© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 166/19 Einzelfragen zur Grundsteuer C Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 166/19 Seite 2 Einzelfragen zur Grundsteuer C Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 166/19 Abschluss der Arbeit: 16. Januar 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 166/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Handelt es sich bei der Grundsteuer C um steuer- und verfassungsrechtlich neue Steuer oder um eine „neuartige Hebesatzmöglichkeit für Gemeinden“? 4 3. Wenn die Grundsteuer C keine neue Steuer ist, unter welchen Bedingungen wäre eine Einführung vor 2025 möglich? 4 3.1. Aktuelle Debatte 4 3.2. Vergleich Grundsteuer C und W 4 3.3. Ergebnis Vermittlungsausschuss 5 3.4. Fragestellung im Lichte des Grundsteuer-Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) 5 3.5. Fazit 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 166/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber bittet um Beantwortung von Einzelfragen zur Einführung der Grundsteuer C. 2. Handelt es sich bei der Grundsteuer C um steuer- und verfassungsrechtlich neue Steuer oder um eine „neuartige Hebesatzmöglichkeit für Gemeinden“? Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung haben die Gemeinden für Kalenderjahre ab 2025 die Möglichkeit erhalten , aus städtebaulichen Gründen baureife Grundstücke als besondere Grundstücksgruppe innerhalb der unbebauten Grundstücke im Sinne des § 246 des Bewertungsgesetzes zu bestimmen und hierfür einen gesonderten Hebesatz festzusetzen. Mit der Einführung von § 25 Abs. 5 Grundsteuergesetz (GrStG) fußt die sogenannte „Grundsteuer C“ auf dem bestehenden Grundsteuergesetz und ist folglich nur „eine zusätzliche Form der Grundsteuer“.1 Sie stellte somit verfassungsrechtlich als auch steuerrechtlich keine neue Steuer dar2, sondern ermöglicht den Kommunen eine zusätzlich ausgestaltete Nutzungsmöglichkeit ihres Hebesatzrechtes. 3. Wenn die Grundsteuer C keine neue Steuer ist, unter welchen Bedingungen wäre eine Einführung vor 2025 möglich? 3.1. Aktuelle Debatte Mit dem Gesetzentwurf zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht vom 22.10.20193 sollte mit Artikel 5 und 6 eine Änderung des Grundsteuergesetzes vorgenommen und eine sogenannte „Grundsteuer W“ eingeführt werden. Mit Artikel 5 sollte in § 25 GrStG die rechtliche Grundlage geschaffen werden, damit in Gebieten mit Windkraftanlage gesonderte Hebesätze für diese besondere Grundstücksgruppe hätten festgesetzt werden können.4 Durch Artikel 6 des Gesetzentwurfs sollte ein Vorziehen der Einführung der Grundsteuer C („Änderung des Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung) ermöglicht werden. 3.2. Vergleich Grundsteuer C und W Vor dem Hintergrund der Fragestellung des Auftraggebers kann bei einem vergleichenden Blick auf die Regelungen zur Grundsteuer C und W konstatiert werden, dass es sich jeweils um zusätzlich eingeführte Hebesatzmöglichkeiten für die Gemeinden handelt, die mit Änderungen an § 25 GrStG einhergehen. Folglich stellen die Grundsteuer C und W zusätzliche Formen der Grundsteuer dar. 1 Beck: Reform der Grundsteuer, DS 2019, S. 53. 2 BT-Drs. 19/15931, S. 28. 3 BT-Drs. 19/14338. 4 BT-Drs. 19/14338, S. 29. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 166/19 Seite 5 3.3. Ergebnis Vermittlungsausschuss Der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat einigte sich am 18. Dezember 2019. Demnach wurden Artikel 5 und 6 des Gesetzentwurfes aufgehoben.5 Eine Begründung ist der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nicht zu entnehmen. 3.4. Fragestellung im Lichte des Grundsteuer-Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) Das BVerfG hat in seinem Urteil zur Grundsteuer vom 10. April 2018 keine Aussagen über eine Grundsteuer C und W getroffen. Das Urteil muss jedoch auch im Lichte der Fortgeltung der als verfassungswidrig beanstandeten Regelungen betrachtet werden. Diesbezüglich sind folgende Aussagen des BVerfG einschlägig: „Die Fortgeltung der für verfassungswidrig befundenen Normen zur Einheitsbewertung betrifft zunächst ausgehend vom Zeitpunkt der Verkündung dieses Urteils die in der Vergangenheit festgestellten Einheitswerte und die darauf beruhende Erhebung der Grundsteuer. (…) Die Hinnahme des Vollzugs von Einheitswertbescheiden, die auf der Grundlage für verfassungswidrig befundener Bewertungsregeln ergangen sind, ist auf der anderen Seite den Betroffenen auch deshalb zumutbar , weil die Belastung mit einer Grundsteuer dem Grunde nach durch die Verfassung legitimiert , „schon immer“ vorgesehen und deshalb von den Grundbesitzern auch zu erwarten war und ist.“6 Fraglich ist, ob eine Änderung des Hebesatzrechtes, die Voraussetzung für die Einführung einer Grundsteuer C und W wäre, unter die Fortgeltungsdauer der als verfassungswidrig eingestuften Regelung fällt oder nicht. Bei einer engen Auslegung kann angeführt werden, dass es sich bei den Änderungen des GrStG um eine strukturelle Veränderung handelt, die folglich nicht unter die Fortgeltungsdauer fallen würde, da diese sich lediglich auf den bestehenden Rechtsstand bezieht. Die Gemeinden würden somit gezwungen erhöhte Hebesätze auf verfassungswidrige Einheitswerte anzuwenden. Mit Blick auf das Urteil könnte ebenfalls angeführt werden, dass für die Grundbesitzer eine Grundsteuer zu erwarten war und ist, diese jedoch nur auf die bestehende Rechtslage bezogen werden kann. Für die Grundbesitzer war eine Grundsteuer C und W nicht zu erwarten. Bei einer weiten Auslegung könnte argumentiert werden, dass sich die Verfassungswidrigkeit auf die Einheitswerte in Bezug auf das Bewertungsgesetz (BewG) und darauf aufbauend auf den derzeit geltenden Rechtsstand der GrStG bezieht. Die Einführung weiterer Hebesatzmöglichkeiten für die Gemeinden stellt gerade keine Veränderung des Berechnungsverfahrens dar, sondern wird auf die unter die Fortgeltungsdauer fallende Berechnungsweise angewendet. Mit Blick auf das Argument der engen Auslegung in Bezug auf zu erwartende Grundsteuerhebesätze könnte entgegengehalten werden, dass in dieser Logik jede Hebesatzveränderung der Grundsteuer A und B durch Rechtsverordnungen der Gemeinden ebenfalls nicht durch die Fortgeltungsdauer gedeckt 5 BT-Drs. 19/16060, S. 2. 6 BVerfG, Urteil vom 10. April 2018, BvL 11/14, Rn. 171. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 166/19 Seite 6 sein könnten. Dies steht den Gemeinden weiterhin zu. Folglich müssten auch andere Hebesatzänderungen möglich sein. 3.5. Fazit Die Erörterung konnte aufzeigen, dass eine einheitliche Bewertung der vom Fragesteller aufgeworfenen Problematik nicht ersichtlich ist. Somit wäre die Einführung einer Grundsteuer C vor dem 01.01.2025 mit verfassungsrechtlichen Risiken behaftet. Eine abschließende verfassungsrechtliche Beurteilung kann nur durch das Bundesverfassungsgericht erfolgen. ***