© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 – 164/19 Voraussetzungen der Befreiung von der Kaffeesteuer für „fair gehandelten“ Kaffee Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Frage 2: Stellt eine Steuerbefreiung für fairen Kaffee eine Diskriminierung anderer Kaffeeproduzenten dar, die nicht fair gehandelten Kaffee vertreiben? 14 4. Frage 3: Müsste eine solche Steuerbefreiung für fair gehandelten Kaffee wegen des rechtlichen Gleichheitsgrundsatzes dann auch für alle anderen fair gehandelten Produkte gelten? 14 5. Frage 4: Müsste eine solche Steuerbefreiung auch für in Deutschland/Europa fair produzierte Produkte gelten? 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 164/19 Seite 4 1. Fragestellungen Der Auftrag betrifft den der Tagespresse entnommenen Vorschlag von Bundesminister Dr. Müller (BMZ), die Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee abzuschaffen1. Die Fragestellungen lauten im Einzelnen: - Ist der Vorschlag, die Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee abzuschaffen, mit deutschem und europäischem Steuerrecht vereinbar? - Stellt eine Steuerbefreiung für fairen Kaffee eine Diskriminierung anderer Kaffeeproduzenten dar, die nicht fair gehandelten Kaffee vertreiben? - Müsste eine solche Steuerbefreiung für fair gehandelten Kaffee wegen des rechtlichen Gleichheitsgrundsatzes dann auch für alle anderen fair gehandelten Produkte gelten? - Müsste eine solche Steuerbefreiung auch für in Deutschland/Europa fair produzierte Produkte gelten? Da ein Gesetzesentwurf bislang nicht vorliegt, wird im Folgenden auf die rechtlichen Rahmenbedingungen eingegangen, die für eine Steuerbefreiung für fair gehandelten Kaffee eingreifen. 2. Frage 1: Ist der Vorschlag, die Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee abzuschaffen, mit deutschem und europäischem Steuerrecht vereinbar? 2.1. Vereinbarkeit mit europäischem (Steuer)recht Die besonderen Verbrauchsteuern auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom, Tabak und alkoholhaltige Getränke sind innerhalb der EU durch sekundäres Gemeinschaftsrecht weitgehend harmonisiert worden2. Grundlegende Regelung ist die Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem (Systemrichtlinie)3. Die Richtlinie 2008/118/EG enthält die Grundlagen des innergemeinschaftlichen Verbrauchsteuersystems und trat an die Stelle der Richtlinie 92/12/EWG des Rates über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren vom 25. Februar 19924. 1 https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-12/entwicklungsminister-gerd-mueller-abschaffung-steuer-nachhaltiger -kaffee 2 Seiler, in Grabitz, Hilf, Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL. 2019, Art. 113 AEUV, Rn. 43ff; Englisch, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Auflage, § 16, Rn. 2. 3 Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG. 4 Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren; Seiler, in Grabitz, Hilf, Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL. 2019, Art. 113 AEUV, Rn. 43ff; Gröpl, in Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts , 48. EL, Juli 2019, Steuerrecht, Rn. 580. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 164/19 Seite 5 Der deutsche Gesetzgeber hat diese EU-Vorgaben durch das Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz vom 21. Dezember 1992 mit Wirkung vom 1. Januar 1993 in nationales Recht umgesetzt5. Die Systemrichtlinie 2008/118/EG wurde zuletzt durch das Vierte Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 15. Juli 2009 in nationales Recht umgesetzt6. Da die Richtlinie 2008/118/EG die besonderen Verbrauchsteuern allerdings nicht abschließend regelt, behalten die EU-Mitgliedstaaten das Recht, weitere Verbrauchsteuern zu erheben7. So dürfen die EU-Mitgliedstaaten außerhalb der der Harmonisierung in der EU unterliegenden Verbrauchsteuern , nach Art. 1 Abs. 3 a) Richtlinie 2008/118/EG Verbrauchsteuern auch auf andere Waren erheben8. Voraussetzung für die Erhebung solcher nationalen Verbrauchsteuern ist nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2008/118/EG allerdings, dass die Erhebung im grenzüberschreitenden Handelsverkehr zwischen