© 2014 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 173/14 Kompetenzübertragung im Rahmen der Bundessteuerverwaltung Möglichkeit einer Übertragung ohne die Zustimmung aller Länder Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 173/14 Seite 2 Kompetenzübertragung im Rahmen der Bundessteuerverwaltung Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 173/14 Abschluss der Arbeit: 11.09.2014 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 173/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Notwendigkeit einer Verfassungsänderung 4 3. Möglichkeit einer Umsetzung ohne Änderung der Verfassung 4 3.1. Freiwillige Kompetenzabgabe eines Landes an den Bund 4 3.2. Allgemeines fachliches Weisungsrecht des Bundes 5 4. Fazit 6 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 173/14 Seite 4 1. Einführung Im Grundsatz ist die Erhebung der Steuern Ländersache (Art. 30, 83, 108 II 1 GG)1. Die Einführung einer Bundessteuerverwaltung wird daher als „revolutionäres Modell“ angesehen, da es mit der in Art. 108 GG normierten Bundesauftragsverwaltung der Gemeinschaftsteuern durch die Länder bricht. Durch die sog. Kienbaum Studie aus dem Jahr 2006 haben sich im Wesentlichen zwei denkbare Varianten der Umsetzung einer Bundessteuerverwaltung ergeben. In der Variante A werden die Gemeinschaftsteuern (Art. 106 III GG) durch Bundesfinanzbehörden verwaltet, in der Variante B zusätzlich auch die bundeseinheitlich geregelten Landessteuern. 2. Notwendigkeit einer Verfassungsänderung Beide Varianten der Einführung einer Bundessteuerverwaltung haben indes gemeinsam, dass zu ihrer Umsetzung eine Verfassungsänderung des Art. 108 GG nötig ist, so dass im Hinblick auf die Anfrage festzustellen ist, dass ohne eine entsprechende verfassungsändernde Mehrheit in Bundestag und Bundesrat ein solches Modell nicht umsetzbar ist. Der bisherige Landesvollzug unter Aufsicht des Bundes nach Art. 108 II 1 i.V.m. Art. 83, 84 GG müsste abgeschafft werden und an seine Stelle eine Bundeseigenverwaltung nach dem Muster des Art. 108 I GG treten. In einer konsequenten Bundessteuerverwaltung ist für eine eigenständige Finanzkontrolle der Länder kein Raum mehr. Es liegt in der Logik des Modells der Bundessteuerverwaltung, dass sich der Einfluss der Länder auf den Steuervollzug faktisch auf die Beteiligung des Bundesrats reduziert. Aufgrund dessen ist eine vorherige Beteiligung aller Länder zwingend. Ob sich dafür Mehrheiten finden, ist indes eine (verfassungs-)politische und keine verfassungsrechtliche Frage. 3. Möglichkeit einer Umsetzung ohne Änderung der Verfassung 3.1. Freiwillige Kompetenzabgabe eines Landes an den Bund Zur Frage, ob der Bund (ohne Beteiligung des Bundesrats) mit einigen ausgewählten, der Bundessteuerverwaltung wohlgesonnenen Ländern auf Grundlage einer individuellen Vereinbarung in einer „Koalition der Willigen“ die Kompetenzen zum Steuervollzug von diesen Ländern auf den Bund übertragen kann, ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern in den Art. 83 ff. GG erschöpfend geregelt und grundsätzlich nicht abdingbares Recht sind. Im Bereich des Steuerrechts stellt Art. 108 GG die zentrale Norm hinsichtlich der Verwaltungskompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern dar. Es gilt der allgemeine Verfassungssatz , dass weder der Bund noch die Länder über ihre im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügen können; Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern sind selbst mit Zustimmung der Beteiligten nicht zulässig2. Als verfassungsrechtlich normierte Ausnahme der grundsätzlichen Länderzuständigkeit ist Art. 108 IV GG zu nennen, der es dem Bundesgesetzgeber erlaubt, durch ein - zustimmungsbedürftiges - Gesetz ein Zusammenwirken von Landes- und 1 JuS 2007, 121. 2 BVerGE 63, 1 (39). