© 2018 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 172/18 Besteuerung von Übernachtungs- und Nebenleistungen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 172/18 Seite 2 Besteuerung von Übernachtungs- und Nebenleistungen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 172/18 Abschluss der Arbeit: 15. November 2018 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 172/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Dokumentation 4 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 172/18 Seite 4 1. Fragestellung Gegenstand der Fragestellung sind die möglichen Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 18. Januar 2018 (Rs. C-463/16 – Stadion Amsterdam) für die Umsatzbesteuerung von Übernachtungs- und Nebenleistungen im deutschen Hotelgewerbe. Entscheidend ist dabei die Frage, ob das im deutschen Umsatzsteuergesetz verankerte Aufteilungsgebot (§ 12 Absatz 2 Nummer 11 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes) mit europäischem Recht vereinbar bleiben wird. 2. Dokumentation Der Fragestellung wird im Rahmen der nachfolgenden Dokumentation nachgegangen. Ein einheitliches Meinungsbild, ob nach dem Urteil das deutsche Aufteilungsgebot aufzugeben ist und im Hotelgewerbe der ermäßigte Steuersatz auch für alle mit der Übernachtung verbundenen Nebenleistungen gelte, ist danach nicht zu erkennen: • BT-Drs. 19/2334 vom 25.05.2018, S. 3 http://dserver.bundestag.btg/btd/19/023/1902334.pdf (abgerufen am 7. November 2018). • BT-Drs. 19/2419 vom 01.06.2018, S. 5 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/024/1902419.pdf (abgerufen am 7. November 2018). Schriftliche Fragen des Abgeordneten Fabio de Masi (DIE LINKE.) zu den Konsequenzen aus dem o.g. Urteil für die unterschiedliche Besteuerung von Hotelübernachtung und Frühstück im Hotel bzw. des Abgeordneten Dr. Danyal Bayaz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), ob es durch das Urteil Klarstellungsbedarf im nationalen Umsatzsteuerrecht gibt. In den beiden gleichlautenden Antworten der Parlamentarischen Staatssekretärin Christine Lambrecht vom 23. Mai 2018 wird ausgeführt , dass die Bundesregierung derzeit keine Folgewirkungen für das nationale Umsatzsteuerrecht sieht. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass der Bundesfinanzhof im Jahre 2013 das gesetzliche Aufteilungsgebot als mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vereinbar angesehen hat. • o.V.: „Vorerst kein Einfluss auf deutsches Recht“, unter: https://www.dehogabw.de/informieren/dehoga-nachrichten/2018/urteil-stadion-amsterdam .html (abgerufen am 7. November 2018). Im Artikel ist ein vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten erwähnt, welches das im deutschen Umsatzsteuerrecht verankerte Aufteilungsgebot für vereinbar mit dem europäischem Recht hält. Die deutsche Regelung für die Besteuerung auf Übernachtungen und Nebenleistungen wie Frühstück oder Parkplatz sei von dem EuGH-Urteil nicht betroffen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 172/18 Seite 5 • Furkert, Sonja: „EuGH-Urteil Stadion Amsterdam - Wird es erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Hotellerie geben?“, unter: https://www.the-property-post.de/gastbeitraege/fachaufsaetze/eugh-urteil-stadion-amsterdam (abgerufen am 7. November 2018). Nach Ansicht der Autorin ergeben sich durch das o.g. Urteil keine unmittelbaren Auswirkungen auf das deutsche Umsatzsteuerrecht. Es bleibe allerdings abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber und die deutschen Gerichte auf das Urteil reagieren. • Grambeck, Hans-Martin: „Einheitlicher Steuersatz für einheitliche Leistungen. Der EuGH und ein „Problem anderer Natur““, in: nwb Datenbank Nr. 21 vom 22.05.2018. Der Autor sieht weder für das Beherbergungsgewerbe noch für die Finanzverwaltung einen Handlungs- oder Gestaltungsspielraum in Anbetracht der aktuellen gesetzlichen Lage mit ihrem umsatzsteuerlichen Aufteilungsgebot. Das Festhalten an Letzterem hält er aus verschiedenen Gründen für wahrscheinlich. Ein Gang zum Finanzgericht scheint ihm mit erheblichen Risiken behaftet, da der Gesetzgeber bei einer gerichtlichen Verwerfung des Aufteilungsgebots mit einer Streichung des § 12 Absatz 2 Nr. 11 UStG reagieren könnte. Dies hätte zur Folge, dass auch für die Übernachtungsleistung wieder der Regelsteuersatz gälte. • o.V.: „EuGH: Keine unterschiedlichen Steuersätze bei einheitlicher Leistung“, unter: https://www.kmlz.de/de/Newsletter_04_2018 (abgerufen am 7. November 2018). Die Rechtsanwaltsgesellschaft vertritt die Ansicht, dass die im nationalen Umsatzsteuerrecht normierten Aufteilungsgebote gegen das Unionsrecht verstoßen und der nationale Gesetzgeber nun gefordert sei, diese Aufteilungsgebote anzupassen. Außerdem könnten sich betroffene Unternehmen auf die