EU-Mitgliedstaaten keine mit dem Grenzübertritt verbundenen Formalitäten nach sich zieht9. Untersagt sind insbesondere Grenzkontrollmaßnahmen, da diese gerade durch die Harmonisierung abgeschafft wurden, um einen freien Warenverkehr zu schaffen. Diesem Harmonisierungseffekt dürfen nicht harmonisierte Verbrauchsteuern nicht entgegenstehen10. Auf Grundlage der Ausnahmeregelungen des Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2008/118/EG werden in Deutschland drei rein national radizierte und nicht harmonisierte Verbrauchsteuern begründet, nämlich die Kaffeesteuer (geregelt im Kaffeesteuergesetz11), die Alkopopsteuer (geregelt im Alkopopsteuergesetz 12) und die (nichtige) Kernbrennstoffsteuer (geregelt im Kernbrennstoffsteuergesetz 13)14. 5 Gesetz zur Anpassung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen an das Gemeinschaftsrecht sowie zur Änderung anderer Gesetze (Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz) vom 21. Dezember 1992, BGBl I, 2150. 6 Viertes Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 15. Juli 2009, BGBl. I, 1870. 7 Seiler, in Grabitz, Hilf, Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL. 2019, Art. 113 AEUV, Rn. 43. 8 Gröpl, in Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 48. EL, Juli 2019, Steuerrecht, Rn. 592. 9 Gröpl, in Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 48. EL, Juli 2019, Steuerrecht, Rn. 592; Bongartz, Schröer-Schallenberg: Die Stromsteuer – Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht und nationales Verfassungsrecht ?, DStR 1999, 966. 10 Bongartz, Schröer-Schallenberg: Die Stromsteuer – Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht und nationales Verfassungsrecht ?, DStR 1999, 966. 11 Kaffeesteuergesetz vom 15. Juli 2009, BGBl. I S. 1870, 1919. 12 Gesetz über die Erhebung einer Sondersteuer auf alkoholhaltige Süßgetränke (Alkopops) zum Schutz junger Menschen vom 23, Juli 2004, BGBl. I, S. 1857. 13 Kernbrennstoffsteuergesetz vom 8. Dezember 2010, BGBl. I, S. 1804. 14 Gröpl, in Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 48. EL, Juli 2019, Steuerrecht, Rn. 592, 631. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 164/19 Seite 6 Da bereits die Einführung bzw. Beibehaltung der Kaffeesteuer - trotz der Harmonisierung der meisten anderen besonderen Verbrauchsteuern - nach den genannten Vorgaben der EU-Richtlinie im rein nationalen Kontext zulässig ist, wäre (erst recht) die (teilweise) Abschaffung der Kaffeesteuer nach der Systemrichtlinie 2008/118/EG grundsätzlich zulässig. Zu beachten wäre aber, dass sich aus der teilweisen Befreiung von der Kaffeesteuer für fair gehandelten Kaffee im grenzüberschreitenden Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit dem Grenzübertritt verbundene Formalitäten ergeben, die einer solchen teilweisen Besteuerung nach Art. 1 Abs. 3 Richtlinie 2008/118/EG entgegenstehen könnten. Die teilweise Befreiung von der Kaffeesteuer für fair gehandelte Produkte dürfte auch nicht gegen sonstige Prinzipien des EU-Binnenmarktes, insbesondere das Verbot der Erhebung zollgleicher Abgaben , das Verbot der Erhebung diskriminierender Abgaben oder das Verbot der Beihilfegewährung verstoßen. Eine zollgleiche Wirkung läge dann vor, wenn Waren wegen des Überschreitens der Grenze einseitig eine finanzielle Belastung auferlegt würde (Art. 30 AEUV)15. Es dürfte auch kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 110 AEUV vorliegen, das für die nicht von der Harmonisierung erfassten Verbrauchsteuern zu beachten ist16. Danach dürfen die Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art erheben, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben. Ein solcher Verstoß wäre bei einer höheren Belastung einer in das Steuergebiet (Deutschland) verbrachten Ware gegenüber einer im Steuergebiet produzierten Ware zu bejahen17. Bei einer Differenzierung in der steuerlichen Belastung für fair gehandelten und herkömmlich gehandelten Kaffee würde dieses Kriterium indes bei der Besteuerung der nach Deutschland verbrachten wie auch der inländischen Ware gleichermaßen Anwendung finden und läge daher kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 110 AEUV vor. Die