Wissenschaftliche Dienste Sachstand Einzelfrage zur Zweitwohnungsteuer 161/10 Deutscher Bundestag Wissenschaftliche Dienste WO 4- 3000 161/10 Einzelfrage zur Zweitwohnungsteuer A klenzeicnen: Abschluss der Arbeit: Fa, illu,reich: ZH.06.2010 Ausarbeitungen und andere informationsangebate der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung dgs Deutschen Bundestages. cines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder, Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung dor Verfasserinnen und Verfasser sowie dor Fachbereichsloi(ung, Dor Dnittsche Bundestag bohålt gich die Rechte dar Vuröfrgntlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Platz der Republik I, 11011 Berlin. Wi s sens chaftliche Dienste 1. Zweitwohnungsteuerpflicht Sachstand 4 — 3000 • 161/10 Seite 3 Hat eine Person eine Zweitwohnung in Berlin inne, unterliegt sie gemäß S 1 Berliner Zweitwohnungsteuergesetz (BlnZwStG) der Zweitwohnungsteuer. Diese ist eine Aufwandsteuer i.S.d. Art. 105 Abs. 2a GG. Als solche kniipft sie an die wirtschaftlichc Leistungsfähigkeit, die sich im Auftvand fiir das Halten bestimmter Ge- oder Verbrauchsgegenstände offenbart, an.' Belastungsgrund fiir den steuerbaren Aufwand sei nach der Rechtspre- Chung des BVerfG2 zum verfassungsrechtlichen Aufwandsbegriff allein der im Konsum bestimm- 1er Güter zum Ausdruck kommende äußere Eindruck einer besonderen Leistungsfähigkeit. Der persönliche Anlass, der Grund oder das Motiv für den betriebenen Aufwand spielten dagegen keine Rolle. Der Begriff der Zweitwohnung ist in S 2 Abs. 1 BlnZwStG legal definiert. Zweitwohnung ist danach jede Wohnung, die dem Eigentümer Oder Hauptmictcr als Nebenwohnung i.S. d. Meldegosetzes ' dient. 2. Steuerbefreiung Eine Steuerbefreiung wird in S Z Abs. 7 Nr. 7 BlnZwStG normiert. Eine Steuer wird danach nicht erhoben fiir die Innehabung einor Wohnung. die von einer verheirateten Oder in eingetragonor Lebenspartnerschaft lebenden Person, dio nicht andauernd getrennt von ihrem Ehe- oder Lebonspartner ist, aus beruflichen Gründen gehalten wird, wenn die gemeinsame Wohnung die Hauptwohnung ist und außerhalb des Landes Berlin liegt. In einem Beschluss vom 19.08.2009' entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass S 2 Abs. 7 Nr. 7 BlnZwStG nicht anzuwenden ist, wenn die Eheleute beide Wohnungcn gemeinsam nutzen. Als Begründung führt der BFH an, die Ausnahme von der Steuerpflicht wurde nicht geschaffen, um Wohnungen, die aus beruflichen Gründen neben der Hauptwohnung gehalten werden, nicht zu belasten, sondern um zu verhindern, dass Ehegatten aus der melderechtlichcn Sonderregelung fiir don ehelichen Wohnsitz einen steuerlichen Nachteil erleiden* Ein Nachteil könne dadurch entstehen, dass gemäß S 12 Abs. 2 S. 2 Melderechtsrahmengesetz (MRRG) dic Hauptwohnung eines verheirateten Einwohners, der nicht dauernd getrennt lebt, die von den Eheleuten vorwiegend genutzto Wohnung ist. Damit ist ein Ehegatte, dessen vorwiegend genutzte Wohnung eigentlich die an seinem Beschäftigungsort ist, gezwungen, sich gleichwohl mit Hauptwohnsitz in der Kube in Beck'scher Online-Kommentar, 2010, Art. 105 GG, R". 48. BvR 52g/09, BvR 2684/09. Meldegesetz vom 26. Februar 1983. GVBI. S. 507. BFH, Beschluss vom B 38/09. BFH, Beschluss vom 19.08.2009 - II B 38/09, Rn. 8- Wissenschaftliche Dienste 4 — 3000 -161/10 Seite 4 ehelichen Wohnung zu melden. Dies hielt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Beschluss vom 11.10.2005 für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 1 Die zitierte Entscheidung hatte die Belastung eines erwerbsbedingt begriindeten weiteren Haushalts Cincs Ehegatten mit der Zweitwohnungsteuer zum Gegenstand. Zwar war nach den einschlägigen melderechtlichon Vorschriften bei mehreren Wohnungen die vorwiegend genutzte als Hauptwohnung anzusehen. Im Fall von nicht dauerhaft getrennt lebenden Ehegatten wurde jedoch die eheliche Wohnung als Hauptwohnung bestimmt. Dadurch konnte die vorwiegend genutzte Wohnung am Beschäftigungsort nicht als Hauptwohnung gemeldet werden. Eine Belastung mit der Zweitwohnungsteuer zu vermeiden war somit unmöglich. Diese unterschiedliche Behandlung verheirateter Personen gegenüber unverheirateten Personen belaste