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 173/14 Seite 5 Bundesbehörden, aber auch eine Verwaltung ausschließlich durch Bundesfinanzbehörden anzuordnen . Voraussetzung ist, dass dadurch der Vollzug der Steuergesetze erheblich verbessert oder erleichtert wird. Bei dieser Delegationsklausel handelt es sich jedoch um eine Ausnahmevorschrift , die restriktiv und auf Einzelfälle beschränkt anzuwenden ist3. Teilweise wird vertreten, im Hinblick auf den Vollzug der Besitz- und Verkehrsteuern, zu denen u.a. Einkommen-, Körperschaft - und Umsatzsteuer gehören, bedürfe es im Wege einer Bundessteuerverwaltung zur Kompetenzverlagerung gestützt auf Art. 108 IV GG keiner Verfassungsänderung, sondern es genüge der Erlass eines – allerdings zustimmungsbedürftigen – Bundesgesetzes4. Diese Ansicht verkennt jedoch den Ausnahmecharakter der Delegationsklausel des Art. 108 IV I GG, welche immer nur die Übertragung von Teilbereichen erlaubt. Die vorgestellte umfassende Verlagerung des Steuervollzugs auf den Bund verändert das derzeitige Bild der Verwaltung der Gemeinschaftsteuern so nachhaltig, dass der substantielle Aufgabentransfer im Modell der Bundessteuerverwaltung nicht auf Art. 108 IV 1 GG gestützt werden kann5. Auch die Übertragung der Verwaltung einer Gemeinschaftsteuer auf den Bund ist nicht von dieser Ermächtigungsnorm gedeckt, weil damit der Auftragsverwaltung durch die Länder ein wesentlicher Anwendungsfall entzogen wäre6. Es ist daher einhellige Meinung im Schrifttum, dass diese Ansicht abzulehnen ist. Eine Kompetenzübertragung von den Ländern auf den Bund ist somit ohne eine entsprechende Änderung der Verfassung nicht möglich. 3.2. Allgemeines fachliches Weisungsrecht des Bundes Ein weiterer Ansatz der Kompetenzverschiebung von den Ländern auf den Bund im bestehenden Modell stellt ein allgemeines fachliches Weisungsrecht im Bereich der Bundesauftragsverwaltung , wie sie in Art. 108 II GG vorgesehen ist, dar. Eine solche Lösung wird in der Kienbaum Studie als Bund-Länder-Modell bezeichnet. Notwendiges Kernelement sind Weisungsrechte des Bundes ohne Zustimmungserfordernisse der Länder. Hierbei ist allerdings umstritten, ob ein solches Weisungsrecht nur die Befugnis des Bundes zum Erlass einer auf den konkreten Einzelfall bezogenen Weisung gegenüber einem bestimmten Land oder auch den Erlass allgemeiner fachlicher Weisungen zulässt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen jüngsten Urteilen deutlich gemacht, dass der Bund im Bereich der Auftragsverwaltung sehr weit reichende Eingriffsbefugnisse hat7. Das Kienbaum Gutachten und auch die hierzu durchgeführten Anhörungen haben allerdings darauf hingewiesen, dass es problematisch sei, das allgemeine Weisungsrecht des Bundes in § 21a FVG lediglich einfachgesetzlich zu statuieren8. Demnach ist in Art. 108 VII GG ebenso wie in Art. 85 II GG geregelt, dass der Bund Verwaltungsvorschriften nur mit Zustim- 3 Maunz/Dürig, GG 2010, Rn. 10. 4 JuS 2007, 125. 5 Kienbaum Studie, 2006, S. 152. 6 Schlette in v. Mangolt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 2005, Art. 108 Rn. 89. 7 BVerfGE 104, 249 ff. 8 Gutachten des Präsidenten des Bundesrechnungshofs Engels vom 27.09.2007, Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen von Bund und Ländern, S. 73. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 173/14 Seite 6 mung des Bundesrats erlassen darf. Daneben kann er nach Art. 85 III GG Einzelweisungen erteilen . Wenn § 21a FVG nun die Möglichkeit zu allgemeinen Weisungen ohne Zustimmung des Bundesrates eröffnet, setzt dies voraus, dass es zwischen Einzelweisung und Verwaltungsvorschriften eine dritte Kategorie von allgemeinen Weisungen gibt. Als abstrakte Weisungen für eine Vielzahl von Fällen lassen sich diese aber kaum von Verwaltungsvorschriften unterscheiden9. Deshalb spricht vieles dafür, dass eine Verfassungsänderung notwendig ist, um ein klares Recht des Bundes zu allgemeinen Weisungen zu verankern. 4. Fazit Die Einführung einer Bundessteuerverwaltung - auch für eine Auswahl von Ländern - verlangt zwingend eine Änderung der Verfassung. Sofern sich eine solche nicht umsetzen lässt, bestehen keine verfassungsrechtlich unbedenklichen Alternativen und Umgehungsmöglichkeiten. 9 Gutachten des Präsidenten des Bundesrechnungshofs Engels vom 27.09.2007, Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen von Bund und Ländern, S. 74.