Steuerbefreiung für fair gehandelten Kaffee müsste auch mit dem europäischen Beihilfenrecht vereinbar sein, da der Beihilfebegriff der Art. 107ff. AEUV Steuerbefreiungen umfasst18. Vorliegend handelt es sich jedoch um eine Steuer, die von Verbrauchern und nicht von Unternehmen aufzubringen ist. Daher liegt jedenfalls keine unmittelbare Beihilfe zugunsten von Unternehmen vor. Da durch die Steuersenkung allerdings die Nachfrage nach fair gehandeltem Kaffee steigen könnte, ist nicht ausgeschlossen, dass bestimmte Unternehmen hierdurch „mittelbar“ begünstigt werden. Der 15 Waldhoff, in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 30 AEUV, Rn. 7. 16 Bongartz, Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 3. Auflage 2018, S. 34ff. 17 Vgl. Bongartz, Schröer-Schallenberg: Die Stromsteuer – Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht und nationales Verfassungsrecht ?, DStR 1999, 964. 18 Bongartz, Schröer-Schallenberg: Die Stromsteuer – Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht und nationales Verfassungsrecht ?, DStR 1999, 965. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 164/19 Seite 7 Beihilfebegriff der Art. 107ff. AEUV erfasst auch derartige mittelbare Vorteile19. Wann solche jedoch von beihilfeirrelevanten sekundären wirtschaftlichen Auswirkungen zu unterscheiden sind, lässt sich mit Blick auf die nur wenigen unionsgerichtlichen Urteile zu dieser Problematik nicht eindeutig beantworten.20 Nach Kommissionauffassung sind die „vorhersehbare Wirkung der Maßnahme ex ante [zu betrachten]. Ein mittelbarer Vorteil liegt vor, wenn die Maßnahme so ausgestaltet ist, dass ihre sekundären Auswirkungen bestimmbaren Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen zugeleitet werden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die unmittelbare Beihilfe de facto oder de jure davon abhängig gemacht wird, dass nur von bestimmten Unternehmen (zum Beispiel Unternehmen, die in einem bestimmten Gebiet niedergelassen sind) hergestellte Waren oder Dienstleistungen erworben werden.“21 Ob dies vorliegend der Fall ist, lässt sich mangels Kenntnis zu den am fairen Handel beteiligten und möglicherweise begünstigten Unternehmen, ihren Vertriebskanälen sowie den sonstigen Rahmenbedingungen dieses Vertriebsansatzes nicht beantworten . Sollte von einem mittelbaren Vorteil auszugehen sein, wäre zu prüfen, ob die übrigen Merkmale des Beihilfetatbestandes vorliegen, insbesondere, ob die in der Steuerbefreiung liegende Begünstigung den Wettbewerb verfälscht und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt . Handelt es sich bei den möglichweise begünstigten Unternehmen um solche aus Drittstaaten, die in keiner Konkurrenz zu in der Union ansässigen Unternehmen stehen, so könnte dies fraglich sein. Dessen ungeachtet wäre bei Vorliegen aller Beihilfemerkmale noch zu untersuchen, ob die Maßnahme nicht am Maßstab insbesondere des Art. 107 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt werden könnte. Vorbehaltlich beihilferechtlicher Aspekte, die vorliegend nicht näher beurteilt werden können, dürfte die teilweise Abschaffung der Kaffeesteuer in Deutschland für fair gehandelte Produkte mit dem EU-Recht vereinbar sein. 2.2. Vereinbarkeit mit nationalem Recht Im Übrigen beurteilt sich die Vereinbarkeit der Befreiung für fair gehandelten Kaffee von der rein national radizierten, bundesgesetzlich geregelten Kaffeesteuer anhand des nationalen Rechts, insbesondere den verfassungsrechtlichen Garantien einer gleichmäßigen Besteuerung. Formelle Verfassungsmäßigkeit Mit Blick auf die formelle Verfassungsmäßigkeit hat der Bund gemäß Art. 105 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG die Steuergesetzgebungskompetenz für die Verbrauchsteuern, darunter die Kaffeesteuer. Dies schließt auch die Regelungsbefugnis für Steuerbefreiungen mit ein. Sofern mit der Steuerbefreiung für fair gehandelten Kaffee eine Lenkungswirkung verfolgt wird, ist auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verweisen, wonach lenkende Steuern 19 Siehe hierzu etwa die Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl.EU 2016 Nr. C 262/1 (im Folgenden: Beihilfemitteilung), Rn. 116 f. 20 Siehe zur bisherigen Rechtsprechung die in der Beihilfemitteilung (Fn. 19), Rn. 116 f. zitierten Urteile. 