Entscheidung des EuGH berufen und eventuell die zukünftige umsatzsteuerliche Behandlung noch vor einer Gesetzesänderung an die Entscheidung anpassen. • Prätzler, Robert: „Keine unterschiedliche Besteuerung von Haupt- und Nebenleistung („Stadion Amsterdam“)“, in: jurisPR-SteuerR 6/2018 Anm. 1. Der Autor empfiehlt betroffenen Unternehmen ebenfalls, sorgfältig zu prüfen, ob sie sich nicht auf die Grundsätze der aktuellen Entscheidung berufen. Berichtigungen für die Vergangenheit seien zwar regelmäßig stark erschwert bis unmöglich, jedoch für die Zukunft böte sich die Überlegung an, die Fakturierung zeitnah umzustellen und im Zweifel ein finanzgerichtliches Verfahren zur Klärung anzustreben. Unternehmerischen Leistungsempfängern drohe allerdings bei Leistungskomponenten , die zu Unrecht dem Regelsteuersatz unterworfen wurden, der Verlust des Vorsteuerabzugsrechts. Für die Vergangenheit sollte jedoch ein Vertrauenstatbestand nach § 176 Abgabenordnung bestehen. Eine zeitnahe Reaktion des Bundesfinanzministeriums und des Gesetzgebers sei insbesondere für den Komplex der Hotelleistungen äußerst wünschenswert. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 172/18 Seite 6 • Solter, Andreas: „Neu - EuGH Urteil vom 18. Januar 2018 (C-463/16, Stadion Amsterdam CV) zum Mehrwertsteuersatz für „einheitliche Leistung““, unter: https://baumgartnerpartner.com/de/neu-eugh-urteil-vom-18-januar-2018-c-46316-stadionamsterdam -cv-zum-mehrwertsteuersatz-fuer-einheitliche-leistung/ (abgerufen am 7. November 2018). Auch dieser Autor sieht eine Widersprüchlichkeit der deutschen Gesetzgebung zur Rechtsprechung des EuGH und erwartet eine Reaktion des Gesetzgebers und der Finanzverwaltung. • o.V.: „EuGH: Unterliegen künftig auch Nebenleistungen im Hotelgewerbe dem ermäßigten Steuersatz?“, unter: https://www.deloitte-tax-news.de/steuern/indirekte-steuern-zoll/eugh-unterliegen-kuenftig -auch-nebenleistungen-im-hotelgewerbe-dem-ermaessigten-steuersatz.html (abgerufen am 7. November 2018). Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft stellt die Frage, ob die gesetzliche Anordnung des Aufteilungsgebots tatsächlich unionsrechtskonform ist und gegebenenfalls das vorliegende Urteil dazu führen könnte, dass im Hotelgewerbe der ermäßigte Steuersatz auch für alle mit der Übernachtung verbundenen Nebenleistungen gilt. • Greive, Martin, Votsmeier, Volker: „Die Mövenpick-Steuer wackelt“, unter: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/eugh-urteil-die-moevenpick-steuerwackelt /22581284.html?ticket=ST-130803-V0qQcoMKxL2ahj4mp1Hn-ap4 (abgerufen am 6. November 2018). Die Autoren erwähnen die Hoffnung in der Branche, den niedrigeren Mehrwertsteuersatz auf Übernachtungsumsätze nun auf alle Leistungen ausdehnen zu können. An einem Finanzgericht sei bereits eine Klage eines Hoteliers aus NRW anhängig, dessen Urteil weitreichende Folgen haben könne. Die Regierung sei allerdings erst zum Handeln verpflichtet, wenn eine Klage eines Hoteliers vor dem EuGH erfolgreich gewesen sei. Dies könne sich jedoch noch Jahre hinziehen. • Huschens, Ferdinand: „Keine unterschiedlichen Steuersätze bei einheitlicher Leistung“, unter: https://www.haufe.de/steuern/rechtsprechung/keine-unterschiedlichen-steuersaetze -bei-einheitlicher-leistung_166_440976.html#! (abgerufen am 7. November 2018). Der Autor hält das umsatzsteuerliche Aufteilungsgebot nur dann für haltbar, wenn die angesprochenen Nebenleistungen als Hauptleistungen neben einer anderen Hauptleistung erbracht werden . Dies könne seiner Ansicht nach für die Abgabe eines Frühstücks im Zusammenhang mit einer Beherbergungsleistung durchaus zutreffend sein. • Nieskens, Hans: „Die Nebenleistung teilt das Schicksal der Hauptleistung – Immer? Zugleich Besprechung des EuGH-Urteils Stadion Amsterdam CV - C-463/16, UR 2018, 200“, Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 172/18 Seite 7 in: UmsatzsteuerRundschau. - 2018, 5. - S. 181 – 186 und unter: https://www.degruyter.com/downloadpdf/j/ur.2018.67.issue-5/ur-2018-670502/ur-2018- 670502.pdf (abgerufen am 5. November 2018). Nach Ansicht des Autors zwingt die Aussage des EuGH zur unabdingbaren Rechtsfolge im Falle von Haupt- und Nebenleistung dazu, die gesamte einheitliche Leistung – bestehend aus Übernachtung und Frühstück – insgesamt dem ermäßigten Steuersatz der Hauptleistung „Übernachtung “ zu unterwerfen. Hintergrund sei die Tatsache, dass die mit dem Frühstück verbundene Dienstleistung nur eine unselbständige Nebenleistung zur Vermietung darstelle, wie etliche Verfahren vor dem BFH bereits ergeben haben. Allerdings plädiert der Autor für eine Nichtanwendbarkeit dieser EuGH-Entscheidung über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus, da die Aussagen des EuGH mit der Systematik der Umsatzsteuer nicht vereinbar seien. ***