt werden. Die vom Gesetzgeber gewählte Konzeption Rückgabe vor Entschädigung würde in einem Maße geschwächt, dass letztlich der Grundsatz entwertet würde. Damit würde der Gesetzgeber sich selbst widersprechen und gegen fundamentale Gerechtigkeitsgrundsätze verstoßen.37 Im Steuerrecht fordert der Gleichbehandlungsgrundsatz die Gleichbehandlung nach der Leistungsfähigkeit der Steuerzahler.38 Bestünde eine oben bezeichnete Ausnahmelage, so könnte sie möglicherweise die Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips rechtfertigen ; bestünde diese Ausnahmelage nicht, so könnte ohnehin eine Vermögensabgabe als 34 Schemmel, Verfassungsfragen einer Vermögensabgabe, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler , Sonderinformation 37, Oktober 1999, S. 20 f. 35 BVerfG vom 22.06.1995, Az. 2 BvL 37/91, NJW 1995, 2615 ff. 36 BVerfGE 3, 58 (135); BVerfGE 49, 148 (165); BVerfGE 61, 138 (147); BVerfGE 68, 237 (250); BVerfGE 71, 255 (271); BVerfGE 75, 108 (157); BVerfGE 76, 256 (329); BVerfGE 78, 104 (121); BVerfGE 83, 89 (107 f.). 37 Stern/Aussem, Die Vermögensabgabe nach dem Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage in verfassungsrechtlicher Sicht, Die Verwaltung 1994, 1, 23 ff. 38 Siehe BVerfGE 43, 108 (120). - 13 - Steuer nicht erhoben werden.39 Nach zitierter Ansicht wäre eine Gleichbehandlung bei einer Vermögensabgabe ohnehin nicht gewährleistet, da Einkünfte aus Vermögen zusätzlich belastet würden, obwohl sie bereits der progressiven Einkommensteuer unterlägen .40 Zu bedenken sei auch, dass es nur grundsätzlich gestattet sei, das Leistungsfähigkeitsprinzip zu Lenkungszwecken zu durchbrechen. Der lenkende Einsatz des Steuerrechts rechtfertige keineswegs jede Durchbrechung von vornherein oder pauschal.41 39 Schemmel, Verfassungsfragen einer Vermögensabgabe, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler , Sonderinformation 37, Oktober 1999, S. 16 f. 40 Schemmel, Verfassungsfragen einer Vermögensabgabe, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler , Sonderinformation 37, Oktober 1999, S. 15. 41 Schemmel, Verfassungsfragen einer Vermögensabgabe, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler , Sonderinformation 37, Oktober 1999, S. 17.