21 Beihilfemitteilung (Fn. 19), Rn. 117. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 164/19 Seite 8 grundsätzlich auf die Kompetenzen in Art. 105 GG zu stützen sind22. Eine Grenze besteht allerdings insoweit, als dass sich Lenkungsnorm und Sachnorm nach Art. 73ff. GG nicht widersprechen dürfen23. Im Übrigen liegt auch die Ertragskompetenz für die Kaffeesteuer als besonderer Verbrauchsteuer beim Bund24. Befreiungstatbestände nach dem KaffeeStG Das KaffeeStG sieht in § 20 KaffeeStG bestimmte Steuerbefreiungstatbestände vor. U.a. ist Kaffee von der Steuer befreit, wenn er von Rohkaffeehändlern probeweise hergestellt wird, um Qualität und Eigenschaften von Rohkaffee festzustellen oder zu überprüfen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 KaffeeStG) oder in Privathaushalten zum Eigenverbrauch hergestellt wird (§ 20 Abs. 1 Nr. 5 KaffeeStG). Für die mögliche Befreiung von fair gehandeltem Kaffee von der Kaffeesteuer greift indes keiner der bestehenden Steuerbefreiungstatbestände ein. Materielle Verfassungsmäßigkeit Mit Blick auf die materielle Verfassungsmäßigkeit ist eine teilweise Steuerbefreiung für fair gehandelten Kaffee am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz gilt für ungleiche Belastungen wie für ungleiche Begünstigungen. Dabei steht dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich ein weitreichender Entscheidungs- bzw. Gestaltungsspielraum bei der Auswahl des Steuergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes zu25. Für das Verbrauchsteuerrecht mit seinen unterschiedlichen Belastungsgütern besteht demnach eine weitgehende Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der steuerlichen Entscheidung über Steuerobjekt und Steuertarif26. Diese primäre Belastungsentscheidung des Gesetzgebers überprüft das Bundesverfassungsgericht lediglich auf offensichtliche Willkür und Sachwidrigkeit27. Dies gilt mit Blick auf die Auswahl der verbrauchsteuerpflichtigen Waren für harmonisierte und nichtharmonisierte Verbrauchsteuern, die kein System erkennen lässt28. So 22 Kirchhof, Verbrauchsteuern im Lichte des Verfassungsrechts, BB 2015, S. 280. 23 Kirchhof, Verbrauchsteuern im Lichte des Verfassungsrechts, BB 2015, S. 280. 24 Faber, in Beck´sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Ed. 49, 2019, Kaffeesteuer, Rn. 2. 25 Kirchhof, Verbrauchsteuern im Lichte des Verfassungsrechts, BB 2015, S. 280. 26 Kirchhof, Verbrauchsteuern im Lichte des Verfassungsrechts, BB 2015, S. 280; Englisch, in Tipke/Lang, Steuerrecht , 19. Auflage, § 16, Rn. 18. 27 Kirchhof, Verbrauchsteuern im Lichte des Verfassungsrechts, BB 2015, S. 280. 28 Bongartz, Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 3. Auflage 2018, S. 34; Englisch, in Tipke/Lang, Steuerrecht , 19. Auflage, § 16, Rn. 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 164/19 Seite 9 etwa bei der gesetzgeberischen Entscheidung, Kaffee steuerlich zu belasten, nicht jedoch andere nicht alkoholische Getränke29. Die auf die grundlegende steuerliche Entscheidung folgende Detaillierung des Steuergesetzes muss indes die einmal getroffene Belastungs- und Tarifierungsentscheidung konsequent - nach dem Gebot der Folgerichtigkeit - umsetzen30. Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstands einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen. Sie bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag31. Steuerbefreiungs- und Vergünstigungstatbestände innerhalb einer Steuer können Ungleichbehandlungen begründen, die als Abweichung von der konsequenten Umsetzung der steuerlichen Grundentscheidung im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG sachlich zu rechtfertigen sind. Bei Betrachtung der beiden Vergleichsgruppen „fair gehandelter Kaffee“ und „herkömmlich gehandelter Kaffee “ würde eine Steuerbefreiung nur für fair gehandelten Kaffee eine Ungleichbehandlung darstellen , die eines sachlichen Grundes bedarf. Mit Blick auf die in einer Steuerbefreiung bestimmte Begünstigung führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass dem Gesetzgeber - wenn er ein bestimmtes