nach Ansicht des BVerfG das eheliche Zusammenleben in verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Weise. Dieser Nachteil entstehe nach dem BFH jedoch nicht, wenn die Eheleute beide Wohnungen gemeinsam nutzen, Donn daun beantworte sich die Frage nach dcr Hauptwohnung allein nach den tatsächlichen Nutzungsverhältuissen. Eine Ausnahme von der Steuer sei dann nicht mehr erfordorlich . Wonn Eheleute, die gemeinsam eine Wohnung am Beschäftigungsort benutzen, gloichwohl eine weitere gemeinsame Wohnung außerhalb des Beschäftigungsortes bewohnen, sei dies typischerweise Ausdruck und Indikator einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, an die die Zweitwohnungsteuer anknüpft. Bewohnen beide Ehegatten beide Wohnungen gemeinsam, sei der Zusammenhalt der Ehe- odor Lebenspartnerschaft nicht durch die zweite Wohnung gefähr- CICt.U Dic Frage, ob etwas anderes in Fällen gelten könne, in denen die weitere Wohnung außerhalb des Beschäftigungsortes gemeinsam von den Mieleuten und weiteren Familienmitgliedern bewohnt werden, ließ der BFH offen." 3. Mögliche Einwände Der Einwand, die Unterzeichnung des Mietvertrages erfolge nur aus dem Grund heraus, dass Ehegatten grundsätzlich gemeinsam handeln, wird an einer Besteuerung wohl nichts ändern, Für die Erhebung dor Zwcitwohnstener folgt aus deren Charakter als Aufwandsteuer, dass als Andicsc zum Ausdruck kommt, sei laut Rechtsprechung des BVerfG irrelevant. BVerfGE 114, 316. BVerfG, Beschluss vom 11.10.2005.1 BvR 1232,'W, 1 BvR 2627/03. BFH, Beschluss vom 19.08.2009-11 B 38/09. BFH, Beschluss vom 19.08.2009 • Il B 38/09, Ra. 10. siehe auch schon oben, I BvR 529/09. I BvR 266-4/09. Wissenschaftliche Dienste wn4 -3000-161/10 Seite 5 Einen Anknüpfungspunkt könnte das Argument, die Zweitwohnung werde nicht genutzt, bieten. Hinsichtlich der Nicht-Nutzung der Hauptwohnung hatten einzelne Oberverwaltungsgerichten (OVG) dic Zweitwohnungsteuerpflicht für Studenten. die noch mit Hauptwohnsitz bei den Eltern gemeldet waren, abgelehnt. Die OVGe führten dazu an. die Studenten hätten die elterliche Wohnung nicht inne und ihnen entstünde we*en der Kostenfreihcit ihrer Erstwohnung kein zusätzlicher Aufwand durch die Nebenwohnung am Studienort. Die Anmietung einer Studentenbude sei zudem kein Ausdruck wirtschaftlicher Leistungsfihigkeit, sondern ausschließlich den Zwängen des Studiums geschuldet. Dem sind allerdings BFH12 und BVerfG* entgegen getreten. Der Konsumzweck sei für den Begriff der Aufwandsteuer unerheblich, somit könnten auch solche Zweitwohnungcn einbezogen werden. die aus Gründen der Ausbildung bewohnt werden. Darauf, mit welchen Mitteln der Aufwand finanziert wird und wer den Aufwand trägt, komme es nicht Für das Innehaben einer Zweitwohnung sei nicht erforderlich. dass der Steuerpflichtigo auch eine rechtlich gesicherte Verfügungsmacht über die Erstwohnung habe. 4. Fazit Eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer ist gemäß S 2 Abs. 7 Nr. 7 BlnZwStG möglich, wenn dia Zweitwohnung von einer verheirateten, nicht dauerhaft in Trennung lebenden Parson, aus beruflichen Gründen gehalten wird, und die außerhalb Berlins gelegene Wohnung die einzige gemeinsnme Wohnung der Ehegatten ist. Die Erhebung Oinor Zweitwohnungsteuer verstößt nach dem Beschluss des BVerfG vom 11.10.2005 nur dann gegen Art. 6 Abs. GG, wenn das eheliche Zusammenleben behindert wird, Dios ist dann der Fall, wenn ein Ehegatte durch melderechtliche Vorschriften gehindert ist. seine vorwiegend genutzte Wohnung als Hauptwohnsitz zu melden. um so cincr Nebensteuer zu entgehen , l)ieser Fall tritt ein, wenn die eheliche Wohnung zwingend als Hauptwohnung bostimmt wird, Werdon ubcr beide Wohnungen von beiden Ehegatten bewohnt, beurteilt sich die Bestimmung der Hauptwohnung nach der vorwiegenden Nutzung. Eine Ungleichbehandlung von ver. heirateten und nicht verheirateten Personen und damit einc Benachteiligung des ehelichen Zu. sammenlebens liegt irn Lichte dieser Bundesverfassungsenlscheidung nach hiesiger Auffassung wohl nicht vor. 11 OVG Koblenz, Beschluss vom 29.01.2007 -6 B OVC Greifswald. vom27.02.2007 - 1 M 103/06. BFH. Urteil vom 1.10.2008 11 B 16/08. BVerfC„ 1 BvR 529/00. BFH, Urteil vom 1.10.2008—11B 16/08, Rn. 19.