Verhalten der Bürger fördern will, das ihm aus wirtschafts-, sozial-, umwelt- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist - eine große Gestaltungsfreiheit zusteht32. In der Entscheidung darüber, welche Personen oder Unternehmen durch finanzielle Zuwendung des Staates gefördert werden sollen, sei der Gesetzgeber weitgehend frei33. Der Gesetzgeber bleibe aber an den Gleichheitssatz gebunden. Sachbezogene Gesichtspunkte stünden ihm in weitem Umfang zu Gebote, solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist34. Der Staat darf steuerliche Vergünstigungen also nicht nach unsachlichen Kriterien gewähren , sondern muss sachbezogene Differenzierungsgesichtspunkte heranziehen bzw. muss die Differenzierung von einem Sachgrund getragen sein35. 29 Bongartz, Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 3. Auflage 2018, S. 35. 30 Kirchhof, Verbrauchsteuern im Lichte des Verfassungsrechts, BB 2015, S. 281; BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350ff. 31 Kirchhof, Verbrauchsteuern im Lichte des Verfassungsrechts, BB 2015, S. 280; vgl. BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350ff. 32 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350ff.; BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00; BVerfG, Beschluss vom 25. Juli 2007 - 1 BvR 1031/07. 33 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350ff.; BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00; BVerfG, Beschluss vom 25. Juli 2007 – 1 BvR 1031/07. 34 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350ff.; BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00; BVerfG, Beschluss vom 25. Juli 2007 - 1 BvR 1031/07. 35 BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 164/19 Seite 10 Mit Blick auf die in § 9 Abs. 3 StromStG36 vorgesehenen Steuervergünstigungen für das produzierende Gewerbe hat das Bundesverfassungsgericht z.B. festgestellt, dass das Ziel des Gesetzgebers, mit den stromsteuerlichen Vergünstigungstatbeständen eine Beeinträchtigung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der begünstigten Unternehmen auszuschließen, mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, da das begünstigte produzierende Gewerbe und der nicht begünstigte Dienstleistungssektor nicht im selben Maße im internationalen Wettbewerb stünden. Es bestünden erhebliche Unterschiede zwischen beiden Branchen, die eine steuerlich ungleiche Behandlung sachlich rechtfertigten. Der Gesetzgeber habe insoweit den Kreis der Begünstigten sachgerecht abgegrenzt 37. Bezogen auf eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von „fair gehandeltem“ und „herkömmlich gehandeltem“ Kaffee ist zunächst vorab festzustellen, dass das Kriterium „fair gehandelt “ hinreichend bestimmt und klar definiert sein müsste, um - mit Blick auf Art. 20 Abs. 3 GG - als sachliches Abgrenzungskriterium, an das die steuerliche Befreiung anknüpft, geeignet zu sein. Weiterhin ist festzuhalten, dass bei einer Differenzierung nach „fair gehandeltem“ bzw. „herkömmlich gehandeltem“ Kaffee, es sich um zwei Produktkategorien handelt, die beide unter den Oberbegriff „Kaffee“ fallen und sich in ihren unmittelbaren produktbezogenen Merkmalen nicht unterscheiden. Sie stehen auch auf demselben Markt miteinander im Wettbewerb. Insoweit sind keine solchen produktbezogenen Verschiedenheiten ersichtlich, die eine unterschiedliche steuerliche Behandlung sachlich rechtfertigen könnten. Das Differenzierungskriterium „fair gehandelt“ knüpft vielmehr an die Art der Vergütungs- und Arbeitsbedingungen an, die den Produzenten (Bauern, Arbeitern oder selbständigen Kleinproduzenten in Drittländern) von den Zwischenhändlern, Produktionsunternehmen und Endabnehmern gewährt werden38. Mit einer Steuerbefreiung nur für „fair gehandelten“ Kaffee würde der Gesetzgeber daher eine spezifische außerfiskalische Lenkungswirkung zu Gunsten dieser Produkte verfolgen. Es würde mithin in die als solche nicht lenkungssteuerlich ausgerichtete Kaffeesteuer 39 ein lenkungssteuerlicher Befreiungstatbestand eingefügt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf der Gesetzgeber seine Steuergesetzgebungskompetenz grundsätzlich auch ausüben, um neben der fiskalischen Zielsetzung außerfiskalische Lenkungswirkungen aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen. Er darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern auch durch mittelbare Verhaltensteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Der Gesetzgeber verpflichtet dann den Bürger nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten, gibt ihm aber durch Sonderbelastung eines 36 Art. 1 des Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24. März 1999, BGBl. I, 378. 37 BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00. 38 Vgl. Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg vom 18. November 2014, BR-Drs. 560/14. 39 Tipke, Das Folgerichtigkeitsgebot im Verbrauch- und Verkehrsteuerrecht, in Festschrift für Wolfram Reiß, 2008, S. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 164/19 Seite 11 unerwünschten oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden40. Außerfiskalische Lenkungszwecke können auch eine ungleiche Besteuerung rechtfertigen41. Es wird zudem in Kauf genommen, dass die steuerliche Lenkung das Lenkungsziel nicht in jedem Fall erreicht , insofern nur eine Annäherung an das Ziel erfolgt42. Wenn solche Förderungs- und Lenkungsziele von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen werden, sind sie laut Verfassungsgericht geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche Be- und Entlastungen zu liefern43. Die gesetzgeberischen Lenkungszwecke müssen sich also z.B. aus den Gesetzesmaterialien ergeben44. Außerdem müssen solche Lenkungszwecke in einem Steuergesetz gleichheitsgerecht ausgestaltet sein45. Mit Blick auf steuerliche Verschonungstatbestände, die eine ungleiche Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart begründen, führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Luftverkehrsteuer vom 5. November 2014 im Einzelnen aus, dass eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz [dennoch] gerechtfertigt sein kann, wenn der Gesetzgeber das Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will46. Bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe könne die Entlastung in verfassungsrechtlich zulässiger Weise sogar dazu führen, dass bestimmte Steuergegenstände vollständig von der Besteuerung ausgenommen werden47. Bezogen auf eine Steuerbefreiung nur für fair gehandelten Kaffee, würde es daher darauf ankommen , welche Förderungs- und Lenkungszwecke der Gesetzgeber aus Gründen des Gemeinwohls verfolgt. Das Bundesverfassungsgericht geht in seiner Rechtsprechung von einem grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Verfolgung von außerfiskalischen Förderungsund Lenkungszwecken (aus wirtschafts-, sozial-, umwelt- oder gesellschaftspolitischen Gründen) 40 BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00; BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350ff. 41 Kischel, in BeckOK, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 41. Edition, 2019, Art. 3 GG, Rn. 158. 42 Kischel, in BeckOK, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 41. Edition, 2019, Art. 3 GG, Rn. 160. 43 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350ff.; BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00. 44 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350ff. 45 BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00. 46 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350ff.; vgl. auch BVerfG 117, 1, Beschluss vom 7. November 2006 – 1 BvL 10/02; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2014 – 1 BvR 1656/09. 47 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 164/19 Seite 12 aus48. So verfüge der Gesetzgeber über einen großen Spielraum bei der Einschätzung, welche Ziele er für förderungswürdig hält49. Laut Bundesverfassungsgericht soll der Gesetzgeber aber auch hier - mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG - Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten verteilen dürfen und werde der große Entscheidungsspielraum darüber, welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen er durch eine Verschonung von einer bestimmten Steuer fördern und welche Gemeinwohlziele damit verfolgt werden, je nach Intensität der Ungleichbehandlung einer strengeren Kontrolle der Förderziele - im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung - unterzogen 50. Im Bereich der besonderen, bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern werden bislang verschiedentlich außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke verfolgt, die von umwelt-, wirtschafts - und sozialpolitischen Intentionen getragen werden51. So werden für die Alkopopsteuer gesundheitspolitische Erwägungen angeführt52. In diesem Zusammenhang hat das Finanzgericht Düsseldorf festgestellt, dass es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne, dass mit der Alkopopsteuer auch Lenkungsziele verfolgt würden53. Ebenso wird vertreten, dass mit der Tabaksteuer gesundheitspolitische Lenkungsziele verfolgt werden54. Bei der Besteuerung von Energieerzeugnissen werden umweltpolitische Lenkungsziele geltend gemacht55. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Verfassungsmäßigkeit der sog. Ökosteuer die Verfolgung von ökologischen Lenkungszwecken durch die Stromsteuer ausdrücklich für verfassungsgemäß erklärt56. Die Verfolgung dieser Zwecke sei legitim und halte sich innerhalb der umwelt- und arbeitsmarktpolitischen Entschließungsfreiheit des Gesetzgebers57. In gleicher Weise wird mit Blick auf die im Stromsteuergesetz vorgesehene Steuerbefreiung für Strom aus erneuerbaren Energieträgern ein sachlicher Grund gesehen, der mit dem ökologischen 48 vgl. BVerfG 117, 1, Beschluss vom 7. November 2006 – 1 BvL 10/02; vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2014, 1 BvR 1656/09; Kischel, in BeckOK, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 41. Edition, 2019, Art. 3 GG, Rn. 160. 49 BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12. 50 vgl. BVerfG 117, 1, Beschluss vom 7. November 2006 – 1 BvL 10/02; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2014, 1 BvR 1656/09; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2014 – 1 BvR 1656/09; BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12; Kube, in Beck OK, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 42. Edition, 2019, Art. 105 GG, Rn. 9. 51 Bongartz, Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 3. Auflage 2018, S. 37. 52 Englisch, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Auflage, § 16, Rn. 22; Bongartz, Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht , 3. Auflage 2018, S. 38; BT-Drs. 15/2587, S. 6. 53 FG Düsseldorf, Beschluss vom 28. April 2005 – 4 V 481/05 A (VAP), DStRE, 2005, 1354ff. 54 Englisch, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Auflage, § 16, Rn. 22; Bongartz, Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht , 3. Auflage 2018, S. 38, 425. 55 Englisch, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Auflage, § 16, Rn. 11, 22. 56 BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00. 57 BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 164/19 Seite 13 Lenkungsziel im Einklang steht (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG)58. Mit Blick auf die im seinerzeitigen Mineralölsteuergesetz vorgesehene Steuerbefreiung für Biokraftstoffe (§ 2a MinöStG)59 führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 25. Juli 2007 die vom Gesetzgeber mit der Förderung von Biokraftstoffen verfolgten energie- und umweltpolitischen Ziele, Versorgungssicherheit und Klimaschutz, an60. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass nachfolgend Anpassungen der Steuervergünstigungen für Biokraftstoffe an die Energiesteuer- und beihilferechtlichen Vorgaben der EU erfolgten61. Die im - zwischenzeitlich aufgehobenen § 50 EnergieStG62 - vorgesehenen Steuervergünstigungen für Biokraft- und Bioheizstoffe beruhten zudem auf den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2003/96/EG63 (Steuerbefreiungs- und -ermäßigungsmöglichkeiten für Biokraft- und Bioheizstoffe, Art. 16 Abs. 1 Energiesteuerrichtlinie) im Bereich der harmonisierten Verbrauchsteuern. Das System finanzieller Anreize durch Steuererleichterungen für Biokraftstoffe in Deutschland wurde zwischenzeitlich fast vollständig aufgehoben und durch eine direkte Verhaltensteuerung durch Quotenpflichten ersetzt64. Bezogen auf eine Steuerbefreiung nur für fair gehandelten Kaffee ist mit Blick auf oben dargestellte Gesetzgebung und Rechtsprechung festzustellen, dass vergleichbare außerfiskalische Förderungs - und Lenkungsziele aus Gemeinwohlgründen (entwicklungspolitisch?, handelspolitisch ?) bislang nicht verfolgt werden. Der Begriff des „fair trade/ fair gehandelt“ müsste den Anforderungen an Normenklarheit und -bestimmtheit genügen, um als Differenzierungskriterium an das die Steuerbefreiung anknüpft, geeignet zu sein. Der Gesetzgeber müsste sich im Rahmen eines zulässigen Lenkungszwecks bzw. im Rahmen seiner diesbezüglichen Entschließungsfreiheit halten und der außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszweck müsste auch von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen sein. Die an sich bestehende ausschließliche Unionskompetenz für Handelspolitik (Art. 3 Abs. 1e), Art. 206ff. AEUV) dürfte der Verfolgung handelsbezogener Ziele dabei nicht entgegenstehen, da die Mitgliedstaaten bei der Kaffeesteuer als nicht harmonisierter Verbrauchsteuer in der Sache zuständig sind. Die Befreiung von der Kaffeesteuer nur für fair gehandelte Produkte kann daher mit Blick auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG 58 Bongartz, Schröer-Schallenberg: Die Stromsteuer – Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht und nationales Verfassungsrecht ?, DStR 1999, 969, 970. 59 Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 23. Juli 2002, BGBl. I, 2778. 60 BVerfG, Beschluss vom 25. Juli 2007 – 1 BvR 1031/07; vgl. auch BT-Drs. 14/9265, S. 12. 61 S. Gesetz zur Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnisse und zur Änderung des Stromsteuergesetzes vom 15. Juli 2006, BGBl. S. 1534 (EnergieStG). 62 Gesetz zur Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen und zur Änderung des Stromsteuergesetzes vom 15. Juli 2006, BGBl. I, S. 1534 (EnergieStG). 63 Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Energiesteuerrichtlinie). 64 Probst, Erneuter Wechsel bei der Biokraftstoffförderung – Einführung der Treibhausgasminderungsquote in Deutschland im Jahr 2015, ZUR 2015, S. 399. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 164/19 Seite 14 nicht abschließend beurteilt werden, da derzeit keine näheren Informationen mit Blick auf gesetzgeberisch verfolgte Lenkungszwecke und deren Begründung vorliegen. 3. Frage 2: Stellt eine Steuerbefreiung für fairen Kaffee eine Diskriminierung anderer Kaffeeproduzenten dar, die nicht fair gehandelten Kaffee vertreiben? Mit Blick auf die in einer solchen Steuerbefreiung liegende Ungleichbehandlung und ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung wird auf Punkt 2. verwiesen. 4. Frage 3: Müsste eine solche Steuerbefreiung für fair gehandelten Kaffee wegen des rechtlichen Gleichheitsgrundsatzes dann auch für alle anderen fair gehandelten Produkte gelten ? Der Vorschlag zur Steuerbefreiung von fair gehandeltem Kaffee betrifft die Kaffeesteuer als besondere , national geregelte Verbrauchsteuer. Als weitere besondere, nationale Verbrauchsteuern bestehen nur die Alkopopsteuer bzw. die (nichtige) Kernbrennstoffsteuer. Andere Produkte, bei denen ein „fair trade“ in Betracht kommt, unterliegen keiner besonderen Verbrauchsteuer, sondern in aller Regel der Umsatzsteuer als allgemeiner Verbrauchsteuer, die unionsrechtlich harmonisiert ist65. 5. Frage 4: Müsste eine solche Steuerbefreiung auch für in Deutschland/Europa fair produzierte Produkte gelten? Auch für diese Frage ist auf die unionsrechtliche Harmonisierung der besonderen Verbrauchsteuern für Energieerzeugnisse, Tabakwaren und alkoholische Getränke zu verweisen, nach denen sich steuerliche Vergünstigungs- und -befreiungstatbestände bestimmen66. Gleiches gilt für die Umsatzsteuer als harmonisierte, indirekte Steuer. *** 65 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem. 66 Gröpl, in Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 48. EL, Juli 2019, Steuerrecht, Rn. 633; Seiler, in Grabitz, Hilf, Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 68. EL. 2019, Art. 113 AEUV, Rn. 43ff.; Englisch , in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Auflage, § 16, Rn. 2.